Profilbild von Fornika

Fornika

Lesejury Star
offline

Fornika ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Fornika über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 26.04.2018

Klasse Krimi

Das Meer löscht alle Spuren
0

Eigentlich ist Literatur so gar nicht Nora Sands bevorzugte Sparte. Doch der iranische Dichter Ishmail möchte nur mit ihr ein Exklusivinterview führen, allerdings unter der Prämisse, dass sie ihm bei einem ...

Eigentlich ist Literatur so gar nicht Nora Sands bevorzugte Sparte. Doch der iranische Dichter Ishmail möchte nur mit ihr ein Exklusivinterview führen, allerdings unter der Prämisse, dass sie ihm bei einem großen Problem hilft: auf der Flucht aus dem Iran hat er seine Frau aus den Augen verloren. Nora setzt ihr ganzes journalistisches Gespür daran Amina zu finden und merkt dabei, dass die Menschlichkeit bei Offiziellen und Einwanderungsbehörden nicht gerade groß geschrieben wird.

Ich mochte schon Band 1 mit Nora Sand sehr gerne, doch die Autorin hat mit diesem Buch hier die Latte noch ein bisschen höher gelegt. Sie befasst sich mit dem sehr aktuellen und brisanten Thema der illegalen Einwanderung und zeichnet ein (leider muss man manchmal sagen) sehr realistisches und umfassendes Bild. Sand taucht tief in die Materie ein und so wird dem Begriff „Flüchtling“ schnell ein Gesicht gegeben. Ishmail ist leider nur als Nebenfigur präsent, da hätte ich mir mehr von ihm erhofft, nicht zuletzt auch in seiner Funktion als Dichter; da hat die Autorin leider Potential verstreichen lassen. Nora als Hauptfigur kannte ich schon aus Band 1, neue Seiten habe ich trotzdem noch an ihr entdecken können. Ihre Beziehung zu Andreas ist für Neuleser vielleicht etwas undurchsichtig, abgesehen davon, kann man „Das Meer löscht alle Spuren“ aber ganz wunderbar auch ohne den Vorgänger lesen. Der Fall entwickelt sich sehr spannend, und bis auf Kleinigkeiten auch sehr schlüssig. Man kann ziemlich lange mit Nora mitfiebern, ohne den Braten zu riechen. Der Schreibstil ist mehr als flüssig zu lesen und so war das Buch in kürzester Zeit ausgelesen.
Ich habe mich von Theils Krimi sehr gut unterhalten gefühlt und bin jetzt schon wild entschlossen, auch Band 3 zu verschlingen.

Veröffentlicht am 04.04.2018

Kleine Feuer überall

Kleine Feuer überall
0

In Shaker Heights ist die Welt in Ordnung. In der ersten vollends geplanten Stadt sind nicht nur die Straßen wie sauber mit dem Lineal gezogen, sondern es herrscht überall Idylle, Freundlichkeit und Glück. ...

In Shaker Heights ist die Welt in Ordnung. In der ersten vollends geplanten Stadt sind nicht nur die Straßen wie sauber mit dem Lineal gezogen, sondern es herrscht überall Idylle, Freundlichkeit und Glück. Die Familien sind stabil, die Kinder allesamt schlau und ohne größere Probleme. So scheint es zumindest. Als die Familie Richardson ihr Heim abgebrannt vorfindet, löst sich schnell der glänzende Lack, der die Probleme bisher kaschiert hat.

Schon in „Was ich euch nicht erzählte“ hatte mich die Autorin mit ihrer Erzählkunst eingefangen, sodass ich mit entsprechend hohen Erwartungen ans neue Buch gegangen bin. Enttäuscht wurde ich nicht, wieder einmal hat mich Celeste Ng mit ihrem feinen, leisen Stil in ihren Bann gezogen. Sie versetzt den Leser in die idyllische Kleinstadt, die Dynamik der Gemeinde wird hervorragend aufgegriffen und schnell kann man sich als Leser in die verschiedenen Figuren einfühlen. Dass hier nicht alles Gold ist was glänzt, das hat man als Leser schnell begriffen, die Enthüllungen sind trotzdem bisweilen überraschend. Gerade das langsame Entwickeln der Handlung, gepaart mit intensiven Gefühlen und einer zunehmend Beklemmung, machten für mich den Reiz der Geschichte aus. Ng zeichnet ihre Figuren sehr menschlich, jeder wird sich in irgendeinem Protagonisten wiederfinden können. Man kann ihre Gedanken und Handlungen immer gut nachvollziehen, verstehen muss man ja nicht jeden. Die Autorin greift eine Vielzahl an gesellschaftlichen Themen auf, von Rassismus über kulturelle Unterschiede bis hin zu der Frage was eine gute Mutter/Familie ausmacht. Es werden oft beide Seiten beleuchtet, immer wird der Leser jedoch zum Nachdenken angeregt. An mancher Stelle hätte ich mir die Handlung etwas extremer gewünscht, dass die Protagonisten noch mehr wagen, noch mehr ihr wahres Ich zeigen. Doch unterm Strich hat mich „Kleine Feuer überall“ sehr angesprochen und ich habe es sehr gerne gelesen.

Veröffentlicht am 13.03.2018

Was für ein Debüt!

Blauer Hibiskus
0

Die 15-Jährige Kambili lebt mit ihrer Familie in Nigeria ein gutes Leben. Der Vater nennt mehrere Fabriken sein eigen, Kambili und ihr Bruder sind in der Schule die Besten ihres Jahrgangs, die Familie ...

Die 15-Jährige Kambili lebt mit ihrer Familie in Nigeria ein gutes Leben. Der Vater nennt mehrere Fabriken sein eigen, Kambili und ihr Bruder sind in der Schule die Besten ihres Jahrgangs, die Familie gehört zu den Angesehensten in ihrer Gemeinde. Doch hinter der Fassade bröckelt es, der Vater ist von seinem Glauben völlig verblendet und lässt die eigene Wut gerne mal an der eigenen Familie aus. Auch im Land bröckelt es, die drohende Revolution macht sich zuerst an den Universitäten bemerkbar, wo Kambilis Tante sich plötzlich im Auge des Sturms wiederfindet.

Was für ein Debüt! Ich habe Adichies Erstlingswerk inzwischen mehrfach gelesen, und trotzdem nimmt es mich immer wieder mit. Die Geschichte wird aus Kambilis jugendlicher Sicht erzählt, trotzdem handelt es sich mitnichten um ein leichtes Jugendbuch. Der unglaubliche Druck durch den Vater, die ständige unterschwellige Angst vor seinem Zorn und die immer wiederkehrende Brutalität sind für den Leser nur schwer zu ertragen. Ebenso Kambilis zunächst hilflos blinder Gehorsam, ihr verquerer Glaube, den sie vom Vater eingeimpft (oder –geprügelt?) bekommen hat. Die Erzählweise ist ganz leise und sanft, was Gewalt und Brutalität noch mehr hervorstechen lässt. Nichts ist in diesem Buch nur schwarz oder weiß, nur gut oder böse. So ist der fanatische Haustyrann gleichzeitig jemand, der anderen unter die Arme greift oder eine der letzten Zeitungen des Landes herausgibt, in der überhaupt noch eine freie Meinungsäußerung stattfinden kann. Man kommt ins Grübeln beim Lesen, und das nicht nur einmal, so facettenreich ist die Geschichte, sind ihre Figuren. Kambilis Entwicklung kann einen als Leser nicht kaltlassen und so entwickelt die Handlung ihren ganz eigenen Sog, dem man sich nur schwer entziehen kann. Gekonnt lässt Adichie die tragische Familiengeschichte zudem mit den Geschehnissen im ganzen Land verschmelzen, sodass der Fokus auch immer wieder auf Putsch und Aufstand, auf staatlicher Macht und deren Auswirkung auf das gemeine Volk liegt. Durch die Verwendung vieler Begriffe auf Igbo (Glossar findet sich am Buchende) wird man noch mehr ins heiße Nigeria versetzt und hat am Ende der Geschichte nicht nur einen einfühlsamen und doch harten Roman gelesen, sondern auch noch etwas über Land und Leute gelernt. Ein toller Erstling!

Veröffentlicht am 11.03.2018

Endlich mal wieder ein toller Thriller

Zu nah
0

Frankie Sheenan kämpft noch mit den Folgen ihres letzten brisanten Einsatzes, bei dem sie schwer verletzt wurde. Doch das Verbrechen in Dublin kennt keine Pause und so wird sie nach kurzer Rekonvaleszenz ...

Frankie Sheenan kämpft noch mit den Folgen ihres letzten brisanten Einsatzes, bei dem sie schwer verletzt wurde. Doch das Verbrechen in Dublin kennt keine Pause und so wird sie nach kurzer Rekonvaleszenz direkt wieder ins kalte Wasser geworfen. Was zuerst wie der Selbstmord einer erfolgreichen Wissenschaftlerin aussieht, wird schon bald zum Mordfall. Frankie rennt die Zeit davon, denn der Mörder ist noch lange nicht fertig.
Irgendwie konnte mich in letzter Zeit kein Thriller so richtig packen und fesseln. Bis mir „Zu nah“ in die Finger gekommen ist. Olivia Kiernans Geschichte ist spannend und überraschend, legt zwischenzeitlich ein hohes Tempo vor. Gleichzeitig kann sie sich aber auch Zeit lassen einzelne Aspekte herauszuarbeiten, auf Land und Leute einzugehen. Ich fand diesen Spagat sehr gelungen. Frankie als Hauptperson fand ich sehr sympathisch. Es gibt schon viele Thriller mit „angeschlagenen“ Ermittlern, die Autorin hat hier trotzdem etwas Eigenes geschaffen. Umso mehr freut es mich, dass Sheenan wohl in einem zweiten Band wieder ins Rennen geschickt werden wird.
Kiernan erzählt sehr flüssig und angenehm, zusammen mit den spannenden Entwicklungen führt das dazu, dass man förmlich an den Seiten klebt. Ich habe „Zu nah“ quasi in einem Rutsch durchgelesen und mich dabei bestens unterhalten gefühlt. Endlich mal wieder ein packender Thriller, der dieser Bezeichnung auch gerecht wird.

Veröffentlicht am 19.02.2018

Genial anders

Die erstaunliche Familie Telemachus
2

Einst war die Familie Telemachus für ihre übersinnlichen Fähigkeiten bekannt, hat die Nation in Erstaunen versetzt. Bis ein fataler TV-Auftritt sie als Lügner enttarnte. Oder nicht? Als der 14-Jährige ...

Einst war die Familie Telemachus für ihre übersinnlichen Fähigkeiten bekannt, hat die Nation in Erstaunen versetzt. Bis ein fataler TV-Auftritt sie als Lügner enttarnte. Oder nicht? Als der 14-Jährige Matty, Telemachus-Spross der nächsten Generation plötzlich ebenfalls außergewöhnliche Fähigkeiten an sich entdeckt, steht die Geschichte seiner Familie auf einmal in einem ganz anderen Licht.

Familienromane gibt es viele. Coming-of-Age-Romane auch. Über magische Fähigkeiten hat gefühlt schon jeder Autor seine Geschichte gestrickt. Daryl Gregory hat all diese Richtungen in einem Roman vereint, der einfach anders ist. Positiv anders ; ) Das Buch wird nicht jedem gefallen, erst recht nicht, wenn man erwartet, dass sich der Herr Autor auf ein Genre festnageln lässt. Mir hat sein Roman sehr gut gefallen, ich wurde immer wieder überrascht und habe mich keine Sekunde gelangweilt. Die Familienmitglieder sind auf der einen Seite ganz außergewöhnlich (und nicht nur dank ihrer „Fähigkeiten“), auf der anderen Seite haben sie ganz alltägliche Sorgen (das eigene Geschäft geht Pleite, wie kriege ich als Alleinerziehende meinen Sohn groß?). Das macht sie sehr nahbar und echt. Auch in der Trauer um ihre Mutter wirken sie sehr natürlich. Selbstverständlich lassen sie sich erst nach einigen Kapiteln so richtig in die Karten schauen, durch die ständigen Perspektivwechsel geht einem als Leser erst so nach und nach ein Lichtlein auf. Die Handlung ist nicht klassisch „spannend“, bringt aber durch ihre Figurenentwicklung eine reizvolle Dramatik mit. Es gibt immer wieder Zeitsprünge, vom aktuellen Geschehen (Mitte der 90er), hin zu der Glanzzeit der Familie. Auch hier weiß der Autor wieder zu überraschen und man kann als Leser über manche Wendung nur staunen. Oder schmunzeln, denn zum Lachen gibt es auch einiges. Gregorys Humor liegt mir, auch wenn der Roman sicherlich kein klassisches Witzefeuerwerk ist. Den Stil des Autors mochte ich, wie bisher auch bei anderen Büchern aus seiner Feder. So ab und an hätte ich mir etwas mehr Zielstrebigkeit gewünscht, da tritt die Handlung dann doch etwas auf der Stelle, ohne dass man so recht weiß wohin es gehen soll. Auch den einen oder anderen Nebenschauplatz hätte ich so vielleicht nicht gebraucht. Insgesamt hat mich die Familie Telemachus zwar vielleicht nicht in atemloses Erstaunen versetzt, aber auf jeden Fall verdammt gut unterhalten.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Charaktere
  • Geschichte
  • Humor
  • Fantasie