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Veröffentlicht am 26.04.2018

Alte Wunden

Die gute Tochter
0

Georgia, 16. März 1989: Die Quinns leben seit Kurzem auf einer heruntergekommenen Farm, weil ihr Stadthaus angezündet wurde - vermutlich von jemandem, der mit den Praktiken des Strafverteidigers und Familienvaters ...

Georgia, 16. März 1989: Die Quinns leben seit Kurzem auf einer heruntergekommenen Farm, weil ihr Stadthaus angezündet wurde - vermutlich von jemandem, der mit den Praktiken des Strafverteidigers und Familienvaters Rusty Quinn nicht unbedingt einverstanden ist. Mutter Gamma ist mit den Töchtern Sam und Charlie allein im Haus, als plötzlich zwei maskierte, bewaffnete Männer in der Tür stehen und das Unglück seinen Lauf nimmt...
28 Jahre später ist Charlie selbst Anwältin und gerät unversehens erneut ins Auge einer Tragödie, die das alte Trauma zurück in ihr Bewusstsein holt.

Unglaublich, aber wahr: "Die gute Tochter" war für mich das allererste Buch der Bestsellerautorin Karin Slaughter. Ihr Name war mir natürlich ein Begriff, und ich hatte auch schon öfter bei einem Stöberbesuch in der Buchhandlung einen Titel von ihr in der Hand. Da ich wusste, dass sie mindestens zwei Reihen schreibt / geschrieben hat, habe ich mich letztendlich nie getraut, eins ihrer Bücher spontan einzupacken, denn ich hasse nichts mehr, als zuhause festzustellen, dass ich mir gerade den vierten Band einer noch unbekannten Reihe eingehandelt habe.

Umso begeisterter war ich nun von meinem ersten, sorgfältig ausgewählten Slaughter-Thriller, denn die Geschichte überzeugt von der ersten bis zur letzten Seite. In die Handlung startet man mit den Geschehnissen im Jahr 1989, man erfährt als erstes, was den drei Quinn-Frauen an jenem schicksalhaften Tag zugestoßen ist. Die folgenden 28 Jahre werden übersprungen, und der Leser lernt nach der dreizehnjährigen Charlie nun die Charlie in den mittleren Jahren kennen, die postwendend Augenzeugin eines Verbrechens wird. Im späteren Verlauf gibt es noch weitere Rückblenden ins Jahr 1989, die andere Perspektiven in den Mittelpunkt stellen, neue Details zu Tage fördern, und dadurch ein völlig neues Licht auf die Ereignisse und die Figuren werfen.

Obwohl man bei beiden Verbrechen (in der Vergangenheit und in der Gegenwart) von Anfang an weiß, wer die Täter sind, kann man das Buch kaum aus der Hand legen, denn in diesem Fall ist die brennendste Frage nicht das "Wer?" sondern das "Warum?". Und diese Fragestellung ist fast noch fesselnder als die übliche Tätersuche, die man normalerweise in einem Thriller erwarten würde.

Die Figuren wirken zu Beginn ein wenig undurchsichtig und man hat das Gefühl, dass man ihre Handlungen und Gedanken nicht wirklich nachvollziehen kann, aber oft kommt man im Nachhinein dahinter, was sie in der Situation antreibt, oder warum sie so reagieren, wie sie es tun.

Bei meiner überschwänglichen Begeisterung stellt sich wahrscheinlich die Frage, warum es nur vier statt fünf Sterne in der Gesamtwertung gibt, obwohl sich keine Kritikpunkte zur Geschichte selbst finden. Das liegt daran, dass im Buch unheimlich viele Fehler enthalten sind. Ich bin kein Leser, der explizit nach Druckfehlern sucht, wahrscheinlich überlese ich sogar die meisten. Aber in diesem Fall war es leider so ausgeprägt, dass manche Sätze selbst nach dem dritten Lesen noch immer keinerlei Sinn ergaben. Beispiel gefällig? Kapitel 11, Position 5358 im Ebook: "Er machte eine schwenkte den Hammer herum, um zur Eile zu drängen." Was das bedeuten soll? Ich habe noch immer keine Ahnung. Leider war das nicht der einzige Fall, und sowas stört meinen Lesefluss enorm - und es ist auch schade um die wirklich tolle Geschichte, daher muss ich leider einen Stern abziehen.

Dennoch hat mich "Die gute Tochter" überzeugt: Die Story ist frisch und einfach anders, der Plot klug durchdacht ohne dabei konstruiert zu wirken, und die Handlung macht so einige Kurven, die alle meine Mutmaßungen mehrfach wieder auf den Kopf gestellt haben - davon möchte ich definitiv mehr, denn ich habe mich beim Lesen keine Sekunde gelangweilt.

Veröffentlicht am 07.04.2018

Der Schein trügt nicht

Körpersammler
3

Magnus "Steps" Craig arbeitet bei der STU (Special Tracking Unit), einer Sonderabteilung des FBI, die auf vermisste Personen spezialisiert ist. Alle halten ihn für einen unglaublichen Fährtenleser, denn ...

Magnus "Steps" Craig arbeitet bei der STU (Special Tracking Unit), einer Sonderabteilung des FBI, die auf vermisste Personen spezialisiert ist. Alle halten ihn für einen unglaublichen Fährtenleser, denn kaum jemand weiß, wie er die Menschen wirklich aufspürt, die er sucht - er folgt einfach ihrem "Schein". Denn Steps hat eine besondere Gabe: er kann auf Gegenständen, Straßenbelägen, ja sogar auf toten Menschen eine einzigartige Markierung desjenigen erkennen, der zuletzt damit in Berührung kam. Leider kann Steps oft nur noch die Leichen der Vermissten einsammeln, ein Aspekt seines Berufes, der seine Fähigkeit mehr und mehr als Fluch erscheinen lässt, als er und sein Kollege Jimmy sich wieder einmal an die Fersen eines Serienmörders heften...

Körpersammler war ganz anders, als ich es anhand des Klappentextes erwartet hatte. Der hörte sich nach einem richtig klassischen Thriller, mit viel Spannung und einer aufregenden Serienkiller-Jagd an. Das bekommt man auch durchaus, jedoch erst im letzten Drittel - in den Kapiteln davor lernt man sehr ausführlich Steps selbst, sowie seine beiden engsten Kollegen Jimmy Donovan und Diane Parker, kennen. Dazu gehören auch Passagen aus dem Privatleben, oder beispielsweise ein Gerichtsauftritt, der mit einem älteren, bereits gelösten Fall in Zusammenhang steht. Auch die unvermeidliche Laufarbeit, bei der das Puzzle Stück für Stück zusammengesetzt wird, und die nötig ist, um herauszufinden, ob sie es überhaupt mit einem Serienkiller zu tun haben, bekommt ihren Platz. Da der Autor Spencer Kope selbst als Profiler beim FBI tätig ist, hatte ich den Eindruck, dass speziell diese Kapitel besonders authentisch waren - bei anderen Genrevertretern werden die Details der langwierigen Suche nach der Nadel im Heuhaufen aus Spannungsgründen ja eher selten in den Fokus gerückt.
Dadurch dauert es zwar ein wenig, bis der aktuelle Fall ins Rollen kommt, aber man lernt sowohl die Figuren, als auch ihre Arbeit sehr gut kennen - besser, als es sonst in dem Genre üblich ist. Der etwas längere Anlauf ist vermutlich der Tatsache geschuldet, dass es sich um einen Reihenauftakt handelt, und dürfte wohl in nachfolgenden Teilen - wenn die Figuren schon bekannt sind - nicht mehr so sehr zum Tragen kommen.

Nichtsdestotrotz hat mir das Buch richtig gut gefallen, etwas mehr Spannung wäre zwar schön gewesen, aber die liebevoll gezeichneten Figuren haben mich über dieses Manko ausreichend hinweggetröstet. Der Schreibstil von Kope ist unterhaltsam, und Steps ist ein faszinierender Protagonist, der als Ich-Erzähler auch mit sehr witzigen Gedankengängen überrascht, und der generell durch seinen ironischen Humor bei mir viele Sympathiepunkte sammeln konnte. Die Sache mit seiner Gabe ist natürlich etwas speziell, weil es eben etwas schwer fassbares ist. Mit solchen "übernatürlichen" Fähigkeiten habe ich oft Probleme, wenn das Setting ansonsten in der realen Welt verankert ist. Allerdings habe ich es beim Lesen jetzt weniger als etwas Esoterisches gesehen, sondern eher als eine Form der Synästhesie - wobei das jetzt nur meine private Interpretation ist, und das nirgendwo so erwähnt wird. Ich kann mir nämlich auch nicht vorstellen, dass manche Leuten Zahlen riechen oder Musik sehen können, von daher kann ich mir in dieser Richtung auch eine Gabe wie die von Steps vorstellen, weil für mich sowohl das eine wie das andere absolut fantastisch klingt.

Ich hoffe stark, dass der Lübbe Verlag auch die kommenden Teile ins Deutsche übersetzen wird, da ich den nächsten Fall, der im Epilog bereits angeteasert wird, auf keinen Fall verpassen möchte. Zu guter Letzt möchte ich noch die extrem gelungene Aufmachung erwähnen (hier sind sowohl das Cover, als auch der deutsche Titel gemeint), die ich mir in Bezug auf die Handlung des Buches kaum besser vorstellen könnte - normalerweise hängt mein Herz nicht an sowas, aber dieses Buch würde ich tatsächlich gerne "in echt" in Händen halten, statt es nur in Schwarzweiß auf dem Reader zu bewundern.

Bei mir reicht es nicht für die Höchstwertung, weil in Sachen Spannungskurve tatsächlich noch einiges drin gewesen wäre, aber doch für solide vier Sterne - weil ich mich trotzdem beim Lesen keine Sekunde gelangweilt habe, und die vielen scheinbaren Nebensächlichkeiten doch immer einen Bezug zu den handelnden Figuren hatten, die ihnen mehr Tiefe und Authentizität verliehen haben.

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Veröffentlicht am 05.03.2018

Filmriss mit Folgen

Während du schläfst
1

Stell dir vor, du gehst abends auf ein Glas Wein zu deinem Nachbarn. Am nächsten Morgen erwachst du völlig desorientiert in seinem Bett - neben seiner Leiche. Von der letzten Nacht weißt du nichts mehr, ...

Stell dir vor, du gehst abends auf ein Glas Wein zu deinem Nachbarn. Am nächsten Morgen erwachst du völlig desorientiert in seinem Bett - neben seiner Leiche. Von der letzten Nacht weißt du nichts mehr, aber du bist dir sicher, dass du ihn nicht getötet hast...

Dieses Horrorszenario widerfährt Tara, der Ich-Erzählerin aus Während du schläfst. Was macht man in einer solchen Situation? Tara ist sich einerseits sicher, dass sie nichts mit Lees Tod zu tun hat, und andererseits sogar, dass sie nicht mal mit ihm geschlafen hat, obwohl alle Indizien dagegen sprechen. Ihre Ehe ist zur Zeit alles andere als glücklich, aber dennoch würde sie ihren Mann niemals betrügen. Oder doch?

Ich würde dieses Buch eigentlich eher ins Genre Psychothriller einsortieren, denn die Spannung lebt zum allergrößten Teil nicht von der Mörderjagd, sondern von der extrem schrägen Situation in Taras Familie. Tara und ihr Mann Noah waren für ein Jahr getrennt, und es gab in dieser Zeit eine andere Frau. Noah kehrte zwar reumütig zu Frau und Kindern zurück, aber das heißt noch lange nicht, dass zwischen ihm und Tara eitel Sonnenschein herrscht. Die siebzehnjährige Tochter Rosie hat aufgrund der Trennung ihrer Eltern selbst ein paar Probleme entwickelt, sie ist eine notorische Lügnerin und hat Probleme, ihre Beziehungen zu Gleichaltrigen richtig einzuordnen. Nur der elfjährige Spencer scheint ein ganz normales, pflegeleichtes Kind zu sein, das aufgrund der Turbulenzen in der Familie aber leider immer an letzter Stelle steht, weil Dramaqueen Rosie alle Aufmerksamkeit der Eltern auf sich zieht. Als Rosie sogar in den Fokus der polizeilichen Ermittlungen rückt, spitzt sich die Situation für Tara gefährlich zu, wie lange kann sie noch geheim halten, dass sie die Mordnacht in Lees Haus verbracht hat?

Für mich machte den besonderen Reiz des Buches aus, dass man alle Geschehnisse aus Taras Perspektive wahrnimmt, und so einen sehr eindimensionalen Blick auf die Handlung und die Figuren hat. Tara ist beispielsweise ihrer Tochter Rosie gegenüber völlig naiv, obwohl sie eigentlich am besten wissen sollte, dass ihre Tochter dazu neigt, ihre Lügengeschichten mit einem beherzten: "Du musst mir das glauben!" zu untermauern, vertraut sie ihr immer wieder, wohingegen ich als Leser grundsätzlich jeden Satz Rosies von Anfang an in Frage gestellt habe. Tara betont immer wieder, wie wichtig Ehrlichkeit ist, und dass einem jedes Geheimnis immer wieder auf die Füße fallen wird, hält sich jedoch selbst nicht an ihre Devise, weil sie ebenfalls ständig Dinge vor ihrer Familie und der Polizei verheimlicht.

Ich fand das Buch insgesamt sehr spannend und fesselnd, und habe auch nicht lange gebraucht, um es zu Ende zu lesen. Die Auflösung war für mich zwar überraschend, aber nachdem die Hintergründe aufgedeckt wurden, war sie völlig nachvollziehbar (also nicht an den Haaren herbeigezogen) und schlüssig.
Daher kann ich Während du schläfst allen Fans von Thrillern mit hoher psychologischer Komponente nahelegen. Wer lieber einem toughen Ermittler bei der Mörderjagd über die Schulter schaut, ist hier aber wahrscheinlich an der falschen Adresse, denn die Spannung ergibt sich ausschließlich aus den komplexen Beziehungen zwischen den einzelnen Figuren.

Veröffentlicht am 28.02.2018

King-Klassiker

The Stand - Das letzte Gefecht
1

USA, 1990: Eine Grippe-Pandemie hat 99% der Menschheit innerhalb weniger Wochen dahingerafft. Die Überlebenden im entvölkerten Nordamerika scharen sich um zwei charismatische Führer, wie sie unterschiedlicher ...

USA, 1990: Eine Grippe-Pandemie hat 99% der Menschheit innerhalb weniger Wochen dahingerafft. Die Überlebenden im entvölkerten Nordamerika scharen sich um zwei charismatische Führer, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten.

Viele Worte muss man zum Inhalt dieses Buches nicht verlieren, der dürfte den meisten Interessierten bekannt sein. Ich bin schon seit früher Jugend ein Fan von Stephen Kings Büchern, aber es gibt trotzdem vereinzelte ältere Werke, die ich bisher noch nicht gelesen habe, was ich allerdings in nächster Zeit nachholen möchte. The Stand gehörte zu dieser Handvoll Bücher, und obwohl es schon immer in der Urfassung in meinem Regal steht, habe ich es erst jetzt gelesen. Ich muss ehrlich zugeben, dass mich zum einen allein der Umfang ein wenig abgeschreckt hat, und zum anderen die Tatsache, dass das Buch in mittlerweile drei verschiedenen Versionen erschienen ist, und man gar nicht mehr so richtig durchblickt, zu welcher Fassung man denn nun am besten greifen sollte.

Die erwähnte Ausgabe in meinem Regal umfasst etwa 1000 Seiten und spielt im Jahr 1980, die neueste Fassung bringt es in der Taschenbuchausgabe auf ganze 1700 (!) Seiten, und spielt zehn Jahre später, also im Jahr 1990. Nach einigen Internet-Recherchen habe ich mich dazu entschlossen, die noch dickere, aber vollständige Version zu lesen, die im Jahr der Ersterscheinung nicht so extrem gekürzt wurde, um die Handlung zu straffen und das Buch dadurch besser zu machen, sondern alleine aus drucktechnischen Gründen. Da es King offensichtlich ein Anliegen war, die überarbeitete Urversion seines Buches zugänglich zu machen, wollte ich auch die vollständige Fassung lesen.

Wenn man King-Fans nach ihrem Lieblingsbuch des Meisters befragt, wird The Stand neben ES eigentlich am häufigsten genannt, daher war ich sehr gespannt, wie es mir wohl gefallen wird. Leider muss ich zugeben, dass es mich zu Beginn nicht sonderlich vom Hocker gehauen hat, weil mir der Weg zum "letzten Gefecht" schon sehr weit vorkam, und durch die nur sparsam dosierten Perspektivwechsel zwischen den beiden rivalisierenden Gruppen nicht allzu viel Spannung aufgebaut wird. Ich habe bei King-Büchern normalerweise immer das Gefühl, dass ich etwas völlig neues, noch nie Dagewesenes lese, in diesem Fall allerdings hatte ich eher den Eindruck, eine Story vor der Nase zu haben, die ich schon diverse Male in abgewandelter Form gelesen oder gesehen habe.
Daher musste ich irgendwann, so etwa in der Mitte des Buchs, einfach mal einen Schritt zurücktreten und über diesen Eindruck nachdenken - und mir in Erinnerung rufen, dass das Buch bereits im Jahr 1978 zum ersten Mal veröffentlich wurde. 1978, das heißt also ganze siebzehn Jahre vor dem Film Outbreak - Lautlose Killer aus dem Jahr 1995, und wahrscheinlich mindestens dreißig Jahre vor der großen Dystopie-Welle in Filmen und Büchern. Im Jahr 1978 war das Thema mit Sicherheit neu, frisch und furchterregend - und natürlich brauchte es da auch mal die ein oder andere ausführliche Erklärung - beispielsweise über die Wege, wie sich der Virus so schnell verbreiten konnte.

Ein weiterer Kritikpunkt meinerseits ist leider die Überarbeitung. Die erste Version spielte eine kurze Zeit in der Zukunft, und bei der ersten Veröffentlichung der überarbeiteten Fassung wollte man das beibehalten, weswegen die Handlung kurzerhand ins Jahr 1990 verlegt wurde. Leider haben sich dadurch ein paar Anachronismen eingeschlichen: Eine Überlebende hat beispielsweise panische Angst vor randalierenden und plündernden Hippies. Hippies? 1990? Da wären vielleicht Punks glaubhafter gewesen. Irgendwann macht sich jemand Gedanken, ob die Seuche wohl auch hinter dem Eisernen Vorhang zugeschlagen hat - hier konnten wohl die geschichtlichen Ereignisse Ende 1989 nicht mehr rechtzeitig vor der Veröffentlichung berücksichtigt werden.

Insgesamt konnte The Stand für mich persönlich ES als Lieblings-King zwar nicht ablösen, aber letztendlich hat es mich dann trotz einiger Längen im Mittelteil überzeugt. Schon alleine durch die Überschneidungen zum Dunklen Turm hat sich das Lesen für mich gelohnt, auch wenn es mir persönlich besser gefallen hätte, die Handlung weiterhin im Jahr 1980 zu belassen. Irgendwann werde ich auch noch die Urfassung lesen, weil mich sehr interessiert, welche Passagen ursprünglich als verzichtbar gestrichen wurden - vielleicht stellt sich da heraus, ob weniger in dem Fall vielleicht tatsächlich mehr gewesen wäre.

Veröffentlicht am 18.02.2018

"Verzweiflung ist ein Detective,..

Zu nah
1

...der das Gefühl hat, ein Mörder ist ihm durchs Netz gegangen." (Kapitel 13)

Dublin, 2011: Als die Leiche von Eleanor Costello erhängt in ihrem Schlafzimmer aufgefunden wird, stellt sich als erstes die ...

...der das Gefühl hat, ein Mörder ist ihm durchs Netz gegangen." (Kapitel 13)

Dublin, 2011: Als die Leiche von Eleanor Costello erhängt in ihrem Schlafzimmer aufgefunden wird, stellt sich als erstes die Frage: Mord oder Selbstmord? Ein kleines Detail, das bei der gerichtsmedizinischen Untersuchung entdeckt wird, lässt keinen anderen Schluss zu als Mord. Eleanors Ehemann Peter ist wie vom Erdboden verschluckt, was ihn höchst verdächtig wirken lässt. Die Ermittlungen werden von Frankie Sheehan geleitet, die allerdings bei ihrem letzten Fall fast getötet wurde, danach längere Zeit beurlaubt war, und auch jetzt noch mit dem erlittenen Trauma zu kämpfen hat. Hat sie den Blick wirklich frei für diesen neuen Fall?

Für einen richtig spannenden Thriller bin ich immer zu haben, und der Klappentext dieses Debütromans klingt sehr vielversprechend. Die Leseprobe fand ich dagegen ungewöhnlich: Zum einen ist das Buch im Präsens geschrieben, eine Zeitform, mit der ich mich in Romanen schwertue, was dann auch oft meinen Lesefluss stört. Hier war es allerdings richtig stimmig statt irritierend, weil ich dadurch noch näher am Geschehen war.
Zum anderen ist Polizistin Frankie zugleich die Ich-Erzählerin, und ich war gespannt, ob der Leser tatsächlich die komplette Handlung ausschließlich durch ihre Augen erleben wird, denn in Thrillern werden ja oft Kapitel aus der Sicht des Killers eingestreut, was einen fast automatisch eigene Theorien zu seiner Person entwickeln lässt. Doch es gibt tatsächlich im ganzen Buch nur eine einzige andere Perspektive: der kurze Prolog ist aus der Sicht des ersten Opfers Eleanor verfasst.

Leider empfand ich gerade dies aber als Schwäche des Thrillers, denn durch den Prolog hatte der Leser gegenüber Frankie einen enormen Wissensvorsprung, und musste dann etwa die Hälfte des Buches, beziehungsweise die ersten beiden Monate Ermittlungsarbeit, dabei zusehen, wie das Team permanent in die falsche Richtung rannte. Das mag zwar sehr realitätsnah sein, sorgte bei mir aber für eine gewisse Frustration. Zudem gab es dann auch gerade im ersten Teil ein paar unrunde Passagen, wie zum Beispiel, dass Einblutungen an zwei Fingern Selbstmord unmöglich machten - allerdings war auch am Tatort schon klar, dass die an einem Dachbalken erhängte Eleanor im Falle eines Selbstmords auf einem Stuhl, einer Leiter oder einem sonstigen Hilfsmittel hätte stehen müssen - das aber einfach nicht da war, weswegen man Selbstmord als Todesursache schon lange vor der Obduktion hätte ausschließen können.

Warum gebe ich also vier Sterne, wenn ich doch einiges zu meckern habe? Dafür gibt es mehrere Gründe. Ich mag Protagonistin Frankie. Sie ist die Sorte "angeschlagener Ermittler", die mir nicht auf die Nerven geht, weil sie nicht an einer zerrüttenden Ehe oder Alkoholproblemen herumkaut, sondern während eines Einsatzes schwer verletzt wurde, und es daher nicht verwunderlich ist, dass sie mit einigen Problemen kämpft, die sich negativ auf ihre Arbeit auswirken. Da kann ich ihr dann schon mal nachsehen, wenn sie eine Zeugenaussage nicht richtig einordnet oder etwas Offensichtliches übersieht, weil ich verstehen kann, warum sie nicht richtig bei der Sache ist. Außerdem war das Buch schlicht unheimlich spannend, und ich habe es an einem einzigen Tag gelesen. Der Fall war wirklich raffiniert, nicht nur was den Täter anging, tappte ich im Dunkeln, auch die Hintergründe waren mir lange nicht klar.

Von einem Thriller erwarte ich spannende Lesestunden, und die hat mir Olivia Kiernan ohne Zweifel geboten. Zu nah fühlte sich wie ein Reihenauftakt an, obwohl der Fall natürlich abgeschlossen wurde. Ich könnte mir vorstellen, dass Frankie noch einige Fälle lösen wird - und da wäre ich auf jeden Fall gerne wieder dabei.