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heinoko

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 11.03.2018

Kein Buch für die Fastenzeit

Der Duft von Rosmarin und Schokolade
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Sind Sie gerade dabei abzunehmen? Oder haben Sie den festen Vorsatz, während der Fastenzeit auf so manchen Genuss verzichten zu wollen? Dann kaufen Sie dieses Buch, verstecken es ganz hinten im Bücherregal ...


Sind Sie gerade dabei abzunehmen? Oder haben Sie den festen Vorsatz, während der Fastenzeit auf so manchen Genuss verzichten zu wollen? Dann kaufen Sie dieses Buch, verstecken es ganz hinten im Bücherregal und holen Sie es erst wieder hervor, wenn Sie offen sind für Genuss, für das Schwelgen in Spezialitäten, in Gewürzmischungen und deren exotischen Gerüchen, in allerlei Schleckereien …
Maylis Klinger arbeitet zuverlässig und fleißig in dem alteingesessenen Feinkostgeschäft Radke. Eigentlich ist Maylis eine großartige Köchin mit viel Gespür für das wirklich Gute, aber nachdem ihr Mann sie von einem Tag auf den anderen verlassen hatte, lebt sie von Fastfood und kümmert sich nicht mehr um sich selbst. Da sie jedoch ihre recht unterschiedlichen Kunden großartig beraten kann und von diesen sehr geschätzt wird, möchte ihr Chef ihr das Geschäft eines Tages überschreiben. Doch Maylis ist sich unschlüssig, wohin ihr Weg sie führen soll…
Tania Schlie schreibt so intensiv bildhaft und mit allen Sinnen, dass man die teils skurrilen Kunden plastisch vor Augen hat. Man hat das Gefühl, selbst mitten im Laden zu stehen und an den lebendigen Gesprächen teilzunehmen, man glaubt, schnuppernd durch den Laden zu laufen, die unterschiedlichen Käsesorten zu kosten, von Marmeladenkreationen zu naschen und sich von Maylis‘ Rezeptvorschlägen inspirieren zu lassen. Die Autorin hat einen sinnlichen und rundum positiven Genuss- und Wohlfühl-Roman geschrieben, den zu lesen einfach nur guttut. Der Roman ist warmherzig, lichtbringend, vergnüglich und unterhaltsam. Mir kommt das Buch vor wie eine Aquarellzeichnung: zart, hingetuscht, ineinanderfließende Schattierungen, ohne jegliche Härte. Wunderbare leichte Unterhaltung.

Veröffentlicht am 09.03.2018

Vom Schildweinbraten zur modrigen Else

Wir Buddenbergs – Der Schatz, der mit der Post kam
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Mia ist ein ganz besonderes Mädchen. Sie lebt in einer kunterbunten, etwas chaotischen, übersprudelnd lebendigen Familie, die aus Opipi, Mama und drei Geschwistern besteht. Mia ist besonders, denn erstens ...


Mia ist ein ganz besonderes Mädchen. Sie lebt in einer kunterbunten, etwas chaotischen, übersprudelnd lebendigen Familie, die aus Opipi, Mama und drei Geschwistern besteht. Mia ist besonders, denn erstens hat sie einen ganz eigenen Papa, den sie gelegentlich auf dem Friedhof besucht, und zweitens hat sie eine großartige Methode gefunden, den Trubel um sie herum zu „ordnen“, indem sie sehr ordentliche Landkarten in ein Skizzenbuch zeichnet, das sie ihren Lebensatlas nennt. (Meine persönliche Vorliebe gilt übrigens der Karte „Herkunft unserer Teller“…) Als eines Tages ein uralter Brief aus London ankommt, der ungefähr 140 Jahre unterwegs gewesen war, beginnt eine spannende Suche nach einem Geheimversteck in der alten Villa.
Mia und ihre Familie sind so liebenswert, so verrückt, so trubelig, dass man beim Lesen aus dem Schmunzeln nicht mehr herauskommt. Schon lange habe ich kein Kinderbuch mehr gelesen, das mir beim Lesen so viel Spaß bereitete. Der Ideenreichtum der Autorin scheint unbegrenzt. Sie mischt überaus geschickt Spannung und Spaß, auch ein klein wenig Ernst zu einer Geschichte, die uns viel erzählt über Individualität, Toleranz und liebevolle Familienzusammengehörigkeit. Die detaillierten Zeichnungen von Florentine Prechtel unterstreichen die Geschichte auf perfekte Weise.
Fazit: Ein Kinderbuch wie es sein soll: Spannung, Spaß und Ernst fröhlich-liebevoll erzählt.

Veröffentlicht am 06.03.2018

Reiche Welt der Bilder

Tulpengold
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Amsterdam, 1636. Im Hause des Malers Rembrandt von Rijn zieht als neuer Maler-Lehrling Pieter ein. Pieter ist ein ungewöhnlicher Mensch, heutzutage würde man ihm wohl das Asperger-Syndrom bescheinigen. ...

Amsterdam, 1636. Im Hause des Malers Rembrandt von Rijn zieht als neuer Maler-Lehrling Pieter ein. Pieter ist ein ungewöhnlicher Mensch, heutzutage würde man ihm wohl das Asperger-Syndrom bescheinigen. Er nimmt alles wortgenau, bedenkt seine Antworten sehr lange, hat wenig Zugang zu Gefühlen und besitzt nicht nur großer Mal-Talent, sondern auch eine tiefe Begeisterung für alles, was sich mit mathematischen Formeln berechnen lässt.
Es ist die Zeit der Tulpen-Mania. Die Preise für Tulpenzwiebeln steigen und steigen, auch Rembrandt lässt sich davon anstecken. Bereits am ersten Tag seiner Lehrzeit sieht Pieter, wie ein Tulpenhändler auf dem Markt zusammenbricht und stirbt. Bleiwasser-Vergiftung! Im Laufe der Geschichte sterben weitere Tulpenhändler, allesamt Kunden von Rembrandt. Insofern gerät Rembrandt sehr schnell unter Verdacht. Pieter jedoch stellt ganz andere Berechnungen an…

Historische Romane sind normalerweise nicht das von mir bevorzugte Genre. Oftmals sind sie überfrachtet mit Wissensvermittlung, mit Darstellungen von recherchiertem Wissen, und die Lesefreude tritt dadurch in den Hintergrund.
Ganz anders bei Eva Völler! Sie schreibt unglaublich bildhaft und fesselnd. Man spürt ihre gründlichen und intensiven Nachforschungen und Vorbereitungen, aber nicht anhand von theoretischem Beiwerk, sondern all ihr Wissen fließt ein in eine Bilderwelt, die sie gekonnt vor uns Lesern ausbreitet. Ich sah fasziniert Rembrandt über die Schulter, wie er besessen malte. Ich stand mit Pieter in der Kneipe und sah den biertrinkenden und diskutierenden Tulpenhändlern zu. Ich sah mit dem klaren und wohlwollenden Blick der Autorin einen Ausschnitt der Welt im 17. Jahrhundert, die Welt der Kunst, aber auch der Gefahren, der Habgier, der Eifersucht und immer wieder die Welt der Farben, des künstlerischen Arbeitens, oftmals nur um überleben zu können. Ich lernte Menschen aus dieser Zeit kennen, sympathische und unsympathische, wunderbar fein beschrieben in ihrem individuellen So-Sein. Der Leser wird dank der Autorin schnell vertraut mit ihnen, leidet mit ihnen, bewundert sie, hofft mit ihnen. Und so verführt uns Eva Völler, ohne dass wir es merken, in diesen besonderen Zeitabschnitt in Amsterdam, sodass wir uns beinahe als zugehörig empfinden und völlig das oftmals so als dröge belastete Wort „historisch“ vergessen. Dass auch gleichzeitig die Aufklärung mehrerer Morde zusätzlich Spannung in das Buch bringt, ist für mich ein dankbar angenommenes Beiwerk.

Fazit: Ein spannend zu lesender, farbig-lebendig geschriebener Roman, der mir einen intensiven und plastischen Einblick in einen mir bislang fernen Zeitabschnitt und in die damalige Welt der Kunstschaffenden gewährte.

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Veröffentlicht am 05.03.2018

Erschauernd spannend

Zu nah
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Dass sich hinter dem wenig aussagekräftigen Cover ein rundum gelungenes Autorendebut verbirgt, war für mich eine positive Überraschung.
Eleonor Costello, eine Wissenschaftlerin, wird erhängt in ihrem ...


Dass sich hinter dem wenig aussagekräftigen Cover ein rundum gelungenes Autorendebut verbirgt, war für mich eine positive Überraschung.
Eleonor Costello, eine Wissenschaftlerin, wird erhängt in ihrem Schlafzimmer aufgefunden. Detective Frankie Sheehan von der Dubliner Polizei, selbst noch schwer unter den Folgen ihres letzten Falles körperlich und seelisch leidend, spürt intuitiv, dass sehr viel mehr hinter diesem vermeintlichen Selbstmord steckt. Kurz darauf wird eine zweite tote Frau gefunden, grausam zu Tode gefoltert. Und spätestens jetzt beginnt eine Tätersuche, die tief hinabführt in eine Welt des Quälens, in eine Spirale der Gewalt als Lustgewinn.
Olivia Kiernan schreibt im Präsens. Zudem hat sie Frankie Sheehan als Ich-Erzählerin gewählt. Allein schon diese Stilform macht das Geschehen hautnah erlebbar. Wir tauchen tief ein in das erlittene Trauma von Frankie, in die Panikattacken und in ihren Kampf, sich selbst immer wieder neu zu überwinden. Feinste Beobachtungen, detaillierte Nuancen des inneren Erlebens machen die Handlung zu einem atmosphärisch und psychologisch dichten Thriller. Dazu kommen noch Dialoge mit teils beißendem Humor und insgesamt der in der Bildwahl mitunter fast expressionistisch anmutende Schreibstil. Und ein Plot, in dem vergangenes und neues Grauen sich wie zwei Schlangen lautlos und unaufhaltsam aufeinander zubewegen. All dies ergibt einen großartigen Thriller, erschauernd spannend.

Veröffentlicht am 28.02.2018

Klein und sehr fein

Wenn es Frühling wird in Wien
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Wien, 1912. Im Haushalt von Arthur Schnitzler lebt Marie als Kindermädchen. Marie stammt aus einfachsten Verhältnissen, hat wenig Bildung, aber sie ist neugierig und hat vor allen Dingen, so jung sie auch ...

Wien, 1912. Im Haushalt von Arthur Schnitzler lebt Marie als Kindermädchen. Marie stammt aus einfachsten Verhältnissen, hat wenig Bildung, aber sie ist neugierig und hat vor allen Dingen, so jung sie auch ist, Herzensbildung. Die ihr anvertrauten beiden Kinder von Arthur und Olga Schnitzler betreut sie sehr liebevoll. Durch Zufall begegnet sie Oskar, einem mittellosen Buchhändler, und durch ihn lernt sie die Welt der Bücher, des Lesens, der Buchhandlungen kennen. Das zarte Pflänzchen der Zuneigung wächst…

Wir dürfen in diesem zauberhaften Buch durch das Schlüsselloch schauen in die Zeit der Belle Èpoque in Wien, in den durchaus herrschaftlich geführten Haushalt von Arthur Schnitzler und seiner Familie. Und wir schauen auch auf das klaglose Leben der Dienstboten. Ich war hingerissen von der Fähigkeit des Staunens bei Marie, von dem arbeitsamen, aber gerechten Miteinander im Hause Schnitzler. Ich erlebte mit ihnen intensiv all ihre kleinen und großen Erlebnisse, ihre Wünsche und Hoffnungen, ihre Unsicherheiten und Glücksgefühle. Und ebenso hingerissen war ich von den Schilderungen der Welt der Wiener Buchhandlungen in jener Zeit und der Liebe zu Büchern, von der Verführung zum Lesen.

Petra Hartlieb schreibt unaufgeregt und fein beobachtend. Und noch viel wichtiger: sie schreibt mit dem Herzen. Der Leser entwickelt ganz konkrete innere Bilder beim Lesen, und das liegt nicht nur an der bildhaften Erzählweise, sondern auch an der sorgfältigen Recherche-Arbeit der Autorin, die ganz unauffällig in den Text hineinfließt, ihn aber so authentisch macht.
Fazit: Ein liebevoll gezeichnetes kleines und sehr feines Zeitbild, das hoffentlich eine Fortsetzung erfährt.