Ruhiger Western
Eine Art Western der Neuzeit - so präsentiert sich das schwermütige Epos des Autors Richard Ford, in dem Dell Parson auf eine Episode in seiner Jugendzeit zurückblickt, die sein gesamtes Leben verändert ...
Eine Art Western der Neuzeit - so präsentiert sich das schwermütige Epos des Autors Richard Ford, in dem Dell Parson auf eine Episode in seiner Jugendzeit zurückblickt, die sein gesamtes Leben verändert hat.
In einer für die ganze Familie schwierigen Situation werden Dells Eltern zu Bankräubern, das Leben der bis dahin "anständigen" Familie verändert sich von einem auf den anderen Tag und Dell und seine Zwillingsschwester Berner müssen mitansehen, wie ihre Eltern verhaftet und als Verbrecher abgeführt werden. Es folgt ein Leben außerhalb der Gesellschaft - so erscheint es zumindest unmittelbar danach.
Doch es gibt auch ein Davor: detailliert wird der Leser eingeführt in die Verhältnisse und Hintergründe der Familie Parson - für meinen Geschmack teilweise zu detaillert, verliert sich der Autor doch seitenweise in Einzelheiten.
Als Folge der Tat seiner Eltern wird Dell durch Zufall von seiner Schwester getrennt und kommt nach Kanada, wo er eine neue, noch größere Dimension von Einsamkeit erfährt und Zeuge einer Gewalttat, eines noch schlimmeren Verbrechens wird.
Auf mich wirkt diese Schilderung wie eine Art moderner Western - vergleichbar mit dem Film "12 Uhr mittags", in dem alles auf diesen Zeitpunkt hinausläuft, an dem die Handlung kulminiert und die entscheidende Wendung erfolgt. In diesem Buch ist es nicht ein, sondern mehrere Momente, die jedoch alle in eine bestimmt Phase von Dells Leben fallen - es ist also eine entscheidende Episode, die hier als westernartige Abrechnung geschildert wird - wenn man die Geduld hat, sich auf die bereits erwähnten Details einzulassen, kommt man hier in den Genuss einer großen literarischen Leistung, denn der Pulitzer-Preisträger Ford kann schreiben, und wie!
Nichts für Freunde actionreicher Erzählkunst, wohl aber für diejenigen, die die neue amerikanische Literatur, aber auch deren Tradition schätzen, denn in diese fügt sich Fords neuester Roman "Kanada" nahtlos ein.