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Veröffentlicht am 18.02.2018

Das "Cristallo"-Geheimnis

Das Geheimnis des Glasbläsers
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1452 feiert König Friedrich III. seine Hochzeit mit Eleonore, bevor er zum Kaiser des Römischen Reiches gekrönt werden soll. Zwischen all den Geschenken, die aus aller Welt eintreffen, findet das Präsent ...

1452 feiert König Friedrich III. seine Hochzeit mit Eleonore, bevor er zum Kaiser des Römischen Reiches gekrönt werden soll. Zwischen all den Geschenken, die aus aller Welt eintreffen, findet das Präsent eines Ratsmitglieds aus Venedig. Emilio Nani überreicht zwei kristallene Glaspokale, dessen Material „Cristallo“ genannt wird. Solche Pokale hat noch niemand gesehen, ist man doch nur grünen Trinkglas gewohnt. Friedrich möchte unbedingt das Geheimnis des „Cristallo“ herausfinden und überträgt seinem Kanzler die Aufgabe, dieses den Venezianer abspenstig zu machen. Der Kanzler findet in dem jungen Glasbläser Simon seinen Spion, den er nach Venedig entsendet, um dort das „Cristallo“-Rezept zu entwenden und an den Hof zu bringen. Simon wird von dem etwas unbedarften Scherbensammler Ulf und der Eselin Lilly begleitet. Die Reise birgt schon jede Menge Gefahren, doch auch der Aufenthalt in Venedig wird durch einen Serienmörder, der dort sein Unwesen treibt, recht turbulent. Zudem begegnet Simon auch noch die Liebe in Gestalt eines schönen Mädchens, was in zeitweilig seine eigentliche Aufgabe vergessen lässt und ihn sogar nach Konstantinopel treibt. Werden die Gefährten das Geheimnis des „Cristallo“ lüften?
Ralf W. Dorweiler hat mit seinem Buch „Das Geheimnis des Glasbläsers“ einen sehr fesselnden und unterhaltsamen historischen Roman vorgelegt. Der Schreibstil ist flüssig, spannend und bildgewaltig. Schnell taucht der Leser in die vergangene Zeit ab, um an der Seite von Simon und Ulf die gefährliche Reise vom Schwarzwald über die Alpen nach Venedig und weiter nach Konstantinopel anzutreten und zum anderen die erfolgreiche Bordellbesitzerin Serena, die Ulf und Simon unter ihre Fittiche nimmt. Die Handlung wird aus zwei Perspektiven erzählt und lässt den Leser zum einen an der Welt von Simon und Ulf teilnehmen, zum anderen Serenas Leben und ihre Gedanken kennenlernen. Sehr schön verwebt der Autor beide Handlungsstränge geschickt, so dass sie im Verlauf eine Einheit bilden. Dorweiler schildert die gefährliche Reise von Simon und Ulf so plastisch, dass der Leser alles vor dem inneren Auge miterleben kann und sich als Teil der Reisegesellschaft einschließlich Esel fühlt. Ebenso bildhaft wird die Lagunenschönheit Venedig und die Insel Murano geschildert sowie das Handwerk der Glasbläserei, durch das so viel mystische Schönheit entsteht. Der Spannungsbogen wird schnell aufgebaut und steigert sich im Verlauf der Geschichte immer mehr in die Höhe bis zum finalen Schluss. Durch die Verflechtung von Fiktion und historisch belegten Fakten wird die Handlung noch glaubhafter.
Die Charaktere sind sehr detailliert und liebevoll ausgearbeitet und mit individuellen Eigenschaften versehen. Sie wirken durchweg real und authentisch. Simon ist ein junger Mann mit einem Hang dazu, sich ständig in Schwierigkeiten zu bringen. Er ist ein talentierter Glasbläser, doch durch seine Eskapaden ist seine berufliche Laufbahn nicht gerade von Erfolg gekrönt. Simon und Ulf mögen sich zu Beginn überhaupt nicht, sind aber in einer Zweckgemeinschaft aneinander gebunden. Ulf ist ein Riese mit dem Geist eines Kindes. Doch er setzt sich für seine Freunde ein, und während der langen und gefährlichen Reise lernen er und Simon sich gut kennen und schätzen, man könnte sagen, da haben sich Freunde fürs Leben gefunden. Auch sollte man Ulf nicht unterschätzen, sieht er viele Dinge doch genau so, wie sie wirklich sind. Beeindruckend ist die Entwicklung sowohl von Simon als auch von Ulf während ihrer gemeinsamen Reise. Serena ist eine geschäftstüchtige Frau, die zwar hart sein kann, aber ihr Herz auch für Gestrandete öffnet und ihnen zu Hilfe eilt. Eine weitere Hauptrolle in dieser abenteuerlichen Geschichte spielt die Eselin Lilly.
„Das Geheimnis des Glasbläsers“ ist ein durch und durch gelungener historischer Roman, der sowohl Abenteuer als auch Liebe und kriminalistische Elemente miteinander vereint. Ein Buch, das der Leser – einmal begonnen – nicht mehr aus der Hand legen wird, bis die letzte Seite verschlungen ist. Absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 18.02.2018

Das harte Leben zwischen Krieg und Kräutern

Der fremde Reiter
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1188 Vissel am Rhein. Die junge Bauerstochter Lioba interessiert sich sehr für die Heilkunde. Während sie im Wald Kräuter sammelt, findet sie einen bewusstlosen und verletzten Mann. Im Haus des Pfarrers ...

1188 Vissel am Rhein. Die junge Bauerstochter Lioba interessiert sich sehr für die Heilkunde. Während sie im Wald Kräuter sammelt, findet sie einen bewusstlosen und verletzten Mann. Im Haus des Pfarrers wird dieser versorgt und gesund gepflegt, doch leider kann er sich nicht an seinen eigenen Namen noch an sein vorheriges Leben erinnern. Nachdem er sich einigermaßen erholt hat, taufen ihn die Dorfbewohner auf den Namen Thomas. Er zieht in das Haus von Liobas Familie ein und arbeitet für sie. Dabei verlieben sich Thomas und Lioba ineinander. Doch nach und nach kommt die Erinnerung an sein altes Leben zurück, und als ihn jemand auch noch erkennt, weiß Thomas, dass er ein Ritter ist. Er macht sich auf den Weg zu seiner Familie und begibt sich von dort für den Kaiser auf einen Kreuzzug. Werden Lioba und Thomas, der eigentlich Otto von Linn heißt, sich wiedersehen?
Marion Johanning hat mit ihrem Buch „Der fremde Ritter“ einen sehr schönen und fesselnden historischen Roman vorgelegt. Der Schreibstil ist flüssig, dabei bildgewaltig und detailliert. Schnell gelingt es dem Leser, in die Handlung und in ein längst vergangenes Jahrhundert abzutauchen, um mal an der Seite von Lioba zu stehen, um ihre Gedanken und Gefühle kennenzulernen, oder neben Thomas eine Reise zu den Kreuzzügen zu unternehmen. Die Geschichte wird in zwei Handlungssträngen erzählt, der eine befasst sich mit Lioba und ihrem Leben im Wald, der andere berichtet von Thomas und seinen Erlebnissen. Die Autorin hat akribische Recherche betrieben, denn sie lässt den Leser ebenso teilhaben an dem großen Aberglauben und der Brandmarkung als Hexe, als auch die beschwerliche und gefährliche Reise des 3. Kreuzzuges nach Jerusalem und die dort auszufechtenden Kämpfe mit all ihren Grausamkeiten. Durch geschickt gelegte Wendungen und Überraschungen steigert die Autorin immer wieder die Spannung, die sich bis zum finalen Schluss auf hohem Niveau hält.
Die Charaktere sind sehr lebendig und individuell gezeichnet, weshalb sie sehr real und authentisch wirken. Lioba ist mit ihrem Alter von 14 schon eine recht selbstbewusste junge Frau, die der Leser gleich ins Herz schließt. Sie hat mit dem Tod der Mutter schon einen harten Schicksalsschlag verkraften müssen und leidet nun unter ihrer Stiefmutter. Außerdem wird ihr von den Dorfbewohnern das Leben schwer gemacht, denn sie sind sehr abergläubig und geben Lioba als Heilkundige für alle Missgeschicke die Schuld. Auch Missgunst und Neid treiben ihre Blüten und machen dem Mädchen das Leben im Dorf zur Hölle. Es artet so aus, dass Lioba gar nichts anderes übrig bleibt, als ihr Heil in der Flucht zu suchen, während der sie auch allerhand durchmachen muss. Thomas alias Otto ist ein sympathischer junger Mann, dessen Wesen sich im Verlauf der Handlung immer mehr verändert, je mehr Grausamkeiten er durch den Kreuzzug erleben muss. Relindis führt sehr zurückgezogen ein Leben im Wald und hat sich der Kräuterkunde verschrieben. Sie hat zwar einen recht rauen Charakter und ist recht misstrauisch, doch hat sie auch ein weiches Herz und Mitgefühl gegenüber Gestrandeten. Christina ist Liobas beste Freundin, die versucht, diese immer wieder aufzubauen und zu unterstützen. Auch die übrigen Protagonisten tragen mit ihren eigenen Episoden zur Handlung bei.
„Der fremde Reiter“ ist ein spannender historischer Roman, der sowohl eine Liebesgeschichte enthält, aber auch die harten Zeiten damals besonders thematisiert. Durch die geschickte Vermischung von Realität und Fiktion ist hier eine äußerst lesenswerte Geschichte entstanden. Auf jeden Fall eine Leseempfehlung für Historienliebhaber!

Veröffentlicht am 18.02.2018

Stolz und Vorurteil

Ein Kindermädchen zum Verlieben
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1882 New York. Die 24-jährige Millie Longfellow wuchs in einem Waisenhaus auf und arbeitet nun als Kindermädchen für die reicheren Familien New Yorks. Doch leider kann sie ihre Jobs nie lange halten, hat ...

1882 New York. Die 24-jährige Millie Longfellow wuchs in einem Waisenhaus auf und arbeitet nun als Kindermädchen für die reicheren Familien New Yorks. Doch leider kann sie ihre Jobs nie lange halten, hat sie doch recht eigenwillige Methoden in punkto Kindererziehung, mit denen hauptsächlich die Eltern der Kinder nicht einverstanden sind. Gerade wurde sie wieder entlassen, als sie vor der Jobvermittlungsstelle auf den begehrten Junggesellen Everett Mulberry trifft, der händeringend ein Kindermädchen sucht für seine 3 Patenkinder, die bei ihm seit dem Unfalltod ihrer Eltern leben. Er kommt mit den Kindern überhaupt nicht zurecht, die Kindermädchen nehmen alle Reißaus und seine Verlobte Caroline Dixon plant schon, die drei ins Internat abzuschieben. Everett beschließt in seiner Notlage, Millie eine Chance zu geben, obwohl er nur mäßig davon begeistert ist. Gleich zu Beginn ihrer neuen Aufgabe steht Millie vor einer großen Herausforderung, denn sie soll Everett und die Kinder nach Newport ins Sommerhaus begleiten. Die Kinder sträuben sich immer wieder gegen Millie und ihren Onkel, doch nach und nach gewinnt Millie ihr Vertrauen. Wird auch Everett erkennen, dass mit Millie seine Wahl gar nicht so schlecht war?
Jen Turano hat mit ihrem Buch „Ein Kindermädchen zum Verlieben“ einen wunderschönen und fesselnden historischen Roman vorgelegt. Der Schreibstil ist flüssig, gefühlvoll und bildhaft, schnell taucht der Leser in die vergangene Zeit ein und lässt sich von den teils humorvollen und spritzigen Dialogen verzaubern. Von Beginn an begleitet der Leser Millie bei all ihren Aktivitäten und stellt recht bald fest, dass ihre ganz eigenen Methoden der Kindererziehung recht effektiv sind, wenn sie auch von der damaligen Gesellschaft wenig toleriert oder verstanden werden. Kinder waren zu jener Zeit zwar wichtig, aber die wohlbetuchten Eltern kümmerten sich recht wenig um sie. Meist sahen sie ihren Nachwuchs nur zum Essen oder sie wurden bei Gesellschaften herausgeputzt und den Gästen präsentiert. Die Kinder hatten meist eine engere Beziehung zu ihrem Kindermädchen als zu den eigenen Eltern. Die Autorin hat innerhalb ihrer Geschichte den Standesdünkel sehr schön herausgearbeitet, zumal sie auch sehr deutlich die doch recht verächtliche Sichtweise auf Angestellte oder Schauspieler hervorhob. Diese Menschen werden zwar gebraucht, gehören aber bitte nicht zum engeren Familien- oder Bekanntenkreis. Sie waren ihrer nicht würdig. Neben den gesellschaftlichen Unterschieden platziert die Autorin auch noch einige geschickte Wendungen und lässt ihren Roman zum Ende hin sogar fast wie einen Krimi wirken.
Die Charaktere wurden von der Autorin sehr liebevoll ausgestaltet und mit individuellen Eigenschaften versehen. Sie wirken lebendig und authentisch. Millie hat schon einige Schicksalsschläge verkraften müssen, aber sich ihren Frohsinn und ihre Offenheit bewahrt und sich nie unterkriegen lassen. Sie liebt ihre Arbeit mit den Kindern, denen sie einiges beibringen und gleichzeitig auch von ihnen lernen kann. Millie gibt den geschundenen kleinen Seelen die benötigte Liebe und Wärme, die ihnen in ihrem familiären Alltag fehlt. Auch ihre Eigenheit, Fremdwörter nachzuschlagen, um sie dann später selbst einmal verwenden zu können, zeugt von Lerneifer und dem Wunsch nach Bildung. Everett ist nicht nur ein reicher Mann, sondern leider auch ein Snob. Er selbst wurde so erzogen, die gesellschaftlichen Ansinnen zu vertreten und sich den Wünschen seiner Eltern zu beugen. Doch je länger er Millie mit den Kindern beobachtet und auch einen aufmerksameren Blick auf sein Umfeld wirft, umso mehr gewinnt er die Erkenntnis, dass das, was er bisher kannte, doch nicht so richtig sein kann. War Everett vorher eher steif wie ein Stock und blasiert, so zeigt er im Verlauf der Handlung immer mehr Herz und Humor, was ihm richtig gut tut. Sowohl Protagonisten wie Lucetta, Dorothy oder Abigail lassen innerhalb der Geschichte einiges an Mitgefühl und Freundschaft einfließen, während Caroline wie eine Giftschlange nur Unheil und Bösartigkeit vermittelt. Die drei Kinder Rosetta, Elizabeth und Thaddeus sind wie kleine Hurricanes, um die sich alles dreht.
Der christliche Aspekt wird durch kleine Ansprachen und Gebete an Gott hervorgehoben, die richtige Richtung zu weisen oder Kraft zu verleihen. Aber auch die mitmenschliche Seite sowie Hoffnung wird hier angesprochen.
„Ein Kindermädchen zum Verlieben“ ist ein romantischer, humorvoller und auch spannender historischer Roman, der dem Leser eine Achterbahn an Gefühlen präsentiert und mit dem man sich einfach nur wohlfühlt. Absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 17.02.2018

Blick ins Männerherz

Die Herzen der Männer
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1962 Pfadfindercamp Chippewa/Wisconsin. Der 13-jährige Nelson Doughty ist ein ehrgeiziger und strebsamer Junge, der aufgrund seiner Intelligenz ein Außenseiter ohne Freunde allein in einem Zelt wohnt. ...

1962 Pfadfindercamp Chippewa/Wisconsin. Der 13-jährige Nelson Doughty ist ein ehrgeiziger und strebsamer Junge, der aufgrund seiner Intelligenz ein Außenseiter ohne Freunde allein in einem Zelt wohnt. Als Pfadfinder sammelt er recht erfolgreich Abzeichen, was ihm den Neid und die Verachtung seiner Altersgenossen einträgt. Auch für seinen Vater, der als Begleitung mit im Lager ist, ist Nelsen eine einzige Enttäuschung, so dass dieser seinem Sohn etwas mehr Aufgeschlossenheit einprügeln will¸ anstatt ihm Liebe und Verständnis entgegen zu bringen. Einzig Jonathan Quick ist Nelson in dieser Zeit so etwas wie ein Freund, der sich seiner annimmt. Die beiden bleiben all die Jahre in Kontakt. Nach 34 Jahren leitet 1996 nun Nelsen das Pfadfinderlager, nachdem er im Vietnamkrieg gedient hat und betreut unter anderem Jonathans Sohn Trevor. Während dieses Sommers lernt Trevor seinen Vater von einer ganz neuen und nicht gerade positiven Seite kennen, denn dieser verlässt seine Frau für eine Geliebte und lässt Trevor zudem an einer dauerhaften Liebe zweifeln. Im Jahr 2019 schließlich begleitet Trevors Ehefrau Rachel Sohn Thomas ins Pfadfinderlager, wo Nelsen seinen letzten Sommer vor dem Ruhestand verbringt. Dass Rachel die einzige Frau in dem Lager ist, bringt einige Probleme mit sich, die dann schnell ausufern…
Nickolas Butler hat mit seinem Buch „Die Herzen der Männer“ einen sehr fesselnden, gefühlvollen und teils sogar poetischen Roman vorgelegt, der sich hauptsächlich mit Männern beschäftigt und mit den Themen Familie, Väter, Freundschaft und Disziplin beschäftigt sowie mit dem Zusammenleben in einem sommerlichen Pfadfinderlager. Butler weiß zu berühren und gleichzeitig auch Entsetzen und Abscheu hervorzurufen aufgrund seiner schonungslos offenen Erzählweise. Die Handlung ist in drei verschiedene Jahresabschnitte unterteilt, der letzte reicht sogar bis in die nicht mehr weite Zukunft ins Jahr 2021. Nelsen Doughty ist dabei in jedem einzelnen Abschnitt vertreten, erst als Hauptprotagonist, dann eher als Nebenrolle, doch Butler schafft damit eine direkte Verbindung zu den einzelnen Jahresabschnitten, die immer eine weitere Generation von Männern im Pfadfinderlager vereint. Besonders interessant ist Butlers Können, die jeweilige Zeitzone hautnah zu treffen. So hält er sich an die entsprechenden Eigenheiten der 60er Jahre, lässt die späten 90er wiederauferstehen und lässt sogar einen Blick in die Zukunft zu. Dreh- und Angelpunkt ist dabei immer wieder das Pfadfinderlager, eine typisch-amerikanische Besonderheit, die dort regelrecht zelebriert wird.
Die Charaktere sind meisterlich ausgestaltet und mit Leben versehen worden. Aufgrund ihrer Individualität wirken sie sehr authentisch und real. Nelsen ist zu Beginn ein einsamer kleiner Junge, der die Liebe und Aufmerksamkeit seines Vaters damit erhalten möchte, in dem er besser und klüger ist als alle anderen. Leider macht ihn das zu einem Außenseiter, der zum Dank Prügel bezieht und von allen geschnitten wird. Im Verlauf der Geschichte nimmt der Leser an Nelsons Leben teil, sieht ihn älter werden und einiges Schicksalsschläge durchlaufen einschließlich seiner Zeit in Vietnam. Doch immer behält Nelsen die Tugenden Gerechtigkeitssinn, Ordnung und Disziplin bei, versucht dieses auch den Kindern im Camp immer wieder zu vermitteln. Aber je weiter die Zeit voranschreitet, umso mehr verschieben sich die Prioritäten der einzelnen Generationen. Jonathan ist zuerst ein charismatischer offener und netter Junge, der sich im Laufe der Jahre dann zu einem Zyniker entwickelt, der schonungslos seinem eigenen Sohn Illusionen raubt. Protagonisten wie Wilbur Whiteside, Clete Doughty oder Trevor Quick bereichern die Handlung ebenfalls mit ihren ganz eigenen Geschichten und Erfahrungen.
„Die Herzen der Männer“ ist ein sehr tiefgründiger und einfühlsamer Roman, der das Verhalten der Männer über Generationen beobachtet und verdeutlicht, dass einige ihre eigenen Fehler weitergeben, während andere aus Erfahrungen gelernt haben und es besser machen. Butler lässt einen Blick durchs Schlüsselloch zu, um vielleicht ein besseres Verständnis für Männer zu wecken. Ihm ist ein wunderbarer Roman gelungen, der eine absolute Leseempfehlung in jeder Beziehung verdient.

Veröffentlicht am 11.02.2018

Erstes Kennenlernen mit Frederike und Fennhusen

Das Fest der kleinen Wunder
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1925 Vorweihnachtszeit in Ostpreußen. Die 16-jährige Frederike lebt gemeinsam mit ihren Geschwistern und ihren Eltern auf Gut Fennhusen. Die Mutter ist in dritter Ehe mit Erik verheiratet und zog mit ihren ...

1925 Vorweihnachtszeit in Ostpreußen. Die 16-jährige Frederike lebt gemeinsam mit ihren Geschwistern und ihren Eltern auf Gut Fennhusen. Die Mutter ist in dritter Ehe mit Erik verheiratet und zog mit ihren ältesten drei Kindern von Potsdam auf das Gut in Ostpreußen. Frederike hat nur noch ein Jahr, bevor sie das Gut für eine weiterbildende Handelsschule für höhere Töchter verlassen wird. Sie liebt Pferde und nutzt jede Gelegenheit, mit ihrem eigenen Pony über die Felder und durch die Wälder zu reiten. Zu Caramell, der Stute ihrer Mutter, hat Frederike eine besondere Liebe entwickelt. Doch diese wurde lange Zeit nicht geritten und benimmt sich störrisch und unberechenbar. Es steht zur Diskussion, das Pferd zu verkaufen, aber Frederike unternimmt alles, damit es nicht dazu kommt, ist Caramell doch die letzte Verbindung zu ihrem bereits verstorbenen leiblichen Vater. Leider wirbt der Nachbar von Gut Fennhusen hartnäckig um das Pferd und so muss Frederike schon einiges einfallen, damit der Verkauf verhindert wird. Wird es ihr gelingen, ihren Stiefvater zu überzeugen oder findet das nahende Weihnachtsfest ohne Caramell statt?
Ulrike Renk hat mit ihrem kleinen Büchlein „Das Fest der kleinen Wunder“ die Vorgeschichte ihrer „Ostpreußensaga“ vorgelegt. Der Schreibstil ist wunderbar flüssig und bildhaft, der Leser nimmt von der ersten Seite an direkt Teil an einem Leben in vergangener Zeit auf einen alten Gutshof, der seit Generationen in Familienbesitz ist. Hautnah erlebt man das Zusammenleben von Herrschaft und Bediensteten mit, die alle hart arbeiten, aber auch gemeinsam feiern. Der Alltag wird so lebhaft und bildgewaltig beschrieben, dass der Leser das Gefühl hat, hautnah dabei zu sein und alles mit eigenen Augen zu beobachten. Der Autorin gelingt es geschickt, den Leser mit auf die Jagd zu nehmen oder die Herstellung von Pfefferkuchen in der Gutsherrenküche gedanklich mitzuerleben. Überhaupt spiegelt die Küche den Mittelpunkt des Hauses wieder, wo sich die Kinder oft aufhalten und stibitzen, wo die Köchin mit ihrer Entourage für das leibliche Wohl der Gutsherrschaften und sämtlichen Bediensteten sorgt, womit ihr eine Schlüsselrolle zukommt.
Die Charaktere sind sehr liebevoll und lebendig gestaltet, jeder von ihnen besitzt besondere Eigenheiten, die sie sehr authentisch und realitätsnah wirken lassen. Frederike ist ein liebes und aufgeschlossenes Mädchen an der Stufe zur jungen Frau. Sie ist ihrer Familie sehr verbunden, fühlt sich geborgen und wohl auf dem Gut. Ihre Leidenschaft für Pferde kann sie hier ausleben. Für ihre jüngeren Geschwister ist sie ein gutes Vorbild. Frederike setzt sich für sie ein und deckt auch so manchen Streich, der schief geht. Eigentlich hat sie genügend Menschen um sich herum, dennoch vermisst sie ihre Freundin Thea, die in Berlin lebt und nur zu besonderen Anlässen zu Gast auf dem Gutshof ist. Aber sind die beiden Mädels einmal zusammen, halten sie zusammen wie Pech und Schwefel. Fritz, Frederikes jüngerer Bruder, hat nur Flausen im Kopf. Er interessiert sich für alles Technische und setzt sich gern und oft über Verbote hinweg, was oftmals leider gründlich schief geht. Köchin Schneider ist die Seele des Hauses und verwöhnt die Kinder gern und oft mit Leckereien. Sie trägt das Herz auf der Zunge und lebt schon seit Ewigkeiten auf dem Gut. Auch die übrigen Protagonisten tragen zum Wohlfühlfaktor dieser Geschichte bei, in der man alle Charaktere schon einmal kennenlernen kann, bevor man sich an die bereits veröffentlichten Bände der „Ostpreußen-Saga“ wagt.
„Das Fest der kleinen Wunder“ ist eine sehr schöne Einstimmung auf die Bücher „Das Lied der Störche“, „Die Jahre der Schwalben“ und „Die Zeit der Kraniche“, welches erst noch erscheinen wird. Alle, die die Saga gern lesen möchten, sollten sich dieses Buch nicht entgehen lassen, da der Einstieg in die Bücher hierdurch wunderbar erleichtert wird. Eine wirklich schöne Geschichte, die ruhig noch länger hätte sein können. Absolute Leseempfehlung!