Patricia Schröder versteht sich darauf, dem Leser keine Zeit zum Luft holen zu lassen. Von der ersten Seite an hält sie die Spannung hoch und fesselte mich damit an ihre Geschichte. Sie versteht es, bei aller Spannung, dafür zu sorgen, dass sich die Geschichte nicht selbst überholt. An keiner Stelle hatte ich das Gefühl, dass es irgendwie zu schnell geht, dass ich irgendetwas verpasst habe. Die Geschichte entwickelt sich einfach stetig vorwärts, ohne ausschmückendes Beiwerk, dass nur ablenken würde. Dabei behält sie jederzeit den roten Faden im Auge und schreibt so eine runde, sehr glaubwürdige Geschichte.
Nara selbst war eine wundervolle Protagonistin. Patricia Schröder hat ihre Figur sehr glaubhaft angelegt. Einerseits stark verängstigt, andererseits will sie sich nicht unterkriegen lassen und fängt nach einiger Zeit an, ihr Leben wieder in die Hand zu nehmen. Schnell, aber nicht unglaubwürdig schnell, begreift sie die Zusammenhänge und fängt auf eigene Faust an das, was ihr passiert ist aufzuklären. Dabei wird sie aber nie unvorsichtig oder schießt übers Ziel hinaus. Sehr gut hat die Autorin den Zwiespalt dargestellt, in dem Nara sich befindet. Einerseits ist sie ein Teenager, der nichts lieber möchte, als sich einem Erwachsenen anzuvertrauen, andererseits hat sie viel zu viel Angst, was passieren könnte, wenn sie sich den Forderungen ihres Entführers nicht stellt.
Charlie, Naras beste Freundin hat mir sehr gut gefallen. Absolut loyal, auch in schweren Zeiten, womit ich bei einem so jungen Mädchen nicht unbedingt gerechnet habe. Sie agiert sehr einfühlsam und ich habe sie wirklich ins Herz geschlossen. Solch eine beste Freundin kann man nur jedem wünschen.
Der zweite, sehr starke Nebencharakter ist Tugce, eine der Mitgefangenen von Nara. Sie ergibt sich ihrem Schicksal nicht, sondern nimmt es selbst in die Hand. Vor allem während der Gefangenschaft der Mädchen, war sie eine starke Stütze.
Eingestreut wurden noch zwei weitere, sehr kurze, Stänge, die einmal den Täter und eines der weiteren Opfer begleiten. Man hatte dadurch ein kleines bisschen Einblick, wo das Ganze hinführen sollte und wie der Hintergrund der Taten war. Auf diese Weise bekommt man auch ein kleines bisschen Einblick in das Innenleben des Täters bzw. seine verqueren Ansichten. Ansonsten haben wir in diesem Buch mit dem Täter recht wenig zu tun. Auch wenn die Geschichte gut aufgelöst wird und Patricia Schröder uns über die Ansichten und Hintergründe des Täters nicht im Unklaren lässt, bekommt der Leser nicht so richtig einen Bezug zu ihm.
Der Schreibstil von Patricia Schröder ist einfach gehalten, keine unverständlichen Fremdworte, dafür knackige Sätze, die den Leser in ihren Bann ziehen. Ich konnte nicht aufhören zu lesen, da die gesamte Geschichte wirklich extrem spannend ist. Ich hatte lange keine Ahnung, worauf es hinauslaufen wird. Die Geschichte ist teilweise schon sehr heftig, so dass ich das Buch eher älteren Jugendlichen empfehlen würde. Bei Amazon wird das Buch ab 14 Jahren empfohlen, ich persönlich würde das Alter eher etwas höher setzen.
Das Einzige, was mich ein bisschen gestört hat war, dass man bei der Auflösung erfuhr, dass ein Erwachsener, der auch noch bei einer Behörde arbeitete, tatsächlich ansatzweise in die Geschichte eingeweiht war. Für mich war die Erklärung, warum dann die Polizei nicht mit deutlich mehr Nachdruck ermittelt, nicht schlüssig. Man sollte doch meinen, dass, wenn sechs Mädchen vermisst werden und eine Behörde Informationen hat, deutlich mehr Druck hinter die Ermittlungen gesetzt wird.
Von mir gibt es 5 Sterne für einen spannenden Jugendthriller, bei dem die Autorin dem Leser keine Zeit zum Atem holen lässt. Starke Charaktere und eine gut ausgearbeitete Geschichte.