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Veröffentlicht am 05.03.2019

Gelungener Start in eine neue Fantasy-Reihe

Das gefälschte Siegel
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Seit sein Bruder ermordet wurde, vegetiert der Fälscher Kevron mehr im Suff als nüchtern vor sich hin, immer in Angst vor Mördern und Gläubigern. Das hätte ewig so weitergehen können, wenn nicht eines ...

Seit sein Bruder ermordet wurde, vegetiert der Fälscher Kevron mehr im Suff als nüchtern vor sich hin, immer in Angst vor Mördern und Gläubigern. Das hätte ewig so weitergehen können, wenn nicht eines Tages Prinz Tymur, fünfter und jüngster Sohn des Königs, an seine Tür geklopft hätte. Der geschwätzige und eitle Prinz hat einen Auftrag für ihn: Er zahlt seine Schulden, dafür soll Kevron ohne Fragen zu stellen seine Kunst als Fälscher beweisen. Hätte Kevron geahnt, dass ihn dieser Auftrag auf eine lebensgefährliche Reise bis ans Ende der Welt führen würde, immer in Gefahr vor Dämonen und nicht wissend, ob nicht einer seiner Mitreisenden besessen ist, er hätte wohl, Feigling der er ist, schnellstens das Weite gesucht. So aber findet er sich auf einem langen Marsch zusammen mit dem launischen Prinzen, der arroganten Magierin Enidin und dem dem Prinzen Tymur treu ergebenen Krieger Lorcan wieder. Mehr als einmal geraten die Gefährten in brenzlige und sogar lebensgefährliche Situationen, bis sie endlich das Ziel ihrer Reise erreichen: das sagenhafte Land der Alfeyn in den Bergen, das Land der unsterblichen Magierin Ililiané...

Großartiger und sehr gelungener Start in eine neue Fantasie-Trilogie, die vom ersten Augenblick an fesselt. Die Autorin, die bislang eher Gothic oder Mystery Romane veröffentlicht hat, überzeugt durchaus mit diesem ersten Band ihrer High-Fantasy-Reihe „Die Neraval-Sage“. Gekonnt verwebt sie verschiedene Erzählperspektiven in ein großes Ganzes und ist dabei immer für eine Überraschung gut. Die Beschreibung ihrer Welten ist reduziert, sie bietet keine Landkarten und detaillierte Kulturgeschichten fremder Völker, ist aber trotzdem sehr anschaulich und lässt gerade dadurch viel Raum für Fantasie. Ihr Schreibstil ist indessen so eingängig und flüssig, dass man sofort in der Geschichte drin ist, und er passt hervorragend zum Genre. Die Welt mutet, wie im Genre üblich, mittelalterlich an, zumindest ist die Gesellschaft, in der die Gefährten zu Hause sind, hochmittelalterlich strukturiert mit einem regierenden König, Adligen, Kriegern, Handwerkern und Bauern. Männer dominieren die Gesellschaft, Frauen sind meist Mägde, Wirtinnen, Witwen, Gattinnen. Interessant ist, dass mächtige Zauberer nur Frauen werden können, und sie sind es auch, die die Welt erforschen und zu erklären versuchen. Die Welt, in der die Gesellschaft lebt, ist magisch, doch im Alltag spielt dies keine Rolle.

Die Geschichte lebt meines Erachtens, zumindest in diesem ersten Band, stark von seinen unterschiedlichen Charakteren, das heißt wie sich die Gefährten finden, auf die Reise begeben und lernen füreinander einzustehen. Die ganz große Action fehlt und auf wildes Schlachtgetümmel wird – zumindest hier noch – verzichtet, was ich durchaus positiv finde. Viel interessanter ist die Legende der Schriftrolle beziehungsweise die Geschichte des Königshauses Damarel. Hierdurch wird die Reise legitimiert. Die Autorin versteht es jedenfalls glänzend, ihre Figuren vielschichtig anzulegen, dabei bleiben diese keineswegs schwarz/weiß, sondern mit sehr vielen menschlichen Facetten und dabei teilweise so zwielichtig, dass man phasenweise nicht mehr weiß, ob derjenige nicht doch ein doppeltes Spiel treibt. Jeder der Reisenden ist wechselweise sympathisch oder unsympathisch, je nach dem welche Gedanken er/sie gerade hat oder wie er/sie gerade agiert. Dabei bleiben alle doch Individuen, ein jeder mit spezifischen Fähigkeiten und Eigenschaften, die ihn von allen anderen unterscheiden und die im Laufe des Geschehens immer wieder zum Vorschein kommen, wie zum Beispiel die Feigheit Kevrons oder die Überheblichkeit Enidins. Jedoch machen sie auch alle eine Art Wandlung durch. Im Reich der Alfeyn beweist Kevron Mut und Beobachtungsgabe, Enidin lernt Demut und Lorcan opfert sich für die Gruppe und das Ziel.

Es ist schon ein sehr bunter und – wie man meinen könnte – willkürlich zusammengewürfelter Haufen, der sich da ins Ungewisse wagt. Jeder ist in seinem Lebensumfeld ein Außenseiter, jeder hat so seine eigenen, manchmal eher selbstsüchtigen Motive, warum er mitkommt. Natürlich ist Prinz Tymur die treibende Kraft, er rekrutiert seine drei Mitreisenden, von denen zumindest zwei ihm inniger zugetan sind als ihnen gut tut. Um ihn und sein Anliegen dreht sich zwar alles, dennoch bleibt er zwielichtig und unberechenbar. Aus seiner Sicht wird kein einziges Kapitel erzählt. Die Perspektive wechselt in schönster Regelmäßigkeit zwischen Kevron, der vielleicht ein bisschen mehr Anteile hat, Enidin und Lorcan, wodurch man naturgemäß in deren Gefühls- und Gedankenwelt intime Einblicke erhält, in Tymurs hingegen nicht. So fragt man sich, warum ausgerechnet derjenige, der ständig das Vertrauen seiner Gefährten verlangt und auch prüft, nicht vielleicht derjenige ist, der am wenigsten Vertrauen verdient.

Fazit: Sehr gelungenes High Fantasy Debüt der Autorin, die es versteht, durch ihre Sprache und ihre Überraschungsmomente Spannung aufzubauen und mit ihren faszinierenden Figuren zu fesseln. Man merkt ihr deutlich ihre Liebe zu Tolkien und Le Guin und dem Genre ganz Allgemein an. Nicht nur der Schluss, der mit einem Paukenschlag daher kommt, zwingt den atemlos am Text klebenden Leser nun am Ball zu bleiben, auch der Wunsch zu wissen, wie es mit den Gefährten weitergeht, lässt uns ungeduldig auf den nächsten Band warten. Ich würde mich außerdem freuen, mehr vom Volk der Alfeyn zu erfahren und möchte auch so langsam einmal einen richtigen Erzdämon kennenlernen!

Veröffentlicht am 28.01.2019

Toller 2. Fall für Friederike Matthée von der weiblichen Polizei im Nachkriegsköln

Der Hunger der Lebenden (Friederike Matthée ermittelt 2)
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Köln, 1947: Die Stadt liegt in Trümmern, die Menschen leiden Hunger und lehnen die britischen Besatzer ab. Friederike Matthée von der Weiblichen Polizei lebt mit ihrer Mutter in einer winzigen Wohnung, ...

Köln, 1947: Die Stadt liegt in Trümmern, die Menschen leiden Hunger und lehnen die britischen Besatzer ab. Friederike Matthée von der Weiblichen Polizei lebt mit ihrer Mutter in einer winzigen Wohnung, ihr Bruder wird vermisst, und doch hat sie inzwischen durchaus Freude an ihrer Aufgabe. Im Hochsommer wird sie zu einem Mord hinzugezogen: Die schöne und wohlhabende Gutsbesitzerin Ilse Röder wurde brutal erschlagen. Für die Polizei steht die Schuldige fest: Die Streunerin Franziska wurde mit der Waffe in der Hand neben der Toten gefunden. Sie beteuert ihre Unschuld, gibt aber mit ihren Zornesausbrüchen ein denkbar schlechtes Bild von sich selbst ab. Friederike soll mit ihr sprechen und ihr ein Geständnis entlocken. Je mehr sie sich jedoch mit der Sache befasst, desto mehr ist sie von der Unschuld der jungen Frau überzeugt. Obwohl von ihren Vorgesetzten ausgebremst, beginnt sich zu stochern. Hilfe erhält sie unerwarteterweise aus dem Lager der britischen Besatzer, mit denen sie von ihrem ersten Fall verbunden ist. Als auch noch Richard Davies auftaucht, dem sie im ersten Fall behilflich und dabei nähergekommen war, gerät Friederikes Gefühlswelt endgültig aus den Fugen.

Der Autorin ist nach „Das Echo der Toten“ ein hervorragender, packender und spannender zweiter Fall für Friederike Matthée gelungen. Aus mehreren Perspektiven schildert die Autorin nicht nur einen fesselnden Kriminalfall, sondern auch die Schrecken des Krieges, die Angst, den Hunger und die Verzweiflung der Menschen, ihre teilweisen elenden Lebensumstände, aber auch ihre Hoffnung und ihren Lebenswillen. Sie gibt dabei tiefe Einblicke in die Gefühlswelt sowohl von Erwachsenen als auch von Kindern, von Tätern und Opfern, von Männern wie von Frauen und schafft es immer, die Figuren authentisch und menschlich wirken zu lassen. Die Schicksale lassen einen allesamt nicht kalt, es gibt auch keinerlei schwarz-weiß-Malerei, jeder kämpft auf seine Weise ums Überleben und hat Schicksalsschläge zu verkraften. Friederike ist als Hauptfigur natürlich am meisten präsent, auf ihr, ihrer Vergangenheit und ihrer Ermittlungsarbeit liegt der Hauptteil der Geschichte. Sie ist ein starker und dennoch sehr verletzlicher Charakter, oft voller Zweifel und starker Gefühle. Sie ist aus gutem Hause und hat alles verloren, dennoch kämpft sie für sich und ihre Mutter für ein besseres Leben. Gleichzeitig hat sie einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und ist sehr empathisch mit ihren Mitmenschen, daher kann sie es nicht akzeptieren, wenn ein Mensch verurteilt wird, ohne dass seine Schuld ausdrücklich erwiesen ist. Damit bringt sie sich mitunter in brenzlige Situationen und muss wegen ihrer Alleingänge um ihren Job fürchten. Nicht jeder ist ihr wohlgesonnen und manch einer hat viel zu verbergen und noch mehr zu verlieren.

Der Fall reicht weit zurück in die Vergangenheit und ist verquickt mit dem zweiten großen Erzählstrang, dem Auffinden von getöteten Kriegsgefangenen auf dem Feld in der Nähe des Anwesens der ermordeten Ilse Röder. Sehr geschickt verbindet die Autorin die vielen Perspektiven, die Erzählstränge und die Verbrechen und gibt immer nur so viel Informationen preis wie nötig sind, um die Spannung aufrecht zu erhalten beziehungsweise weiter zu steigern. Anfangs muss man sich schon sehr konzentrieren, um bei den vielen Akteuren den Überblick zu behalten, praktischerweise ist jedes größere Kapitel mit Datums- und Ortsangabe versehen und alles in allem erstreckt sich das Ganze über einen Zeitraum von etwa einem Monat. Die Handlung ist also sehr kompakt, doch jeder der Personen trägt etwas zur Aufklärung bei und das Buch ist ein echter Pageturner und die Personen und die Geschichte sind einfach zu fesselnd, als dass man das Buch aus der Hand legen könnte. Dazu kommt noch der immens flüssige Schreibstil, der einen die Geschichte richtig gut herunterlesen lässt. Das eine oder andere Mal bin ich über kleine Sprünge im Handlungsablauf gestolpert (z.B. liegt Davies eben noch im Krankenhaus, im nächsten Absatz stößt er zu Friederike und hilft ihr bei einer Ermittlung), dies jedoch tat letztlich dem Lesevergnügen keinen Abbruch. Die Handlung ist geradlinig, die Fäden entwirren sich nach und nach und die Lösung, wie alles zusammenhängt, ist sehr gut nachvollziehbar.

Fazit: Sehr gelungener zweiter Fall für Friederike Matthée im Nachkriegsköln. Für Fans des Genres sowieso ein Muss, Einsteigern empfehle ich das erste Buch zuerst zu lesen, denn auch wenn man dem Fall sehr gut folgen kann, so sind einfach Andeutungen auf vorherige Erlebnisse in ausreichender Zahl vorhanden und man kann Friederikes Handeln und ihre Gefühle einfach besser nachvollziehen. Sehr gelungen finde ich auch die Beschreibungen des historischen Kontextes, der sehr authentisch vermittelt wird und sich gut in die Kriminalgeschichte einfügt. Und außerdem sind es einfach tolle und spannender Bücher, die sich zu lesen lohnt! Ich jedenfalls freue mich auf die weiteren Bände.

Veröffentlicht am 09.04.2018

gelungener dritter Band der Reihe um Klaudia Wagner

Spreewaldrache (Ein-Fall-für-Klaudia-Wagner 3)
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Bei der Kripo Lübbenau im Spreewald herrscht zurzeit wenig Stress, und so verordnet Klaudias Chef allen eine Teambuilding-Maßnahme: Es geht zum Wursten bei den Geschwistern Schenker, einer Schlachterfamilie ...

Bei der Kripo Lübbenau im Spreewald herrscht zurzeit wenig Stress, und so verordnet Klaudias Chef allen eine Teambuilding-Maßnahme: Es geht zum Wursten bei den Geschwistern Schenker, einer Schlachterfamilie aus der Region. Während des Events taucht plötzlich ein Polizeiboot auf und unterbricht die Veranstaltung: Ein junger Mann wurde brutal niedergeschlagen. Es stellt sich heraus, dass es sich ausgerechnet um Daniel, der Sohn der Gastgeberin Jana Schenker, handelt, der sich angeblich an nichts erinnert. Die Kommissarin beginnt zu ermitteln und deckt eine lang zurück liegende Fehde zwischen den beiden Familien Schenker und Klingebiel auf. Da wird Klaudia wieder zu einem Tatort gerufen, und diesmal ist es Mord….

Der dritte Fall für die aus dem Ruhrgebiet in den vermeintlich idyllischen Spreewald versetzte Kriminalkommissarin Klaudia Wagner. Die Reihe besticht durch ihre klare Sprache, ihre interessanten Figuren und ihre starke Hauptfigur. Die Autorin versteht es, durch verschiedene Perspektivwechsel die Spannung stetig zu steigern und lässt ihre Figuren sich entwickeln. Durch die Rückblicke ins Jahr 1993 lässt sie zwar häppchenweise durchsickern, was geschah, doch gibt es so viele Hinweise, Wendungen und miteinander verwobene kleinere Fälle aus Gegenwart und Vergangenheit, dass der „große Fall“ immer komplexer wird. Als Krimifan kann man sehr schön mit ermitteln, es gibt jedoch keine einfache „whodunnit“-Lösung, sondern mehrere Täter und Opfer.

Die Figur der Klaudia ist recht dominant, aus ihrer Sicht wird zumeist erzählt. Von ihr wird auch am meisten Privatleben mit eingeflochten. Wer die beiden Vorgängerbände kennt, ist hier klar im Vorteil, denn diese privaten Ereignisse werden fortgeführt und öfter erwähnt. Dem Fall selbst kann man aber natürlich auch so sehr gut folgen. Auch von den anderen Ermittlern wird Privates erzählt, alles in allem finde ich es aber sehr dosiert und wohltuend wenig, der Fall steht eindeutig im Vordergrund. Die Figuren sind durchweg interessant und teilweise recht skurril, sie und das ganze Dorfleben entsprechen schon einem gewissen Klischee, das man hat, und mitunter muss man wirklich schmunzeln. Besonders der alte Schiebschick sticht hier hervor, er kennt alle Bewohner und alle alten Geschichten und hilft Klaudia bei ihren Ermittlungen. Der Fall bringt es mit sich, dass alles recht emotional wird, doch die Autorin wird hier in ihrer Sprache nie kitschig, und Klaudia ist als Ermittlerin sehr pragmatisch und verbeißt sich in die für sie ungewohnte Materie.

Fazit: Dies ist kein Krimi der blutigen Action, es ist eher eine psychologische Spannung, die hier aufgebaut wird. Die Figuren sind voller unterdrückter Gefühle und Ängste, in ihnen brodelt es und bricht schließlich heraus. Demnach hat Klaudia Wagner auch Schwierigkeiten das Schweigen zu durchbrechen. Ich finde die Ermittlungsarbeit sehr gut dargestellt, und auch die Charaktere sind vielschichtig und gut herausgearbeitet. Ein guter Band der Reihe und ein sehr guter und spannender Krimi, der für gute Unterhaltung sorgt.

Veröffentlicht am 04.03.2018

Toller Einstieg in neue fünfbändige Fantasyreihe

Der Mond des Vergessens
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Der Waise Nail wächst bei seinem Meister Shawcroft in Galgenhafen auf Gul Kana auf, einer der fünf Inseln. Seine Eltern kennt er nicht. Mit seinem Meister arbeitet er in den Minen, außerdem wird er im ...

Der Waise Nail wächst bei seinem Meister Shawcroft in Galgenhafen auf Gul Kana auf, einer der fünf Inseln. Seine Eltern kennt er nicht. Mit seinem Meister arbeitet er in den Minen, außerdem wird er im Schwertkampf unterrichtet. Zwar hat er Freunde, dennoch wird er aufgrund seiner ungewissen Herkunft als Bastard angesehen und ist ein Außenseiter. Er würde gerne Krakenfänger werden, doch sein Meister verwehrt ihm die Ausbildung. Da trifft eine Flotte der Sør Sevier in Galgenhafen ein, die Krieger überrennen die kleine Stadt und töten die meisten Einwohner. Den Rest versklaven sie, auch Nail und einige andere Jugendliche. Nail verliert Shawcroft aus den Augen, wird aber von ihm gerettet und verhilft seinerseits vier Mitgefangenen zur Flucht. Allerdings werden sie verfolgt und Shawcroft kann die Häscher nicht lange aufhalten. Auch wird Shawcrofts Verhalten für Nail immer rätselhafter, mitten im tiefsten Winter sollen sie Gegenstände finden und sich dann zu einer Abteil in den Bergen durchschlagen. Mit letzter Kraft schaffen sie dies und treffen dort auf Bischof Godwyn, einen guten Freund Shawcrofts. Viel Zeit zum Ausruhen bleibt ihnen allerdings nicht, denn als nun Ritter aus Amadon auftauchen, dem Königssitz von Gul Kana, überreden diese sie mit ihnen zu einem Treffpunkt zu reisen. In der Stadt Ravenker jedoch, die sie auf dem Weg durchqueren müssen, treffen sie erneut auf die Krieger der Sør Sevier und werden voneinander getrennt. Diesmal steht Nail allein seinen Widersachern gegenüber...

Außergewöhnliche und spannungsgeladene Geschichte, die in einer fantastischen Welt spielt, die der Autor detailreich und liebevoll ersinnt und in der es nicht an Helden und Antihelden, Jungfrauen und Prinzessinnen, Monstern, Kriegern und Rittern, verschiedenen Völkern und mystischen Fabelwesen mangelt. Jedes Volk hat seine eigene Geschichte und Kultur, es gibt verschiedene heraus stechende äußerliche Merkmale, verschiedene Glaubensrichtungen und Riten, Gesellschaftsformen und Traditionen, und bis hin zu den Jahreszeiten wird alles bis ins kleinste Details beschrieben. Das Gesellschaftssystem dieser Welt mutet mittelalterlich-feudal an, es gibt den Hochadel und den Klerus, Krieger und Ritter sind ebenfalls hochangesehen sowie Kaufleute, Handwerker und Bauern. Frauen spielen generell eher eine untergeordnete Rolle. Die Religion hingegen nimmt einen sehr hohen Stellenwert bei allen ein, Bischöfe und Vikare sind mächtig, Gottesdienste und die Anbetung der jeweiligen Gottheit stehen über allem. Jedes Volk hat aus der einen Ur-Religion sein eigenes Glaubensbekenntnis herausgezogen und duldet keine anderen Glauben daneben. Die Namen erinnern an die englische und gälische Sprache, auch hier zieht der Autor seine dem jeweiligen Volk zugewiesenen Eigenschaften konsequent durch.

Die Geschichte setzt ein nach Kriegen zwischen Menschen und den anderen Völkern der Inseln und etwa tausend Jahre nach der Geburt des als Gottheit angebeteten Laijon. Aus ihm, seiner Frau Mia und seinem Sohn Raijael entstehen die drei großen Glaubensrichtungen der fünf Inseln, wobei diese – wie gesagt – bei den anderen Völkern jeweils nicht anerkannt und als Ketzertum verteufelt werden. Der Autor versteht es ungemein geschickt die teilweise komplizierte Geschichte der Völker anschaulich darzulegen und seine Figuren nicht nur schwarz-weiß, sondern vielschichtig zu zeichnen und damit authentisch und menschlich zu machen. Sein Schreibstil ist bei weitem nicht simpel, aber sehr bildhaft, detailliert und flüssig, es liest sich einfach hervorragend. Durch die sehr geschickten Perspektivwechsel ist der Leser allwissend, die Protagonisten aber nicht, was die Spannung erhöht, dennoch wird das Geschehen chronologisch wiedergegeben. Alles in allem nimmt das Ganze nur etwa zwei Monate Zeit in Anspruch, ist aber so kompakt und geballt und voll von Informationen, dass es einem viel länger vorkommt. Ohne den Anhang, i.e. die Karte der fünf Inseln, die Erläuterungen zu Jahreszeiten, Schriften und Waffen, wäre ich – muss ich gestehen – oftmals aufgeschmissen gewesen. Es lebe das Lesezeichen! Anfangs sind es sehr viele ungewohnte Namen und Figuren, das muss man sich schon ein bisschen durchbeißen. Doch nach einiger Zeit hat man alle drauf und kennt deren Eigenschaften und die Umgebung, in der sie leben.

Mit den Charakteren hatte ich mitunter so meine Probleme, besonders mit den weiblichen. Mit keinem von diesen wurde ich wirklich warm, ich fand sie entweder furchtbar naiv, dumm, profileurotisch, zu weiblich oder zu wenig weiblich oder schlichtweg nervig. Leider konnte ich hier mit keiner so richtig mit leben, hatte daher auch keinen näheren Bezug zu einer von ihnen und war daher relativ unbeeindruckt von ihrem Schicksal. Bei den männlichen Charakteren hatte ich das Problem, dass alle, an deren Schicksal ich am meisten teil hatte, irgendwann starben, so dass ich mir eine neue Projektionsfläche suchen musste. Am Meisten habe ich mit Nail mitgefiebert, weswegen ich auch die Inhaltsangabe auf ihn ausgerichtet habe. Dies heißt aber nicht, dass nicht auch die anderen Figuren interessant sind, und ich bin sehr gespannt, wie sich z.B. Tala, die Prinzessin von Gul Kana, oder auch andere entwickeln. Außerdem fand ich das Volk der Vallé und die Bluthölzler sehr spannend, und ich hoffe von ihnen in den Folgebänden mehr zu erfahren. Denn in jeden steckt Potential, nichts ist wie es scheint, und man muss höllisch aufpassen, dass man sich nicht auf irgendeine Person, einen Sachverhalt oder eine Lösung zu sehr verbeißt – es kommt doch alles anders als man denkt.

Sehr gut fand ich, dass jedem neuen Kapitel nicht nur ein Text aus dem jeweiligen Glaubensbekenntnis vorangestellt war, sondern auch eine Orts- und Zeitangabe und natürlich der Name des Protagonisten, aus dessen Sicht jeweils erzählt wurde. Hier führt nach Anzahl übrigens Nail, dicht gefolgt von Tala. Ob das nicht doch etwas zu bedeuten hat? Der Autor verzichtet interessanterweise weitgehend auf die seitenweise Beschreibung großer Schlachtengetümmel, die meines Erachtens oftmals Lückenfüller sind, nicht aber auf Zweikämpfe und die üblichen Brutalitäten wie Vergewaltigung, Verstümmelung, etc. Dies passt aber immer ins Geschehen und charakterisiert den jeweiligen Urheber. Spannend in dem Zusammenhang sind auch einige Geschehnisse vor dieser Geschichte, die (noch) nicht näher ausgeführt werden, den Leser aber zusätzlich zu den anderen textlichen Qualitäten dazu bringen am Ball zu bleiben.

Fazit: Tolles Debüt und starker Einstieg in die fünfbändige Reihe, für alle Fantasy-Fans ein klares Muss und absolute Leseempfehlung. Dass der Autor ein Fantasyfan ist und selbst hervorragend Welten erschaffen kann, hat er hiermit klar bewiesen, das Buch ist ein Pageturner und fesselt von Beginn an. Mir war zeitweise zu viel von Religion die Rede und ich störte mich auch häufig an einigen Verhaltensweisen besonders der weiblichen Charaktere. Super fand ich, dass keine Figur einseitig böse oder gut ist, auch bei den vermeintlichen Feinden, den Sør Sevier, gibt es Menschen, denen man das Überleben wünscht. Der Autor zeichnet seine Charaktere vielschichtig und damit menschlich und mit hohem Wiedererkennungswert. Wenn man sich erst einmal in die Welt und ihre Menschen eingelesen hat, kann man das Buch kaum noch aus der Hand legen. Das abrupte Ende und die vielen offenen Geschehnisse und Geheimnisse schreien nun natürlich nach Band 2, den wir mit Spannung erwarten!

Veröffentlicht am 19.02.2018

Fulminanter Einstieg in die neue Krimireihe

Totenweg
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Als ein Überfall auf ihren Vater diesen ins Koma befördert, nimmt die junge Polizistin und angehende Kommissarin Frida Paulsen Urlaub und begibt sich in das Dorf ihrer Kindheit in den Elbmarschen, um den ...

Als ein Überfall auf ihren Vater diesen ins Koma befördert, nimmt die junge Polizistin und angehende Kommissarin Frida Paulsen Urlaub und begibt sich in das Dorf ihrer Kindheit in den Elbmarschen, um den Apfelhof ihrer Eltern am Laufen zu halten. Dort in der alten Heimat sieht sie sich nicht nur mit ihren alten Weggefährten, sondern auch mit dem Schrecken ihrer Vergangenheit, der Ermordung ihrer Freundin Marit, konfrontiert. Mit der Ermittlung im Fall ihres Vaters ist zudem ein alter Bekannter beauftragt: Kommissar Bjarne Haverkorn, der damals auch im Fall Marits Ermittler war und den dieser alte Fall nie losgelassen hat. Auch für ihn ist die Fahrt ins Elbdorf Deichgraben eine Reise in die Vergangenheit und es dauert nicht lange, da hängen die beiden tief in beiden Fällen drin. Als sich immer weitere Abgründe auftun, beschließen sie zusammenzuarbeiten, was sich allerdings nicht immer als einfach erweist….


Sehr gut recherchierter, detailgenau erzählter und sehr spannender Krimi mit sehr viel Lokalkolorit. Die Autorin versteht es den Spannungsbogen langsam aber stetig aufzubauen und diesen dann konstant hochzuhalten bis zum recht fulminanten Finale. Ihr Erzählstil ist rasant, einprägsam und sehr flüssig, der Leser ist sofort in der Geschichte drin und lebt mit den Figuren mit. Es gibt kaum eine Verschnaufpause und schon mit dem Prolog wird man an die Geschichte gefesselt. Da dies Band eins einer neuen Serie um die Ermittler Paulsen und Haverkorn darstellt, wird auch einiges an Zeit auf die Vorstellung der Charaktere verwendet.
Zunächst einmal kommt das Buch selbst sehr edel und gut gebunden und mit Lesezeichen daher. Als Zusatz am Ende befinden sich neben der Danksagung außerdem eine Leseprobe von Band zwei sowie die Vorstellung einiger Bücher des Genres. Formal ist das Buch nach einem kurzen Prolog in mehrere recht lange Kapitel unterteilt, die die Geschichte chronologisch erzählen. Innerhalb der Kapitel wiederum gibt es Einschübe, in denen sich Frida an ihre Vergangenheit erinnert. Dies erhöht den Spannungsbogen ganz enorm, denn dadurch erhält der Leser nach und nach tiefe Einblicke in die Geschehnisse aus dem Jahr 1998 und gewinnt außerdem einen guten Eindruck von Fridas Gefühlswelt.

Die Charaktere sind alle sehr gut herausgearbeitet und vielschichtig, einige Nebenfiguren haben allerdings mehr Potential als andere. Die verschworene Dorfgemeinschaft, die Haverkorn und Frida das Ermitteln mitunter schwer macht, ist es meines Erachtens wert eine größere Rolle in den Fällen zu spielen und hier noch mehr Einzelpersonen herauszupicken. Sehr überzeugend, wie sie in diesen schwierigen Zeiten, in denen Höfe ums Überleben kämpfen, zusammenhalten und sich auch gegen Eindringlinge verschwören. Hier kommt kein Zugezogener so schnell hinein, und nur weil Frida einer der ihren ist und Haverkorn ebenfalls anerkannt wird, gelingt es den beiden überhaupt die Mauern des Schweigens zu durchbrechen.

Meiner Ansicht nach ist Frida die dominanteste Figur im Roman. Mit ihr beginnt und endet die Geschichte, auf ihr ist auch der
Fall und damit die Spannung aufgebaut. Ihre persönliche Betroffenheit und die Kombination aus Opfer und Ermittler bilden zusätzliches Konfliktpotential und bringen auch eine gewisse Brisanz mit hinein, denn schließlich ist sie hochgradig voreingenommen. Das erklärt wahrscheinlich auch ihre manchmal geradezu waghalsigen, um nicht zu sagen fahrlässigen Einzelaktionen, mit denen sie sich und andere in große Gefahr bringt. Dennoch ist sie der Charakter, mit dem man am meisten mitfiebert. Sie ist recht zwiespältig, traumatisiert durch das Erlebnis, eine Zweiflerin, aber auch mutig und empathisch. Ein Arbeitstier und eine Kämpferin, eine die nicht so schnell aufgibt, sondern sich – nicht nur aus persönlicher Betroffenheit, sondern auch um der Gerechtigkeit willen - in den Fall verbeißt. Im Buch macht sie zudem eine Entwicklung durch, die ehrgeizige Streberin wird zum Familienmensch und söhnt sich mit so mancher Entscheidung und so manchem Mensch aus ihrem Umfeld aus. Sie durchbricht die Funkstille mit ihren Eltern und die starren Strukturen der Dorfbewohnter und stellt sich endlich ihrer Vergangenheit, schon allein dadurch dass sie endlich Haverkorn vertraut und ihm Zugang zu ihrem Innersten gibt.

Auch Haverkorn hat sein Päckchen zu tragen, nicht nur durch den alten Marit-Fall, sondern auch mit seiner Ehe. Dennoch muss ich sagen, dass mir seine Auseinandersetzungen mit seiner Frau nicht so nahe gingen und ich froh war, als das „Problem“ erst einmal gelöst war. Sehr gut fand ich, dass die Autorin eine Figur nie einseitig schwarz oder weiß zeichnet. Wie jeder reale Mensch haben sie gute und schlechte Seiten, und für ihre Handlungen gibt es Erklärungen und Gründe. Das macht sie authentisch und ihre Aktionen nachvollziehbar, und selbst für den Täter brachte ich ein gewisses Verständnis auf.

Fazit: Sehr gelungener Einstieg in die neue Serie. Dass Romy Fölck schreiben kann, hat sie ja schon hinlänglich bewiesen, doch diese neue Reihe wird ihr eine neue Fangemeinde einbringen. Nichts für die ganz zarten Gemüter, aber für alle, die einen guten Krimi mit lebendigen Figuren, psychologischen Abgründen und viel Lokalkolorit zu schätzen wissen. Nicht unbedingt ein klassischer Whodunnit-Krimi – die Lösung der Täterfrage kam für mich jetzt nicht völlig überraschend – aber sehr komplexe Zusammenhänge und überraschende Wendungen. Die sehr ausgewogene Mischung aus Kriminalfall, persönliche Probleme der Ermittler, vielschichtige Charaktere und nicht zuletzt einem sehr fesselnden Schreibstil machen dieses Buch zu einem echten Pageturner!

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