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Veröffentlicht am 21.02.2018

Einsam

Sweetgirl
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ist die junge Percy und das längst nicht zum ersten Mal, denn ihre drogensüchtige Mutter hat sich mal wieder auf einen Trip begeben und zwar sowohl, was den Drogenkonsum anbelangt, als auch psychisch. ...

ist die junge Percy und das längst nicht zum ersten Mal, denn ihre drogensüchtige Mutter hat sich mal wieder auf einen Trip begeben und zwar sowohl, was den Drogenkonsum anbelangt, als auch psychisch. Wie so oft ist sie einfach nicht auffindbar und Percy macht sich mal wieder auf die Suche. Und sie weiß, wo sie schauen muss, nämlich bei Shelton, DEM Drogenhändler im Ort (und es gibt tatsächlich nicht nur einen, obwohl es ein winzigkleines Kaff ist, in dem die Sucht jedoch eine große Rolle spielt).

Nur findet Percy bei Shelton nicht ihre Mutter, sondern ein Baby, das bereits ziemlich verwahrlost ist und sucht Hilfe bei Portis, der - obwohl ebenfalls süchtig - ihr seit Jahren eine Stütze und so etwas wie ein väterlicher Freund ist. Und sich bald mit ihr und Jenna - so heißt das Baby - auf der Flucht vor Sheltonn befindet, der wie ein Wahnsinniger hinter ihnen her ist. Und nicht nur er, er hat eine ganze Menge seiner Leute - und das sind wahrhaft keine Kuschelbären - auf sie angesetzt. Und bald schon wird die Sache ziemlich blutig.

Kraftvoll und wortgewaltig geht es zu in diesem Roman, der durchaus auch Spannung beinhaltet, sich aber in keine Kategorie drängen lässt. Krimi- und Thrillerfreunde werden hier ebenso auf ihre Kosten kommen wie Liebhaber gefühlvoller Familienromane und anspruchsvoller Gegenwartsliteratur und das auf höchstem Niveau.Travis Mulhauser reiht wunderschöne Sätze wie Perlen aneinander. Entfernt hat mich das Buch an "Winters Knochen" von Daniel Woodrell erinnert, das mich ebenfalls sehr beeindruckt hat, auch eine gewisse Nähe zu Stewart O'Nan habe ich gespürt. Doch Mulhauser ahmt in keinster Weise nach, dazu beinhaltet das Buch zu viel Eigenes. Ein ganz besonderer Roman, den ich sehr genossen habe und jedem Freund guter Literatur empfehle. Sie werden ihn nach der Lektüre - viel zu früh, so habe zumindest ich es empfunden - ganz erfüllt aus der Hand legen, mit dem Gefühl, etwas ganz besonderes, Unvergessliches genossen zu haben.

Mein Fazit also: eine wunderschöne Geschichte mit einer ganz besonderen Heldin, Beim Lesen zerriß es mir wieder und wieder das Herz, doch ich stand (bzw. saß) auch staunend, ehrfürchtig und voller Achtung da vor dem Autor Travis Mulhauser, der ein eigentlich kleines Buch geschrieben hat, das aber wahre menschliche Größe in sich trägt ebenso wie faszinierende Charaktere und einen Stil, der süchtig macht. An Travis Mulhauser sollte man also dran bleiben - ich wünsche ihm (und der Leserschaft) noch viel, viel Fantasie und Erzählkraft, damit er uns noch mit zahlreichen Romanen beglücken kann.

Veröffentlicht am 21.02.2018

Äpfel satt und Bäume noch und nöcher

Der Ruf der Bäume
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und was für welche: nämlich die riesigen Redwoods und Sequoien im Westen der Vereinigten Staaten dominieren das Leben von Robert Goodenough, wobei Erstere im Osten des Landes wachsen und seine Familie ...

und was für welche: nämlich die riesigen Redwoods und Sequoien im Westen der Vereinigten Staaten dominieren das Leben von Robert Goodenough, wobei Erstere im Osten des Landes wachsen und seine Familie ernähren. Sie prägen also seine Jugendzeit, die ansonsten von durchaus harten Erfahrungen dominiert werden: seine Eltern gehen lieblos, ja brutal, miteinander und auch mit den Kindern um. Einen familiären Umgang voller Liebe und Achtung lernen sie nicht kennen und verhalten sich entsprechend - nur Robert und seine sanfte Schwester Martha sind anders, werden jedoch früh getrennt, als die Familie auf die denkbar gewaltsamste Weise auseinanderbricht.

Daher war ich nicht wenig überrascht von meinem Fazit nach Beenden des Romans: Manchmal muß man mit der Nase auf sein Glück gestoßen werden, das war es, was ich - und Robert Goodenough - aus den Ereignissen mitnahm. Doch manchmal ist es ein langer und steiniger Weg dahin, wie seine Geschichte und damit diejenige der gesamten Familie Goodenough und ihres Umfeldes zeigt! Und sie geht längst nicht für alle Beteiligten glücklich aus, denn es ist ein Haufen dunkler Charaktere, der sich da zusammengefunden hat, bzw. sich zu den vereinzelten Lichtgestalten gesellen. Dazu kommen wohl die schwersten Lebensumstände, die man sich vorstellen kann.

"Mein Freund, der Baum": das wäre ein Satz, den Robert Goodenough wohl niemals sagen würde, doch wenn man ihn fragen würde, ich bin sicher, er würde Bäume als seine Freunde bezeichnen - mehr als die meisten Menschen.

Obwohl das Thema kein einfaches ist und nicht nur eine tragische Seite ofenbart - nein, es sind viele Facetten, weist der Roman keineswegs eine düstere Grundnote auf. Wie erwähnt, tauchen im Handlungsverlauf zahlreiche Charaktere mit unliebsamen Eigenschaften auf, doch den meisten davon bringt man als Leser zumindest in einer Situation Verständnis entgegen oder kann ihr Handeln in der jeweiligen Lage, in der sie sich befinden, zumindest nachvollziehen.

Doch eines wird ganz deutlich: es ist nicht unsere Welt, diejenige der Siedler und Pioniere in den Vereinigten Staaten des 19. Jahrhunderts, aber wie spannend und bereichernd ist es, der Autorin Tracy Chevalier in diese zu folgen!

Die Wendungen vor allem in Roberts Leben werden mit so viel Charme geschildert, dass ihnen trotz der Härte, der er und auch die anderen Figuren ausgesetzt sind, eine gewisse Leichtigkeit innewohnt. Und der so oft bemühte Zauber sowieso, denn die Autorin schreibt sowohl (lebens) klug und eloquent, als auch fesselnd und eindringlich. Zudem hat sie hervorragend recherchiert. Ich jedenfalls habe das Buch erst aus der Hand gelegt, als ich die letzte Seite umgeblättert hatte!

Veröffentlicht am 21.02.2018

In München geht ein eiskalter Mörder um

Zapfig
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...man könnte ihn auch als zapfig bezeichnen, denn wir befinden uns hier im Herzen Bayerns, bzw. Münchens, im schönen und traditionsreichen Giesing, von wo aus Gerichtsmedizinerin Sofie Rosenhuth, ausgestattet ...

...man könnte ihn auch als zapfig bezeichnen, denn wir befinden uns hier im Herzen Bayerns, bzw. Münchens, im schönen und traditionsreichen Giesing, von wo aus Gerichtsmedizinerin Sofie Rosenhuth, ausgestattet mit ein paar Kilo mehr und einer Charmeoffensive, an der kein Mann in ihrem Umfeld vorbei kommt, ihre diversen Aktivitäten startet: sowohl die beruflichen als auch die privaten, zu denen ihr nun jedoch ein wenig die Zeit fehlt, denn es gibt einen richtig brutalen Mord an einer jungen Braut zu klären. Die zudem schwanger ist und durch sich ihre Hochzeit mit einem reichen Brauereierben gleich mehrere Gesellschaftsschichten hinaufkatapultiert hätte. Es gibt nicht wenige Neiderinnen - doch da dieser Mord nicht der Einzige bleibt und bei den folgenden diese Motivation eher nicht zieht, muss Sofie mal wieder scharf nachdenken - und sezieren.

Klar, dass sie nicht allein dasteht, wenn auch ihre große Stütze Tante Vroni sich derzeit in Reha befindet. Aber Exehemann und wiederentdeckter aktueller Lover Jo Lederer sowie dessen vermeintlicher Konkurrent, der Reporter Charlie sowie weitere Akteure scharwenzeln ständig um sie herum, von Mops Murmelchen ganz zu schweigen. Aber ob das der Lösung der Fälle dienlich ist - man wird sehen.

Die Autorin Felicitas Gruber, hinter der sich ein Team aus zwei erfolgreichen Frauen mit viel Erfahrung, vor allem jedoch Begabung und Erfolg im schreibenden Metier verbirgt, schreibt durchgehend dynamisch, witzig und spritzig. Längen sucht man hier genau wie logische Fehler vergeblich, der ein oder andere eher bayernfernere Leser wie ich müsste jedoch evtl. den ein oder anderen Begriff, die ein oder andere Wendung nachschlagen. Aber das lohnt sich hundertprozentig, man wird mit einem Feuerwerk aus Spannung, Spaß und Stil belohnt.

Ich jedenfalls bleibe am Ball und freue mich schon auf den nächsten Band mit Sofie und den ihrigen!

Veröffentlicht am 21.02.2018

Mitreißend wie ein Roman

Hans Fallada
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oder wie das Leben eben!

Dass Hans Fallada ein - sagen wir es mal so - überaus vielseitiges und abwechslungsreiches Leben lebte, wissen diejenigen seiner Leser, die sich für die Inhalte beziehungsweise ...

oder wie das Leben eben!

Dass Hans Fallada ein - sagen wir es mal so - überaus vielseitiges und abwechslungsreiches Leben lebte, wissen diejenigen seiner Leser, die sich für die Inhalte beziehungsweise deren Herkunft interessieren. Vieles war nämlich vom Leben der Verfassers selbst bzw. den Beobachtungen, die Rudolf Ditzen - so der eigentliche Name des Autors - im Laufe seines leider nicht allzu lang währenden irdischen Daseins so machte, inspiriert.

Aber was genau die Hintergründe waren, die Herkunft, das Umfeld, die Begegnungen, die er so im Laufe seines Lebens machte, das war mir nicht so klar. Näheres erfuhr ich dann aus der Biographie des überaus kreativen und vielseitigen Germanisten Peter Walther, während deren Lektüren man eine besonders stark ausgeprägte Seite des Herren kennenlernt: Peter Walther kann wunderbar schreiben, so anschaulich und dabei klug daher plaudern, dass zumindest ich das Buch kaum aus der Hand legen konnte. Und das passiert mir - die ich im Laufe meines (Lese)Lebens schon so einiges an aus meiner Sicht herausragender Lektüre genießen durfte und somit entsprechend verwöhnt bin - ziemlich selten. Jedenfalls hat er mit seinen Ausführungen zu Fallada und der ganzen, reichhaltigen Gestaltung und Ausstattung des Buches die meisten angelsächsischen Autoren dieses Genres in den Schatten stellen können - und die halten aus meiner Sicht in diesem Bereich ganz klar die Top-Position. Naja, bisher jedenfalls.

Nicht nur werden Ereignisse anschaulich dargestellt, nein, auch den Personen, die ja wirkliche sind, die gelebt und Spuren hinterlassen haben, verleiht der Autor eine Präsenz, dass man meint, sie persönlich vor Augen zu haben. Dazu kommt noch seine persönliche wissenschaftliche Wahrnehmung und Eingliederung des Autors, den den rein deutschsprachigen Sprach- und Kulturraum weit übersteigt. Und das alles wird aufs Reichhaltigste ergänzt durch zahlreiche Fotografien und einen ausführlichen Anhang, der zu meiner großen Freude neben Anmerkungen und Literaturverzeichnis auch eine Zeittafel enthält.

Für mich war das Buch in vielerlei Hinsicht ein Gewinn: nicht nur durfte ich viel über Rudolf Ditzen aka Hans Fallada erfahren, der mich als Mensch und als Autor sehr interessiert, sondern auch ein wirklich mitreißendes Buch lesen, das mich mit Sicherheit auch gefesselt hätte, wenn im Fokus eine weniger faszinierende Gestalt als Hans Fallada gestanden hätte!

Veröffentlicht am 21.02.2018

Schlamassel noch und nöcher

Das Adenauer-Komplott
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Und zwar in Deutschland im August 1944! Der Krieg ist im Prinzip verloren, die Verantwortlichen versuchen, ihren eigenen Hals aus der Schlinge zu ziehen, die Bevölkerung wird absolut in Stich gelassen. ...

Und zwar in Deutschland im August 1944! Der Krieg ist im Prinzip verloren, die Verantwortlichen versuchen, ihren eigenen Hals aus der Schlinge zu ziehen, die Bevölkerung wird absolut in Stich gelassen. Das spürt auch der junge Offizier Maximilian Engel, für den das Dritte Reich keinen Pfifferling mehr wert ist - und der dies in einer Kölner Kneipe auch unverholen kundtut.

Wie man sich vorstellen kann, findet er sich schneller im El De-Haus, wo die politischen Gefangenen gesammelt und verhört - was im Klartext heißt: gefoltert - werden. Eine geheimnisvolle Schönheit verspricht ihm Unterstützung - wenn er Fluchthilfe leistet. Und zwar niemand Geringerem als Konrad Adenauer, in Köln als ehemaliger Bürgermeister allseits bekannt.

Dies ist der Auftakt zu einer langen und engen Beziehung - einmal zwischen Engel und Adenauer, aber auch zwischen Engel und Luisa, die ihren geheimnisvollen Zauber über Jahre hinweg auf ihn ausübt. Vom auslaufenden Dritten Reich führt dieser spannende Politkrimi nämlich geradewegs in die Bundesrepublik - und damit in die Zeit des Wirtschaftswunders. Dass dieser Weg durchaus ein steiniger war, das führt uns Autor Sebastian Thiel eindringlich vor Augen, indem er gekonnt historische Realitäten mit Fiktion verknüpft - so gekonnt, dass ich mich manchmal fragte, was wahr, was erdacht war.

Auf jeden Fall hätte es auch so laufen können, wie Thiel es darstellt - es bleibt immer im Rahmen - oder auch nicht. Denn nichts ist verwegener als die Realität - das wurde mir durch die Lektüre dieses Krimis ganz deutlich vor Augen geführt.

Ein spannendes Buch für alle, die an der neueren deutschen Geschichte interessiert sind - und das dürften nicht wenige sein. Ich wünsche diesem Buch wirklich hohe Auflagen - aber vor allem wünsche ich mir, dass die Leser die Gefahren, die hier dargestellt werden - die Bundesrepublik schrammt nur ganz knapp an einer Katastrophe vorbei - nicht nur als Fiktion sieht. Denn diese sind zweifellos auch in der aktuellen politischen Situation möglich: ganz plastisch und sehr gekonnt zeigt uns Sebastian Thiel, dass Poltik eigentlich immer ein Spiel mit dem Feuer ist!