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Veröffentlicht am 06.04.2018

Kein Meisterwerk, jedoch unterhaltsam, mitreißend und mitfühlend erzählt

When it's Real – Wahre Liebe überwindet alles
0

Allgemeines:

Titel: When it´s real - Wahre Liebe überwindet alles
Autor: Erin Watt
Verlag: Piper (3. April 2018)
Genre: Young Adult
ISBN-10: 3492061087
ISBN-13: 978-3492061087
ASIN: B077BVV3DT
Originaltitel: ...

Allgemeines:

Titel: When it´s real - Wahre Liebe überwindet alles
Autor: Erin Watt
Verlag: Piper (3. April 2018)
Genre: Young Adult
ISBN-10: 3492061087
ISBN-13: 978-3492061087
ASIN: B077BVV3DT
Originaltitel: When it's Real
Seitenzahl: 480 Seiten
Preis: 12,99€ (Broschiert)
9,99€ (Kindle-Edition)




Inhalt:

Unter normalen Umständen hätten sich Oakley und Vaughn wohl nie kennengelernt. Während sich die siebzehnjährige Vaughn seit dem Tod ihrer Eltern um ihre Geschwister kümmern muss, ist das Leben des neunzehnjährigen Oakley eine einzige Party. Als Popstar hat er sich nicht nur eine Bad-Boy-Attitüde zugelegt, sondern auch jede Menge Groupies. Dann beschließt sein Management, dass er dringend ein besseres Image braucht. Vaughn soll ein Jahr lang Oakleys Freundin spielen. Doch die beiden können sich auf den Tod nicht ausstehen. Während die gesamte Presse rätselt, wer das neue Mädchen an Oakleys Seite ist, muss sich Vaughn fragen: Kann sie sich selbst treu bleiben in dieser Welt voller Glitzer, Glamour und Gerüchte?


Bewertung:

Zum Ende meiner lang ersehnten Ferien habe ich noch dringend eine schöne, kitschige Liebesgeschichte gebraucht. Als ich im Verlagsprogramm von Piper "When it´s real" vom Autorenduo Erin Watt gefunden habe, habe ich beschlossen, den zweien eine Chance zu geben und mir das Buch angefragt. Aufgrund der grenzwertigen Geschichte von der "Paper"-Reihe, habe ich von Erin Watt bislang eher Abstand gehalten. Mit ihrem neuen Einzelband über die Liebe zwischen einem Rockstar und einem gewöhnlichen Mädchen haben die beiden bewiesen, dass sie auch etwas ruhigere und einfühlsamere Young Adult Romane schreiben können. Ich habe die Geschichte an einem einzigen Mittag weggelesen und auch wenn ich einige Kritikpunkte anzubringen habe, ist die Geschichte doch überraschend mitreißend und authentisch.

Das Cover ist für meinen Geschmack eine Spur zu kitschig. Wunderbar verträumt wirkt der türkisgrüne Hintergrund mit den helleren Lichtpunkten und auch die sprühenden Funken der Wunderkerze passen schön ins Bild. Das goldene Herz, das aus vielen einzelnen Glitter-Partikeln besteht, ging mir dann aber doch eine Spur zu weit. Da gefällt mir das Orginalcover, das im Grunde dasselbe Motiv zeigt - eine herzförmige Wunderkerze vor einem blauen Himmel - viel besser. Auch der Untertitel ist für mich nicht besonders passend. Gleich auf dem Cover von "wahrere Liebe" zu reden finde ich sowieso immer ein wenig fragwürdig und so viel zum Überwinden wird den beiden Protagonisten hier auch nicht vorgesetzt. Anfangs war ich auch von dem Haupttitel gar nicht begeistert. Im letzten Drittel des Buches wird jedoch klar, worauf sich der Titel bezieht: ein Song, den Oakley für seine Angebetete schreibt. Eine Besonderheit in der inneren Gestaltung des Romans sind die Auszüge aus sozialen Netzwerkkanälen, wie Fankommentare oder Beiträge von Promi-Blogs, die zu jedem Kapitelbeginn die Geschehnisse kommentieren und somit die Durchsichtigkeit der Geschehnisse verdeutlicht.
Insgesamt eine stimmige Gestaltung, die für mich jedoch ein wenig zu kitschig ist.


Erster Satz: "Bitte sag mir, dass jedes Mädchen da drin volljährig ist"


Wir platzen ohne Prolog oder Vorwort in das scheinbar unbesorgte Partyleben des berühmten Rockstars und Mädchenschwarms Oakley Ford, den das Leben als Celebrity mit jedem Tag mehr abstumpft, wenn die Begeisterung der Massen seine eigene Stimme übertönt. Kein Wunder dass der begabte Musiker seit zwei Jahren kein neues Album mehr herausgebracht hat, unter einer Kreativblockade leidet und außer Skandalen keine Schlagzeilen mehr produziert. Als eine Chance auf die Zusammenarbeit mit dem bekannten Musikproduzenten Donovan King anklopft, auf die er schon seit einer Ewigkeit wartet, stellt ihn sein Manager Jim vor ein Ultimatum: er muss sich ein besseres Image verschaffen und endlich erwachsen werden, oder sein Stern am Promihimmel ist schon wieder verglüht, bevor er überhaupt richtig aufgestiegen war. Als der Star widerwillig zustimmt, besorgt ihm sein PR-Team eine Fake Freundin, die als "ganz normales Mädchen von nebenan" für ein Jahr die Frau an seiner Seite sein soll, um mit einer unschuldigen und süßen Liebesgeschichte seinen Ruf zu verbessern.
Mit Vaughn Bennett, der Schwester einer Angestellten in der Presseagentur Jims, findet Oakleys Team dann die perfekte Kandidatin. Als Waisenkind, das zusammen mit ihrer älteren Schwester ihre beiden jüngeren Brüder großzieht, ist sie eine Verkörperung von Unschuld und Anstand. Um ihre finanzielle Lage aufzubessern, ihren Brüdern eine Collegeausbildung zu ermöglichen und ihre Schwester zu entlasten, willigt sie schließlich ein, unwissend, wie sehr diese Entscheidung ihr Leben verändern wird...


"Die Hälfte aller Male, die du den Mund aufmachst, würde ich die am liebsten eine Ohrfeige geben." Vaughn lächelt mich verlegen an. "Aber wenn du singst, ... dann fällt es mir wirklich schwer, dich zu hassen."


Eigentlich bekommen wir hier den Inbegriff eines typischen Young Adult Romans mit Bad Boy und normalem Mädchen vorgesetzt. Und wie erwartet: die Geschichte steckt auch voller Klischees und Oberflächlichkeit und verrät schon auf den ersten zwanzig Seiten ihren Ausgang. Doch da gibt es etwas, was die Geschichte von den anderen Rockstarromanzen abhebt. Auf der ungewöhnlichen Basis einer Fake-Beziehung entwickelt sich langsam und authentisch eine zarte, brave Beziehung zwischen den beiden. Es gibt kein dramatisches Hin-und-Her, keine unlogischen Liebe-auf-den-ersten-Blick-Szenarien und auch keine wilden Liebesszenen. Während die beiden von Paparazzi umschwärmt werden, täglich ein Liebes- und Shitstorm in den sozialen Netzwerken über die beiden hinwegfegt und eine gesellschaftliche Kluft die beiden trennt, nähern sie sich langsam an, bis zwischen den beiden Gefühle entstehen, die eine kleine reale, wahrhaftige Insel in all dem Fake und Schein der Promiwelt darstellt.


"Das hier ist keine Show. Es ist echt und schrecklich und wundervoll zugleich."


Die hohe Anziehungskraft der Geschichte resultiert dabei weniger aus handlungsbezogenen Spannungsbögen sondern resultieren eher aus der prickelnden Mischung von
Glamour, High Society, den Schattenseiten des Ruhms, unmöglicher Leidenschaft und ungeahnter Verletzlichkeit. Der Schreibstil der beiden Autorinnen ist dabei unauffällig durchschnittlich und liest sich leicht und flüssig. An manchen Stellen kommt der Lesefluss jedoch gelegentlich ins Stocken, was aber auch an der Übersetzung liegen könnte.

Erzählt werden die Kapitel abwechselnd aus der Sicht von Vaughn und Oakley, was durch ein großes Wasserzeichen mit der Aufschrift "Er" oder "Sie" deutlich gemacht wird. Durch die Ich-Perspektiven auf beiden Seiten bekommen wir alle Gefühle und Gedanken hautnah mit, die Möglichkeit, Gefühle einer der beiden Protagonisten vor dem Leser zu verstecken, um irgendwelche Wendungen hervorrufen zu können ist damit jedoch nur auf das Aussetzen der Erzählperspektive beschränkt. Dadurch ist schon von Anfang an klar, in welche Richtung sich die Story entwickeln wird und auch die herzlose Bad-Boy-Fassade Oakleys lässt sich vor den Lesern nicht lange halten. Dadurch erscheinen beide Charaktere nicht besonders tiefgründig und entwickeln sich auch nicht groß weiter. Man erfährt außerhalb der Handlungsebene, die sich vor allem auf die Beziehung zwischen Oakley und Vaughn bezieht, nicht besonders viel über die Charaktere und auch andere Figuren bleiben eher blass. Bei Young Adult Geschichten ist das jedoch leider häufig so, weshalb ich gar nicht groß etwas anderes erwartet habe. Wenn man realistische und gut ausgearbeitete Charakterstudien oder knisternde Spannung haben will, muss man einfach in einem anderen Genre suchen. Dafür wartet dieses Genre mit intensiven Emotionen auf. So auch hier: ich musste Oakley und Vaughn einfach sofort ins Herz schließen und mit fiebern, auch wenn mein Verstand kritisch herumgemäkelt hat.


"Sie verändert dich" Ich ignoriere ihn einfach und schreibe weiter, dass mein Herz ein Schrottplatz ist, in dem lauter nutzlose, verbrannte Teile herumliegen. "So was schaffen nur ganz besondere Menschen"


Für Vaughn hatte das Leben bisher erst wenig Zucker bereit: sie hat bereits früh ihre Eltern verloren und versucht seitdem gemeinsam mit ihrer älteren Schwester und ihren jüngeren Zwillingsbrüdern über die Runden zu kommen. Halt findet sie bei ihrem Freund W, der immer für sie da ist, dafür aber auch Gegenleistungen erwartet. In Oakley sieht sie zuerst einen verwöhnten Idioten und kann ihn nicht ausstehen, langsam merkt sie jedoch, dass auch er mit seinem Leben nicht glücklich ist und dass berühmt-sein harte Arbeit ist. Mit ihrer naiven, aufrichtigen und doch starken Art schleicht sich langsam in sein Herz, da sie vor allem eines ist: real, echt, ungekünstelt. Auffallend ist bei ihrem Charakter, dass wir nur sehr wenig über sie erfahren, was über die Handlung herausgeht. Was sind ihre Hobbies, wovor hat sie am meisten Angst, wovon träumt sie? Sie ist und bleibt das durchschnittliche, nette Mädchen, dass alle in ihr sehen. Gerade weil sie jedoch nicht besonders umwerfend aussieht, einen brillanten Stil hat oder über hervorragende Talente verfügt, können wir uns als Leser sehr gut mit ihr identifizieren.


"Du hast gesagt, dass in deinem Leben alles fake ist. Aber das sind wir nicht. Wir beide sind echt. Das zwischen uns ist verdammt echt."


In Oakley trifft Vaughn auf einen Charakter, der zwar gegensätzlicher nicht sein könnte, sie jedoch ganz wunderbar ergänzt und in ihr etwas ganz Neues sieht. Der hochgelobte Musiker führt eigentlich ein absolutes Traumleben: er ist berühmt, kann sich jeden Luxus leisten, die ganze Welt liebt ihn und er kann seine kühnsten Träume verwirklichen. Dennoch merken wir relativ schnell, dass er im Grunde genommen recht unzufrieden mit seinem Leben ist, da der Ruhm auch eine Menge Einschränkungen mit sich bringt So kann er nie spontan irgendwo hinfahren, ohne dass er eine riesige Menschentraube um sich schert, er kann sich auf niemanden verlassen, weil alle in ihm nur eine Möglichkeit sehen, nach oben zu kommen oder für ihn schwärmen, ohne ihn wirklich zu kennen, er wird von der ganzen Welt geliebt und muss dennoch von denen Ablehnung erfahren, die ihm am Wichtigsten sind: seine stinkreichen und berühmten Eltern, mit denen er kaum Kontakt hat. Im Grunde ist er also relativ einsam und führt kaum ein reicheres Leben wie Vaughn. Als diese in ihr Leben tritt sieht er zuerst alles, was sie nicht ist: kein Model, keine Berühmtheit, kein Fan, doch als sie beginnt, mehr von ihm zu verlangen, als Rockstar zu sein, hinter seiner Fassade herumgräbt und erstaunlich andere Seiten an ihm zum Vorschein bringt, beginnt er sich zu fragen, was wirklich in ihm steckt.


"Es ist genauso, wie ich es mir immer gewünscht habe. Besser, als wenn fünfzigtausend Leute deinen Namen brüllen. Schöner, als ein ausverkaufter Madison Square Garden, in dem das Publikum deine Songtexte mitsingt. Herrlicher als der beste Song aller Zeiten."


So steuert die Geschichte gemächlich auf ein Happy End zu, woran auch die kaum einfallsreiche und unnötige Wendung vor Schluss nichts ändern kann. Im Gegenteil: die fragwürdige Entwicklung, die den Protagonisten in typischer Young Adult Manier scheinbar noch mal einen Stein in den Weg legt, wird dann viel zu schnell aufgelöst und hierlässt am Ende eine gerunzelte Stirn.


Fazit:

Auch diese Geschichte erfindet das Genre, in dem sie steht, keineswegs neu. Die Rockstarromanze kommt jedoch erstaunlich zart und brav daher und auf der ungewöhnlichen Basis einer Fake-Beziehung entwickelt sich langsam und authentisch eine ehrliche Liebe in all dem Fake und Schein unserer Gesellschaft. Kein Meisterwerk, jedoch unterhaltsam, mitreißend und mitfühlend erzählt

Veröffentlicht am 06.04.2018

Kein Meisterwerk, jedoch unterhaltsam, mitreißend und mitfühlend erzählt.

When it's Real – Wahre Liebe überwindet alles
0

Allgemeines:

Titel: When it´s real - Wahre Liebe überwindet alles
Autor: Erin Watt
Verlag: Piper (3. April 2018)
Genre: Young Adult
ISBN-10: 3492061087
ISBN-13: 978-3492061087
ASIN: B077BVV3DT
Originaltitel: ...

Allgemeines:

Titel: When it´s real - Wahre Liebe überwindet alles
Autor: Erin Watt
Verlag: Piper (3. April 2018)
Genre: Young Adult
ISBN-10: 3492061087
ISBN-13: 978-3492061087
ASIN: B077BVV3DT
Originaltitel: When it's Real
Seitenzahl: 480 Seiten
Preis: 12,99€ (Broschiert)
9,99€ (Kindle-Edition)




Inhalt:

Unter normalen Umständen hätten sich Oakley und Vaughn wohl nie kennengelernt. Während sich die siebzehnjährige Vaughn seit dem Tod ihrer Eltern um ihre Geschwister kümmern muss, ist das Leben des neunzehnjährigen Oakley eine einzige Party. Als Popstar hat er sich nicht nur eine Bad-Boy-Attitüde zugelegt, sondern auch jede Menge Groupies. Dann beschließt sein Management, dass er dringend ein besseres Image braucht. Vaughn soll ein Jahr lang Oakleys Freundin spielen. Doch die beiden können sich auf den Tod nicht ausstehen. Während die gesamte Presse rätselt, wer das neue Mädchen an Oakleys Seite ist, muss sich Vaughn fragen: Kann sie sich selbst treu bleiben in dieser Welt voller Glitzer, Glamour und Gerüchte?


Bewertung:

Zum Ende meiner lang ersehnten Ferien habe ich noch dringend eine schöne, kitschige Liebesgeschichte gebraucht. Als ich im Verlagsprogramm von Piper "When it´s real" vom Autorenduo Erin Watt gefunden habe, habe ich beschlossen, den zweien eine Chance zu geben und mir das Buch angefragt. Aufgrund der grenzwertigen Geschichte von der "Paper"-Reihe, habe ich von Erin Watt bislang eher Abstand gehalten. Mit ihrem neuen Einzelband über die Liebe zwischen einem Rockstar und einem gewöhnlichen Mädchen haben die beiden bewiesen, dass sie auch etwas ruhigere und einfühlsamere Young Adult Romane schreiben können. Ich habe die Geschichte an einem einzigen Mittag weggelesen und auch wenn ich einige Kritikpunkte anzubringen habe, ist die Geschichte doch überraschend mitreißend und authentisch.

Das Cover ist für meinen Geschmack eine Spur zu kitschig. Wunderbar verträumt wirkt der türkisgrüne Hintergrund mit den helleren Lichtpunkten und auch die sprühenden Funken der Wunderkerze passen schön ins Bild. Das goldene Herz, das aus vielen einzelnen Glitter-Partikeln besteht, ging mir dann aber doch eine Spur zu weit. Da gefällt mir das Orginalcover, das im Grunde dasselbe Motiv zeigt - eine herzförmige Wunderkerze vor einem blauen Himmel - viel besser. Auch der Untertitel ist für mich nicht besonders passend. Gleich auf dem Cover von "wahrere Liebe" zu reden finde ich sowieso immer ein wenig fragwürdig und so viel zum Überwinden wird den beiden Protagonisten hier auch nicht vorgesetzt. Anfangs war ich auch von dem Haupttitel gar nicht begeistert. Im letzten Drittel des Buches wird jedoch klar, worauf sich der Titel bezieht: ein Song, den Oakley für seine Angebetete schreibt. Eine Besonderheit in der inneren Gestaltung des Romans sind die Auszüge aus sozialen Netzwerkkanälen, wie Fankommentare oder Beiträge von Promi-Blogs, die zu jedem Kapitelbeginn die Geschehnisse kommentieren und somit die Durchsichtigkeit der Geschehnisse verdeutlicht.
Insgesamt eine stimmige Gestaltung, die für mich jedoch ein wenig zu kitschig ist.


Erster Satz: "Bitte sag mir, dass jedes Mädchen da drin volljährig ist"


Wir platzen ohne Prolog oder Vorwort in das scheinbar unbesorgte Partyleben des berühmten Rockstars und Mädchenschwarms Oakley Ford, den das Leben als Celebrity mit jedem Tag mehr abstumpft, wenn die Begeisterung der Massen seine eigene Stimme übertönt. Kein Wunder dass der begabte Musiker seit zwei Jahren kein neues Album mehr herausgebracht hat, unter einer Kreativblockade leidet und außer Skandalen keine Schlagzeilen mehr produziert. Als eine Chance auf die Zusammenarbeit mit dem bekannten Musikproduzenten Donovan King anklopft, auf die er schon seit einer Ewigkeit wartet, stellt ihn sein Manager Jim vor ein Ultimatum: er muss sich ein besseres Image verschaffen und endlich erwachsen werden, oder sein Stern am Promihimmel ist schon wieder verglüht, bevor er überhaupt richtig aufgestiegen war. Als der Star widerwillig zustimmt, besorgt ihm sein PR-Team eine Fake Freundin, die als "ganz normales Mädchen von nebenan" für ein Jahr die Frau an seiner Seite sein soll, um mit einer unschuldigen und süßen Liebesgeschichte seinen Ruf zu verbessern.
Mit Vaughn Bennett, der Schwester einer Angestellten in der Presseagentur Jims, findet Oakleys Team dann die perfekte Kandidatin. Als Waisenkind, das zusammen mit ihrer älteren Schwester ihre beiden jüngeren Brüder großzieht, ist sie eine Verkörperung von Unschuld und Anstand. Um ihre finanzielle Lage aufzubessern, ihren Brüdern eine Collegeausbildung zu ermöglichen und ihre Schwester zu entlasten, willigt sie schließlich ein, unwissend, wie sehr diese Entscheidung ihr Leben verändern wird...


"Die Hälfte aller Male, die du den Mund aufmachst, würde ich die am liebsten eine Ohrfeige geben." Vaughn lächelt mich verlegen an. "Aber wenn du singst, ... dann fällt es mir wirklich schwer, dich zu hassen."


Eigentlich bekommen wir hier den Inbegriff eines typischen Young Adult Romans mit Bad Boy und normalem Mädchen vorgesetzt. Und wie erwartet: die Geschichte steckt auch voller Klischees und Oberflächlichkeit und verrät schon auf den ersten zwanzig Seiten ihren Ausgang. Doch da gibt es etwas, was die Geschichte von den anderen Rockstarromanzen abhebt. Auf der ungewöhnlichen Basis einer Fake-Beziehung entwickelt sich langsam und authentisch eine zarte, brave Beziehung zwischen den beiden. Es gibt kein dramatisches Hin-und-Her, keine unlogischen Liebe-auf-den-ersten-Blick-Szenarien und auch keine wilden Liebesszenen. Während die beiden von Paparazzi umschwärmt werden, täglich ein Liebes- und Shitstorm in den sozialen Netzwerken über die beiden hinwegfegt und eine gesellschaftliche Kluft die beiden trennt, nähern sie sich langsam an, bis zwischen den beiden Gefühle entstehen, die eine kleine reale, wahrhaftige Insel in all dem Fake und Schein der Promiwelt darstellt.


"Das hier ist keine Show. Es ist echt und schrecklich und wundervoll zugleich."


Die hohe Anziehungskraft der Geschichte resultiert dabei weniger aus handlungsbezogenen Spannungsbögen sondern resultieren eher aus der prickelnden Mischung von
Glamour, High Society, den Schattenseiten des Ruhms, unmöglicher Leidenschaft und ungeahnter Verletzlichkeit. Der Schreibstil der beiden Autorinnen ist dabei unauffällig durchschnittlich und liest sich leicht und flüssig. An manchen Stellen kommt der Lesefluss jedoch gelegentlich ins Stocken, was aber auch an der Übersetzung liegen könnte.

Erzählt werden die Kapitel abwechselnd aus der Sicht von Vaughn und Oakley, was durch ein großes Wasserzeichen mit der Aufschrift "Er" oder "Sie" deutlich gemacht wird. Durch die Ich-Perspektiven auf beiden Seiten bekommen wir alle Gefühle und Gedanken hautnah mit, die Möglichkeit, Gefühle einer der beiden Protagonisten vor dem Leser zu verstecken, um irgendwelche Wendungen hervorrufen zu können ist damit jedoch nur auf das Aussetzen der Erzählperspektive beschränkt. Dadurch ist schon von Anfang an klar, in welche Richtung sich die Story entwickeln wird und auch die herzlose Bad-Boy-Fassade Oakleys lässt sich vor den Lesern nicht lange halten. Dadurch erscheinen beide Charaktere nicht besonders tiefgründig und entwickeln sich auch nicht groß weiter. Man erfährt außerhalb der Handlungsebene, die sich vor allem auf die Beziehung zwischen Oakley und Vaughn bezieht, nicht besonders viel über die Charaktere und auch andere Figuren bleiben eher blass. Bei Young Adult Geschichten ist das jedoch leider häufig so, weshalb ich gar nicht groß etwas anderes erwartet habe. Wenn man realistische und gut ausgearbeitete Charakterstudien oder knisternde Spannung haben will, muss man einfach in einem anderen Genre suchen. Dafür wartet dieses Genre mit intensiven Emotionen auf. So auch hier: ich musste Oakley und Vaughn einfach sofort ins Herz schließen und mit fiebern, auch wenn mein Verstand kritisch herumgemäkelt hat.


"Sie verändert dich" Ich ignoriere ihn einfach und schreibe weiter, dass mein Herz ein Schrottplatz ist, in dem lauter nutzlose, verbrannte Teile herumliegen. "So was schaffen nur ganz besondere Menschen"


Für Vaughn hatte das Leben bisher erst wenig Zucker bereit: sie hat bereits früh ihre Eltern verloren und versucht seitdem gemeinsam mit ihrer älteren Schwester und ihren jüngeren Zwillingsbrüdern über die Runden zu kommen. Halt findet sie bei ihrem Freund W, der immer für sie da ist, dafür aber auch Gegenleistungen erwartet. In Oakley sieht sie zuerst einen verwöhnten Idioten und kann ihn nicht ausstehen, langsam merkt sie jedoch, dass auch er mit seinem Leben nicht glücklich ist und dass berühmt-sein harte Arbeit ist. Mit ihrer naiven, aufrichtigen und doch starken Art schleicht sich langsam in sein Herz, da sie vor allem eines ist: real, echt, ungekünstelt. Auffallend ist bei ihrem Charakter, dass wir nur sehr wenig über sie erfahren, was über die Handlung herausgeht. Was sind ihre Hobbies, wovor hat sie am meisten Angst, wovon träumt sie? Sie ist und bleibt das durchschnittliche, nette Mädchen, dass alle in ihr sehen. Gerade weil sie jedoch nicht besonders umwerfend aussieht, einen brillanten Stil hat oder über hervorragende Talente verfügt, können wir uns als Leser sehr gut mit ihr identifizieren.


"Du hast gesagt, dass in deinem Leben alles fake ist. Aber das sind wir nicht. Wir beide sind echt. Das zwischen uns ist verdammt echt."


In Oakley trifft Vaughn auf einen Charakter, der zwar gegensätzlicher nicht sein könnte, sie jedoch ganz wunderbar ergänzt und in ihr etwas ganz Neues sieht. Der hochgelobte Musiker führt eigentlich ein absolutes Traumleben: er ist berühmt, kann sich jeden Luxus leisten, die ganze Welt liebt ihn und er kann seine kühnsten Träume verwirklichen. Dennoch merken wir relativ schnell, dass er im Grunde genommen recht unzufrieden mit seinem Leben ist, da der Ruhm auch eine Menge Einschränkungen mit sich bringt So kann er nie spontan irgendwo hinfahren, ohne dass er eine riesige Menschentraube um sich schert, er kann sich auf niemanden verlassen, weil alle in ihm nur eine Möglichkeit sehen, nach oben zu kommen oder für ihn schwärmen, ohne ihn wirklich zu kennen, er wird von der ganzen Welt geliebt und muss dennoch von denen Ablehnung erfahren, die ihm am Wichtigsten sind: seine stinkreichen und berühmten Eltern, mit denen er kaum Kontakt hat. Im Grunde ist er also relativ einsam und führt kaum ein reicheres Leben wie Vaughn. Als diese in ihr Leben tritt sieht er zuerst alles, was sie nicht ist: kein Model, keine Berühmtheit, kein Fan, doch als sie beginnt, mehr von ihm zu verlangen, als Rockstar zu sein, hinter seiner Fassade herumgräbt und erstaunlich andere Seiten an ihm zum Vorschein bringt, beginnt er sich zu fragen, was wirklich in ihm steckt.


"Es ist genauso, wie ich es mir immer gewünscht habe. Besser, als wenn fünfzigtausend Leute deinen Namen brüllen. Schöner, als ein ausverkaufter Madison Square Garden, in dem das Publikum deine Songtexte mitsingt. Herrlicher als der beste Song aller Zeiten."


So steuert die Geschichte gemächlich auf ein Happy End zu, woran auch die kaum einfallsreiche und unnötige Wendung vor Schluss nichts ändern kann. Im Gegenteil: die fragwürdige Entwicklung, die den Protagonisten in typischer Young Adult Manier scheinbar noch mal einen Stein in den Weg legt, wird dann viel zu schnell aufgelöst und hierlässt am Ende eine gerunzelte Stirn.


Fazit:

Auch diese Geschichte erfindet das Genre, in dem sie steht, keineswegs neu. Die Rockstarromanze kommt jedoch erstaunlich zart und brav daher und auf der ungewöhnlichen Basis einer Fake-Beziehung entwickelt sich langsam und authentisch eine ehrliche Liebe in all dem Fake und Schein unserer Gesellschaft. Kein Meisterwerk, jedoch unterhaltsam, mitreißend und mitfühlend erzählt.

Veröffentlicht am 15.03.2018

Spannend, schonungslos und sadistisch!

Fanatisch
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Allgemeines:

Titel: Fanatisch
Autor: Patricia Schröder
Verlag: Coppenrath (5. Februar 2018)
Genre: Thriller
ISBN-10: 3649624540
ISBN-13: 978-3649624547
ASIN: B079C1LNXZ
Seitenzahl: 368 Seiten
Preis: ...

Allgemeines:

Titel: Fanatisch
Autor: Patricia Schröder
Verlag: Coppenrath (5. Februar 2018)
Genre: Thriller
ISBN-10: 3649624540
ISBN-13: 978-3649624547
ASIN: B079C1LNXZ
Seitenzahl: 368 Seiten
Preis: 12,99€ (Kindle-Edition)
17,95€ (Gebundene Ausgabe)



Inhalt:

„Stelle dich niemals gegen den göttlichen Willen! Es könnten furchtbare Dinge geschehen.“

Sechs Mädchen verschwinden spurlos und kehren nach sechs Tagen völlig unvermittelt nach Hause zurück – in einheitlicher Kleidung, mit einer genähten Wunde an der Hand und alle sechs schweigen beharrlich. Religiöse Fanatiker haben sie auf grausame Weise biblischen Ritualen unterzogen. Nara ist eine der Geiseln gewesen und auch sie darf kein Wort sprechen. Denn der Entführer hat gedroht, ihrem Bruder etwas anzutun. Doch warum wurde gerade sie auserwählt? Langsam erkennt Nara, dass ihr Martyrium Teil eines größeren Plans ist, in dem sie eine besondere Rolle spielt. Und nur wenn sie es rechtzeitig schafft, sich in die fanatische Gedankenwelt des Täters zu vertiefen, kann sie das große angekündigte Unheil verhindern.


Bewertung:


Nachdem ich mit Begeisterung den Jugendbuchbestseller "Blind Walk" und die "Meeresflüstern"-Trilogie von Patrica Schröder geschrieben hat, womit sie nach zahlreichen Kinderbüchern auch im Jugendbuch Genre Erfahrungen sammelte, musste ich den neuen Thriller von ihr natürlich auch lesen. Der Klapptext wies auf eine spannende, beklemmende Sekten-Geschichte hin, was die Story dann auch gehalten hat.


„Du bist schuldig. Du musst büßen.“



Das Cover ist mit dem dunkel-violetten Hintergrund und den hellen Lichteffekten zwar nicht besonders reich an verschiedenen Motiven, hat jedoch durchaus Atmosphäre. Gerade in Verbindung mit dem dunklen, großen Titel und dem weißen Kreuz, dass als "T" des Schriftzuges fungiert, entsteht schon gleich eine dynamische, bedrohliche Stimmung. Der Titel passt auch ganz wunderbar. Unter dem Einband ist die gebundene Ausgabe in einem einfachen lila-grau-Ton gehalten. Große Überschriften, die entweder die Zeit oder die gerade anstehende Gabe ankündigen, unterteilen die Geschichte in mittellange Abschnitte. Kapitel im eigentlichen Sinne gibt es nicht. Durch gelegentliche Mails, Textnachrichten oder Zeitungsartikel wird der Erzählstil etwas aufgelockert.

Erster Satz: "Es gibt Dinge, die darf man nicht den falschen Leuten überlassen."

Mit einem kurzen Prolog aus der erfrischenden Du-Perspektive erfahren wir von dem Plan eines religiösen Fanatikers, die Ketzer zu strafen und ein Zeichen der Herrlichkeit Gottes in die Welt zu tragen. Was diese pathetischen Worte mit der jungen Protagonistin Nara zu tun haben, wird zuerst nicht klar. Die iranisch stämmige Deutsche lebt den ganz normaler Alltag eines Teenagers: Schule, erste Liebe, Freundschaften, Familie - alles scheint einen gewohnten und harmlosen Gang zu nehmen. Als eines Tages ein Zettel droht, dass schlimme Dinge geschehen werden, wenn sie sich gegen den göttlichen Willen stellt, ist sie erst versucht, das als harmlosen Streich abzutun. Das Verschwinden ihres Hundes Mister Ibrahim, weitere Drohungen und Textnachrichten mit Andeutungen über den kommenden Tod ihres kleinen Bruders Sinan sprechen aber eine ganz andere Sprache. Um dem ganze ein Ende zu setzen und die Gefahr von Sinan abzuwenden, folgt sie schließlich der Anweisung, sich um 1 Uhr am 19. Juli in einem verlassenen Stadtgebiet auf ein Treffen einzulassen und kreuzt dort mit ihrem Sandkastenfreund Jamie auf. Bevor sie jedoch irgendetwas herausfinden kann, bekommt sie eins übergebraten und wacht erst wieder in einem dunkeln Verlies auf, wo außer der Dunkelheit, der klaustrophobische Enge und körperlichen Bedürfnissen wie Hunger und Durst vor allem eines quält: die Ungewissheit und die Angst, einer verrückten Gruppe hilflos ausgeliefert zu sein...


"Ja, ich bin sentimental. Vor allem aber bin ich innerlich wund. Niemals hätte ich gedacht, dass die Seele so sehr schmerzen kann. Es ist kein Herzensleid, sondern geht viel tiefer. So tief, dass ich nicht bis auf den Grund zu sehen vermag."


Bevor man es überhaupt richtig wahrnehmen konnte, wurde aus dem harmlosen, ruhigen Teenageralltag, mit dem wir in die Geschichte starteten, ein immer bedrohlicher und beklemmender erscheinendes Szenario. Schließlich landen wir als Leser in einem dunklen, quadratischen Raum und müssen uns mit Nara der Willkür der Entführer stellen und darum kämpfen, nicht an der Stille und dem Alleinsein in dem Gefängnis zu zerbrechen. Was nach wenigen Tagen noch als pure Grausamkeit aussieht, nimmt bald ein genaueres Muster an und Nara beginnt einen Plan zu erahnen, den die Entführer mit ihnen durchführen wollen. Einen Plan, der es vorsieht, sie von ihrer Schuld reinzuwaschen, in dem sie die 6 entführten Mädchen den Werken der Barmherzigkeit unterziehen...

Szenarien, in denen Religionen von Manischen als Vorschub benutzt werden und hingebungsvoller Glaube zum Fanatismus wird, haben immer eine ganz eindringliche Tragik an sich. Auch wenn die Idee nicht vollständig neu ist, wird hier mit den Werken der Barmherzigkeit eine neue Dimension aufgerollt. Mit den sechs Gaben, an denen man als Mensch laut der christlichen Lehre vor dem Weltenrichter am jüngsten Tag gemessen wird, rollt die Autorin einen wichtigen Grundsatz des christlichen Glaubens aus. Was aber ursprünglich als barmherzige Akte der Nächstenliebe gedacht war, wird hier auf ekelhafte Weise pervertiert. Für jede der sechs Gaben haben die Entführer eine kleine feine Überraschung für die sechs Mädchen parat: Hungrige speisen, Durstigen zu trinken geben, Fremde aufnehmen, Nackte Kleiden, Gefangene besuchen, klingt ja im Grunde alles ganz nett, doch was wird geschehen, wenn die siebte Gabe in die Tat umgesetzt wird: Tote begraben?


"Jamie?" Zitternd lauschte ich in die Dunkelheit. Wenn da noch jemand war - müsste ich ihn dann nicht hören?
Aber da war nichts.
Kein Atmen.
Kein Stöhnen.
Keine Antwort.
Er ist nicht da, Nara. Du bist allein."


Der Geschichte besticht vor allem durch die Gefühle der Protagonisten und wird durch die erdrückende, beklemmende Atmosphäre vorangetrieben. Die Spannung entsteht hier weniger durch die Handlung. Der Zeitungsartikel zu Beginn zum Beispiel greift schon einen Teil der Handlung vor und auch der Klapptext verrät schon über zwei Drittel der Handlung, das macht jedoch weiter nichts, da es vorrangig um die Gefühle bei der Handlung geht. Demnach ist die primäre Spannungsquelle nicht, ob sie es schafft, aus ihrem Gefängnis zu entkommen, da schon von Beginn an feststeht, dass die Mädchen nach 6 Tagen freigelassen werden sondern viel mehr, wer nun hinter der Entführung steckt, wie Nara damit umgeht und es schafft, auch weiterhin den Beeinflussungen der Fanatikern zu entkommen. Auch wenn ich schon von Beginn an einen Verdacht hatte (der sich am Ende auch leider bestätigt hat), weiß Patricia Schröder uns durch gezielte Irreführungen und Wendungen geschickt in eine falsche Richtung zu lenken.


"Sie hat schon immer gelogen, wenn es nützlich für sie war. Sich nicht um die Gebote geschert und sich schuldig gemacht. Aber das wird sich nun ändern. Jetzt, da du den Sinn hinter all dem, den göttlichen Plan und deine Bestimmung erkannt hast.
Erde zu Erde, Asche zu Asche, Staub zu Staub."


Der jugendliche und erfahrene Sprachstil der Autorin ermöglicht ein schnelles Lesen und die einfachen aber eindringlichen Dialoge versetzen ohne Umschweife in die jeweils präsentierte Situation. Dabei nimmt Patricia Schröder in ihrer Wortwahl und Schilderung kein Blatt vor den Mund, sondern beschreit ganz ungeschönt die Umstände der Gefangenschaft. Wenn sich dabei die Gefangenen erbrechen müssen oder tagelang in ihren eigenen Exkrementen liegen, wird auch das nicht schnell abgetan, sondern als Element genutzt, um dem Leser die volle Tragweite der Schonungslosigkeit der Entführer zu zeigen.


"Wer tat uns so etwas an? Und warum? Womit hatte meine Familie das verdient? Nein, falsch! - Was hatte ich verbrochen, dass ich jemand glaubte, meiner Familie so sehr wehtun zu müssen?"
(...) Das war erst der Anfang"


Wie schon erwähnt erzählt hier vorrangig Nara aus der Ich-Perspektive von ihren Erlebnissen, wodurch wir als Leser ganz nah an denn Ereignissen dran sind. Wir erfahren aus erster Hand, wie sehr sie mit ihrer Angst zu kämpfen hat - Angst um ihre Familie, Angst vor ihrer Schuld, Angst vor der Allmacht ihrer Peiniger und schließlich auch Angst davor, herauszufinden, wer wirklich dahintersteckt. Ihre tapfere, manchmal zornige und doch rationale Art, mit der Situation umzugehen, verhindert eine Überdramatisierung und ein Abrutschen der Geschichte ins Makabre. Manchmal ist die Intensität ihrer Angst und Verzweiflung schier überwältigend und man bewundert die 17-jähirge ein Stück weit für ihre Stärke, sich nicht zerbrechen zu lassen. Auch wenn sie manchmal Dinge tut, die nicht rational sind, kann man ihre Empfindungen in fast allen Belangen gut nachempfinden und mit ihr leiden und bangen.


"Sinan", krächzte ich, umschlang meine Knie und schloss die Augen. Mein kleiner, lieber, süßer Bruder. "Charlie." Du Beste, Schönste und Verrückteste von allen. "Mam", wisperte ich und wiegte mich sanft hin und her. "Pa." Oh mein Gott, wie sehr ich euch vermisse!!"


Etwas schade ist, dass viele Nebenfiguren nur grob charakterisiert und schnell wieder übergangen werden. So erfahren wir nicht besonders viel über die Schicksale der anderen 5 Mädchen, während Charlotte als die typische beste Freundin und Jamie als der wunderbare Sandkastenfreund abgestempelt werden. In Anbetracht der späteren Entwicklung dieser Freundschaften, hätte eine genauere Betrachtung vielleicht schon Sinn gemacht. Was wiederum sehr spannend ist, sind die zwei anderen Perspektiven, die hier zeitweise angeführt werden. Die oben schon genannte Du-Perspektive bildet eine erfrischende Abwechslung zu den sonstigen konventionellen Erzählformen und konfrontiert den Leser immer wieder mit abgedrehten Weitsichten und hinterlistigen Plänen, die einem gestörten Glauben entspringen, während die Er-Perspektive hier das große Rätsel darstellt. Da keine Namen genannt werden, wird in der letzteren Erzählhandlung nur von einem weiteren Gefangenen berichtet, der seinen Peiniger offenkundig kennt. Von Anfang an ist klar, dass einer der beiden Jamie sein muss und der andere Tobias Herrmann, welche der beiden Perspektiven nun wer auskleidet, bleibt jedoch offen...


"Am Ende lag die Entscheidung bei dir: Gott oder Satan. Du hast Letzteren gewählt. Und so blieb mir keine andere Wahl, als über das Zeichen der sechs Werke der Barmherzigkeit hinaus noch eine siebte hinzuzufügen, die gnädigste aller Gaben: die Erlösung im Licht."


Am Ende angelangt kann ich sagen, dass der Thriller neben all der Spannung und den abgedrehten Weltverbesserer-Ideen der Sekte vor allem leise gegen Fremdenhass, Islamophobie und für mehr Toleranz und Offenheit gegenüber anderen Kulturen wirbt. Und auch wenn die Hintergründe der Geschichte am Ende viel zu schnell und überstürzt geklärt werden und ich mir eine ausführlichere Auflösung und einen spektakuläreren Showdown gewünscht hätte, bleibt am Schluss ein beklemmendes Gefühl.


Fazit:

Ein beklemmender Jugendthriller, welcher auf eindrückliche Art die möglichen Folgen von Fanatismus, Fremdenhass und Islamophobie verdeutlicht. Spannend, schonungslos und sadistisch, wenn auch nicht ohne Schwächen.

Veröffentlicht am 15.03.2018

Spannend, schonungslos und sadistisch!

Fanatisch
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Allgemeines:

Titel: Fanatisch
Autor: Patricia Schröder
Verlag: Coppenrath (5. Februar 2018)
Genre: Thriller
ISBN-10: 3649624540
ISBN-13: 978-3649624547
ASIN: B079C1LNXZ
Seitenzahl: 368 Seiten
Preis: ...

Allgemeines:

Titel: Fanatisch
Autor: Patricia Schröder
Verlag: Coppenrath (5. Februar 2018)
Genre: Thriller
ISBN-10: 3649624540
ISBN-13: 978-3649624547
ASIN: B079C1LNXZ
Seitenzahl: 368 Seiten
Preis: 12,99€ (Kindle-Edition)
17,95€ (Gebundene Ausgabe)



Inhalt:

„Stelle dich niemals gegen den göttlichen Willen! Es könnten furchtbare Dinge geschehen.“

Sechs Mädchen verschwinden spurlos und kehren nach sechs Tagen völlig unvermittelt nach Hause zurück – in einheitlicher Kleidung, mit einer genähten Wunde an der Hand und alle sechs schweigen beharrlich. Religiöse Fanatiker haben sie auf grausame Weise biblischen Ritualen unterzogen. Nara ist eine der Geiseln gewesen und auch sie darf kein Wort sprechen. Denn der Entführer hat gedroht, ihrem Bruder etwas anzutun. Doch warum wurde gerade sie auserwählt? Langsam erkennt Nara, dass ihr Martyrium Teil eines größeren Plans ist, in dem sie eine besondere Rolle spielt. Und nur wenn sie es rechtzeitig schafft, sich in die fanatische Gedankenwelt des Täters zu vertiefen, kann sie das große angekündigte Unheil verhindern.


Bewertung:


Nachdem ich mit Begeisterung den Jugendbuchbestseller "Blind Walk" und die "Meeresflüstern"-Trilogie von Patrica Schröder geschrieben hat, womit sie nach zahlreichen Kinderbüchern auch im Jugendbuch Genre Erfahrungen sammelte, musste ich den neuen Thriller von ihr natürlich auch lesen. Der Klapptext wies auf eine spannende, beklemmende Sekten-Geschichte hin, was die Story dann auch gehalten hat.


„Du bist schuldig. Du musst büßen.“



Das Cover ist mit dem dunkel-violetten Hintergrund und den hellen Lichteffekten zwar nicht besonders reich an verschiedenen Motiven, hat jedoch durchaus Atmosphäre. Gerade in Verbindung mit dem dunklen, großen Titel und dem weißen Kreuz, dass als "T" des Schriftzuges fungiert, entsteht schon gleich eine dynamische, bedrohliche Stimmung. Der Titel passt auch ganz wunderbar. Unter dem Einband ist die gebundene Ausgabe in einem einfachen lila-grau-Ton gehalten. Große Überschriften, die entweder die Zeit oder die gerade anstehende Gabe ankündigen, unterteilen die Geschichte in mittellange Abschnitte. Kapitel im eigentlichen Sinne gibt es nicht. Durch gelegentliche Mails, Textnachrichten oder Zeitungsartikel wird der Erzählstil etwas aufgelockert.

Erster Satz: "Es gibt Dinge, die darf man nicht den falschen Leuten überlassen."

Mit einem kurzen Prolog aus der erfrischenden Du-Perspektive erfahren wir von dem Plan eines religiösen Fanatikers, die Ketzer zu strafen und ein Zeichen der Herrlichkeit Gottes in die Welt zu tragen. Was diese pathetischen Worte mit der jungen Protagonistin Nara zu tun haben, wird zuerst nicht klar. Die iranisch stämmige Deutsche lebt den ganz normaler Alltag eines Teenagers: Schule, erste Liebe, Freundschaften, Familie - alles scheint einen gewohnten und harmlosen Gang zu nehmen. Als eines Tages ein Zettel droht, dass schlimme Dinge geschehen werden, wenn sie sich gegen den göttlichen Willen stellt, ist sie erst versucht, das als harmlosen Streich abzutun. Das Verschwinden ihres Hundes Mister Ibrahim, weitere Drohungen und Textnachrichten mit Andeutungen über den kommenden Tod ihres kleinen Bruders Sinan sprechen aber eine ganz andere Sprache. Um dem ganze ein Ende zu setzen und die Gefahr von Sinan abzuwenden, folgt sie schließlich der Anweisung, sich um 1 Uhr am 19. Juli in einem verlassenen Stadtgebiet auf ein Treffen einzulassen und kreuzt dort mit ihrem Sandkastenfreund Jamie auf. Bevor sie jedoch irgendetwas herausfinden kann, bekommt sie eins übergebraten und wacht erst wieder in einem dunkeln Verlies auf, wo außer der Dunkelheit, der klaustrophobische Enge und körperlichen Bedürfnissen wie Hunger und Durst vor allem eines quält: die Ungewissheit und die Angst, einer verrückten Gruppe hilflos ausgeliefert zu sein...


"Ja, ich bin sentimental. Vor allem aber bin ich innerlich wund. Niemals hätte ich gedacht, dass die Seele so sehr schmerzen kann. Es ist kein Herzensleid, sondern geht viel tiefer. So tief, dass ich nicht bis auf den Grund zu sehen vermag."


Bevor man es überhaupt richtig wahrnehmen konnte, wurde aus dem harmlosen, ruhigen Teenageralltag, mit dem wir in die Geschichte starteten, ein immer bedrohlicher und beklemmender erscheinendes Szenario. Schließlich landen wir als Leser in einem dunklen, quadratischen Raum und müssen uns mit Nara der Willkür der Entführer stellen und darum kämpfen, nicht an der Stille und dem Alleinsein in dem Gefängnis zu zerbrechen. Was nach wenigen Tagen noch als pure Grausamkeit aussieht, nimmt bald ein genaueres Muster an und Nara beginnt einen Plan zu erahnen, den die Entführer mit ihnen durchführen wollen. Einen Plan, der es vorsieht, sie von ihrer Schuld reinzuwaschen, in dem sie die 6 entführten Mädchen den Werken der Barmherzigkeit unterziehen...

Szenarien, in denen Religionen von Manischen als Vorschub benutzt werden und hingebungsvoller Glaube zum Fanatismus wird, haben immer eine ganz eindringliche Tragik an sich. Auch wenn die Idee nicht vollständig neu ist, wird hier mit den Werken der Barmherzigkeit eine neue Dimension aufgerollt. Mit den sechs Gaben, an denen man als Mensch laut der christlichen Lehre vor dem Weltenrichter am jüngsten Tag gemessen wird, rollt die Autorin einen wichtigen Grundsatz des christlichen Glaubens aus. Was aber ursprünglich als barmherzige Akte der Nächstenliebe gedacht war, wird hier auf ekelhafte Weise pervertiert. Für jede der sechs Gaben haben die Entführer eine kleine feine Überraschung für die sechs Mädchen parat: Hungrige speisen, Durstigen zu trinken geben, Fremde aufnehmen, Nackte Kleiden, Gefangene besuchen, klingt ja im Grunde alles ganz nett, doch was wird geschehen, wenn die siebte Gabe in die Tat umgesetzt wird: Tote begraben?


"Jamie?" Zitternd lauschte ich in die Dunkelheit. Wenn da noch jemand war - müsste ich ihn dann nicht hören?
Aber da war nichts.
Kein Atmen.
Kein Stöhnen.
Keine Antwort.
Er ist nicht da, Nara. Du bist allein."


Der Geschichte besticht vor allem durch die Gefühle der Protagonisten und wird durch die erdrückende, beklemmende Atmosphäre vorangetrieben. Die Spannung entsteht hier weniger durch die Handlung. Der Zeitungsartikel zu Beginn zum Beispiel greift schon einen Teil der Handlung vor und auch der Klapptext verrät schon über zwei Drittel der Handlung, das macht jedoch weiter nichts, da es vorrangig um die Gefühle bei der Handlung geht. Demnach ist die primäre Spannungsquelle nicht, ob sie es schafft, aus ihrem Gefängnis zu entkommen, da schon von Beginn an feststeht, dass die Mädchen nach 6 Tagen freigelassen werden sondern viel mehr, wer nun hinter der Entführung steckt, wie Nara damit umgeht und es schafft, auch weiterhin den Beeinflussungen der Fanatikern zu entkommen. Auch wenn ich schon von Beginn an einen Verdacht hatte (der sich am Ende auch leider bestätigt hat), weiß Patricia Schröder uns durch gezielte Irreführungen und Wendungen geschickt in eine falsche Richtung zu lenken.


"Sie hat schon immer gelogen, wenn es nützlich für sie war. Sich nicht um die Gebote geschert und sich schuldig gemacht. Aber das wird sich nun ändern. Jetzt, da du den Sinn hinter all dem, den göttlichen Plan und deine Bestimmung erkannt hast.
Erde zu Erde, Asche zu Asche, Staub zu Staub."


Der jugendliche und erfahrene Sprachstil der Autorin ermöglicht ein schnelles Lesen und die einfachen aber eindringlichen Dialoge versetzen ohne Umschweife in die jeweils präsentierte Situation. Dabei nimmt Patricia Schröder in ihrer Wortwahl und Schilderung kein Blatt vor den Mund, sondern beschreit ganz ungeschönt die Umstände der Gefangenschaft. Wenn sich dabei die Gefangenen erbrechen müssen oder tagelang in ihren eigenen Exkrementen liegen, wird auch das nicht schnell abgetan, sondern als Element genutzt, um dem Leser die volle Tragweite der Schonungslosigkeit der Entführer zu zeigen.


"Wer tat uns so etwas an? Und warum? Womit hatte meine Familie das verdient? Nein, falsch! - Was hatte ich verbrochen, dass ich jemand glaubte, meiner Familie so sehr wehtun zu müssen?"
(...) Das war erst der Anfang"


Wie schon erwähnt erzählt hier vorrangig Nara aus der Ich-Perspektive von ihren Erlebnissen, wodurch wir als Leser ganz nah an denn Ereignissen dran sind. Wir erfahren aus erster Hand, wie sehr sie mit ihrer Angst zu kämpfen hat - Angst um ihre Familie, Angst vor ihrer Schuld, Angst vor der Allmacht ihrer Peiniger und schließlich auch Angst davor, herauszufinden, wer wirklich dahintersteckt. Ihre tapfere, manchmal zornige und doch rationale Art, mit der Situation umzugehen, verhindert eine Überdramatisierung und ein Abrutschen der Geschichte ins Makabre. Manchmal ist die Intensität ihrer Angst und Verzweiflung schier überwältigend und man bewundert die 17-jähirge ein Stück weit für ihre Stärke, sich nicht zerbrechen zu lassen. Auch wenn sie manchmal Dinge tut, die nicht rational sind, kann man ihre Empfindungen in fast allen Belangen gut nachempfinden und mit ihr leiden und bangen.


"Sinan", krächzte ich, umschlang meine Knie und schloss die Augen. Mein kleiner, lieber, süßer Bruder. "Charlie." Du Beste, Schönste und Verrückteste von allen. "Mam", wisperte ich und wiegte mich sanft hin und her. "Pa." Oh mein Gott, wie sehr ich euch vermisse!!"


Etwas schade ist, dass viele Nebenfiguren nur grob charakterisiert und schnell wieder übergangen werden. So erfahren wir nicht besonders viel über die Schicksale der anderen 5 Mädchen, während Charlotte als die typische beste Freundin und Jamie als der wunderbare Sandkastenfreund abgestempelt werden. In Anbetracht der späteren Entwicklung dieser Freundschaften, hätte eine genauere Betrachtung vielleicht schon Sinn gemacht. Was wiederum sehr spannend ist, sind die zwei anderen Perspektiven, die hier zeitweise angeführt werden. Die oben schon genannte Du-Perspektive bildet eine erfrischende Abwechslung zu den sonstigen konventionellen Erzählformen und konfrontiert den Leser immer wieder mit abgedrehten Weitsichten und hinterlistigen Plänen, die einem gestörten Glauben entspringen, während die Er-Perspektive hier das große Rätsel darstellt. Da keine Namen genannt werden, wird in der letzteren Erzählhandlung nur von einem weiteren Gefangenen berichtet, der seinen Peiniger offenkundig kennt. Von Anfang an ist klar, dass einer der beiden Jamie sein muss und der andere Tobias Herrmann, welche der beiden Perspektiven nun wer auskleidet, bleibt jedoch offen...


"Am Ende lag die Entscheidung bei dir: Gott oder Satan. Du hast Letzteren gewählt. Und so blieb mir keine andere Wahl, als über das Zeichen der sechs Werke der Barmherzigkeit hinaus noch eine siebte hinzuzufügen, die gnädigste aller Gaben: die Erlösung im Licht."


Am Ende angelangt kann ich sagen, dass der Thriller neben all der Spannung und den abgedrehten Weltverbesserer-Ideen der Sekte vor allem leise gegen Fremdenhass, Islamophobie und für mehr Toleranz und Offenheit gegenüber anderen Kulturen wirbt. Und auch wenn die Hintergründe der Geschichte am Ende viel zu schnell und überstürzt geklärt werden und ich mir eine ausführlichere Auflösung und einen spektakuläreren Showdown gewünscht hätte, bleibt am Schluss ein beklemmendes Gefühl.


Fazit:

Ein beklemmender Jugendthriller, welcher auf eindrückliche Art die möglichen Folgen von Fanatismus, Fremdenhass und Islamophobie verdeutlicht. Spannend, schonungslos und sadistisch, wenn auch nicht ohne Schwächen.

Veröffentlicht am 23.02.2018

Exzentrisch, kunterbunt, ein wenig melancholisch und einfach saukomisch.

Die erstaunliche Familie Telemachus
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Allgemeines:

Titel: Die erstaunliche Familie Telemachus
Autor: Daryl Gregory
Verlag: Eichborn (23. Februar 2018)
ISBN-10: 3847906380
ISBN-13: 978-3847906384
ASIN: B0774V1GL1
Originaltitel: Spoonbenders
Seitenzahl: ...

Allgemeines:

Titel: Die erstaunliche Familie Telemachus
Autor: Daryl Gregory
Verlag: Eichborn (23. Februar 2018)
ISBN-10: 3847906380
ISBN-13: 978-3847906384
ASIN: B0774V1GL1
Originaltitel: Spoonbenders
Seitenzahl: 544 Seiten
Preis: 16,99€ (Kindle-Edition)
24€ (gebundene Ausgabe)




Inhalt:

Auf den ersten Blick ist Matty Telemachus ein typischer vierzehnjähriger Junge mit den typischen Problemen eines vierzehnjährigen Jungen. Aber Matty ist alles andere als normal und seine Familie ist es schon gar nicht. Als Matty entdeckt, dass er über ungewöhnliche Fähigkeiten verfügt, macht er sich auf die Suche nach dem lange gehegten Familiengeheimnis: Sind seine Verwandten wirklich Medien, beherrschen sie Telepathie, Telekinese und vielleicht noch andere Kräfte?


Bewertung:

Dieses Buch ist ganz unverhofft in meinem Briefkasten gelandet, ohne dass ich mich daran erinnern konnte, es angefragt zu haben, doch vom Klapptext neugierig geworden habe ich mich gleich ans Lesen gemacht. Wie dieses Buch zu mir gefunden hat, ist mir genau wie die ganze Geschichte ein Rätsel. Es war nicht zu 100% mein Fall, die schräge, eigenwillige Geschichte hat jedoch überraschenden Charme und entführt zur erstaunlichsten, exzentrischsten und unkonventionellsten Familie, die die Leserwelt jemals gesehen hat: die erstaunliche Familie Telemachus.


"Für sie gab es keine Grenzen. Nichts konnte sie aufhalten, bis auf eines. Die Zeit."


Schon das Cover (rechts) ist alles andere als langweilig und gewöhnlich. Vor einer grauenhaft orangenen Tropfentapete hängen etliche peinliche Bilder der Familienmitglieder Telemachus. Maureen, Metty, Teddy, Frankie, eventuell Irene und ein Junge der vielleicht Buddy sein könnte - durchaus originell wenn auch nach meinem Geschmack nicht wirklich optisch ansprechend. Der Farbverlauf der Tapete, die nach unten immer heller wird, lenkt die Aufmerksamkeit des Betrachters direkt auf den Titel, der wunderbar zur Geschichte passt. Im Gegensatz dazu ist das amerikanische Original (links) eher schnörkellos und klar. Ebenfalls zusehen sind Familienbilder und eine blaue, gepunktete Tapete, Matty steht aber klar im Mittelpunkt und die ganze Gestaltung ist farblich weniger aufdringlich. Trotzdass mir die Originalgestaltung besser gefällt, finde ich, dass die deutsche Gestaltung von der Atmosphäre gesehen besser zum Buch passt, da der Fokus auf der ganzen Familie liegt.
Den Klapptext finde ich nicht ganz so gelungen, auch wenn er Lust darauf macht, zum Roman zu greifen. Er legt meiner Meinung nach zu viel Wert auf Matty und seiner "Suche" nach dem Familiengeheimnis, welche nach ungefähr 20 Seiten beendet ist. Die eigentliche Handlung des Buches wird nicht erwähnt. Interessant wenn auch ein wenig verwirrend, fand ich die Zeichen, die den Kapiteln untergeordnet sind und den Wechsel der Erzählperspektive ankündigen. Jeder Charakter hat sein Zeichen, den genauen Grund und Zusammenhang davon habe ich aber nicht ganz verstanden.


Erster Satz: "Zum ersten mal verließ Matty Telemachus seinen Körper im Sommer 1995, als er vierzehn Jahre alt war."


Mit einer recht peinlichen wie verwirrenden Szenen für alle Beteiligten beginnt die Geschichte der erstaunlichsten Familie der Geschichte. Der pubertierende Telemachus-Sohn Matty macht eine äußerst verstörende Erfahrung, über die er zunächst mit niemandem reden will: als er heimlich seine zwei Jahre ältere Cousine Mary Alice beobachtet findet er sich plötzlich schwebend an der Zimmerdecke wieder - er hat seine erste außerkörperliche Erfahrung, eine Astralreise. Inmitten einer Familie voller Potential und Begabungen keine außergewöhnliche Neuigkeit. Aber als seltsame Typen von der Regierung auftauchen und auch Drohungen von dubiosen Mafiosi ausgesprochen werden, muss Matty erfahren, dass hinter der Fassade der erstaunlichen Familie Telemachus noch mehr steckt, als ihre besonderen Gaben, mit denen sie es zu Ruhm und Reichtum hätten bringen können, wenn nicht „der sagenhafte Archibald“ ihren Auftritt in der Mike Douglas Show in den siebziger Jahren ruiniert hätte. Dass in allen Telemachusse (oder Telemachi? ) mehr schlummert, als ein unkontrollierter Haufen an Außenseitern, Versagern, Spieler, Singles und Aufschneidern. Denn für alle, die sich ihnen in den Weg stellen wird Irene einen besonderen Satz bereithalten:


"Wir sind die Erstaunliche Familie Telemachus, du Mistkerl. Und du bist am Arsch."


Bevor die verzwickte Geschichte über Gangster-Nicks in zwei verschiedenen Generationen, habgierigen Regierungsagenten und eiskalte Schlägertypen losgeht, werden wir in einem sehr schleichenden Anfang allen Charakteren vorgestellt. Zuerst habe ich mich ein kleines bisschen gelangweilt, denn auch wenn der Roman von Anfang an eine gewisse Sogwirkung auf mich hatte, habe ich vergeblich die Handlung unter all dem kunterbunten Chaos gesucht, welches später kunstvoll undurchsichtig zu einem Ganzen verwoben wird.


"Alles wird großartig." "Für mich muss es gar nicht großartig sein", sagte Loretta. "Für mich musst du nicht großartig sein. Du musst nur da sein."


Vor allem die interessante, wenn auch gewöhnungsbedürftige Erzählweise des Romans hat mir den Einstieg zusätzlich erschwert. Anstatt eine chronologische Reihenfolge der Ereignisse abzuspulen werden hier des Öfteren Szenen scheinbar ohne weiteren Zusammenhang eingeworfen, als Erzählung der anderen Familienmitglieder an den unwissenden Matty, als schmerzhafte oder glückliche Erinnerungen oder als Ausblick, was am nächsten Tag passieren wird: die richtige Reihenfolge scheint hier eher zweitrangig zu sein während vor allem Buddys Szenen Gegenwart mit Vergangenheit und Zukunft wild durchmischen. Manchmal werden auch ganze Szenen und Geschichten mehrere Male aus unterschiedlichen Perspektiven mit unterschiedlichem Fokus erzählt. Bei der Handlungsdarstellung setzt der Autor also genau wie bei seinen Charakteren auf die Summe der Einzelteile. Als sich aus den vielen Bruchstücken endlich ein sinnvolles Bild zusammensetzt, welches viele Fragen aufwirft, konnte ich das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen.


"Du kannst nicht aufgeben", sagte Frankie. "Du bist ein Telemachus. Wir geben nicht auf!" "Ich weiß, ich weiß." Doch war das Aufhaben nicht das, wofür sie vor allem anderen bekannt waren? Die Erstaunliche Familie Telemachus war von der Bühne in die Mittelmäßigkeit abgetreten. Wir hätten Könige sein können."


Auch wenn Matty im Klapptext als Hauptcharakter angezeigt wird, würde ich sagen, dass hier die ganze Familie im Vordergrund steht. Neben dem jungen Matty, der auf seine Stiefcousine Mary Alice alias Malice steht und sich mitten in einer schwierigen Phase der Pubertät befindet, sind da noch seine Mutter Irene, seine Onkel Frankie und Buddy und der alte Opa Teddy, die aus ihren Perspektiven von ihren Problemen, Ängsten und Hoffnungen erzählen. Opa Teddy ist ein in die Jahre gekommener Taschenspieler, der sein Leben lang vortäuschte, hellseherische Fähigkeiten zu haben. Im Gegensatz zu seiner entzückenden wie mächtigen Frau Maureen ist er jedoch auf seine raffinierten Tricks und flinke Finger angewiesen, wenn er sein Publikum erstaunen will. Nach ihrem frühen Tod musste er seine drei Kinder Irene, Frankie und Buddy alleine großziehen, was ihm mehr schlecht als recht gelungen ist. Nun im Alter liebt er es immer noch, Publikum zu haben und hegt eine Passion für diamantbesetzte Rolex und karierte Anzüge.


„Wie hatte er so die Kontrolle über sein Haus verlieren können? My home is my castle am Arsch. Eher eine Art Flüchtlingslager.“


Auch wenn der Vater anscheinend aus irgendwelchen unbekannten Geschäften reich wurde, leben seine Kinder, die von Maureen alle ein anderes ungewöhnliches Talent geerbt haben, am Existenzminimum. Alle leiden noch immer unter dem Tod Maureens, hadern mit ihrem Schicksal und können ihre übersinnlichen Fähigkeiten nicht sinnvoll oder gar gewinnbringend einsetzen. Als die gescheiterten Persönlichkeiten mit ihrer Familie schließlich alle wieder in ihrem Elternhaus landen, scheint die Situation zu eskalieren.


"Wenn man nicht Teil der Nummer ist, ist man Teil des Publikums."


Das Heft in der Hand hat die geschiedene Irene, die aus Geldsorgen zusammen mit ihrem Sohn Matty wieder in ihr Elternhaus gezogen ist und in einem Chatroom ihre große Liebe zu finden versucht. Als lebender Lügendetektor ist sie nicht nur für Matty eine strenge Mutter, sie hat es auch schwer, eine Beziehung zu ertragen.


"Alles wird gut", sagte das Mächtigste Medium der Welt zu sich selbst. Er muss einfach nur weiter seine Aufgabe erledigen - bis es nicht mehr seine Aufgabe ist."


Buddy wohnt immer noch zu Hause und könnte mit seiner zurückgezogenen, ruhigen Art und den scheinbar sinnlosen Renovierungsprojekten für einen verrückten Nerd gehalten werden, was seine Familie jedoch nicht weiß ist, dass er nach Maureens Tod das neue mächtigste Medium der Welt mit einer unfassbaren Gabe ist: die Zukunft vorherzusehen. Seine Geschichte ist jedoch mehr tragisch als glorreich, seine Gabe mehr ein Fluch. Schon mit fünf Jahren den Tod seiner Mutter voraussehend, macht er sich ständig Vorwürfe, den Lauf der Geschichte nicht genügend geändert zu haben und folgt strikt dem Diktat seiner Erinnerungen. Wenn er sich daran erinnert, dass er am nächsten Tag den Rasen mähen wird, dann tut er das und zwar um genau die Uhrzeit, die er vorausgesehen hat, denn aus Erfahrung weiß er, dass nur ein Detail das ganze Schicksal eines Menschen verändern kann und das kann er absolut nicht gebrauchen, wo doch der ominöse Zap-Day immer näher kommt, der Tag an dem seine vorgezogenen Erinnerungen enden...


"4. September 1995, 12:06 Uhr. Der Moment, in dem die Zukunft endet. Der Tag an dem alles schwarz wird.
Zap."


Frankie hat zwar Arbeit, aufgrund seiner Automatenspiele und einer gescheiterten Geschäftsidee ist er allerdings hoch verschuldet. Als wäre das noch nicht genug schuldet er das Geld auch noch dem übelsten Schurken der ganzen Stadt: Nick Pusateri Senior.


"Mein Sohn, mein Sohn", sagte Teddy. Er packte Frankies Kopf. "Hör auf". Er wusste nicht, was er mit dem Jungen machen sollte. Hatte es nie gewusst. Dies war der Junge, der alles wollte und nicht wusste, wie er es bekam. "Hör einfach auf."


Als wären sie alle noch nicht genug schillernde und grundverschiedenen Charaktere, mischen die elegante Frau von Nick Pusateri Junior, der fast pensionierte Agent Smalls und ein ganzer Haufen verrückter Kinder den laden weiter auf. Eine explosive, abwechslungsreiche und hochinteressante Mischung, bei der jeder Charakter seine eigene, wichtige Rolle in dem Theaterstück spielen darf, ohne besonders gut oder böse, schlecht oder begabt, besonders oder normal sein zu müssen.


"Das Problem beim Älterwerden war, dass jeder Tag sich mit den Tausenden messen musste, die ihm vorausgegangen waren. Wie wunderbar müsste da ein Tag sein, um diesen Schönheitswettbewerb zu gewinnen? Es auch nur in die Finalrunde zu schaffen?"


Wunderbar finde ich auch, dass das Buch nicht davor zurückschreckt, Dinge schonungslos anzusprechen wie sie sind: Gefühle, Gedanken, Peinlichkeiten, Fettnäpfchen, traurige Tatsachen, all das mischt Daryl Gregory auf den 540 Seiten zu einem wunderbaren Mix zusammen, der durch den humorvollen Schreibstil, der sich auf Kosten der Protagonisten über das Leben lustig macht, gleichzeitig aber versucht, Lebensweisheiten zu geben. Dabei wird eine ganz besondere Atmosphäre geschaffen, die zu Herzen geht und uns Leser trotz einer Ungereimtheiten immer wieder dazu bringt, den Charakteren bei ihrem schräg-herzlichen Abenteuer treu zur Seite zu stehen.
Auf den letzten Seiten nimmt die Geschichte dann nochmal richtig Fahrt auf, bis alle Handlungsstränge auslaufen.


"Ich liebte das Fliegen. Du auch? Bestimmt!"



Fazit:

Exzentrisch, kunterbunt, ein wenig melancholisch und einfach saukomisch. Eine schräge Geschichte voller Charme, Herz und Spannung.