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Veröffentlicht am 07.03.2018

Ein unvergesslicher Sommer

Sommerby 1. Ein Sommer in Sommerby
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Martha (12), Mikkel (7) und Mats (4) wachsen modern und gut behütet in Hamburg auf. Ihre Eltern verdienen sehr gut, sie sind im Geldhandel an der Börse tätig und reisen viel. Während einer Geschäftsreise ...

Martha (12), Mikkel (7) und Mats (4) wachsen modern und gut behütet in Hamburg auf. Ihre Eltern verdienen sehr gut, sie sind im Geldhandel an der Börse tätig und reisen viel. Während einer Geschäftsreise in New York hat Mutter Leonie einen schweren Unfall und muß ins Krankenhaus mit mehreren Knochenbrüchen und Gehirnerschütterung. Der Vater bucht sofort einen Flug nach New York und bittet die beste Freundin seiner Frau, die Kinder zur Oma nach Sommerby zu bringen, an die sich Martha nur noch vage erinnern kann und die die jüngeren Brüder noch nie gesehen haben. Aus unbekannten Gründen herrscht Funkstille zwischen Oma und Eltern. Mit sehr gemischten Gefühlen tauchen die Kinder auf dem abgelegenen Hof der Großmutter auf, zu der noch nicht einmal eine richtige Straße führt. Wer zu ihr auf die Landzunge am Meer möchte, muß entweder eine Kuhweide überqueeren oder ein Boot nehmen. Logisch, daß es so weit ab vom Schuß kein Wlan, kein Fernsehen und keinen Handyempfang gibt. Während Martha sich ein Leben ohne soziale Netzwerke nicht vorstellen kann, sind ihre kleine Brüder ganz begeistert von den Tieren und dem Leben am Wasser. Nach uns nach stellt auch Martha fest, daß dieser Sommer ganz schön aufregend ist!
So wie die Eltern der Kinder, immer wieder die Köpfe über die Oma zu schütteln scheinen, habe ich beim Lesen immer wieder den Kopf über die Eltern geschüttelt. Tischmanieren und das Auslassen von Fäkalsprache ist in der Erziehung anscheinend wichtiger, als Selbstständigkeit. Die Kinder sind offensichtlich sehr behütet und jede Gefahr soll von ihnen fern gehalten werden. Doch das Leben ist voller Gefahren, wie man schon an dem schweren Unfall der Mutter inmitten der „Zivilisation“ sehen kann. Dennoch ist es den Eltern gelungen, den Kindern ein Gefühl von Liebe und Verantwortung mitzugeben. Denn ganz alleine bei der unbekannten Oma, die sie ständig mitarbeiten lässt und sie nicht betüddelt, macht sich bei Martha ein starkes Verantwortungsgefühl für ihre jüngeren Brüder breit und ihr wird bewußt, wie sehr sie sie liebt. Nichts da, mit „nervige kleine Brüder“! Wenn die Oma so schroff und fordernd ist, hat sie das Gefühl, sie in Liebe hüllen zu müssen. Abgeschnitten von Wlan und Fernsehen, entdeckt Martha auch den Reiz der Bücher, die ihre Mutter früher offensichtlich verschlungen hat (ich habe Désir´´ von Annemarie Selinko auch geliebt) und zum Einschlafen liest sie ihren kleinen Brüdern Otfried Preußlers „Die kleine Hexe“ vor. Bücherliebhaber werden an Marthas Stöbertour durch Omas Bücherregal ihre wahre Freude haben! In der Einsamkeit von Oma werden die Kinder auch mit der Realität des Überlebens konfrontiert. Rehkitze sind nicht nur süß und Landwirte müssen ihr Vieh durchaus schlachten, um Leben zu können. Harte, ehrliche Arbeit, die aber erfüllt und einen mit dem guten Gefühl etwas geschafft zu haben einschlafen lässt. Als diese Idylle dann bedroht wird, merkt auch Martha, daß Whatsapp nicht alles ist und wie sehr sie dieses Leben und auch ihre Oma liebgewonnen hat. Wetten, daß sie sicher nicht die langweiligsten Ferienerlebnisse der Klasse hat und das obwohl ihre Freundin auf den Malediven ist?
Nach und nach merken Kinder beim Lesen oder zuhören, wie die Bedeutung von Handy und Fernsehen abnimmt. Gut, da wir selbst nicht in der Großstladt leben, können sich unsere Kinder das durchaus vorstellen und kennen es auch, daß das Spielen draußen wichtiger ist, als Fernsehn zu schauen. Aber in Städten sind ja schon Schnecken nicht mehr bekannt (ja, habe ich selbst erlebt, als vor Jahren eine Freundin im Urlaub fasziniert zum ersten Mal im Leben eine Schnecke beobachtete!). Es ist auch toll, wie Mikkel den Lesern zeigt, daß es schön ist, das Gefühl zu bekommen, gebraucht zu werden. Denn zu helfen, heißt nicht ausgebeutet zu werden, sondern daß es auf jeden einzelnen ankommt, daß jeder gebraucht wird und wichtig ist. Erzählt wird aber nicht mit dem erhobenen Zeigefinger, sondern einfach durch Beobachten der Kinder und ihrer Entwicklung. Klingt langweilig? Ist es aber nicht, sondern richtig spannend, denn wie bereits angedeutet, ist die Idylle in Gefahr und das muß unbedingt verhindert werden! Und auch im Spannungsteil des Buches dürfen die Kinder noch Kinder sein und handeln entsprechend, im Rahmen ihrer Möglichkeiten, aber außerhalb dessen, was ihnen ihre Eltern raten würden.
Eine wirklich tolle Geschichte, über das was wirklich zählt, wie z.B. Zeit im Snne von sich Zeit nehmen und Natur.
Spannend, kurzweilig und einfach wunderschön!

Veröffentlicht am 04.03.2018

Es gibt verschiedene Wege ans Ziel

Irgendwohin oder der Tag, an dem George das Fliegen lernte
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George ist ein Gänserich (Ganter), der den ganzen Tag schwer beschäftigt ist und stets irgendetwas zu tun hat, er backt, macht Yoga, übt Gitarre oder Bügelt. Er ist stets gastfreundlich und bewirtet jeden, ...

George ist ein Gänserich (Ganter), der den ganzen Tag schwer beschäftigt ist und stets irgendetwas zu tun hat, er backt, macht Yoga, übt Gitarre oder Bügelt. Er ist stets gastfreundlich und bewirtet jeden, der bei ihm vorbeischaut, besonders die Zugvögel auf ihren Reisen- Moment mal, ist George als Gans nicht auch ein Zugvogel? Nein, George nicht, denn er hat einfach keine Zeit! Anders als alle anderen Vögel, die ständig irgendwohin reisen, fliegt George nirgendwohin, er bleibt zu Hause und beschäftigt sich. Damit ist er sehr zufrieden, zum Erstaunen seiner Artgenossen, die ihn immer wieder fragen, ob er sie nicht begleiten wolle. Doch ist George kein Außenseiter, sondern einfach anders.. Dennoch, als der Winter kommt und alle Zugvögel verreist sind, ist es ziemlich einsam, niemand kommt mehr bei ihm vorbei, um bei ihm auszuruhen und von seinen Reisen zu berichten. Dann trifft er Pascal Lombard, einen Bären auf der Suche nach einem warmen Plätzchen, wo er den Winter verbringen kann und nun wird es für beide richtig aufregend!
Dieses Buch habe ich auf der Pressemesse für Kinderbuchverlage in Köln in die Hand genommen und mich sofort verliebt. Es war mir auch klar, daß es ganz den Geschmack meiner Jüngsten treffen würde. Ein Held der ständig mit irgendwas beschäftigt ist und daher keine Zeit für die Dinge hat, die er eigentlich gerade erledigen sollte. Ist das nicht typisch für Kinder? Sie sind so beschäftigt mit dem Erkunden ihrer Welt, mit dem Ausprobieren, da ist Anziehen oder Aufräumen absolut unmöglich! Sehr gut finde ich auch, daß George von allen gemocht und akzeptiert wird, obwohl er nicht wie alle anderen ist. Niemand ärgert ihn, alle hätten ihn gerne mit dabei, wobei sie es auch sehr genießen, sich von ihm bewirten zu lassen.
Mit dem Auftauchen von Pascal Lombard erscheint ein angeblicher Spezialist für alles Mögliche und George muß feststellen, daß dieser zwar ausgesprochen sympathisch ist, aber man nicht alles unbedingt für bare Münze nehmen kann, was er sagt (ein liebenswerter Aufschneider hat, auch ein sehr typisches Kinderverhalten und auch noch über dieses Alter hinaus).
Dieses großformatige Bilderbuch ist in hellen fröhlichen Farben gehalten, die sofort zum Durchschauen einladen. Der Text ist kurz und nicht sehr groß gedruckt. Es ist wirklich zum Vorlesen für jüngere Kinder geeignet, die viel Bild brauchen und sich noch nicht auf lange Textpassagen konzentrieren können. Dennoch ist die Botschaft so universell und zeitlos, daß auch meine Achtjährige sich für sie begeistert kann. Besonders fasziniert sie die Illustrationstechnik. In die gezeichneten Illustrationen sind stets Kollagen aus Katalogen oder Zeitungen integriert, zum Teil mit französischem oder englischen Wörter. Die haben ihr dann Rätsel aufgegeben und gemeinsam haben wir diese gelöst. Das war dann das Extra-Vergnügen für die mitlesende Mutter! Sie konnte die Seiten sehr lange bewundern und hat sie wie ein Wimmelbuch genau untersucht, um all die eingefügten Kollagen zu entdecken und die Fotoaufnahmen von den Zeichnungen zu unterscheiden. Bisweilen keine ganz einfache Aufgabe.
Eine wunderbare Geschichte über jemanden, der sein Ziel auch auf Umwegen erreicht. Umwege, die einfach für ihn der richtige Weg sind. Ein echtes Entdeckerbilderbuch, daß wir jedem kleinen Abenteuer und Vielbeschäftigtem ans Herz legen.

Veröffentlicht am 03.03.2018

Kribbeliges Ponyleseglück

Kira, Band 01
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Kira ist ca. 8 Jahre alt und träumt von Pferden, bisher aber nur auf Fotos, noch nie ist sie geritten und in der Nähe eines Reitstalls lebt sie leider auch nicht. Ausgerechnet ihre bisweilen etwas launische ...

Kira ist ca. 8 Jahre alt und träumt von Pferden, bisher aber nur auf Fotos, noch nie ist sie geritten und in der Nähe eines Reitstalls lebt sie leider auch nicht. Ausgerechnet ihre bisweilen etwas launische Klassenkameradin Johanna nimmt sie eines Tages mit in den Stall, in dem sie mit ihrer großen Schwester Jule reitet. Der Kontakt mit den Tieren ist noch schöner als sie gedacht hat, während sie an der Bande Johanna bei ihrer Reitstunde zuschaut, fängt sie selbst an, von sich als Ponymädchen zu träumen. Doch ihre Eltern können sich keine Reitstunden leisten und so wird es wohl beim Träumen bleiben, oder doch nicht?
Diese neue Reihe für junge Mädchen ab 8 Jahren kommt ohne viel Schnickschnack, aber dafür mich echtem Pferdewissen daher. Viele Begriffe, die man bis dahin mal gehört hat, werden erklärt, so daß auch Mädchen, die wie Kira nur von Pferden träumen, dem Leben im Reitstall gut folgen können und sich auch selbst schon was Fachvokabular aneignen können. Wer weiß, vielleicht wird ja auch ihr Traum noch wahr, wenn sie sich wie Kira dafür einsetzen.
Die Erklärungen sind leicht verständlich und auch die Schilderungen von Kiras Gefühlen, der Freude, der Unsicherheit, das Kribbeln im Bauch und die Angst, sind sehr nachfühlbar beschrieben. So manche junge Leserin, die sich mal mit einer Möhre auf der ausgestreckten Hand einem Ponymaul näherte, wird sich hier wiederfinden können. Neben Kira und ihrer wachsenden Liebe zu Ponys geht es auch noch darum, daß man nie aufgeben darf, nur weil sich Widerstände auftun. Oft gibt es einen Weg, wenn man danach sucht und bereit ist, sich selbst einzubringen. Aber auch das ambivalente Verhältnis zwischen Kira und Johanna ist wirklich interessant. Nicht die sonst häufige ein-Herz-und-eine-Seele-Freundschaft-seit-dem-Kindergarten, sondern zwei Mädchen die eigentlich total verschieden sind und auch vom Charakter nicht sensationell zusammenpassen, die dafür aber die Liebe zu den Ponys/Pferden verbindet. So kommt es zwischen den beiden immer wieder zu Konflikten und man merkt, wie in Kiras Brust immer wieder zwei Herzen miteinander streiten. Einerseits will sie sich nicht alles gefallen lassen, doch ist sie irgendwie auch auf Johanna angewiesen. Ich bin gespannt, wie sich diese Freundschaft noch entwickeln wird, ob sie noch richtig zusammen wachsen werden. Ich hoffe es sehr, ich möchte endlich ein Buch mit einer richtig netten Johanna lesen, die mit ihrem Namen zufrieden ist.
Entsprechend der Zielgruppe ist die Schrift angenehm groß und übersichtlich. Im Zweifarbdruck werden die Seiten immer wieder durch kleinere Illustrationen aufgelockert, die die Atmosphäre auflockern. Sehr schön finde ich, daß direkt in der Buchklappe alle wichtigen menschlichen und tierischen Charaktere mit Bild und Namen präsentiert werden und auch ein Überblick über den Hof verschafft wird. So kann man sich die beschriebenen Szenen noch besser vorstellen, selbst wenn man sich noch nicht ständig auf einem Reiterhof rumtreibt. Durch seine überschaubare Seitenzahl, schafft es auch Mädchen zum Lesen zu animieren, die sonst noch vor dicken Büchern zurück schrecken. Die Sprache ist noch relativ einfach, aber dennoch ansprechend. Unbekannte Begriffe werden erklärt, auf unnötige Anglizismen verzichtet.
Die Autorin Dagmar H. Mueller lebt mittlerweile selbst mit ihrer Familie in England, mit Blick auf eine Pferdekoppel, während sie sich in ihrer Kindheit in deutschen Reitställen herumtrieb. Diese Fachkenntnis sowohl die von Ponys und Pferden, als auch von den verschiedenen Typen auf einem Reiterhof, spürt man auch auf jeder Seite des Buches. Ihre bekannteste Kinderbuchserie ist bislang „Die Chaosschwestern“, die nun sogar verfilmt werden.
Ein richtig schönes Buch für junge Leserinnen, die Pferde lieben und das Lesen für sich entdecken. Sie werden hier voll auf ihre Kosten kommen!

Veröffentlicht am 03.03.2018

Tolle moderne Hörspielversion des Kinderbuchklassikers

Die kleine Hexe – Das Original-Hörspiel zum Film
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Der Film hält sich ziemlich eng an die Buchvorlage und doch ist er deutlich moderner als das Buch.
Die kleine Hexe ist erst 127 Jahre alt und lebt mit ihrem Raben Abraxas im Wald, wo sie heimlich in ihrer ...

Der Film hält sich ziemlich eng an die Buchvorlage und doch ist er deutlich moderner als das Buch.
Die kleine Hexe ist erst 127 Jahre alt und lebt mit ihrem Raben Abraxas im Wald, wo sie heimlich in ihrer Hütte zaubert. Dabei geht so einiges schief, so regnet es z.B. Löffel. Als sie es dann auch noch wagt sich unter die Menge der tanzenden Hexen in der Walpurgisnacht auf dem Blocksberg zu mischen, fliegt sie auf. So junge Hexen haben dort nichts zu suchen! Zur Strafe wird ihr Besen im Feuer verbrannt, sie muß zu Fuß nach Hause laufen und hat 1 Jahr Zeit, um sich als gute Hexe zu qualifizieren. Dafür muß sie alle Zaubersprüche aus dem dicken Hexenbuch lernen. Doch die kleine Hexe hat sich bisher noch nie als besonders fleißig oder ehrgeizig erwiesen, da fällt die Aufgabe doppelt schwer, vor allem weiß die Großhexe Rumpumpel sie heimlich beobachtet und ihr versucht Fallen zu stellen. Glücklicherweise hilft Abraxas ihr immer wieder weiter und in diesem Jahr erlebt die kleine Hexe jede Menge Abenteuer, lernt neue Menschen kennen, freundet sich mit Kindern an und steht vor jeder Menge Probleme, die sie zu lösen hat. Ob das wohl alles ausreicht, um in der nächsten Walpurgisnacht mit den großen Hexen mittanzen zu dürfen?
Eigentlich mag ich ja im Gegensatz zu meinen Kindern Hörspiele nicht so gerne, gerade bei Hörspielen zum Film habe ich oft das Gefühl, daß man der Geschichte nur schlecht zu folgen vermag, wenn man den Film nicht gesehen hat. Das ist hier nicht der Fall Marion Martienzen als Erzählerin schafft es, lebendig und doch ohne sich aufzudrängen, mit Zwischentexten zu ersetzen, was man nicht sehen kann. So ergeben die Dialoge stets Sinn, auch wenn man die Bilder des Films nicht sehen kann. Außerdem ist die Tonqualität sehr gut, man kann auch den Stimmen gut folgen, sie sprechen auch in den spannendsten Szenen immer noch klar und deutlich, ohne, daß die Lebendigkeit verloren geht. Nun sind neben den Kinderrollen auch echte Größen des deutschen Films, wie Suzanne von Borsody als Hexe Rumpumpel, Karoline Herfurth als kleine Hexe und Axel Prahl als Rabe Abraxas. Suzanne von Borsody scheint derzeit ein Abonnement als weiblicher Bösewicht in deutschen Kinderfilmen zu haben, sie spielt und spricht diese Rollen aber auch wirklich genial böse und daher ein wunderbarer Kontrast zu der sympathischen kleinen Hexe Karoline Herfurth.
Der Szenenwechsel scheint rasanter als im Buch, gerade auch durch die Vertonung, wobei die Geräuschkulisse nie die Sprecher überlagert. Hierdurch wirkt die Version moderner und spannender, allerdings finde ich für empfindsame Kinder die Altersangabe ab 3 Jahren dann doch etwas früh.
Richtig schön finde ich, daß die zwei Tonträger (Laufzeit 1h 40 min) mit jeweils unterschiedlichen Filmszenen bedruckt sind.
Ich war etwas traurig, daß die alte Musik der kleinen Hexe nicht mehr zu hören ist, aber das ist eine Nostalgie, die nur die Eltern trifft. Gerade meiner jüngsten Tochter (8) fehlt bei dieser Version nichts. Sie findet es sowohl lustig, als auch spannend, wie die kleine Hexe ihren Weg geht, Gutes tut und es einfach nicht übers Herz bringt eine gute Hexe zu sein, indem sie böse wird. Diese Aussage des Buches ist absolut zeitlos. Der Geist von Otfried Preußlers Meisterwerk bleibt erhalten und wird dennoch angenehm modernisiert.
Ganz dicke Hörempfehlung von dem unvoreingenommenen Kind und der Nostalgiker Mutter!

Veröffentlicht am 02.03.2018

Manchmal ist anders genau richtig!

Das Leben ist manchmal woanders
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Die etwas alternativ-esotherische Marlene begibt sich mit ihrem noch ungewöhnlicherem Sohn Gregor (14) mit der Bahn zu ihrer älteren Schwester Judith und deren Mann Achim, zum alljährlichen Besuch. Achim ...

Die etwas alternativ-esotherische Marlene begibt sich mit ihrem noch ungewöhnlicherem Sohn Gregor (14) mit der Bahn zu ihrer älteren Schwester Judith und deren Mann Achim, zum alljährlichen Besuch. Achim graust es schon vor dem Besuch, Marlene scheint sich gar nicht an Gregors Eigenheiten zu stören, lässt ihm alles durch gehen und erzieht ihn gar nicht! Ihrem eigenen Sohn Frank hätten sie so etwas nie durch gehen lassen! Schon bei der Ankunft auf dem Bahnsteig fallen Marlene und Gregor auf, aber Marlene scheint das nicht zu stören, ebenso wenig, wie Gregor schrille, merkwürdige Kleidung, seine offensichtliche Unfähigkeit sich in die Normalität einzufinden. Noch auf dem Bahnsteig quatscht er eine Brötchenverkäuferin an und macht ihr ein Kompliment – diese freut sich und lächelt wahrscheinlich zum ersten Mal an diesem Tag. Gregor begegnet seinen Mitmenschen unvoreingenommen, offen und mit entwaffnender Ehrlichkeit. Auch auf die Menschen in dem Mehr-Parteienhaus von Tante Judith geht er unbekümmert auf alle Bewohner zu, obwohl die meisten sich sogar aus dem Weg zu gehen scheinen. Aber Gregor beobachtet, denkt nach und kombiniert. Als sich Gregors Aufenthalt durch einen Unfall von Marlene verlängert, gehen in dem Haus in der Brunnerstraße nach und nach die wunderbar unvorhersehbarsten Dinge vor sich.
Gregor stolpert einem auf diesem Bahnsteig zu Beginn quasi entgegen. Was mit ihm los ist, erfährt man erst ganz am Ende, aber das ist ja eigentlich auch gar nicht so wichtig, wie es heißt, was bei ihm anders ist. Er ist anders und daher reagiert er auch anders auf seine Mitmenschen. Auch wenn ihn alle nicht auf Anhieb ernst nehmen, fühlen sie sich doch nie von ihm bedroht, sondern wundern sich allenfalls. Seiner offenen, staunenden Art kann man sich nicht entziehen, und so lassen die Nachbarn Dinge geschehen, die sie selbst nie für möglich gehalten hätten. Irgendwie knackt er sie auf, mit seiner entwaffnend ehrlichen Art, hält er ihnen unschuldig einen Spiegel vor und sie erkennen allzu oft, wie sehr sie sich in etwas verrannt haben oder das sie in eine Sackgasse gelangt sind. Auch wenn Gregor anders ist, ist er kein Außenseiter, denn er ist einfach da und ein Bindeglied, zwischen Menschen, die es nie für möglich gehalten hätten, das sie etwas gemeinsam haben könnten.
Sehr humorvoll und wundervoll sensibel erzählt Ulrike Herwig (alias Ulrike Rylance, Caro Martini oder Carly Wilson) die Geschichte eines Kindes, das anders ist. Dabei bezeichnet sie ihn selbst nie als behindert oder mit so unsinnigen Umschreibungen wie „Menschen innerhalb eines anderen Spektrums der Normalität“, sie läßt einfach Gregor für sich selbst sprechen und das ist gut so. Trotz aller größerer und kleinerer Probleme der Hausbewohner ist der Ton der Geschichte immer ein positiver, er zieht einen nicht herunter, sondern zeigt auf, daß eigentlich alles möglich ist. Nicht in einer aufgesetzten „Denk-positiv“-Manier, sondern einfach durch die Offenheit des Geistes und des Herzens. Einfach wunderschön bewegend, geht diese Geschichte ins Herz. Man versteht, warum Marlene ihr Kind so liebt, auch wenn Gregor wohl kaum so ist, wie sie es sich noch in der Schwangerschaft erträumt hat. Aber müssen Kinder wirklich immer „Erfolgsgeschichten“ sein? Kann man sie nicht einfach nur lieben, wie sie sind? Ein ehrliches Plädoyer für Akzeptanz und Respekt, vor den Menschen, wie auch immer sie auch sein mögen. Gregor nimmt seine Mitmenschen so an, wie er sie kennenlernt, er schaut auch hinter ihre bisweilen hübschen Fassaden und urteilt mit dem Herzen und nicht mit den Augen. Während er so einige als Blender entlarvt, entpuppt sich manch Grantler als herzensgut, aber einsam.
Eine Geschichte, die mir während des Lesens nicht nur das Herz wärmte, sondern meine Tage einfach ein wenig schöner machte. Ein echtes Lesehighlight, ein kleiner Schatz.