Ein Leben lang bin ich beobachtet worden. Die Gesellschaft beobachtete, wie ich in die Schule ging, wie ich schwimmen lernte [...] Man hat meine Träume sortiert, und wenn jemand meine Daten interessant fand, wie meine Funktionärin, änderte man die äußeren Umstände und erforschte meine Reaktion.
Inhalt:
Nachdem Cassia & Ky voneinander getrennt, und Ky in die äußeren Provinzen versetzt wurde,wird Cassia nur von einem Gefühl beherrscht: tiefer Sehnsucht nach Ky. Diese Sehnsucht übersteigt alles. Tatsächlich gelingt dem jungen Mädchen das Unmögliche: Sie schafft es, sich aus einem Arbeitslager zu schleichen und zusammen mit einem anderen Mädchen, namens Indie, in die äußeren Provinzen zu fliehen. Doch mit dem, was sie dort erwartet, hätte Cassia niemals gerechnet. Die beiden Mädchen werden mit dem Tod, Hunger, Durst und einem stetiger Überlebenskampf konfrontiert. Doch Cassia wird getrieben durch einen starken Willen, endlich zu dem Jungen zu gelangen, dem sie ihr Herz schenkte. Als sie schon fast nicht mehr damit gerechnet hat findet sie endlich, wonach sie voller Hoffnung gesucht hat.
Doch viel Zeit bleiben Cassia und Ky nicht. Neue Entdeckungen, überraschende Wendungen und eine ganz neue Perspektive eröffnen sich. Es muss eine Entscheidung getroffen werden, doch diesmal scheinen die Wege der Beiden nicht vereinbar. Nach Wochen, endlich vereint, wird das junge Glück erneut, auf eine harte Probe gestellt, die alles zu zerstören droht.
Idee/ Umsetzung:
Manchmal hat man einfach keine Lust auf ein Buch, man hat zwar Lust es zu kaufen, es endlich in den Händen zu halten, zu all den anderen Geschichten in sein Regal einzuräumen, doch man fühlt, dass der passende Moment für den Inhalt noch nicht gekommen ist. Ich weiß nicht genau, ob es eine gewisse Intuition ist, doch in vielen Momenten habe ich das Gefühl, dass ein Buch noch eine gewisse Reife erlangen muss, bevor ich bereit für es bin. Bei "Cassia und Ky: Die Flucht" erging es mir genau so. Der erste Band hatte mir sehr gut gefallen, auch wenn viele, andere Leser ihn als eher langatmig empfanden und ihnen das gewisse Etwas an Spannung fehlte, so war es gerade dies, welches mir an dem Werk von Ally Condie so gut gefiel. Auch bei der Fortsetzung sollte man nicht erwarten, dass eine übertriebende Spannung die Handlung dominiert. Wer auf der Suche nach schwitzigen Händen und Herzrasen ist, der wird sich weder mit dem ersten Band, noch mit dem zweiten Band, für das richtige Buch entscheiden. Wer aber bereit für Abwechslung, neue Facetten und einen sehr schönen, bildhaften Schreibstil ist, der wird sich in den Werken von Ally Condie, genau wie ich, sehr wohlfühlen. Denn genau wie im ersten Band, überzeugt die Autorin, im Gegensatz zu anderen Dystopien, durch eine friedliche, geheime und sehr durchdachte Rebellion. Es steht weniger eine hohe Agressivität im Vordergrund, als viel mehr eine schleichende, geheime Unterlaufung des Gesellschaftssystems, durch einen großen Plan, der "Erhebung". Dabei steht in der ersten Hälfte der Geschichte, weniger das System, als viel mehr die Suche nach Liebe und Hoffnung im Vordergrund der Geschichte. Cassia sucht Ky und sie sucht und sucht und sucht. Ich finde hier wurde die Handlung an einigen Stellen etwas gezogen, die man durchaus hätte abkürzen können. Erst in der zweiten Hälfte wird die Handlung einem höherem Zweck zugewand: Dem Kampf gegen die Gesellschaft. Erst hier, kam für mich wirklich etwas ins Rollen, was der Geschichte ein gewisses Tempo und, im Hinblick auf den letzten Band, eine Basis verschafft hat.
Demnach wurde der zweite Band, in meinen Augen, durchaus gelungen umgesetzt und der erste Teil, sinnvoll weitergeführt. Auch wenn es an einigen Stellen durchaus etwas kürzer und dafür knackiger hätte sein können, so überzeugt "Die Flucht" auf ihre Weise.
Schreibstil:
Beim Schreibstil bleibt mir nicht viel zu sagen als, dass ich die Art und Weise, von Ally Condie, sich der Macht der Wörter zu gebrauchen einfach unglaublich finde. Die Autorin schreibt sehr bildhaft, betrachtet Themen auf eine sehr tiefgehende Weise und kratzt nicht nur einmal an der Oberfläche. Nicht nur die Geschichten und Gedichte die sie, wie selbstverständlich, in die Geschichte einfließen lässt, zeigen ihr schriftstellerisches Potential. Allein schon wegen ihrem Schreibstil, würde ich jedes Buch von ihr verschlingen wollen.
Eine, meiner Lieblingsstellen:
Dennoch wünsche ich tief in mir, dass die Flut des Todes uns irgendwohin trägt. Dass man am Ende jemandem begegnet.
[S. 56]
Charaktere:
Was mir sehr zugesagt hat an diesem Werk war die Tatsache, dass neben vielen neuen Figuren, die zwei Protagonisten, viel mehr Tiefe und Kontur bekommen, als im ersten Teil. Man erfährt viel über die Vergangenheit von Ky, lernt ihn zu verstehen und lernt ihn lieben. Er scheint das komplette Gegenteil von Cassia zu sein, aber am Ende befinden sich die Beiden dann doch wieder auf einer, gemeinsamen Ebene und harmonieren perfekt. Aber auch Cassia erlangt im Vergleich zum ersten Band, viel mehr Kontur. Ky hat sie verändert und nun ist das kleine, naive, schwächliche Mädchen, endlich aus ihrem Käfig ausgebrochen. Sie hat sich frei gemacht, hat gekämpft, hat Stärke und Mut erlangt, aber vorallem: Sie hat nun eigene Ziele, eigene Träume und den Willen, die Stärke, den Mut, ihren eigenen Weg zu gehen und Richtig und Falsch, voneinander zu unterscheiden. Auch wenn sie innerhalb dieser Wandlung, das ein oder andere Mal ins alte Schema zurückverfällt, was ihre Veränderung aber zusätzlich glaubwürdig macht, so hat sie sich in der Geschichte zu einem Charakter gewandelt, den Leser ins Herz schließen wollen, zu dem sie aufschauen. Nicht nur einmal habe ich mich dabei ertappt, wie ich von ihrem Kampfgeist fasziniert wurde. Diese Cassia und dieser Ky, sind viel reifer, viel ummalter, als die zwei kleinen Figuren aus den Anfängen der Geschichte. Man merkt immer mehr, dass mit jedem Schritt, dem sich die beiden Protagonisten, einer neuen Einstellung nähern, auch die Rebellion zu atmen und leben beginnt. Langsam aber sicher spitzt sich alles zu und arbeitet auf das große Finale hin.
Cover/ Innengestaltung:
Das Cover aller Ausgaben ist vom Grundsatz her gleich. Der einzige Unterschied ist die Farbgebung und der Aussschnitt des Mädchens, in der Glaskugel. Ich finde es gut, dass hier bei allen Ausgaben das gleiche Cover verwendet wurde. Denn ich glaube besser, kann man den Inhalt gar nicht verbildlichen. Cassia bricht endlich aus - aus sich, aus der Gesellschaft, aus allen Zwängen, die sie je beherrschten. Sie beweist Stärke und Kraft und fängt an, zu verstehen, dass dort draußen eine ganze Welt auf sie wartet - die Freiheit.
Die Innengestaltung ist passend zum Cover gehalten. Es wird aus zwei Sichtweisen berichtet, der von Ky und jener von Cassia. Dies erleichtert es, das Innenleben der Figuren zu erfassen und zu verstehen. Des weiteren beherrschen Geschichten und Gedichte das Buch. Sie alle sind in kursiver Schrift dargestellt und heben sich so von der Beschreibung der Geschichte ab.Zu beginn findet der Leser eine Landkarte, die es ihm weiter erleichtert, sich diese Zukunftsvision von Ally Condie vorzustellen und die Buchhelden auf ihrer Reise zu begleiten.
Fazit:
Es gibt Bücher, auf die kann man sich nur in einem ganz bestimmten Moment einlassen. "Cassia & Ky: Die Flucht" war für mich eines dieser Werke. Dabei bin ich der festen Überzeugung, dass Dystopien nicht immer nur durch agressive Charakter oder sich überschlagende Handlungen zu einer lesenswerten Geschichte werden. Der zweite Band, der Dystopie von Ally Condie, weist weder eine schweißtreibende, Angst erzeugende Handlung auf, noch besticht sie durch eine starke agressive und aktive Rebellion. Dafür ist sie durch andere Faktoren und Facetten ausgezeichnet, die jene Geschichte als lesenswert einstufen. Durch einen starken und sehr bildhaften Schreibstil und durchweg glaubwürdige und mutige Figuren, nimmt die Autorin ihre Leser an die Hand und begleitet sie durch eine aufregende Reise voller Gefahren, Wege und Möglichkeiten. Dabei hat sich die Autorin nicht nur viel Potential aufgebaut, sondern es vorallem auch genutzt. Denn neben einer schleichenden, geheimen Widerstandsbewegung, erzählt dieses Buch von der Hoffnung auf Freiheit, dem Mut zur Liebe und dem Willen dazu, den richtigen Weg zu wählen, egal wie steinig er auch sein mag. Deshalb gebe ich euch eine absolute Leseempfehlung mit auf den Weg. Auch wenn sich die Geschichte, aus meiner Sicht, an einigen Stellen ein Wenig gezogen hat,so schlägt der zweite Teil, seine Leser nicht in "die Flucht", sondern überzeugt auf voller Linie.