Zeiten voller Hoffnung - und die Kraft tiefer Freundschaft
Zeiten voller Hoffnung"Zeiten voller Hoffnung" von Lesley Pearse erschien (HC, gebunden) im Weltbild-Verlag (Reihe Premiere) und war für mich der Einstiegsroman dieser sehr gefühlvoll und dennoch nicht trivial schreibenden ...
"Zeiten voller Hoffnung" von Lesley Pearse erschien (HC, gebunden) im Weltbild-Verlag (Reihe Premiere) und war für mich der Einstiegsroman dieser sehr gefühlvoll und dennoch nicht trivial schreibenden englischen Autorin, die in Großbritannien nicht ohne Grund zu den BestsellerautorInnen zählt.
Der neue Roman der Autorin entführt uns ins England der 30er Jahre; zeitlich beginnt er - in der Grafschaft Kent - 1935 und erstreckt sich zeitlich über die Vorkriegs- und auch harten Kriegsjahre des 2. Weltkrieges (1943). Der Kern dieses sehr unterhaltsamen, spannenden, aber nie trivialen Frauenromans besteht aus dem Kennenlernen und der erwachsenden tiefen Freundschaft zwischen Ruby und Verity, die sich 1935 in einem Park kennenlernen, bezieht jedoch immer auch die zeitgeschichtlichen Geschehnisse, der sich immer stärker abzeichnende Aufstieg des Nationalsozialismus im faschistischen Deutschland und den drohenden 2. Weltkrieg aus englischer Sicht- und Erlebensweise mit ein. Dieser historische Teil hat mir zu der Geschichte der wunderbaren, tiefen Freundschaft der beiden Mädchen Ruby und Verity, sehr gut an dem Roman gefallen: Die 13 und 14-jährigen Mädchen freunden sich schnell miteinander an, obgleich sie aus vollkommen verschiedenen sozialen Schichten kommen: Doch Verity merkt sehr schnell, dass Ruby intelligent ist und viel mehr über das Leben weiß als sie, auch wenn sie keinen Penny in der Tasche hat, völlig verarmt als Tochter einer Alkoholikerin und Prostituierten leben muss und sich ihre Mahlzeiten stehlen muss. Verity hingegen besucht eine Privatschule, lebt in einer Villa mit ihren Eltern und es fehlt ihr nichts in ihrem luxuriösen Dasein - das sie jedoch sehr langweilig findet. Einzig ihr Vater ist ein Mensch, der ihr Angst einjagt und der ungebremst zu Misshandlungen und Schlimmerem neigt....
Beide Mädchen machen traumatische Lebenserfahrungen, stehen sich jedoch in jeder Lebenslage bei. Lesley Pearse hat einen sehr angenehmen und schön zu lesenden, ja ergreifenden und berührenden Schreibstil, der nicht nur Ruby und Verity Leben einhaucht, sondern auch den Nebenfiguren wie Archie Wood, Miss Parsons, Eunice Wilberforce, genannt Wilby, eine sehr kluge und sozial eingestellte Witwe, die Kinder bei sich aufnimmt, die es im Leben sehr schwer haben und in deren Haus in Devon Ruby eines Tages landet, wo sie in den nächsten Jahren - den Teenagerjahren - aufblüht und ihre schlechten Erinnerungen und Manieren zugunsten eines sehr guten Sozialverhaltens ablegen kann.
Im Gegensatz zu Rubys sozialem Aufstieg geht es hingegen bei Verity immer mehr bergab: Sie muss mit ihrer Mutter zu ihrer Tante Hazel ziehen, da der Vater Gelder unterschlagen hat und von der Polizei gesucht wird... Während die Mutter immer mehr in Apathie verfällt, findet sich Verity dennoch mit der Situation ab und macht das Beste aus ihr, so dass die vermeintlich grässliche Tante sie dennoch ins Herz schließt. Doch das Leben der Tante endet jäh und eines Tages steht zu Veritys Schrecken ihr inzwischen ziemlich verlumpter Vater vor der Tür: Miller, ihr Untermieter, in den sie sich verliebte, musste nach Schottland, da er zum Kriegsdienst selbst nicht geeignet ist. Archie alias Stephen macht immer wieder Verity für seine missliche Lage - und auch seine Verbrechen - verantwortlich, was dem Roman eine auch bedrückende Note gibt, da Veritys Leben eines Tages in Gefahr ist - wären da nicht ihre Freunde, die ihr zur Seite stehen.
Ein wenig erinnerte mich die Geschichte und auch der Stil an Charles Dickens und auf fast 500 Seiten und in 37 Kapiteln lässt uns Lesley Pearse an den schwierigen und auch schönen Lebensverläufen von Ruby und Verity teilhaben - und erzählt gleichzeitig ein Stück dunkler Zeitgeschichte, die Jahre vor und im 2. Weltkrieg - hier aus englischer Sicht- und Erlebensweise.
Fazit:
Ein sehr unterhaltsamer, dennoch nie ins Triviale abgleitender Roman einer Freundschaft in einer schwierigen Zeit, der sehr gut darstellt, wie sehr Freunde einander helfen können und dazu motivieren, die Hoffnung niemals zu verlieren, dass sich das Blatt des Lebens wieder zum Guten wenden kann! In "Wilby" scheint m.E. eine Menge der Autorin selbst zu stecken: Sehr sympathische Charaktere, Authentizität, geschichtliche Einflüsse - und Spannung! Von mir gibt es daher 5* und eine absolute Leseempfehlung für einen historisch fundierten Frauenroman, den auch Männer gut finden könnten!