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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 03.03.2018

Blick ins Leben junger russsicher Frauen

Fliegende Hunde
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Fliegende Hunde ist ein mutig erzählter Roman mit jungen Protagonisten im Mittelpunkt. Die Erzählabschnitte wechseln zwischen den Freundinnen Oksana und Lena. Außer in gelegentlichern Rückblicken haben ...

Fliegende Hunde ist ein mutig erzählter Roman mit jungen Protagonisten im Mittelpunkt. Die Erzählabschnitte wechseln zwischen den Freundinnen Oksana und Lena. Außer in gelegentlichern Rückblicken haben sie im ersten Teil keine gemeinsamen Passagen. Lena ist als Modell nach Shanghai in China gegangen, Oksana ist zurückgeblieben in Russland.
Man bekommt einen Einblick in die Gedankenwelt junger russischer Frauen und etwas verhaltener auch von der aktuellen russischen Gesellschaft, für die Putin fast ein Superstar ist.
Es ist keine tolerante Gesellschaft und Homosexualität kaum akzeptiert.

Der Roman ist kurz, aber in allen Abschnitten nicht ohne, teilweise hart und fordernd, zum Beispiel wenn Lenas Modellarbeit sie an den Rand der Prostitution führt oder Oksana immer mehr in einem Forum für Magersüchtige versinkt. Ihre absurde Diät biegt Gefahren.

Im kürzeren zweiten Teil des Buches treffen sich die liebenden wieder, doch viel hat sich verändert.

Wlada Kolosowa ist eine vielversprechende Autorin, die mit Fliegende Hunde überzeugt und bei der man gespannt auf kommende Romane warten kann.

Veröffentlicht am 28.02.2018

Die Geschichte von Mileva Maric

Frau Einstein
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Frau Einstein zeigt ein intensives Profil einer begabten Frau, die sich in einer Männerwelt durchsetzen muss. Denn die junge Serbin Mileva Maric studiert Ende des neunzehnten Jahrhunderts in Zürich Mathematik ...

Frau Einstein zeigt ein intensives Profil einer begabten Frau, die sich in einer Männerwelt durchsetzen muss. Denn die junge Serbin Mileva Maric studiert Ende des neunzehnten Jahrhunderts in Zürich Mathematik und Physik. Ein Kommilitone von ihr ist Albert Einstein. Später werden sie heiraten und gemeinsam physikalische Theorien entwickeln.
Der Roman wird konsequent aus der Sicht Milevas erzählt, so werden ihre Empfindungen und ihre Entwicklung sehr deutlich. Dazu gehören auch ihre Selbstzweifel, da sie von Geburt mit einer Gehbehinderung geschlagen ist.

Besonders in den ersten Hundert Seiten ist der Roman ein Lesegenuß, da die Studienzeit des Paars in Zürich, mit vielen Details geschildert, ein gutes Stück Zeitportrait ist. Es gibt auch einige humorvolle Passagen und die Romanze geht langsam, aber unaufhaltsam voran.

Das es für Mileva später im Schatten Einsteins schwer wird, kann man sich denken. Dabei erweist sich Einstein in mehr als einer Hinsicht als Egoist. Schwer erträglich, was Mileva ertragen muss, z.B. die Trennung vom gemeinsamen, unehelichen Kind, dazu die fehlende Würdigung als Wissenschaftlerin in der Öffentlichkeit.

Frau Einstein ist ein Roman mit starker Wirkung aufgrund der starken Titelfigur. Wirklich sehr lesenswert und die Autorin Marie Benedict muss man sich merken.

Veröffentlicht am 16.02.2018

Geschwisterbeziehung

Der große Bruder
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Der große Bruder ist ein kurzer Roman, aber er funktioniert dennoch gut, da sich die niederländische Autorin Esther Gerristen auf ein wichtiges Element konzentriert. Sie arbeitet die Tiefe der Beziehung ...

Der große Bruder ist ein kurzer Roman, aber er funktioniert dennoch gut, da sich die niederländische Autorin Esther Gerristen auf ein wichtiges Element konzentriert. Sie arbeitet die Tiefe der Beziehung zwischen den Figuren, Bruder und Schwester heraus. Eine Tiefe, den die beiden sich am Anfang nicht bewusst waren. Erst ein Schicksalsschlag führt sie dazu, als dem Diabetiker Marcus ein Bein abgenommen werden. Seine Schwester Olivia ist eigentlich von ihm entfremdet, dennoch nimmt sie ihn für die Zeit der Rekonvalenz bei sich und ihrer Familie auf.

Die Wiederannäherung der Geschwister ist nicht einfach und braucht seine Zeit. Überrascht stellt Olivia fest, dass ihr Bruder andere Erinnerungen an ihre gemeinsame Kindheit hat als sie. Olivia stellt ihr Leben, Beruf und Familie in Frage.

Die Autorin nimmt dem Text durch ironische, witzige Dialoge ihre Tragik, nicht jedoch ihrer Bedeutung. Es bleibt ein ernsthafter, realistischer Text. Ein Buch, dass ich sehr gerne gelesen habe.

Veröffentlicht am 14.01.2018

Fotos und Interviews

Der weiße Fleck/The White Spot. DDR Hohenschönhausen
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Die Fotografin Ivanka Penjak beschäftigt sich in ihrem Buch „Der weiße Fleck“ mit der Frage damit, wie fotografiere ich etwas Abstraktes wie Geschichte?
Thema sind die Menschen, die zu Zeiten der DDR aus ...

Die Fotografin Ivanka Penjak beschäftigt sich in ihrem Buch „Der weiße Fleck“ mit der Frage damit, wie fotografiere ich etwas Abstraktes wie Geschichte?
Thema sind die Menschen, die zu Zeiten der DDR aus politischen Gründen, wie z.B. versuchter Republikflucht, verhaftet und von der Stasi verhört wurden.
Dafür fotografierte die Autorin die ehemalige Untersuchungshaftanstalt der Staatssicherheit der DDR in Hohenschönhausen, Berlin und einige Menschen, die hier in Isolationshaft saßen, aber auch ehemalige Mitarbeiter der Stasi.
Es sind schon beklemmende Fotos, die sofort deutlich machen, dass hier nichts gemütlich war.

Dann folgen die Interviews mit 10 Beteiligten. Hierbei kommen die Menschen wirklich zu Wort und es wird emotional. Man spürt, dass für die betroffenen die Sache nicht wirklich vorbei ist. Die erlebten Ungerechtigkeiten haben sie geprägt. Man kann sie aber auch dafür bewundern, dass sie nicht gebrochen sind sondern ihren inneren Widerstand gegen ein Unrechtssystem erhalten haben.
Die Texte sind durchgängig in Deutsch und Englisch gehalten.

Als E-Book ist das Buch teilweise schwer lesbar. Abbildungen und Schriftgröße passen je nach E-Book-Reader-Einstellung häufig nicht zu zueinander.
Ich würde daher doch zu der Buchausgabe raten.

Das Buch ist wichtig, da es Geschehnisse dokumentiert, die doch manche heute nicht mehr wahrhaben wollen und verleugnen.
Der weiße Fleck ist ein Werk, das dazu beiträgt, Geschichtsrevisionismus zu verhindern.

Veröffentlicht am 06.01.2018

Ein Buch der Erkenntnisse!

Metallisierte Welt - auf den Spuren einer Subkultur
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Metallisierte Welt

Die Idee des Buches ist sofort überzeugend. Man kennt tatsächlich nur die westliche Perspektive und deswegen ist es überaus interessant, die Sicht der restlichen Welt kennenzulernen. ...

Metallisierte Welt

Die Idee des Buches ist sofort überzeugend. Man kennt tatsächlich nur die westliche Perspektive und deswegen ist es überaus interessant, die Sicht der restlichen Welt kennenzulernen. Heavy Metal ist dabei das Thema, doch gleichzeitig beinhaltet das auch die Einstellung vieler Länder zu Freiheit, Religion und Toleranz. Durch eine Vielzahl von Interviews mit Bands aus allen möglichen Ländern erhält man einen umfassenden Eindruck. Ob dabei jeweils ein Interview pro Land ausreichend ist, um repräsentativ zu sein, muss man zwar bezweifeln, aber anders kann das schließlich kaum realisiert werden, wenn man so viele Länder berücksichtigen will.
Die Fragen sind jeweils ziemlich ähnlich, das ist natürlich auch sinnvoll, um einen Vergleich zwischen den Ländern zu ziehen.

Ein Eindruck ergibt sich schnell. In den meisten muslimischen Ländern ist die Metalszene sehr klein und kaum im Mittelpunkt. Engagierte Metalheads haben wenig Möglichkeiten, sind umso größere Idealisten.
Erstaunlich ist aber auch, dass sich viele grundsätzliche Einstellungen bei den Metalheads wiederfinden lassen. Der Drang nach Freiheit und Toleranz, Abkehr von religiösen oder anderen Unterdrückungstendenzen, dabei gibt es kaum extreme Einstellungen. Das deckt sich wieder mit der westlichen Szene, wie man sie kennt.
Auch bei den Vorbildern und Einflüssen werden oft die gleichen Bandnamen, übrigens fast ausschließlich westliche, genannt. Offenbar speist sich der Metal weltweit aus der gleichen Quelle.

Leider gibt es auch Länder, in denen Metal zu machen fast unmöglich oder sehr riskant ist, etwa Saudi Arabien oder Iran.

Ein Nebeneffekt des Buches ist es, dass man einige musikalische Entdeckungen machen kann und qualitativ ist vieles auf gutem Niveau!

Ein Buch der Erkenntnisse!