Wohlfühlen Ja, Krimi Nein.
Ich habe schon den ein oder anderen Tante Dimity Roman, in loser Reihenfolge im Vorfeld gelesen, aber der jüngste Roman überzeugt nach meinem Empfinden am wenigsten.
Zu langatmig ist die Eingangspassage, ...
Ich habe schon den ein oder anderen Tante Dimity Roman, in loser Reihenfolge im Vorfeld gelesen, aber der jüngste Roman überzeugt nach meinem Empfinden am wenigsten.
Zu langatmig ist die Eingangspassage, bis es ans eigentliche Thema kommt, die neuen Nachbarn werden umständlich herangeführt, die Dorfbewohner, die ich sonst als nicht ganz so nervig empfunden habe, nerven und bis Lori in ihrem Dachboden das Amulett von Tante Dimity findet, das ja den eigentlichen Roman ins Rollen bringen soll, vergeht doch einiges an Zeit.
Die Geschichte entwickelt sich dann in zwei Handlungsstränge, zum einen, die Ereignisse rund um die Dorfbewohner, die vom Goldfieber gepackt werden und allerlei kuriose Schätze finden.
Und dann natürlich Lori, die auf Tante Dimitys Bitte hin, denjenigen ausfindig machen soll, der ihr das Amulett im London der Nachkriegsjahre schenkte.
Während die Dorfbewohner aktiv unterwegs sind, ist mir Lori diesmal eindeutig zu passiv, alle Steine werden ihr aus dem Weg geräumt, letztendlich kommt sie keinem Geheimnis durch "kriminalistische" Fähigkeiten auf der Spur. Hier hilft manchmal der Zufall oder der Kontakt, den ihr Mann zu einem jungen Historiker hergestellt hat. Das hat dann auch nichts mir Wohlfühl“krimi“ zu tun, sondern ist in dem Punkt für mich einfach nur langweilig.
Dagegen ist die Beschreibung des Londoner Stadtteils Bloomsbury, so detailverliebt und liebevoll erzählt, dass es mich bei meinem nächsten Besuch bestimmt in den Queen Square Garden verschlagen wird.
Das ist auch im Prinzip der Charme und der Stil, der diese Reihe ausmacht, auch hier ist das handwerkliche gut gemeistert.
Man fühlt sich gut unterhalten, die Charaktere sind gut gezeichnet, aber meistens nicht zu ausufernd, man ist direkt drin im Geschehen, auch ohne die Vorläuferromane zu kennen. Dankenswerter Weise ist das Buch jetzt auch nicht zu umfangreich, so dass man sich die Zeit für eine nachmittägliche "Lesereise" in die bestimmt zu idyllisch beschriebene englische Land- und Stadtwelt nehmen kann.
Ob Absicht oder nicht, so richtig interessant fand ich nur die beiden unterschiedlichen Herangehensweisen an „die Geschichte“: die Bewohner Finchs, die völlig planlos an die Vergangenheitssuche gehen und auch überhaupt nicht methodisch mit der Vergangenheitsbewältigung umgehen (bitte hier keine großen historischen Funde erwarten, es geht mitunter um Haarklammern) und dagegen, das doch systematische Vorgehen Loris, die ja auch einen ausgebildeten Historiker an der Seite hat. Das ist im Prinzip ganz gut dargestellt, die Befragung der Zeitzeugen und die Suche nach historischen Dokumenten. Aber das wäre jetzt auch meine Interpretation um zumindest noch etwas für mich positives aus dem Roman zu ziehen.
Auch der Schluß enttäuscht, die Chance Geschichte für alle zugänglich zu machen und einen Schatz von historischer Tragweite auf ihrem Grundstück zu melden, lässt Lori ungenutzt. Natürlich werden jetzt die Tante-Dimity-Fanreihen aufschreien und argumentieren, dass sei moralisch so in Ordnung, weil sie sich nicht bereichern will. Bereichern hätte sie sich eh nicht können, da der Schatz in dem Fall ja der britischen Regierung gehört, aber mich ärgert mehr, dass sie es damit begründet, dass sie keinen Streß vor ihrer Bilderbuch-Haustür in ihrem Bilderbuch-Städtchen haben wollte und das erscheint mir für einen moralisch integeren Charakter reichlich egoistisch.
Ich wusste im großen Ganzen was mich erwartete, hatte mir aber tatsächlich etwas mehr erhofft, zumindest hätte ich Lori gern als aktivere Hauptfigur gesehen. Für einen afternoon tea ganz nett, aber für einen criminal case leider daneben.