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Veröffentlicht am 13.03.2018

Back to the roots

Das Kaff
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Zurück zu seinen Wurzeln, nämlich in ein kleines norddeutsches Dorf, begibt sich Architekt Micha Schürtz nicht ganz freiwillig. Seit Jahren erfolgreich in Berlin ansässig und nahezu ohne Kontakt zur Heimat ...

Zurück zu seinen Wurzeln, nämlich in ein kleines norddeutsches Dorf, begibt sich Architekt Micha Schürtz nicht ganz freiwillig. Seit Jahren erfolgreich in Berlin ansässig und nahezu ohne Kontakt zur Heimat erhält er nun einen Auftrag zu einer Bauleitung ebendort. Er sagt sich, dass sein Aufenthalt nicht von langer Dauer ist.

Zumal seine beiden Geschwister noch dort ansässig hat, zu denen er in den Regel gar kein, in Ausnahmefällen ein sehr kompliziertes Verhältnis pflegt.

Aber eigentlich ist Michas Verhältnis zu allem im Dorf kompliziert oder zumindest komplex, so zu seinem ehemaligen Verein - er war in seiner Jugend ein begeisterter Fußballer - wie auch zu früheren Freunden.

Micha drückt es natürlich viel cooler aus, aber er fühlt sich seinem ehemaligen Umfeld bestenfalls fern. Um die Wahrheit zu sagen, er fühlt sich überlegen.

Ja, es ist eine Fassade, die zunächst präsentiert wird, eine Fassade, die im Handlungsverlauf zu bröckeln beginnt. Ob sie schlussendlich zusammenbricht oder aber wieder aufgebaut wird - oder ob ein ganz neuer Weg beschritten wird, das sollte der potentielle geschätzte Leser doch bitteschön selbst herausfinden.

Ein Buch, mit dem ich es mir nicht leicht gemacht habe, wahrlich nicht. Zwar konnt mich bereits das Thema "aus der Stadt zurück ins Dorf und was dann?" mich nicht so recht begeistern, zu sehr folgte der Autor aus meiner Sicht einem aktuellen Trend. Doch das hat mich bei Juli Zehs "Unterleuten", einem Roman, in dem das Dorf sozusagen als eigenes Universum fungierte, auch nicht gestört und so startete ich durchaus offen in die Lektüre.

Interessant ist die Perspektive des Ich-Erzählers, eben jenes Micha, der alles andere als ein neutraler Beobachter, sondern im Gegenteil sehr stark in alle Entwicklungen involviert ist. Das heißt, dem Leser wird Michas Geschichte auf einem sehr persönlichen Level übermittelt, wechselnde Stimmungen und Einstellungen des Erzählers inklusive.

Aber leider tat ich mich ziemlich schwer, in dieses Buch reinzukommen. Der Autor kann schreiben, sicher: der Charakter der erzählenden Person, also Micha, wird in seiner Entwicklung eindringlich transportiert. Was also fehlt? Ich empfand die gesamte Handlung als zu wenig packend, ich habe mich zwar ganz gut auf die Chraktere einlassen können, muss aber im Nachhinein sagen - so richtig spannend fand ich das nicht.

Irgendwann schlich sich mir der Gedanke ein, dass Jan Böttcher einem Trend der Um-die-Vierzig-Autorengeneration folgt: aus der Stadt auf das Land, in vielen Fällen zurück zu den Wurzeln. Ich habe eigentlich nichts gegen diese Welle, mag viele der Romane, wie bspw. "Leinsee" von Anne Reinecke oder auch das bereits erwähnte "Unterleuten", in dem die Thematik jedoch ungleich komplexer ist. Doch dieser Roman war nicht so ganz meines.

Ob es daran liegt, dass das Buch von einem Mann geschrieben wurde? Dass Fussball eine nicht gerade geringe Rolle spielt, wenn auch eher als Symbol für eine Zugehörigkeit?

Ich glaube nicht. Vielleicht fehlt mir nur ganz einfach der Zugang zu Jan Böttchers Gedanken und zu seinem Stil! Genau deswegen möchte ich andere Leser ermutigen, zu diesem Buch zu greifen und es vorbehaltlos auf sich wirken zu lassen. Es kann sehr gut sein, dass das Resultat ein ganz anderes ist als in meinem Fall!

Veröffentlicht am 11.03.2018

Frühstück auf die komplexe Art

halb zehn - das Frühstückskochbuch
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Ich frühstücke gern, wobei es bei mir sehr oft - vor allem an Werktagen - schnell gehen muss und es eher so nebenher läuft. Manchmal bereite ich am Wochenende die doppelte Menge von etwas - bspw. ...

Ich frühstücke gern, wobei es bei mir sehr oft - vor allem an Werktagen - schnell gehen muss und es eher so nebenher läuft. Manchmal bereite ich am Wochenende die doppelte Menge von etwas - bspw. Hirsebrei oder Porridge - vor und nehme einen Teil mit zur Arbeit.

Aber am Wochenende - da lasse ich es mir gerne schmecken! Aber auch da sitze ich lieber gerne länger am Frühstückstisch selber - die Vorbereitungen sollen möglichst flott gehen. Ab und zu gönne ich mir ein Bananenbrot oder köstliche Zimtschnecken, aber auch da habe ich mich so arrangiert, dass die Vorarbeiten gut zu handeln sind.

Wobei immer auch die Gesundheit eine Rolle spielt. Das Bananenbrot also wird mit gesunden Zutaten und Vollkornmehl zubereitet, die Zimtschnecken allerdings stellen eine kleine Sünde dar. Normalerweise gibt es eher Porridge oder ähnliches, was ich aber auch als durchaus lecker empfinde - und magenschonend noch dazu!

Also erhoffte ich mir vom Frühstücksbuch weitere inspirierende Rezepte und delikate Ideen. Gerade, weil es von der Stiftung Warentest herausgegeben wurde, erhoffte ich mir auch einen größeren Anteil an gesunden Rezepten und vor allem Zutaten, die überall zu kaufen sind.

Aber Pustekuchen! Das Buch lockt zwar mit Fotos, die mir das Wasser im Munde zusammenlaufen lassen, ebenso wie manche Rezeptbeschreibungen. Die Zimtschnecken sind mit Apfelsirup bestrichen, was ich extrem umständlich finde, bei den Heferezepten wird Trockenhefe benutzt (ich finde, auf die sollte man nur im Notfall zurückgreifen). Und ausserdem blitzen mir beim Durchblättern des Buchs reihenweise Spiegeleier entgegen - ich hasse Spiegeleier! Brei und Porridge ist aus meiner Sicht eher kurz gehalten und auch hier wird nicht sehr viel Wert auf Gesundes gelegt - und selbst hier kommt man nicht ganz ohne Spiegeleier aus.

Verlockend fand ich die Rezepte für Waffeln und Pfannekuchen. Auf die Süßkartoffelwaffeln hatte ich bspw. sofort Lust. Doch die ist mir nach der Lektüre des Rezepts vergangen, denn die Zubereitung dauert ewig! Wie bei so vielem anderen auch. Ich würde mich wahrscheinlich gleich nochmal ins Bett legen nach dem Kochen und beim Aufwachen hätte die liebe Familie schon alles verschlungen.

Ein Buch für Leute, die inspiriert werden wollen und Zeit haben. Sehr viel Zeit. Und viel Platz in der Küche für verschiedene Töpfe usw. Eher was für besondere Gelegenheiten, nicht für den Alltag!

Veröffentlicht am 10.03.2018

They tried to make me go to rehab

Drei aus dem Ruder
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I said no, no,no!

Das war die Reaktion von Amy Winehouse auf den Vorschlag, sich in eine Reha-Einrichtung, ein Kurzentrum, Sanatorium oder Ähnliches einweisen zu lassen. Jedenfalls informiert sie uns ...

I said no, no,no!

Das war die Reaktion von Amy Winehouse auf den Vorschlag, sich in eine Reha-Einrichtung, ein Kurzentrum, Sanatorium oder Ähnliches einweisen zu lassen. Jedenfalls informiert sie uns dahingehend in ihrem Song

Henriette, die maßgebliche Protagonistin des vorliegenden Romans, hatte zu selbigem Vorschlag eine andere Antwort, nämlich "Yes, yes, yes!" Sie ist fünfzig Jahre alt, hat in ihrem Leben Erfolg gehabt - sowohl in ihrem Beruf als Gynäkologin als auch in der Erziehung ihrer nunmehr erwachsenen Zwillinge Gabor und Gilda.

Nun stellt sie sich die Frage - war das alles so ok für mich und ist es das noch immer? Vor allem: bin ich mit dem richtigen Mann verheiratet, nämlich mit Georg? Die beiden haben gerade ihre Silberhochzeit hinter sich und Henriette fragt sich, ob es für ewig so weitergehen soll. So richtig zu sagen haben sich die beiden nämlich nichts. Nicht mehr oder schon immer?

Fragen über Fragen, jedenfalls kann es so nicht weitergehen! Henriette landet in einem Luxussanatorium in Prien am Chiemsee, wo sie die junge Mieke und Fernsehköchin Coco, Anfang 40, trifft, die vor noch wesentlich greifbareren Problemen stehen als Henriette. Aber lesen Sie selbst, es reicht mit den Infos zu dem Buch!

Ein netter, recht lebhafter Roman, der für mich - mit hinlänglich eigener Reha-Erfahrung - jedoch nicht repräsentativ ist für eine solche Maßnahme. Im Luxusetablissement am See, in dem seltsamerweise auch Kassenpatienten - Mieke zum Beispiel - untergebracht sind, macht man Wassersport auf dem Chiemsee, um wieder zu sich zu finden und hat ausgiebig Zeit für therapeutische Einzelgespräche. Aber das läuft alles eher so nebenher und so hat Henriette ausreichend Zeit, über sich und ihr Leben nachzudenken. Ihre beiden Mitstreiterinnen natürlich ebenfalls.

Es ist also klar, es geht nicht um die Reha an sich, sondern um die Lebensmodelle von Henriette, Mieke und Coco. Inwieweit können und wollen sie sich ändern und ist das überhaupt steuerbar? Apropos Steuern, die spielen auch eine Rolle in diesem Buch. Aber - ich wiederhole mich - lesen Sie selbst.

Denn zur Entspannung am Feierabend, Wochenende oder Reisen taugt dieser heitere, stimmungsvolle Roman allemal, auch wenn das alles nicht so richtig realistisch ist für mich. Doch es ist eine nette Geschichte mit Frauenpower, die unterhält, allerdings nicht wahnsinnig nachhaltig ist. Ich bin schon dabei, erste Elemente zu vergessen. Also etwas Leichtes, Flockiges - eher für den Moment als für die Ewigkeit. Das zumindest ist meine Diagnose für den "Gebrauch" dieser Reha-Romanze!

Veröffentlicht am 08.03.2018

Ein wahrer Charmeur

Der Letzte von uns
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ist "der letzte von uns" Ende der 1960er Jahre. Er: das ist Werner Zilch, der bei Adoptiveltern in den USA aufwuchs, nachdem er unter geheimnisvollen Umständen nach dem Krieg aus Deutschland in die USA ...

ist "der letzte von uns" Ende der 1960er Jahre. Er: das ist Werner Zilch, der bei Adoptiveltern in den USA aufwuchs, nachdem er unter geheimnisvollen Umständen nach dem Krieg aus Deutschland in die USA gelangt war: als Kleinkind, da er erst 1945, kurz vor Ende des Krieges, geboren wurde, wo seine Mutter direkt nach seiner Geburt in der Dresdner Bombennacht verstarb, nicht ohne ihm dieses Vermächtnis zu hinterlassen: "Ändern Sie seinen Namen nicht. Er ist der Letzte von uns". Das weiß der Leser von Beginn an, Wern, wie Werner, der bei Adoptiveltern aufwuchs, genannt wird, hingegen nicht. Ihm ist nur bekannt, dass sein Name nicht geändert werden sollte - das war auf seine Kleidung gestickt worden und seine Adoptiveltern nahmen dies ernst.

Wern, inzwischen auf dem besten Weg zum erfolgreichen Immobilienmakler und zudem ein wahrer Frauenheld, sieht eines Tages in einem Lokal die Frau seines Lebens, der er nun beharrlich nachstellt. Rebecca, wie sie heißt, erliegt seinen Verführungskünsten und stellt ihn alsbald ihren steinreichen Eltern vor. Doch der Abend wird zum Desaster - während ihr Vater und Wern einfach nicht warm miteinander werden - was zu erwarten war - erleidet die Mutter einen Schock. Und niemand weiß, warum.

Parallel werden die Ereignisse auf zwei Zeitebenen erzählt: die erste beginnt im Jahr 1945 in Dresden, die zweite 1969 in New York. Die Autorin schreibt mitreißend und vermag es, sowohl Situationen als auch Charaktere so bildhaft darzustellen, dass ich als Leserin den Eindruck hatte, ein Film würde vor mir ablaufen. Sehr interessant ist auch die Tatsache, dass im historischen Teil der "reale" Wissenschaftler und Pionier der Raumfahrt Wernher von Braun eine Rolle spielt und damit sehr spannende reale Ereignisse - nämlich seine Rolle im nationalsozialistischen Deutschland und seine Übersiedlung in die Vereinigten Staaten in den Erzählverlauf eingebunden werden.

Die Geschichte ist also wirklich fesselnd und faszinierend, auch wenn sie so einige Räuberpistolen enthält und manchmal ein bisschen zu weit geht - es hat für mich den Anschein, als wolle die französische Autorin möglichst viele ihrer Sachkenntnisse zur deutschen und amerikanischen Geschichte "verbraten", wobei sie sehr großen Wert auf das Spektakuläre legte.

Doch leider ist dies nicht das Einzige, was mich gestört hat. Ein weiteres Manko war aus meiner Sicht die extreme Schwarz-Weiß-Malerei von Ereignissen und Charakteren an einigen Stellen, sowie die teilweise recht umständliche Erzählweise. Eigenartigerweise werden einige Begebenheiten ausgesprochen ausführlich dargestellt, andere hingegen, die aus meiner Sicht eine wesentlich größere Bedeutung für den Erzählverlauf haben, werden nur kurz, in Auszügen, oder gar nur durch Anspielungen erwähnt.

Also ein Roman, nach dessen Lektüre ich mich hin- und hergerissen fühlte. So mitreißend die Schilderungen auch waren, so störend waren die genannten Mängel, die sich mehrfach wiederholte. Dennoch würde ich erneut zu einem Roman der Autorin Adélaïde de Clermont-Tonnerre greifen und zwar in der Hoffnung, dass sie sich in vorliegendem Roman ordentlich ausgetobt hat und ihre nächsten schriftstellerischen Projekte etwas gelassener und durchdachter angeht.

Veröffentlicht am 26.02.2018

Wer sie waren, wer sie sind

Schöne Seelen und Komplizen
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Damals und Heute - in diesem Roman kommen Menschen zu Wort, Menschen gleichen Alters. Zunächst ganz jung, dann - in der Gegenwart - mittelalt. Es sind ehemalige Schüler eines Potsdamer Elitegymnasiums, ...

Damals und Heute - in diesem Roman kommen Menschen zu Wort, Menschen gleichen Alters. Zunächst ganz jung, dann - in der Gegenwart - mittelalt. Es sind ehemalige Schüler eines Potsdamer Elitegymnasiums, die gemeinsam die Wende erlebt haben. Eine Wende, die vielfach von Privatem überlagert wurde - denn als junger Mensch hat man doch so viel mehr im Kopf als den Lauf der Welt. Was mit einem selbst passiert, ist doch so viel spannender! Nicht immer, aber doch sehr, sehr oft.


Julia Schoch schildert diese Zeit aus vielerlei Perspektiven: es sind eine Menge junger Mensche, die hier zu Wort kommen Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre, so viele, dass sie mich verwirrt haben. Wofür stand nochmal Lydia, wofür Ellen oder Britta, war jetzt Alexander oder Tomas oder gar Martin der Mädchenschwarm oder habe ich es sogar verwechselt? Und vor allem: was bedeutete die Wende für sie alle, die damaligen (teilweise noch heutigen) Potsdamer, die die Wege der Zeit, des Lebens vielfach auseinander gebracht, teilweise jedoch auch zusammengehalten haben.


Julia Schoch hat einen aus Blitzlichtern, Momentaufnahmen verschiedener Protagonisten zusammengefügten Roman auf zwei Zeitebenen geschaffen, der durchaus interessant ist, mich jedoch äußerst verwirrt zurückgelassen hat. Die Einzelschicksale und die jeweils damit verbundenen Charaktere waren zu wenig akzentuiert, setzten sich zu wenig voneinander ab, verschwammen teilweise aus meiner Sicht sogar ineinander und vermischten sich. Ein gutes, spannendes Potential, das nicht ganz ausgeschöpft wurde aus meiner Sicht, das teilweise sogar im Sande verlief. Und das, obwohl Julia Schoch wirklich schön schreibt, passende Sätze findet, die bis ins Mark treffen. Zum Beispiel "ich glaube, die Erinnerungen sterben später als die Menschen." (S.122) Das sagt eine der Protagonistinnen, Vivien, zu Alexander - eine Verbindung, die über Jahrzehnte erhalten bleibt.


Doch das Problem der Autorin (kenne ich auch), also auch "Mein Fehler ist, dass ich davon ausgehe, andere Leute würden die Dinge genauso sehen wie ich." (128) Geht mir auch oft so und gerade dies ist mit ein Grund, dass ich ihr und ihrem - insgesamt duchaus sympathischen - Buch stellenweise leider nur Unverständnis entgegenbringe.