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Veröffentlicht am 26.02.2018

Ein Schlag in die Magengrube

Die Rache der Polly McClusky
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Zum Inhalt:
Die elfjährige Polly wundert sich, als ihr Vater Nate sie an der Schule abpasst. Dann erfährt sie, dass es einen Mordbefehl gegen ihre Eltern und sie gibt, welcher schon an ihrer Mutter vollstreckt ...

Zum Inhalt:
Die elfjährige Polly wundert sich, als ihr Vater Nate sie an der Schule abpasst. Dann erfährt sie, dass es einen Mordbefehl gegen ihre Eltern und sie gibt, welcher schon an ihrer Mutter vollstreckt wurde. Um sich und Polly zu schützen, versucht Nate ihr alles beizubringen, was er in seiner kriminellen Karriere gelernt hat und gleichzeitig einen Weg zu finden, den Befehl rückgängig zu machen.

Zum Stil:
In relativ kurzen Kapiteln, überschrieben mit der Person, aus deren Sicht erzählt wird, schildert der Autor die atemberaubende Flucht in vier Akten. Dadurch wirkt der Roman fast wie eine Oper: Mit Ouvertüre, Zwischenspiel und großem Finale. Es folgt zwar noch eine Art Epilog, aber dieser ist fast als kleine Medizin zum Abebben des Herzschlags notwendig.

Mein Eindruck:
Was für ein Debüt! Es ist fast nicht zu glauben, dass es sich bei „Die Rache der Polly McClusky“ um einen Erstling handeln soll, so intensiv ist die Schreibe von Jordan Harper, so tief trifft er seine Leser ins Herz. Gut, als Drehbuchautor sollte er sich mit Dialogen auskennen, jedoch stehen Milieubeschreibungen und die Schilderungen der Gedanken seiner beiden Hauptpersonen Nate und Polly diesen in nichts nach. Bei dem Leser weckt das zwiespältige Gefühle: Einerseits hofft er auf ein baldiges Ende der Flucht vor den bösen Heerscharen, andererseits fürchtet er dieses, da damit der Roadtrip ebenfalls vorbei sein müsste. Die Verwandlung des kleinen, ängstlichen Mädchens in eine Rächerin ist zwar unglaublich, gelingt Harper aber so gut, dass man ihm jedes einzelne Detail davon abnimmt, bis Polly von einem unauffälligen Braunschopf in ein wassermelonenfarbenes Stahlauge von der Venus geworden ist. Trotz viel Gewalt (auch gegen Kinder und Tiere) ist das Lesen dieses Thrillers ein Genuss, da an vielen Stellen auch die Menschlichkeit ihr Gesicht zeigen darf und ein wunderbar schwarzer Humor an den unwahrscheinlichsten Stellen aufblitzt.
Auf die Verfilmung darf man also jetzt schon gespannt sein.

Mein Fazit:
Glänzende Unterhaltung, viel Blut, viel Feinde, aber auch viel Ehre
5 Sterne

Veröffentlicht am 18.02.2018

Ein warmes Märchen

Eine Insel zwischen Himmel und Meer
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Zum Inhalt:
Der Einsiedler Osh findet ein Neugeborenes am Strand, welches in einem Boot auf einer entfernten Insel ausgesetzt worden ist. Er nennt das Mädchen Crow. Als Crow älter wird, sucht sie beharrlich ...

Zum Inhalt:
Der Einsiedler Osh findet ein Neugeborenes am Strand, welches in einem Boot auf einer entfernten Insel ausgesetzt worden ist. Er nennt das Mädchen Crow. Als Crow älter wird, sucht sie beharrlich nach ihren Wurzeln und findet diese auf einer Insel, auf der Leprakranke behandelt wurden. Zusammen mit Osh und der Nachbarin Miss Maggie gräbt sie buchstäblich tiefer und gerät dadurch in Gefahr.

Mein Eindruck:
Mit viel Wärme und Einfühlungsvermögen gelingt es Lauren Wolk, den relativ eintönigen Alltag dreier Menschen auf einer Insel zu Beginn des letzten Jahrhunderts so zu beschreiben, dass den Lesern dieses Leben absolut erstrebenswert erscheint – ganz ohne größeres Kulturangebot und Elektrizität, im Einklang mit der Natur. Eingestreute Weisheiten in der Art von „gib jedem Menschen eine Chance, bewerte ihn einzeln nach seinem Handeln und schere nicht alle über einen Kamm“ werten die Geschichte spielerisch auf und sind dabei so unauffällig, dass sie von der jugendlichen Zielgruppe nicht als erzieherische Maßnahme erachtet werden. Dieser Zielgruppe ist wohl die Krimihandlung geschuldet, die zwar nicht unbedingt notwendig wäre, die Story aber auf jeden Fall aufpeppt. Die Wahl einer Ich-Erzählerin in der Person von Crow sorgt zusätzlich für eine Identifikation, da die Sprache einfach, jedoch nicht langweilig gehalten ist. Einzig (und das wird wohl ein Fehler der Übersetzung sein), dass Crow Miss Maggie anfangs duzt und später siezt sorgt für ein Stolpern des Leseflusses.
Der Abschluss der Geschichte ist rund und gefällig, obwohl nicht alle offenen Fragen geklärt werden und sich so manches nicht zur vollständigen Zufriedenheit Crows auflöst. Aber das ist das wahre Leben und wenn einem alles sofort in den Schoß fällt, gibt es ja auch nichts mehr, das man anstreben und auf das man sich freuen kann.

Mein Fazit:
Ein Hohelied auf die Familie – wenn auch nicht durch Geburt

Veröffentlicht am 16.02.2018

Gut kombiniert

Der Mann, der nicht mitspielt
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Zum Inhalt:
Da seine Schauspielkünste im Hollywood der Zwanzigerjahre nicht besonders gefragt sind, verdingt sich der deutsche Hardy Engel als Privatdetektiv. Von der jungen und sehr hübschen Pepper wird ...

Zum Inhalt:
Da seine Schauspielkünste im Hollywood der Zwanzigerjahre nicht besonders gefragt sind, verdingt sich der deutsche Hardy Engel als Privatdetektiv. Von der jungen und sehr hübschen Pepper wird er auf Virginia Rappe angesetzt – ein Starlet, welches sich ein Zubrot durch Erpressungen verdient. Hardy findet Virginia auf einer Party des gefeierten Komikers Fatty Arbuckle, doch kurz danach ist sie tot, Fatty verdächtig und Hardy der Meinung, dass nicht alles mit rechten Dingen zugeht. Er beginnt auf eigene Faust zu ermitteln und bringt sich und Pepper in tödliche Gefahr.


Mein Eindruck:
Geradezu meisterhaft verbindet Christoph Weigold einen überaus interessanten und bis jetzt nicht aufgeklärten wirklichen Fall und echte Berühmtheiten mit seiner Fantasie und der fiktionalen Figur des Hardy Engel. Diese geschickte Melange führt dazu, dass man sich außerhalb der Buchdeckel informiert und das Angebot der Aufklärung, die vom Autor geboten wird, gerne annimmt. Die Figuren sind lebensecht, ein Spiegel ihrer Zeit und – wie auch die Schauplätze – äußerst bildhaft beschrieben. So erscheinen die Charaktere und die Straßen von Hollywood und San Francisco sowie die Clubs mühelos vor dem geistigen Auge des Lesers. Der Protagonist ist kein Übermensch, er trägt Blessuren an Körper und Seele davon und wirkt damit umso glaubhafter. Die zynischen Züge der Figur werden gut durch die Kriegserfahrung und den Kampf mit den täglichen Gegebenheiten erklärt, trotzdem bewahrt sich Hardy einen gewissen Glauben an das Gute und Richtige in dem Sumpf, in dem er fast buchstäblich watet. Diese Vielschichtigkeit seines Personals und die Prominenz bescheren dem Leser einen vergnüglichen Blick durch das Schlüsselloch auf das Sündenbabel vor 100 Jahren. Glücklicherweise kann man Tote nicht verleumden – der Autor hätte sonst wohl einige neuzeitliche Klagen am Hals.
Die Geschichte ist gut durchstrukturiert, hat jedoch einige Längen, die man gerne verzeiht, da sie wenn auch nicht für die Kriminalgeschichte, so doch für die zeitliche Einordnung hilfreich sind.

Mein Fazit:
Diesem Detektiv schaut man gerne beim Ermitteln zu

5 Sterne

Veröffentlicht am 21.01.2018

Großartig

Tiefe Saat
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Zum Inhalt:
Peter Sander, geschieden, ein Sohn, ist BKA-Beamter und momentan an einigen Berliner Konvertiten interessiert. Diese könnten einen Anschlag auf eine durch den deutschen Verteidigungsminister ...

Zum Inhalt:
Peter Sander, geschieden, ein Sohn, ist BKA-Beamter und momentan an einigen Berliner Konvertiten interessiert. Diese könnten einen Anschlag auf eine durch den deutschen Verteidigungsminister Gehrke initiierte Konferenz planen. Sander kennt Gehrke aus mehreren Einsätzen als Personenschützer und versucht auch bei dieser Aufgabe wieder, sein Bestes zu geben. Doch dann muss er bemerken, dass der Feind wohl auch in den eigenen Reihen zu suchen ist, - und dieser Feind ist skrupellos.

Mein Eindruck:
Löffler hat von vorne bis hinten eine absolut spannende Geschichte geschrieben, bei der man nur hoffen kann, dass möglichst viel davon in den Bereich der Fiktion gehört. Dazu beinhaltet dieser Thriller alles, was man sich für einen rasanten Roman wünschen kann – Liebe, Geld, Verschwörungstheorien, interessante Schauplätze – und wirkt trotzdem weder überfrachtet noch hat man das Gefühl, dass diese Zutaten auf einer Liste abgehakt werden und deshalb nur eine kurze Erwähnung finden.
Die Einteilung in vier große Kapitel mit kleineren Abschnitten (immer jeweils einen Tag und einen Schauplatz umfassend) war absolut unnötig, da es bei diesem Buch keine Abgrenzung geben muss, in die man sein Lesezeichen legt. Einmal zur Hand genommen, macht es einem die Story unmöglich, es wieder aus derselben zu legen. Dafür sorgt ein brillanter Stil – prägnant und trotzdem beschreibend – ein Protagonist mit dem man sich identifizieren kann, und die Kunst, die Leser zu verwirren, ohne sie zu betrügen. Wie Sander tappt man ein ums andere Mal in die Falle, die Autor bzw. seine erdachten Figuren für den Beamten und die Leser bereithalten und wird von einer Auflösung überrascht, die gefällt und stimmig erklärt wird.

Mein Fazit:
Einfach nur klasse, ich freue mich auf das nächste Buch dieses Autors

Veröffentlicht am 27.12.2017

Die Zukunft: Optimal optimiert !(?)

Die Optimierer
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Zum Inhalt:

In einer nicht allzu fernen Zukunft wählt man seinen Beruf nicht mehr nach Neigung und Können, sondern bekommt ihn nach Passgenauigkeit zugewiesen. Eine der dafür zuständigen Personen ist ...

Zum Inhalt:

In einer nicht allzu fernen Zukunft wählt man seinen Beruf nicht mehr nach Neigung und Können, sondern bekommt ihn nach Passgenauigkeit zugewiesen. Eine der dafür zuständigen Personen ist Samson Freitag. Systemgläubig und angepasst führt er ein für ihn befriedigendes Leben. Doch dann gerät ein kleines Sandkorn in das optimierte Getriebe und Stück für Stück fällt Samsons Wohlfühl-Utopie in sich zusammen.


Mein Eindruck:

Die perfekte Lektüre für alle, die es schon immer geahnt haben: Das perfekte Leben ist die perfekte Illusion und hinter der perfekten Fassade lauert das perfekte Grauen.

Hannig spielt gekonnt mit den Möglichkeiten, die sich schon aus heutiger Sicht bieten und webt daraus maliziös ein Netz, in dem sich ihr Protagonist wie das Beutetier einer Spinne verfängt. Zuerst zappelt er nur ein bisschen, dann wickelt ihn die Staatsmacht immer fester ein und schließlich wird ein Entkommen so gut wie unmöglich. Ein schnörkelloser, aber absolut nicht langweiliger Schreibstil, eine fantasievolle, aber nicht unrealistische Erfindungsgabe und die perfekte Balance aus Spannung und Humor führen zu großem Lesevergnügen. Mit Samson hat die Autorin eine Figur erschaffen, die es dem Leser nicht allzu leicht macht. Einerseits möchte man ihn ob seiner Naivität verachten, andererseits wächst das Mitleid mit einem Helden, der unschuldig in große Not gerät und erkennen muss, dass er trotz aller Gesetzestreue zur Persona non Grata wird – einem Paria in einer Gesellschaft, die jeden mit einem einzigen Scan in eine Schublade stecken kann.

Diese Ausweglosigkeit zieht die Leser in einen Bann, eine Spirale, die sich immer schneller dreht und zum immer Weiterlesen verführt. Und zum Glück ist der Schluss des Buchs noch nicht das Ende und eine Fortsetzung angekündigt, die hoffentlich noch einige offene Fragen beantwortet.


Mein Fazit:

Wer jetzt noch sagt „Alles gut mit der gläsernen Persönlichkeit, ich habe doch nichts zu verbergen“, hat den Schuss nicht gehört

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