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heinoko

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 27.02.2018

Ein rundum spannendes Lesevergnügen

Blackwood Castle
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Andrew Collins ist ein ehemals gefragter Anwalt, inzwischen jedoch hoch verschuldet aufgrund der Heirat mit Heather, einer oberflächlichen unsympathischen Person, die nichts als Ansprüche mit in die Ehe ...


Andrew Collins ist ein ehemals gefragter Anwalt, inzwischen jedoch hoch verschuldet aufgrund der Heirat mit Heather, einer oberflächlichen unsympathischen Person, die nichts als Ansprüche mit in die Ehe gebracht hat. Andrew braucht dringend Geld. Da entdeckt er zufällig in einem Kellerverlies unterhalb einer einsam gelegenen Burgruine eine junge Frau, die dort gefangen gehalten wird. Er wittert die Chance auf Lösegeldforderung und damit auf Lösung all seiner Probleme. Doch da wird er hinterrücks angegriffen und im Kampf erschießt er unfreiwillig den Angreifer. Ab diesem Zeitpunkt hat Andrew keine ruhige Minute mehr…

Auch wenn das Schriftbild des Buches nicht gerade augenfreundlich ist, habe ich es doch sehr zügig und sehr gerne gelesen. Die kurzen Kapitel, teils mit Cliffhangern versehen, verleiten zum steten Weiterlesen. Der Thriller ist gekonnt geschrieben, die Spannung wird von Anfang bis Ende gleichbleibend hoch gehalten und die Protagonisten werden lebendig und authentisch dargestellt. Ungewöhnlich, aber sehr fesselnd, empfand ich, dass der Leser tatsächlich besondere Sympathie, aber auch Mitleid, entwickelt für die Hauptperson. Andrew fährt sein Leben von Seite zu Seite mehr an die Wand. Er ist schwach, verschiebt das Nachdenken über sein Handeln stets auf später, macht andere für das eigene Versagen verantwortlich, übertritt ohne besondere Gewissenskonflikte rechtliche Grenzen und manövriert sich so systematisch in den Abgrund – und doch mochte ich ihn und hoffte bis zum Schluss auf eine glückliche Wendung. Raffiniert geschrieben!

Veröffentlicht am 22.02.2018

Sinnenfreuden

Château Mort
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Heiß ist es in der Aquitaine. Und der berühmte jährliche Marathonlauf, bei dem sich die Läufer in fantasievolle Kostüme werfen, findet trotz der Hitze statt. Kommissar Luc Verlaine begleitet die Läufer ...

Heiß ist es in der Aquitaine. Und der berühmte jährliche Marathonlauf, bei dem sich die Läufer in fantasievolle Kostüme werfen, findet trotz der Hitze statt. Kommissar Luc Verlaine begleitet die Läufer auf dem Motorrad, um auf die Sicherheit der Teilnehmer und der Zuschauer zu achten. Da brechen mehrere Läufer während des Laufs zeitgleich zusammen und einer von ihnen stirbt auf völlig unerklärliche Weise. Bald rückt Richard, ein alter Freund von Luc Verlaine und Winzer mit erheblichen Geldproblemen, in den Focus der Ermittler. Doch Luc Verlaine glaubt nicht an dessen Schuld und macht sich eigenständig auf Mördersuche.

Der Plot ist raffiniert gestrickt und schickt den Leser immer wieder in die Irre, ins Ungewisse. Die Geschichte bleibt bis zum Schluss, bis zur endgültigen Aufklärung immer spannend, immer fesselnd. Es gibt keine Längen, keine hölzernen Konstruktionen, keine Unglaubwürdigkeiten. Die handelnden Personen sind sehr lebendig und lebensnah geschildert, wie überhaupt der gesamte Erzählstil lebendig und lebensnah ist. Dass viel Hintergrundwissen und Recherche-Arbeit im Text steckt, merkt man nur ganz indirekt, weil man nach Lektüre des Buches zum Beispiel mit einem völlig veränderten Bewusstsein eine Flasche französischen Rotwein in die Hand nimmt.
Was das Buch für mich jedoch zu einer Besonderheit in der riesigen Krimi-Landschaft macht: Es ist mit allen Sinnen geschrieben. Der Leser sieht, schmeckt, riecht und fühlt. Da wird nicht nur erzählt. Da wird geschwelgt, in der Schönheit der Landschaft zum Beispiel. Da gibt es zahllose Genussvarianten, ob beim Essen, ob beim Trinken. Der Leser wird, ob er will oder nicht, in die atmosphärisch dicht beschriebenen Freuden des Genießens hineingezogen. Man sitzt mitten unter den sich unterhaltenden Personen auf Sonnenterrassen, genießt exzellente Fischgerichte und leichten, kühlen Weißwein dazu oder man wandert durch die Weinberge und spürt den Geschmackseplosionen von prall reifen Trauben nach. Und so geht es in diesem großartig geschriebenen Krimi um Geld, um Suche nach Anerkennung, aber auch um die Kunst des Genießens. Darauf ein Glas „Chateau La Tour de By 2011“!

Veröffentlicht am 18.02.2018

Nackerd oder bemalt

Tod im Hopfengarten
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Normalerweise liest man einen Krimi, indem man die Protagonisten kennenlernt, es einen oder mehrere Leichen gibt, und dann das Ermittlerteam, mehr oder weniger sympathisch, seine Arbeit beginnt. Der ...



Normalerweise liest man einen Krimi, indem man die Protagonisten kennenlernt, es einen oder mehrere Leichen gibt, und dann das Ermittlerteam, mehr oder weniger sympathisch, seine Arbeit beginnt. Der Leser denkt mit, denkt sich sein Teil und behält am Ende recht oder auch nicht. Das alles war bei „Tod im Hopfengarten“ ebenso, und doch ganz anders.

Zwei Geschehnisse beschäftigen die Münchener Polizei: eine Serie von Kunstdiebstählen und eine zufällig aufgefundene bereits skelettierte Leiche. In Wolnzach, einem Marktflecken im idyllischen Landstrich der Holledau gelegen, gibt es zwar viele Mutmaßungen, aber man spricht nicht mit Fremden, schon gar nicht mit evangelischen Fremden. Da ist es gut, dass der Ludwig Wimmer, Metzgermeister im Ruhestand und Hobbydetektiv, auf seine ganz eigene Weise den Leuten beim „Brauchtümeln“ zuschaut…

Die wild ausgekippten Puzzle-Teile des Krimi-Geschehens waren jedes für sich gesehen bereits so urkomisch, so bayerisch sturschädelig oder schwäbisch sparsam, so hinterkünftig, dass es mir streckenweise gar nicht mehr wichtig war, ein stimmiges Gesamtbild zu erstellen. Ich verlor mich in der Technik eines zerlegten uralten Fleischwolfs oder im Sortieren von Heiligen, nackerd oder bemalt. Ich folgte den Irrwegen eines plattgefahrenen Heilands und ging auch sonst dem Autor immer wieder auf den Leim. Ich grantelte auf bayerisch und forschte auf schwäbisch, dabei kicherte ich mich durch die Seiten. Und am Ende war das zusammengepuzzelte Bild doch ein sehr stimmiges Ganzes geworden, ohne dass ich etwas anstrengen musste außer meine Lachmuskeln.

Ich ziehe meinen Hut vor diesem Autor, der es versteht, fundiertes Wissen, kritisches Denken, scharf-liebevolle Beobachtungsgabe und blühende Fantasie zu einem Buch zusammenzu“binden“, das zu lesen vordergründig einen Heidenspaß bereitet und hintergründig der Bigotterie, der weit verbreiteten Welt der Vorurteile und rechtsgerichtetem Denken den Spiegel vorhält.

Veröffentlicht am 15.02.2018

Grandios

Alte Geschichten
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Das Buch klappe ich nach der letzten gelesenen Geschichte zu. Ratlos. Deprimiert. Wütend. Weil das Buch großartig geschrieben ist. Und so entsetzlich.

Die Erzählungen berichten von Frauen und Männern, ...

Das Buch klappe ich nach der letzten gelesenen Geschichte zu. Ratlos. Deprimiert. Wütend. Weil das Buch großartig geschrieben ist. Und so entsetzlich.

Die Erzählungen berichten von Frauen und Männern, die „gegen“ sind. Gegen die anderen, gegen den anderen, gegen die Vergangenheit, gegen sich selbst. Und entweder sie haben resigniert oder sie hassen oder sie sind erkaltet bis ins Herz. Apropos Herz: Das kommt nicht vor. Niemand ist herzlich. Herzerwärmende Gesten gibt es nicht. Es sind beschädigte, herzbeschädigte Menschen, von denen berichtet wird, herzlos berichtet wird.

Dass die Autorin gewohnt ist, Kolumnen zu schreiben, d. h. Themen pointiert zu Papier zu bringen, spürt man in dieser vorliegenden Sammlung von Erzählungen. Da ist kein Satz zuviel, ja da ist kein Wort zuviel. Und das Grauen blinzelt auf jeder Seite zwischen den Sätzen hindurch, das Grauen, das sich Menschen selbst oder dem Partner verordnen, sozusagen als Medikament gegen Einsicht, gegen Reflexion, gegen Hoffnung, gegen alles am besten. Die Autorin schaut mit dem Mikroskop hin und zählt die tiefen Seelenfalten, die unverheilten Seelenwunden. Und sie lässt kein gutes Haar an den Menschen, von denen sie berichtet. Es gibt in diesem Buch an keiner Stelle einen Schimmer von echter Erlösung oder zumindest tragfähiger Hoffnung. Das messerscharfe Seziermesser der Autorin setzt nahezu in jeder Geschichte einen endgültigen Schnitt. Es gibt kein Davonkommen. Grandios.

Veröffentlicht am 05.02.2018

Besser geht nicht

Das Geheimnis des Glasbläsers
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Anno Domini 1452 bekommt Kaiser Friedrich III. im Heiligen Römischen Reich als Geschenk anlässlich seiner Hochzeit Glas geschenkt, durchsichtig wie Wasser. So etwas Reines hatte er noch nie gesehen, denn ...


Anno Domini 1452 bekommt Kaiser Friedrich III. im Heiligen Römischen Reich als Geschenk anlässlich seiner Hochzeit Glas geschenkt, durchsichtig wie Wasser. So etwas Reines hatte er noch nie gesehen, denn bislang gab es nur grünliches Waldglas. Er entsendet Simon den Glasbläser nach Venedig, damit er ihm von dort die geheime Rezeptur des Kristallglases bringt. Begleitet wird der etwas unbedachte Simon von Ulf, einem sanften Riesen mit schlichtem Gemüt, und der Eselin Lilly. Nach einer gefahrvollen Reise über die Alpen und nach Ankunft in Venedig warten eine Fülle weiterer gefährlicher Abenteuer auf Simon und Ulf. Ein Serienmörder treibt sein Unwesen, eine Bordellbesitzerin erweist sich als ungewöhnlich hilfreich und ein wunderschönes Mädchen lässt Simon fast seine eigentliche Mission vergessen. Die Schlacht um Konstantinopel bringt die entscheidende Wende…
Historische Romane gibt es unzählige. Dick sind sie meistens. Mal mehr mal weniger gut recherchiert sind sie. Mal mehr mal weniger gut lesbar sind sie. Sie werden geliebt, weil man als Leser abtauchen kann in eine Zeit, die es wirklich gab, die aber für den Leser so fern ist wie eine fremde Galaxie. Noch nie jedoch habe ich bisher je einen historischen Roman gelesen, der mich so atemlos machte, der mich fiebernd Seite um Seite verschlingen ließ, der mich aufs Intensivste um die Protagonisten zittern ließ, der mich ins Schlachtgetümmel schickte, dass mir Hören und Sehen verging und mich schließlich völlig erschöpft das Buch schließen ließ in der Gewissheit, dass der Kampf um Geld und Macht ein sinnloser ist.
Ich bin hingerissen von der Faszination dieses Buches, vom kraftvollen Schreibstil des Autors, der mich mit allen Sinnen das Geschehen miterleben ließ, als sei ich dabei. Ich bin begeistert von der farbenprächtigen fulminanten Geschichte: Märchen, Abenteuer, Historie perfekt miteinander verwoben. Großartig, wie es dem Autor gelungen ist, sorgfältigste Recherche-Arbeit so direkt in die Handlung einfließen zu lassen, dass das Buch nicht eine einzige Zeile der besserwisserischen Langeweile enthält. Für mich ist dieser historische Roman der spannendste und lebendigste, den ich je gelesen habe.