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Veröffentlicht am 16.07.2018

gelungende Neuinterpretation

Der Neue
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Osei Kokote, oder auch O genannt, Sohn eines Diplomaten muss wieder einmal die Schule wechseln. Er ist der einzig dunkelhäutige auf dem Schulhof. Das ist nichts Neues für ihn, Osei ist die neugierigen ...

Osei Kokote, oder auch O genannt, Sohn eines Diplomaten muss wieder einmal die Schule wechseln. Er ist der einzig dunkelhäutige auf dem Schulhof. Das ist nichts Neues für ihn, Osei ist die neugierigen Blicke und Vorurteile inzwischen gewohnt, weiß, wie er sich dagegen zur Wehr setzen kann. Sein Blick fängt den von der beliebten Dee auf und die beiden vergucken sich augenblicklich ineinander. Doch Ian, der meist gefürchtetste Junge auf dem Platz hat es auf den Neuen abgesehen und versucht durch Intrigen und Drohungen die frisch Verliebten auseinander zu bringen.
„Der Neue“ ist Teil der Hoghart-Shakespeare Collection. Bekannte Autoren interpretieren Shakespeares Stücke ganz neu. In diesem Fall ist es Tracy Chevalier, die ihr schriftstellerisches Können einmal mehr unter Beweis stellt. Sie schickt „Othello, de(n) Mohr von Venedig“ auf einen schnöden amerikanischen Schulhof der 70 Jahre. Und wie Othello muss sich auch Osei mit Anfeindungen, Vorurteilen und Rassismus auseinandersetzen. Selbst die Lehrer lassen den Jungen ihre Abneigung deutlich spüren, Mobben ihn geradezu. Das Stück – eigentlich in 5 Akten – spielt nun in den 5 Schulpausen eines Tages. So ist der Zeitraum sehr komprimiert und dafür entwickelt sich die Handlung nun umso schneller. Erzählt wird aus den jeweiligen Perspektiven der Protagonisten, sodass der Leser immer einen kleinen Schritt voraus ist und die Intrigen von Ian, oder die Missverständnisse zwischen O und Dee genau durchschaut und sie in die richtige Richtung stupsen möchte, um ihnen Unheil zu ersparen. Tracy Chevalier beschreibt mit ganz feinen Beobachtungen, wie sich die Persönlichkeiten weiterentwickeln, welche Dynamik auf dem Schulhof herrscht und wie Beziehungen wachsen. Diese Feinheit und ihre ganz besondere Art zu schreiben, haben das Buch zu einem ganz besonderen Lesegenuss für mich gemacht. „Othello“ ist eine Tragödie und auch dieses Buch lässt die Gefühle bestimmt nicht kalt. Es hat mich mitgenommen, wütend und traurig gemacht, aber doch auch gleichzeitig verzaubert.
Weitere Titel aus der Kollektion sind:

Jeanette Winterson: "Das Wintermärchen"- der weite Raum der Zeit
Howard Jacobson: "Der Kaufmann von Venedig" - Shylock
Margaret Atwood: "Der Sturm"- Hexensaat
Tracy Chevalier "Othello" – der Neue
Gillian Flynn "Hamlet"
Jo Nesbø: "Macbeth"
Edward St Aubyn: "König Lear" - Dunbar und seine Töchter
Anne Tyler: "Der Widerspenstigen Zähmung" die störrische Braut

Veröffentlicht am 04.05.2018

einfach schön

Eine Liebe, in Gedanken
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Nach dem Tod ihrer Mutter fragt sich die Ich-Erzählerin, warum sie ihr nicht besser zugehört hat, als sie noch ihre Geschichte erzählen konnte. Wie hat sie sich gefühlt, warum konnte sie die alte Liebe ...

Nach dem Tod ihrer Mutter fragt sich die Ich-Erzählerin, warum sie ihr nicht besser zugehört hat, als sie noch ihre Geschichte erzählen konnte. Wie hat sie sich gefühlt, warum konnte sie die alte Liebe nie vergessen? Anhand von Briefen rekonstruiert die Erzählerin Antonias Leben. In den 60 Jahren fand Toni ihre erste große Liebe – Edgar. Mit ihm wollte sie sich eine Zukunft aufbauen, doch die Beziehung ging in die Brüche.
Diese Geschichte hat mich sehr berührt und mitgenommen. Die Charaktere, ihre Handlungen und Gedanken sind so eindrücklich beschrieben, dass man sich ihnen einfach nahe fühlen muss. Auf der einen Seite Antonia, unabhängig für diese Zeit, lebenslustig, immer bereit zu unterstützen und auch Liebe zu geben. Sie lebt aus dem Bauch heraus. Auf der anderen ihre erste Liebe, der charmante, etwas eingestaubte und steife Edgar. Er versucht ein geordnetes, sicheres Leben für die zwei aufzubauen und vergisst darüber die Gefühle. Edgar denkt zu viel. Die beiden ergänzen sich anfangs so schön – es macht einfach Freude die ersten Momente ihres Kennenlernens mitzuerleben. Später dann ist es umso bedrückender, wie sich alles entwickelt.
Auch die Beziehung zwischen Mutter und Tochter wird sehr intensiv dargestellt. Seien es nun Problematiken oder die tief empfundene Liebe.
Kristina Bilkau hat einen sehr ruhigen und zarten Roman geschrieben, der sowohl sprachlich als auch mit seiner Handlung beeindrucken kann. Die Liebesgeschichte wirkt in keiner Sekunde kitschig, sondern einfach ehrlich. Ich bin immernoch ganz begeistert.

Veröffentlicht am 21.03.2018

dramatische Szenen auf dem Mond

Artemis
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Die 26 jährige Jazz ist in Artemis, der Kuppelstadt auf dem Mond, aufgewachsen. Dank der geringen Schwerkraft und einseitiger Ernährung ist Jazz zwar nicht gerade hoch gewachsen, dafür aber wahrlich nicht ...

Die 26 jährige Jazz ist in Artemis, der Kuppelstadt auf dem Mond, aufgewachsen. Dank der geringen Schwerkraft und einseitiger Ernährung ist Jazz zwar nicht gerade hoch gewachsen, dafür aber wahrlich nicht auf den Kopf gefallen. Die hochintelligente, waagemutige junge Frau versucht sich einen besseren Stand in der Mondgesellschaft zu erarbeiten - denn wer kein Geld hat, bzw. sehr sehr viel davon, hat auf dem Mond keine Chance auf ein wirklich angenehmes Wohnen. Jazz Methoden? - mehr als fragwürdig. Sie hält sich mit Schmuggel über Wasser, bis sie eines Tages ein so aberwitzig hohes Jobangebot bekommt, dass sie einfach nicht ablehnen kann. Doch damit bringt sie ganz Artemis in Gefahr.
Leider kenne ich Andy Weirs ersten Roman – der Marsianer - noch nicht, aber nach dem Film hatte ich bei Artemis eigentlich einen eher ruhigen Sci-Fi Roman erwartet - falsch gedacht.
Jazz führt den Leser in der Ich-Perspektive durch ihre Geschichte. Die kleine Frau ist wirklich nicht auf den Mund gefallen und hat immer eine flapsige Antwort parat. So werden auch eigentlich dramatische Szenen oft durch humorvolle Dialoge aufgelockert. Trotz ihrer zweifelhaften Moralvorstellungen muss man Jazz sympathisch finden. Frech, etwas burschikos und ihrer Mondkuppel gegenüber absolut loyal. Auch die anderen Charaktere sind toll ausgearbeitet und überraschen immer wieder.
Die Geschichte schreitet schnell voran. Kaum ein Moment vergeht, der nicht spannungsgeladen ist und immer wieder lässt der Autor interessante wissenschaftliche Details einfließen, sodass das Szenario schon fast real - oder zumindest logisch wirkt. Der Schreibstil ist schön leicht, spritzig und direkt. Das Buch macht von der ersten bis zur letzten Seite Spaß. Für euch eine klare Leseempfehlung – für mich dann wohl doch noch der Griff zum Marsianer.

Veröffentlicht am 23.02.2018

sehr berührend

Sag den Wölfen, ich bin zu Hause
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Als Finn, der Onkel der 15-Jährigen June an Aids stirbt, bricht für das junge Mädchen eine Welt zusammen. Finn war ihr bester Freund, vielleicht war sie sogar ein bisschen in ihn verliebt. Von ihrer Schwester ...

Als Finn, der Onkel der 15-Jährigen June an Aids stirbt, bricht für das junge Mädchen eine Welt zusammen. Finn war ihr bester Freund, vielleicht war sie sogar ein bisschen in ihn verliebt. Von ihrer Schwester Greta kann June im Moment keine Hilfe erwarten. Waren sie noch vor kurzer Zeit ein Herz und eine Seele - zieht sich Greta jetzt immer mehr zurück, lässt ihre Schwester im Stich oder stellt sich sogar gegen sie.

Finn war ein großer Künstler. In seinen letzten Monaten malte er ein Portrait von den beiden Schwestern. Ein Bild, dass für einigen Aufruhr sorgt. Und dann ist da auch noch Toby, Finns heimlicher Freund der nun Kontakt zu June sucht. Das Mädchen ist hin und hergerissen zwischen Eifersucht auf Finns Partner und dem Wunsch verstanden und geliebt zu werden…

Was für ein wunderschöner und bewegender Roman über Liebe, Freundschaft und Trauer. Junes Geschichte hat mir wirklich sehr berührt und nachdenklich zurückgelassen. Der Einstieg fiel mir zwar etwas schwer, da es recht lange dauerte bis die Handlung in Fahrt kam, aber dann hat mich June nicht mehr losgelassen.

Das Buch spielt in den 80 iger Jahren. Eine Zeit in der Aids noch eine recht unverstandene Krankheit war und den Betroffenen mit Vorurteilen begegnet wurde. Das macht es June noch schwerer den Tod ihres Onkels zu verarbeiten. Und als sich der verheimlichte Freund Toby bei ihr meldet hat ihre Beziehung einen wahnsinnig schweren Start. Zum einen ist June tierisch eifersüchtig, zum anderen hält ihre Familie Toby für Finns eigentlichen Mörder. Er muss ihn wissentlich mit der Krankheit angesteckt haben.

Es ist wirklich schön zu lesen, wie sich die Freundschaft zwischen Toby und June entwickelt. Die Charaktere sind toll gezeichnet, facettenreich und lebensnah. Man fühlt gerne mit ihnen. Auch Junes Schwester Greta spielt eine große Rolle. Ihre Beweggründe bleiben lange unersichtlich und obwohl sie sich furchtbar verhält muss man doch irgendwie Mitleid und Angst um sie haben. Trotz der schwesterlichen Rivalitäten kümmert sich die sonst so kindliche und verträumte June sehr bewusst und verantwortungsvoll um Greta.

Carol Rifka Brunt hat eine sehr ruhige und leichte Erzählweise, schafft wunderbare Bilder, Sätze die man sich gerne anstreichen möchte und so traurig das Thema auch sein mag, strahlt der Roman eine ganz besondere Wärme aus. Toll fand ich auch die Hinweise zu Kunst und Musik. Ich habe während des Lesens mal das erwähnte Mozart Requiem gehört und es hat sich unheimlich passend in die Geschichte eingebunden. Eine weitere schöne Idee wie der Buchtitel sich mit der Geschichte verbindet. Verraten will ich es nicht, - deshalb einfach selbst lesen ?

Veröffentlicht am 24.03.2017

wunderbarer Roman, sehr bewegend

Ein fauler Gott
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Ben ist geschockt, sein kleiner Bruder Jonas, mit dem er noch kurz zuvor schwimmen war ist nun tot. Der faule Gott hat ihn zu sich geholt. Ben ist 11. Er versucht irgendwie zu verstehen und über den Tod ...

Ben ist geschockt, sein kleiner Bruder Jonas, mit dem er noch kurz zuvor schwimmen war ist nun tot. Der faule Gott hat ihn zu sich geholt. Ben ist 11. Er versucht irgendwie zu verstehen und über den Tod seines Bruders hinwegzukommen. Neue Freunde helfen ihm dabei. Seine Mutter Ruth kann es nicht, der Vater ist lange fort. Ruth versinkt täglich mehr in Verzweiflung und Lethargie. Sie sieht keinen Ausweg mehr.

Dieser Roman hat mich von der ersten Seite an gebannt und sehr berührt. Man erlebt die Trauer und wie sie verarbeitet wird auf zwei ganz unterschiedliche Arten. Mutter und Sohn erzählen aus ihrer Sich. Beide konnte ich gut nachvollziehen und mich in deren jeweilige Situation hineinversetzten. Es waren die kleinen Dinge, die mich furchtbar traurig gemacht haben. Bens Gedankengänge sind zugleich kindlich naiv und doch sehr erwachsen. Er schafft wahnsinnig schöne Bilder über Seelen und Gott, in denen er versucht sich den Tod zu erklären. Immer wieder wird die Handlung aufgelockert durch die unweigerlich komischen und humorvollen Situationen, die durch die Denkweise des kleinen Jungen entstehen. Ich bin sehr froh dieses Buch entdeckt zu haben. Ein wahrer Schatz im Bücherregal!