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Veröffentlicht am 26.03.2018

Verzaubernd

Das Mädchen, das den Mond trank
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“Das Mädchen, das den Mond trank” von der amerikanischen Autorin Kelly Barnhill ist ein fantastischer Roman, der in ein Land wie aus einem Märchen entführt, von (angeblich) bösen Hexen berichtet, von Mondlichtmagie ...

“Das Mädchen, das den Mond trank” von der amerikanischen Autorin Kelly Barnhill ist ein fantastischer Roman, der in ein Land wie aus einem Märchen entführt, von (angeblich) bösen Hexen berichtet, von Mondlichtmagie und einem ganz besonderen, kleinen Mädchen. Eine Geschichte über den Mut andere Wege zu gehen, die Suche nach der eigenen Identität und die nach der Wahrheit. Ein wirklich schönes Buch! Mit der richtigen Mischung aus Fantasie, Humor und Klugheit erzählt. Für Leser ab 10 Jahren und interessierte Erwachsene.

Es war einmal ein kleines Städtchen — die Traurige Stadt oder das Protektorat genannt — das zwischen einem riesengroßen Sumpf und einem bösartigen Wald lag. Dieser barg die größten Gefahren und konnte nur auf einer Allee durchquert werden. “Die Allee gehörte Ältestenratsvorsteher Gherland, und seine Kollegen durften auch daran teilhaben. Dem Ältestenrat gehörte auch der Sumpf. Und die Obstgärten. Und jedes Haus im Protektorat.” (Zitat aus “Das Mädchen, das den Mond trank” S.10) Das arme Volk lebt von den Erzeugnissen des Sumpfes, vom Schilf, aus denen sie sich die Schuhe fertigen, vom Sumpfbrei, den sie ihren Kindern zu essen geben, in der Hoffnung, diese mögen groß und stark werden. Wirklich groß und stark werden allerdings nur Kelly Barnhill - Das Mädchen, das den Mond trankdie Kinder der Ratsherren, die “von Fleisch, Butter und Bier” (Zitat S.11) leben. Nun ist wieder der Tag des Opfers gekommen und Ältestenratsvorsteher Gherland macht sich bereit zur jährlichen Prozession, die nun stattfinden wird. Hierzu will er nicht nur seine Robe in einer anmutigen Drehung flattern lassen — für die er jahrelang trainiert hat -, sondern auch sonst optisch möglichst perfekt aussehen. “Er liebte seinen Spiegel. Es war der einzige im gesamten Protektorat. Nichts bereitete Gherland mehr Vergnügen, als etwas zu besitzen, das niemand sonst hatte.” (Zitat S.9) Was Gherland nicht allzu viel Vergnügen bereitet, ist jedoch das Versprechen, das er seiner Schwester einst gegeben hat, dass er seinen Neffen Antain eines Tages zu einem vollwertigen Ratsmitglied machen wird. “Antain hatte Flausen im Kopf. Die wildesten Ideen. Und Fragen. Gherland zog die Brauen zusammen. Der Junge war — nun, wie sollte er es ausdrücken? Übereifrig. Wenn das so weiterging, würde er der Sache ein Ende machen müssen, Verwandtschaft hin oder her.” (Zitat S.11) Schon seit fünf Jahren ist Antain Ältestenratsanwärter und immer noch nicht weitergekommen. Ständig hat jemand etwas an ihm herumzumäkeln. Obwohl es eigentlich eher seine Mutter ist, die ihn auf dieser Position sehen will: “Zum Henker mit deinem Onkel”, tobte seine Mutter weiter. “Diese Ehre steht uns zu! Ich meine natürlich, diese Ehre steht dir, zu, mein lieber Sohn.” (Zitat S.53). Und so kommt es, dass Antain, der eigentlich lieber hätte Tischler werden wollen, der unliebsamen Prozession beiwohnen muss, bei der einer Mutter aus dem Protektariat ihr jüngstes Kind weggenommen wird, um es der Hexe zu opfern. Denn die böse, grausame Hexe, die im gefährlichen Wald lebt, so erzählt man sich im Ort, verlangt jedes Jahr ein Kind, dann würde den Kelly Barnhill - Das Mädchen, das den Mond trankDorfbewohnern nichts geschehen. Und so legen die Ratsherren und Antain das Kind auf demselben Platz unter den Platanen ab, so wie jedes Jahr. Antain, der das furchtbar findet. Und sein Onkel, der ebenso wie der Rest der Ratsherren genau weiß, dass die Geschichte mit der Hexe nur erfunden ist. Denn eine Hexe hat es nie gegeben. “Alles, was es gab, war ein gefährlicher Wald mit einem einzigen Weg hindurch und ein Mindestmaß an Kontrolle über das bequeme Leben, das die Ratsherren sich vor vielen Generationen eingerichtet hatten. Die Hexe — beziehungsweise ihr Glaube an sie — bescherte ihnen ein verängstigtes und damit unterwürfiges Volk.” (Zitat S.20). Doch was Gherland und die anderen Ratsmitglieder nicht ahnen, ist, dass es tatsächlich eine Hexe in den Wäldern gibt. Eine, die jedes Jahr zur gleichen Zeit die Reise antritt um an jener Stelle ein Kind abzuholen: “Solange Xan zurückdenken konnte, setzte jedes Jahr genau zur selben Zeit eine Mutter aus dem Protektoriat ihr Baby im Wald aus, vermutlich zum Sterben. Xan hatte keine Ahnung warum. Aber sie wollte die armen Würmchen auf keinen Fall ihrem Schicksal überlassen. Und so wanderte sie jedes Jahr zum dem Ring aus Platanen, hob das verlassene Kind auf und trug es durch den Wald bis in eine der Freien Städte am anderen Ende der Allee.” (Zitat S.27) Xan ist eine gute Hexe, die zusammen mit einem kleinen Drachen namens Fyrian und einem Sumpfmonster namens Glerk tief im Wald lebt. Doch dieses Jahr, während sie schon überlegt, wem sie das Baby in der Freien Stadt geben könnte, macht Xan einen furchtbaren Fehler. Statt die Kleine weiterhin mit Sternenlicht zu füttern, das sie wie Honig vom Himmel greift, ist sie so abgelenkt und fasziniert von diesem seltsamen, außergewöhnliKelly Barnhill - Das Mädchen, das den Mond trankchen Geschöpf, dass sie versehentlich nach Mondlicht greift. “Sternenlicht liefert genug Magie, um ein Baby sattzumachen, und kann, in ausreichender Menge verabreicht, das Beste in seinem Herzen, seiner Seele und seinem Geist erwecken. Es mag das Kind zu verbessern, aber nicht es zu magnifizieren. Mit Mondlicht dagegen verhält es sich vollkommen anders. Mondlicht ist Magie. Da kann man fragen, wen man will.” (Zitat S.33) Und nun ist das kleine Mädchen magnifiziert worden! Dieses Kind nun von einem normalen Menschen aufziehen zu lassen — geradezu unmöglich. Denn solche Wesen sind gefährlich, wie Xan’s Ziehvater ihr einst erklärte: “Ein Baby mit Magie zu versehen, das ist, wie einem Kleinkind ein Schwert in die Hand zu drücken — zu viel Kraft kombiniert mit zu wenig Vernunft” (Zitat S.35) Noch ist die Magie nicht ausgebrochen, aber was wird sein, wenn das geschieht? Doch Xan ahnt nicht, dass sich bald aus dem Protektariat jemand aufmachen wird, um den Machenschaften der “bösen” Hexe ein Ende zu bereiten. Und zwar Antain…

“Das Mädchen, das den Mond trank” wartet mit einem ungewöhnlichen Titel auf (über den man irgendwie erst mal stolpert beim Lesen) und mit einem wunderschönen Cover. Es ist ein allwissender Erzähler, der die Geschichte erzählt, sich mal der einen Person nähert, mal der anderen. Hauptsächlich jedoch Antain, dem Ältestenratsvorsteher Gherland, der Hexe und dem Baby, das diese Luna nennt und die man während des Buches heranwachsen beobachtet. Neben den klassischen Bösewichten der Geschichte gibt es jedoch auch ein Kelly Barnhill - Das Mädchen, das den Mond trankpaar wunderbar gezeichnete Nebencharaktere, die man einfach ins Herz schließen muss: liebeswerte, sympathische Figuren, wie zum Beispiel den Drachen Fyrian, der allerdings nur die Größe einer Taube hat und der sich “für größer als die durchschnittliche menschliche Bevölkerung” hält und überzeugt war, “dass man ihn nur von ihr fernhielt, damit er nicht die ganze Welt in Angst und Schrecken versetzte” (Zitat S.45) Oder Glerk, das mehrarmige Sumpfmonster, das Jahrhunderte alt ist und die Poesie über alles liebt: “Um es mit den Worten unseres hochgeschätzten Poeten zu sagen, meine Teure: Wird die Dame barsch, geht mir’s vorbei am -” “GLERK!”, rief die Hexe empört. “Ich muss doch sehr bitten!” (Zitat S.23) Selbst bei Luna hegt man gewisse “Harry-Potter”-Sentimentalitäten: “Sie hatte schwarze Locken und schwarze Augen. […] Und mitten auf der Stirn ein Muttermal in der Form eines Halbmonds.” (Zitat S.16ff) Eingeflochten in den Text sind auch immer wieder vereinzelte Episoden kurzer Schauergeschichten, die eine Mutter ihrem Kind erzählt. Über die Hexe, deren Schandtaten und allerlei anderer Legenden. Was ist wahr und was ist Lüge? Das darf der Leser in diesem wirklich bezaubernd erzählten Büchlein nach und nach herausfinden, das trotz mancher (wirklich minimaler) Längen über eine sehr poetische und kraftvolle Sprache verfügt. Gut gefallen hat mir auch der Humor, der immer wieder auftaucht; die schöne Ironie zwischen den Zeilen: “Hexe”, brummte das Monster, dessen Maul sich noch immKelly Barnhill - Das Mädchen, das den Mond tranker halb unter Wasser befand. “Ich bin um Jahrhunderte älter als du.” Eine Blase stieg von seinen dicken Lippen durch den Algenteppich nach oben. Eigentlich sogar Jahrtausende, dachte es bei sich. Aber wer wird schon so kleinlich sein?” (Zitat S.22) und “Meine liebe Xan”, erwiderte Glerk, der ein tiefes Rumpeln in seiner Brust spürte, von dem er nur hoffen konnte, dass es ihn imposant und furchterregend wirken ließ und nicht bloß, als hätte er Sodbrennen.” (Zitat S.23) Das Ende von “Das Mädchen, das den Mond trank”: märchenhaft und natürlich mit Happyend, ganz so wie es sich gehört!

Fazit: Eine ganz besondere Geschichte: liebevoll, anmutig und verzaubernd.

Veröffentlicht am 26.03.2018

literarisches und erzählerisches Kunstwerk

Schattengesicht
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In einer Neuauflage erschienen ist “Schattengesicht” von der deutschen Autorin Antje Wagner im Ulrike Helmer Verlag. Ein Psychothriller der besonderen Art über zwei Frauen auf der Flucht und einer Reise ...

In einer Neuauflage erschienen ist “Schattengesicht” von der deutschen Autorin Antje Wagner im Ulrike Helmer Verlag. Ein Psychothriller der besonderen Art über zwei Frauen auf der Flucht und einer Reise zu den Schrecken der Vergangenheit. Geheimnisvoll, aber gekonnt und äußerst raffiniert erzählt. Beste Unterhaltung für Leser außergewöhnlicher Bücher! Ab 16 Jahren und für Erwachsene.

Polly und Milana sind auf der Flucht. Schon seit einiger Zeit. “Als wir vor anderthalb Jahren aufgebrochen waren, hatte ich geglaubt, zu irgendeiner späteren Stunde, in irgendeiner ferneren Stadt zu unserem vertrauten Leben zurückkehren zu können. […] Aber die Städte wechselten, die Zeit vergeht, das Leben versickert wie Wasser im Ausguss, und plötzlich wird einem klar, dass man einem Phantom nachläuft. Dass das alte Leben nirgends auf einen wartet. Dass es einfach nicht mehr da ist.” (Zitat aus “Schattengesicht” S.26) Das Leben ist für die beiden nicht gerade einfach geworden. Vor allem wenn man gesucht wird: “An der Säule klebte ein Plakat mit Pollys Gesicht und ihrer Personenbeschreibung. Ihr schwarzes Haar war damals noch lang.” (Zitat S.16) Milana arbeitet jetzt in einem Hotel, in dem sie einen Job als Zimmermädchen gefunden hat. Normalerweise kümmert man sich dort im Schnitt um acht Zimmer, aber Milana hat 13 Stück angenommen. Die Bezahlung ist lausig und seit ihre Chefin sie im Antje Wagner SchattengesichtVisier hat, ihre Arbeit ständig überprüft und sie schikaniert, ist es noch schwieriger geworden. Doch sie sind auf das Geld angewiesen. Polly würde am liebsten zurückgehen. Zurück nach Schweden. “Du würdest also zurückgehen und mit einer Leiche im Keller leben? “Im Anbau, nicht im Keller! Und wir müssen nicht in den Anbau gehen.” Sie sank im Sessel zusammen. “Außerdem hast du das Haus geliebt”, flüsterte sie. “Weißt du das nicht mehr?” (Zitat S.24) Aber Milana weiß, dass sie nicht mehr zurückkehren können. Und es ist nur noch eine Frage der Zeit, wann sie die Stadt wieder verlassen müssen. Ständig fühlt sie sich verfolgt. Nimmt Abkürzungen auf dem Weg nach Hause, geht durch die Hintereingänge von Geschäften, um mögliche Verfolger abzuschütteln. Momentan leben sie und Polly in einem schlossähnlichen, heruntergekommenen Mietshaus, zu dem nicht einmal Bahnen oder Busse fahren. “Über die Wände zog sich eine Wolkenlandschaft aus Schimmel...[…] tastete sich vorwärts und entfaltete sich zu einem großflächigen Kunstwerk aus Gift.” Nur im oberen Stockwerk nicht, dort wo sie sich in einer Wohnung eingenistet haben. Polly bleibt hauptsächlich dort. Sie kocht Gerichte, aber nur im Kopf oder übt mit geschlossenen Augen durch die Zimmer zu laufen, falls sie eines Tages mal blind werden sollte. Polly ist exzentrisch und anders. Sagt, was sie denkt und singt auf der Straße. Aber sie ist selten draußen. “Sämtliche Tische hatten jetzt ihre Gespräche unterbrochen. Ich presste die Lippen aufeinander. Immer. Es war immer dasselbe. Egal, ob in der Disco oder im Supermarkt. Oder im Campus in Potsdam, wo wir wohnten. Dort konnte ich mit Polly nirgends mehr hin.” (Zitat S.47) Doch dann werden die Schikanen von Milanas Chefin immer heftiger und Polly kommt aus ihrem Schneckenloch. Das hat ungeahnte Folgen…

Antje Wagner Schattengesicht“Schattengesicht” wird durchgehend aus der Ich-Perspektive und aus Milanas Sicht erzählt und schockiert den Leser bereits am Ende des ersten Kapitels mit einem Geständnis: “Ich habe jemanden umgebracht.” (Zitat S.11) Das Buch, das in sechs Teilen geschrieben ist, verrät im ersten Teil nicht nur, was sie getan hat, sondern auch, dass Milana sich nun im Gefängnis befindet. Was ist passiert? Wen hat sie umgebracht? Teil zwei setzt zwei Monate zuvor ein. Und ebenfalls hier ist die Geschichte durchzogen von einem Geflecht aus Fragen: Wer ist Vincent? Warum sind sie “seit der Sache mit Vincent” (Zitat S.17) auf der Flucht? Was ist damals geschehen? Wieso liegt eine Leiche in dem Haus in Schweden? Interessanterweise wird der Thriller, der mir gefühlsmäßig eher wie ein Roman erschien, rückwärts erzählt und macht in jedem Teil einen Zeitsprung zurück. Anderthalb Jahre zuvor, fünf Jahre zuvor, elf Jahre zuvor, bis hin zu vierzehn Jahren später. Das gibt einen sehr faszinierenden Blickwinkel auf die Charaktere und deren Entwicklung, aber vor allem geht es weit zurück in die Vergangenheit, um den Geheimnissen der Hauptpersonen nachzuspüren. Mir gefällt vor allem Antje Wagners Erzählstil, ihre Art zu beschreiben, mit teils literarischen Formulierungen, die man sich am liebsten unterstreichen möchte: “Kurz geht mein Blick aus dem Fenster, in den zerwühlten Himmel, rutscht ab und prallt gegen die Mauer, die unser Gelände hier umzieht.” (Zitat S.10) Zudem verwendet sie eine sehr bildhafte Sprache, die mit gut gewählten Vergleichen die Vorstellungskraft des Lesers fördert: “Man sieht den Hof, den Rasen, die Wäscherei und die Antje Wagner Schattengesichtangrenzenden Wirtschaftsgebäude. Darüber der Himmel wie ein aufgehängter Lappen. Kein ruhiges, gleichmäßiges Grau, sondern so ein Drecksgrau. So ein Waschmaschinenabwassergrau, wenn es aus dem Schlauch ins Waschbecken schießt.” (Zitat S.8) Die Geschichte kennt ebenso leise Töne, ist aber immer mitreißend und unterhaltsam geschrieben. Atmosphärisch dicht und von manch spröder Schönheit: “Manche Wohnungstüren fehlten, und die schwarzen Öffnungen schienen nach dem Licht zu schnappen. Sie strömten einen dumpfen, undefinierbaren Geruch aus. Ein böser Kindertraum von einem Schloss. Kein Laut darin. Nichts. Das Haus war von Anfang an so still gewesen, als läge es im Sterben.” (Zitat S.18) Sehr beeindruckt hat mich außerdem die Art, wie die Autorin mit ihren Lesern spielt, wie sie sie mit hervorragenden Täuschungen hinters Licht führt. Das Ende ist brillant und lässt viel Raum noch für eigene Gedanken.

Fazit: Ein literarisches und erzählerisches Kunstwerk, das sich definitiv zu lesen lohnt!

Veröffentlicht am 26.03.2018

Schöner Lesespaß

#famous
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“Famous” von der amerikanischen Autorin Jilly Gagnon ist ein Roman über ein verhängnisvolles Foto, das plötzlich um die Welt geht. Eine Geschichte über unerwartete Berühmtheit, Mobbing und die Liebe in ...

Famous” von der amerikanischen Autorin Jilly Gagnon ist ein Roman über ein verhängnisvolles Foto, das plötzlich um die Welt geht. Eine Geschichte über unerwartete Berühmtheit, Mobbing und die Liebe in Zeiten von Social Media. Eine turbulente, unterhaltsame Lektüre. Für Mädchen ab 12 Jahren und interessierte Erwachsene.

Schon seit Ewigkeiten schwärmt die junge Rachel für den 18-jährigen Kyle aus der 12.Klasse. Es gibt nur eine einzige Überschneidung ihrer beider Leben: der Kurs “Kreatives Schreiben”, den sie beide besuchen. Umso überraschter ist Rachel, als sie Kyle eines Tages im Einkaufszentrum entdeckt — als Mitarbeiter eines Fastfoodrestaurants: “Und dann sah ich ihn. Kyle Bonham. Instinktiv senkte ich den Kopf, drehte mich zur Seite und tat so, als sei ich voll und ganz in mein Handy vertieft, damit nur ja nicht der Eindruck entstand, ich würde ihn anstarren. In Wahrheit tat ich genau das — Kyle musste man einfach anstarren.” (Zitat aus “

Famous” S.10) Heimlich macht Rachel ein Foto von ihm, um es ihrer besten Freundin Monique zu schicken. Und zwar über die Plattform Flit, auf der sie ihr sonst auch ihre Bilder schickt. Darunter schreibt sie: “Echt lecker, was die bei Burger Barn heute im Angebot haben.

DAZUhätteichgernPommes”. (Zitat S.20) Doch dann bekommt sie schlagartig Panik: “Was, wenn er es sah? Er würde sofort wissen, dass es von mir kam. Aber das würde nicht passieren. Ich hatte vielleicht zehn Follower — und Kyle war nicht darunter. Seit Monaten schickte ich Monique Bilder, und bis jetzt schien das niemand großartig bemerkt zu haben.” (Zitat S.19) Doch dann passiert genau das, womit Rachel niemals gerechnet hätte, ihr Foto wird geteilt. Und wieder geteilt. “Dann ging die Sache richtig durch die Decke. Es sah aus, als würde die gesamte Schule das Foto reflitten. Erst die Mädchen, die mit Erin im Tanzteam waren, dann ein paar von den Leichtathleten und dann lauter Namen, die ich noch nie im Leben gehört hatte.” (Zitat S.37) Stunde um Stunde wird es heftiger: “1.385 Benachrichtigungen. Beinahe hätte ich mich an meiner Kirschtomate verschluckt. Das waren mehr Leute, als es Schüler an der Apple Prairie High gab. Ohne nachzudenken klickte ich auf “Öffnen”. Ich musste einfach wissen, was über mich geschrieben wurde.” (Zitat S.42) Und es sind nicht wirklich positive Dinge, die über Rachel geschrieben werden. Sie wird beschimpft, als fett und hässlich bezeichnet und das sogar von wildfremden Menschen. Auch Kyle wundert sich, was da während seiner Schicht im Fastfoodrestaurant abgeht: “Ich hatte in meinen Leben noch nie so viele Mädchen Pommes bestellen sehen. […] Normalerweise war während meiner gesamten Schicht tote Hose. Doch heute waren bereits um Viertel vor sechs alle Pommes ausverkauft. Das war uns noch nie passiert.” (Zitat S.23) Und jedes Mädchen, in der endlosen Schlange, die seltsamerweise auch ein Foto von ihm machen wollen, bestellt ihre Pommes mit dem Spruch: “Dazu hätte ich gerne Pommes.” Als er schließlich sein Handy in die Hand bekommt und seine Benachrichtigungen entdeckt, wird ihm endlich klar, warum. “Ich spürte, wie mein Herz zu rasen begann. Es hämmerte regelrecht gegen meinen Brustkorb. Was war hier los? Warum teilte plötzlich die halbe Welt ein Foto von mir?” (Zitat S.29) Doch während Rachel immer mehr Opfer gemeiner Mobbingattacken wird, wird Kyle über Nacht zum gefeierten Star. Bis eines Tages sogar das Fernsehen vor seiner Türe steht und er in einer Show auftreten soll. Das verändert alles. Denn auf einmal soll auch Rachel dabei eine Rolle spielen…

Famous” wird abwechselnd aus Kyles und Rachels Sicht in der Ich-Perspektive erzählt. Die Sprache ist locker und teilweise jugendsprachlich, aber passend. Der Roman enthält einige interessante Thematiken: Wie gehe ich mit unerwarteter Berühmtheit um? Was für Vorteile kann ich daraus ziehen? Das Buch zeigt aber auch die Schattenseiten des Ruhms: ungewollte Bekanntheit und Mobbing. Gerade Rachel macht dies sehr zu schaffen: “Beim Aufwachen hatte ich 23.208 weitere Benachrichtigungen gehabt (zusätzlich zu den vielen Loves und Reflits), und die meisten davon waren extrem gemein. Demnach war ich fett, hässlich, armselig und größenwahnsinnig. Nicht, dass ich so was nicht schon ab und zu selbst gedacht hätte, aber es von so vielen Leuten lesen zu müssen, war doch mal etwas ganz anderes. So, als würde es dadurch irgendwie wahr werden. Mir wurde richtig schlecht davon.” (Zitat S. 62) Es ist sehr bewegend zu lesen, wie der Alltag des jungen Mädchens sich verändert, wie sie, die eigentlich eher immer im Hintergrund bleiben wollte, plötzlich mitten auf den Präsentierteller gerät. Wie alte, peinliche Fotos von ihr auf einmal herausgekramt und veröffentlicht werden; wie ihr Spint verunstaltet wird; wie ihre Autoscheibe über und über mit Pommes dekoriert wird. Wie das Mobbing überhand nimmt: “Ich hatte immer gedacht, wenn ich mich mit einer Handvoll Künstlerfreunden umgab und am Rand aufhielt, könnte so etwas nicht mehr passieren. Aber Jessies Follower standen bereits in den Startlöchern. Möglichst unsichtbar zu sein, war mein persönlicher Schutzwall. Doch sie rollten wie ein Flutwelle darüber hinweg und ließen mich wehrlos zurück…” (Zitat S.40) Zur Verdeutlichung der Entwicklung in den sozialen Medien werden immer wieder Auszüge aus Flit zitiert oder Textnachrichten abgebildet, die Rachel verfasst oder bekommt. Das liest sich zwischendrin immer ganz angenehm, auch wenn die Bezeichnung der Nachrichten (“Von Mo” und “An Mo”) manchmal etwas verwirrend ist und eine schlichte Bezeichnung des Urhebers in beiden Fällen wohl einfacher gewesen wäre. Gut gefallen hat mir hingegen die Zeichnung mancher Charaktere — auch wenn diese in dem Buch natürlich eher etwas oberflächlicher sind — wie zum Beispiel den hippiehaften Eltern von Rachel, die von ihren Kindern nach einem Tag einfach mal Folgendes wissen wollen: “Jonathan, erzählt doch mal, wie du heute deine Persönlichkeit zum Ausdruck gebracht hast.” (Zitat S.42) Nach der Hälfte des Buches wird sich nach dem Mobbing-Schwerpunkt auf die entstehende Liebesgeschichte zwischen Rachel und Kyle konzentriert, was die romantische und zugleich ein wenig märchenhafte Facette des Romans hervorhebt. Denn wenn die unsichere Rachel, die sich nicht für schön hält, von Kyle gesagt bekommt, dass sie eben genau das ist, da kommen schon ein paar “vom hässlichen Entlein zum schönen Schwan”- Sentimentalitäten auf. Besonders als Kyle sie schließlich im Auftrag des Fernsehsenders auf den Homecoming-Ball einladen soll, dort aber eigentlich seine On-Off-Freundin Emma mit ihm hingehen wollte, die plötzlich wieder Interesse an ihm zeigt… Zum Schluß hätte ich gerne noch etwas mehr über die (medialen/gesellschaftlichen) Auswirkungen der Liebesgeschichte gehört, da war das Buch leider etwas zu schnell zu Ende.

Fazit: Ein schöner Lesespaß für die Generation “Social Media” und die, die märchenhafte Liebesgeschichten mögen.

Veröffentlicht am 26.03.2018

Mut haben, zu sich selbst zu stehen

DUMPLIN'
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Die amerikanische Autorin Julie Murphy hat mit “Dumlin’: Go big or go home” einen wahren Erfolgstitel gelandet. Der Platz 1 der New York Times Bestsellerliste wurde nun ins Deutsche übersetzt. Ein Roman ...

Die amerikanische Autorin Julie Murphy hat mit “Dumlin’: Go big or go home” einen wahren Erfolgstitel gelandet. Der Platz 1 der New York Times Bestsellerliste wurde nun ins Deutsche übersetzt. Ein Roman über ein übergewichtiges Mädchen, das neben der Liebe auch entdeckt zu sich selbst zu stehen. Eine wahre Wohlfühlgeschichte über Schönheit, Selbstbewusstsein und innere Stärke. Ein Buch, das Spaß macht zu lesen, angenehm unterhält und kluge Botschaften bereithält. Für Jugendliche ab 12 Jahren und Erwachsene.

Texas. Die 16-jährige Willowdean lebt mit ihrer Mutter in dem kleinen Städtchen Clover City, in dem so gut wie nichts los ist. Bis auf eine Sache: “Das Einzige, das unsere kleine Stadt interessant macht, ist der älteste Schönheitswettbewerb von ganz Texas. Seit den dreißiger Jahren gibt es den Miss Teen Blue Bonnet Schönheitswettbewerb, und im Laufe der Jahre ist er immer größer und lächerlicher geworden. Und ich muss es wissen — meine Mutter ist seit fünfzehn Jahren die Vorsitzende des Planungsausschusses.” (Zitat S.11) Willowdean hält von alledem nicht viel. Am liebsten wäre es ihr, es gäbe dieses Wettbewerb gar nicht. Das Mädchen hat auch nicht unbedingt die beste Figur für solch eine Veranstaltung, denn sie ist übergewichtig. Allerdings hat sie Julie Murphy - Dumplin': Go big or go home- im Gegensatz zu ihrer figurbewussten, schlanken Mutter — nicht wirklich ein Problem damit. “Ich weiß, dass alle erwarten, dass dicke Mädchen eigentlich allergisch auf Schwimmbäder reagieren, aber ich gehe gerne schwimmen. Ich meine, ich bin nicht blöd. Klar, die Leute glotzen, aber sie können mir nicht vorwerfen, dass ich eine Abkühlung brauche. Und wieso interessiert das überhaupt jemanden? Warum soll ich mich dafür entschuldigen, dass ich unförmige, dellige Oberschenkel habe?” (Zitat S.37) Das ändert sich jedoch, als Willowdean sich das erste Mal so richtig verliebt. In Bo, den Jungen, der ebenfalls in dem Restaurant arbeitet, in dem sie sich als Aushilfe ihr Taschengeld aufbessert. “Ich bin in meinem Leben schon oft angestarrt worden. Oft genug, um zu wissen, dass alle, die man beim Anstarren ertappt, instinktiv den Blick abwenden. Aber Bo schaut einfach weiter hin, so als gäbe es nichts, wofür er sich schämen müsste.” (Zitat S.52) Eines Abends küsst er sie ganz überraschend. Und Willowdean ist hin und weg. Und doch bleibt ihr allmähliches Zusammenkommen ein Geheimnis. Nicht mal ihrer besten Freundin Ellen erzählt sie von ihrem neuen Freund. Doch das heimliche Techtelmechtel hinterlässt Spuren: “Vor diesem Sommer habe ich mich immer wohl gefühlt inJulie Murphy - Dumplin': Go big or go home meiner Haut. Ja, ich war sogar stolz auf meinen Körper. Doch dann kam Bo. Seitdem wir zum ersten Mal im Führerhaus seines Pick-ups rumgeknutscht haben, kann ich sie spüren, die Risse in meinem Selbstbewusstsein.” (Zitat S.139) Immer öfter — wenn Bo sie mit seinen Händen berührt — hat Willowdean ein ganz seltsames Gefühl: “Als wäre ich nicht gut genug. Nicht hübsch genug. Nicht dünn genug.” (Zitat S.112). Sie will wieder sie selbst sein, sich in Ordnung fühlen, sich so fühlen, wie sie vorher war. Vor Bo. Und so tut Willowdean das Undenkbare — sie, die sich von Bo getrennt hat, meldet sich beim “Miss Teen Blue Bonnet Schönheitswettbewerb” an. Und nicht nur sie, auch drei andere Mädchen, die nicht unbedingt den klassischen Schönheitsidealen entsprechen, folgen ihr…

“Dumplin’. Go big or go home” wird komplett aus Willowdeans Sicht in der Ich-Perspektive erzählt. Das Cover ist absolut gelungen, macht sofort neugierig und strahlt eine gewisse Eleganz und Stärke aus. Warum Dumplin? Dies erklärt sich mit bereits zu Beginn des Buches: “Seit ich denken kann, ist das Moms Spitzname für mich. Sie nennt mich Dumplin’. Knödel.” (Zitat S.20) Willowdean ist eine unheimlich sympathische Protagonistin, die man einfach sofort in sein Herz schließen mussJulie Murphy - Dumplin': Go big or go home. Es ist toll, wie sie mit ihrem Körper umgeht und welches Selbstbewusstsein sie entwickelt hat. Und umso berührender, wie dieses in die Brüche gerät, als sie sich verliebt. Die Zwiespältigkeit ihrer Gefühle zu beschreiben, das gelingt der Autorin Julie Murphy, die selbst auch übergewichtig ist, sehr gut: “Ganz egal, wie sehr ich mir einzureden versuche, dass das Fett und die Dehnungsstreifen mir egal sind — sie sind es eben nicht. Selbst wenn sie Bo, warum auch immer, egal wären, mir sind sie nicht egal. Und dann gibt es wieder diese Tage, an denen mir wirklich alles egal ist und ich vollkommen mit meinem Körper zufrieden bin. Wie kann es sein, dass diese Persönlichkeiten beide in mir stecken?” (Zitat S.190) In dem Roman mit eingeflochten sind neben der ersten großen Liebe und dem (Körper-)Selbstbewusstsein auch Themen wie Freundschaft und Tod. Willowdean und ihre beste Freundin Ellen, die sich immer mehr voneinander entfernen und durch einen Streit schließlich nicht mehr miteinander reden. Und der Verlust von Willowdeans Tante Lucy, die vor einiger Zeit verstorben ist und zu der das Mädchen eine ganz besonJulie Murphy - Dumplin': Go big or go homedere Beziehung hatte. “Lucy war 36, als sie starb, und sie wog 225 Kilo. Sie war alleine, als sie einen Herzinfarkt hatte. […] Keiner hat gesehen, wie sie gestorben ist. Aber eigentlich hat sie auch nie jemand außerhalb dieses Hauses gesehen, als sie gelebt hat.” (Zitat S.31) Für Willowdean war Lucy fast wie eine zweite Mutter, mit der sie auch ihre Begeisterung für die Sängerin und die Musik von Dolly Parton geteilt hat. Als ihre Mutter das Zimmer von Lucy, die bei ihnen im Haus lebte, allmählich leer räumen möchte, um mehr Platz für die Vorbereitungen zum Schönheitswettbewerb zu haben, sorgt das für ziemliche Spannungen zwischen Mutter und Tochter. Die Geschichte ist — auch wenn sie an manchen Stellen noch etwas mehr komprimierter erzählt hätte werden können — sehr flüssig geschrieben und mit einer teils angenehmen Ironie versehen: “Bo schließt übertrieben galant die Augen, während ich mich auf seinen Pick-up wuchte. Ich hoffe, seine Augen sind wirklich zu, denn das Wort wuchten und mein Polyester-Arbeitskleid sollten nicht in einem Satz erwähnt werden.” (Zitat S.56) Die Sprache ist einfach, überrascht jedoch immer wieder mit besonderen Metaphern wie dieser hier zum Beispiel: “Wenn es möglich wäre, meine Haut mit einem Reißverschluss zu öffnen und herauszusteigen, ich würde es tun.” (Zitat S.98) Das Ende berührt und Willowdeans spektakulärer Auftritt beim Wettbewerb bereitet wirklich Gänsehaut.

Fazit: Eine äußerst lesenswerte Geschichte, die jungen Heranwachsenden (und auch bereits Ausgewachsenen) Mut macht zu sich selbst zu stehen!

Veröffentlicht am 21.02.2018

Fesselnd, actionreich und äußerst gut unterhaltend

Pheromon 1: Pheromon
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“Pheromon: Sie riechen dich” ist ein Sci-fi-Thriller, der in einem Gemeinschaftsprojekt des deutschen Autoren Rainer Wekwerth mit Thariot (heißt eigentlich Martin Langner) entstanden ist. Eine Geschichte ...

“Pheromon: Sie riechen dich” ist ein Sci-fi-Thriller, der in einem Gemeinschaftsprojekt des deutschen Autoren Rainer Wekwerth mit Thariot (heißt eigentlich Martin Langner) entstanden ist. Eine Geschichte über einen außergewöhnlichen Geruchssinn und eine dunkle Macht, die um sich greift. Äußerst fesselnd und unterhaltsam geschrieben. Der erste Teil einer Reihe. Bestes Lesefutter für Jungs (und auch Mädchen) ab 14 Jahren und Erwachsene.

Illinois. 2018. Der 17-jährige Jake hat ein äußerst wichtiges Spiel versaut. “Nicht nur, dass er Alan dazu überredet hatte, einen langen Pass auf ihn zu werfen und sich damit den Anordnungen des Coaches zu widersetzen, er war es, der dem Team die einzige Chance geraubt hatte, das Finale der Staatsmeisterschaften zu erreichen.” (Zitat aus “Pheromon: Sie können dich riechen” S.10) Denn im entscheidenden aller Momente wurde ihm seine schlechte Sehfähigkeit zum Verhängnis, als ein Sonnenstrahl auf Jakes Augen fiel und dadurch seine Kontaktlinsen für eine winzige Sekunde trüb erschienen. Er verpasst den Ball und das Spiel war zu Ende. Böse Blicke, verärgerte Mitspieler, die auf ein Stipendium Rainer Wekwert Thariot Pheromon: Sie riechen dichgehofft hatten, ein gewaltiger Shitstorm, der übers Netz auf ihn hereinprasselt — Jake, der auch noch unter starkem Heuschnupfen leidet — hat es nicht leicht. Doch dann passiert etwas höchst Verwunderliches: “Es war seltsam. Seit er denken konnte, nahm er Medikamente gegen Heuschnupfen, um überhaupt Luft zu bekommen. Nun vergaß er sie zum ersten Mal in seinem Leben, und plötzlich ging es ihm viel besser. All die schweren Symptome waren wir weggeblasen, er konnte frei und kräftig atmen.” (Zitat S.54) Und die Gerüche, die er auf einmal alle wahrnehmen — der Wahnsinn! Als er allerdings auf einmal Gefühle anderer als Gerüche erfasst, und sogar ohne Kontaktlinsen gestochen scharf sehen kann, kann Jake es nicht mehr leugnen: irgendetwas geht da in ihm vor. Sogar mathematische Formeln lösen sich vor seinen Augen in Logik auf und er kommt sekundenschnell auf Lösungen, die er — als Matheversager — eigentlich nicht hätte erkennen können. Den Brand in einem Wohnhaus riecht er bereits in meilenweiter Entfernung. Was ist nur auf einmal los mit ihm?

New York. 2118. In einer neuen hochtechnisierten Welt. Der 68-jährige Travis ist bereits in Rente, arbeitet aber trotzdem ehrenamtlich als Arzt in einem Zentrum, in das regelmäßig Obdachlose und Kranke kommen. Vor Kurzem wurde Travis jedoch in seinem eigenen Wohnhaus von einer Gruppe Jugendlicher ausgeraubt und um ein wenig Geld erleichtert. Mit dabei war ein junges, schwangeres Mädchen, das sich nicht wirklich wohl beiRainer Wekwert Thariot Pheromon: Sie riechen dich dieser Sache zu fühlen schien. Umso erstaunter ist Travis, als jenes Mädchen eines Tages in dem Zentrum auftaucht, sich von ihm dann aber nicht wirklich helfen lassen will und lieber die Flucht ergreift. Irgendetwas fasziniert Travis an diesem Mädchen. Irgendwie möchte er ihr gerne helfen. Vor allem, weil er sie an seine eigene, verstorbene Tochter erinnert. Doch als er sie ein paar Tage später wieder sieht, ist er etwas perplex: “Das Mädchen, Lee, hatte sehr schlecht ausgesehen. Ihre Gesichtszüge wirkten eingefallen, sie hatte eine aschfahle Haut und dünne Beine. Einen Meter siebzig groß und höchstens fünfzig Kilogramm schwer. Auch wenn sie vor Kurzem entbunden hatte, konnte das den enormen Gewichtsverlust innerhalb von drei Tagen nicht erklären.” (Zitat S.61) Was hatte Lee mit diesen anderen Jugendlichen zu tun? Wo ist ihr Kind? Und warum zeigt sein Computer folgende Fehlermeldung an: “Genetic embryonic footprint not human” (Zitat S.45)? Und was ist das eigentlich für eine merkwürdige Organisation, die sich “Human Future Project” nennt und sich auf der Welt immer mehr ausbreitet und auf die Travis erst jetzt aufmerksam wird? Er beschließt der Sache auf den Grund zu gehen…

“Pheromon: Sie riechen dich” sticht sogleich durch sein auffälliges Cover hervor und dazu noch der knallige, grüne Schnitt — richtig schön gemacht! Ein unterschiedliches Schriftbild und die Jahresbezeichnungen 2018 und 2118 grenzt die zwei verschiedenen Haupterzählperspektiven, die in personaler Sicht geschrieben sind, voneinander ab. Jedoch kommt an späterer Stelle auch die Rainer Wekwert Thariot Pheromon: Sie riechen dich16-jährige Lee vereinzelt zu Wort. Der Einstieg in die zwei Handlungsstränge, die einhundert Jahre Unterschied vorweisen, gelingt mühelos und man wird rasch in den Sog der Geschichte hineingezogen. Den Plot des Jungen, der sich auf einmal verändert, fand ich sehr interessant, allen voran die Idee mit den Gefühlen, die er plötzlich riechen kann: “Er wirkte selbstzufrieden wie immer, aber als Jake an ihm vorbeiging, roch er Unsicherheit und Angst vor Ablehnung. Es war der Geruch von rostendem Eisen, den er sofort mit diesen Gefühlen in Verbindung brachte. Warum er das tat, wusste er nicht, aber er wusste, dass dem so war.” (Zitat S.73) Auch die hochtechnisierte Welt mit allerlei futuristischer Veränderungen wirkt sehr faszinierend. Die Sprache ist flüssig und die Spannung baut sich konstant auf. Nicht nur die Fragen um Jakes plötzliche Veränderung, sondern auch die Fragen zu Trevis Vergangenheit (Warum war er im Gefängnis? Warum hat er getrunken?) bestimmen die Handlung. Und das Geheimnis um diese seltsame Organisation, auf die sowohl Trevis, als auch Jake stoßen, geben auch dem Leser große Rätsel auf. Immer mehr Teile eines großen Puzzles werden beim Lesen zusammengesetzt. Dazu die Cliffhanger am Ende von fast jedem Kapitel — nervenzerreißende Spannung garantiert! Das Ende: ein großer Showdown im wahrsten Sinne des Wortes. (Auch ein wenig blutig, daher die Altersempfehlung unbedingt ab 14 Jahren) Nur zu ein paar Dingen hätte ich mir noch ein paar mehr Informationen gewünscht. Die wurden mir nicht ausreichend genug beantwortet. Jedoch: und das habe ich tatsächlich erst hinterher erfahren (dachte, dass das Buch zu Ende sei!) wird “Pheromon: Sie riechen dich” als Band 1 einer Reihe bezeichnet. Also werden sich meine Fragen vermutlich in den Fortsetzungen noch klären

Fazit: Fesselnd, actionreich und äußerst gut unterhaltend!

(««««««ACHTUNG SPOILER:»»»»»» Was ist mit Lees Kind passiert? Warum hat sie von der Schwangerschaft nichts gemerkt und gibt es einen Vater? Was für eine Sonderstellung hatte Serena? Welche näheren Hintergründe gibt es zu den Lügen von Jakes Mutter? Wieso kam es erst in Jugendjahren zu Jakes Veränderung und durch was wurde sie ausgelöst? Wirklich nur durch das Absetzen der Medikamente oder gibt es dafür noch einen anderen Grund? ««««««ENDE SPOILER»»»»»»)