Cover-Bild Die sanfte Gleichgültigkeit der Welt
20,00
inkl. MwSt
  • Verlag: S. FISCHER
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 160
  • Ersterscheinung: 22.02.2018
  • ISBN: 9783103972597
Peter Stamm

Die sanfte Gleichgültigkeit der Welt

Roman

Schweizer Buchpreis 2018

Das eigene Leben noch einmal erleben. Soll man sich das wünschen?

Christoph verabredet sich in Stockholm mit der viel jüngeren Lena. Er erzählt ihr, dass er vor zwanzig Jahren eine Frau geliebt habe, die ihr ähnlich, ja, die ihr gleich war. Er kennt das Leben, das sie führt, und weiß, was ihr bevorsteht. So beginnt ein beispiellos wahrhaftiges Spiel der Vergangenheit mit der Gegenwart, aus dem keiner unbeschadet herausgehen wird.
Können wir unserem Schicksal entgehen oder müssen wir uns abfinden mit der sanften Gleichgültigkeit der Welt? Peter Stamm, der große Erzähler existentieller menschlicher Erfahrung, erzählt auf kleinstem Raum eine andere Geschichte der unerklärlichen Nähe, die einen von dem trennt, der man früher war.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 11.09.2018

Wunderbare Prosa vom Feinsten

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Peter Stamm, Die sanfte Gleichgültigkeit der Welt, S. Fischer 2018, ISBN 978-3-10-397259-7

Wer hat schon nicht einmal darüber nachgedacht, wie es wäre, das eigene Leben oder zumindest Phasen daraus noch ...

Peter Stamm, Die sanfte Gleichgültigkeit der Welt, S. Fischer 2018, ISBN 978-3-10-397259-7

Wer hat schon nicht einmal darüber nachgedacht, wie es wäre, das eigene Leben oder zumindest Phasen daraus noch einmal zu erleben? Wie wäre es, genau dasselbe noch einmal zu fühlen, zu denken, zu tun?

In seinem neuen Buch „Die sanfte Gleichgültigkeit der Welt“ erzählt Peter Stamm von einem Mann namens Christoph. Er ist Schriftsteller und ihm begegnet Seltsames, das ihn fast zur Verzweiflung bringt.

Christoph hält sich in Stockholm auf und verabredet sich dort zu einem Spaziergang mit der viel jüngeren Lena. Sie beginnen ihren langen Weg bezeichnenderweise auf einem Friedhof. Christoph erzählt Lena, er habe vor über zwanzig Jahren eine Frau geliebt, Magdalena, die nicht nur im Aussehen, sondern auch im Wesen, ihr, Lena, gleich gewesen sei.
Nach einer dreijährigen Beziehung habe sie ihn damals vor zwanzig Jahren in Stockholm verlassen. Oder war es genau umgekehrt, weil sie nicht so ein Leben führen wollte wie er? Als Lena ihm erzählt, ihr Mann sei Schriftsteller und schreibe gerade an seinem ersten Buch, weiß Christoph schon Bescheid. Er kennt ihr Leben, und weiß genau, was ihr bevorsteht.

So beginnen ein langer Spaziergang und ein wahrhaftiges Spiel der Vergangenheit mit der Gegenwart. Und immer wieder stellt sich zwischen den Zeilen die Frage, ob wir Menschen unserem Schicksal entgehen können, oder müssen wir uns abfinden mit der „sanften Gleichgültigkeit der Welt“?
Peter Stamm, der große Erzähler existentieller menschlicher Erfahrung, erzählt auf kleinstem Raum eine andere Geschichte der unerklärlichen Nähe, die einen von dem trennt, der man früher war. Der Glaube an die Einmaligkeit der eigenen Biographie verschwimmt. Der Leser ist ähnlich irritiert wie der Protagonist und sieht sich existentiellen Fragen ausgesetzt. Es geht um Liebe, Vergänglichkeit, Schmerz, Verlust, Trennung, Erzählen und Schreiben und Einsamkeit.

Peter Stamms novellenartiges Buch bietet ein spannendes Verwirrspiel um die Identitäten seiner Figuren. Sehr feinfühlig, mit einer poetischen Sprache geht es mit sanfter Melancholie um die großen Sinnfragen des Lebens, ein Leben, das sich nicht wirklich fassen lässt und stetig in Frage steht. Es vergeht zwischen Vergeblichkeit und Vorbestimmung.

Wunderbare Prosa vom Feinsten.


Veröffentlicht am 29.04.2018

Realitäten, die nur schwer durchschaubar sind

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Christoph ist Schriftsteller und hat einen einzigen Roman mit viel Herzblut geschrieben, in dem er die Trennung von seiner Freundin Magdalena thematisiert hat. 15 Jahre später trifft er Lena, die wie seine ...

Christoph ist Schriftsteller und hat einen einzigen Roman mit viel Herzblut geschrieben, in dem er die Trennung von seiner Freundin Magdalena thematisiert hat. 15 Jahre später trifft er Lena, die wie seine frühere Freundin Schauspielerin ist. Er schreibt ihr eine Nachricht mit der Bitte um ein Treffen, denn er hat ihr eine Geschichte zu erzählen. Darauf geht sie ein. Während ihrer Zusammenkunft erzählt er Lena sein Leben, in dem sie Ähnlichkeiten zu dem ihres Freunds Chris erkennt, der ebenfalls Schriftsteller ist und an einem Roman arbeitet.

Im Buch „Die sanfte Gleichgültigkeit der Welt“ gibt es viele Parallelen zwischen dem Leben unterschiedlicher Personen, die sich ähnlich sehen aber vom Alter her verschieden sind. Den Faden durch den Roman bildet die Geschichte von Christoph, die er Lena erzählt. Auf seinem Lebensweg ist der Protagonist durch Zufall immer wieder jüngeren Versionen seiner selbst begegnet. Dabei sind durchaus Abweichungen in bestimmten Aspekten möglich, aber dennoch so, dass er sich wieder erkennt. Auch einem älteren Mann ist Christoph schon begegnet von dem er sich auf seltsame Weise angesprochen gefühlt hat.

Ich bin Erstleser von Peter Stamm, aber von Beginn an fasziniert über die Aussagefähigkeit seiner reduzierten Sprache. Mit bewusstem, konzentriertem Lesen bin ich der Handlung gefolgt. Wie in einem Vexierbild schafft der Autor Realitäten, die nur schwer zu durchschauen sind. Es entsteht ein spannendes Spiel mit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, ein Verwirrspiel mit der Identität von Personen.

Der Autor brachte mich ins Grübeln darüber, ob es ein Schicksal gibt, das den Lebensweg vorherbestimmt und ob man es ändern würde, wenn man die Konsequenzen seiner Handlungen kennt. Möchte ich überhaupt die Zukunft kennen? Möchte ich nicht das Recht haben, meine Fehler zu machen? Bin ich verantwortlich für das Scheitern einer anderen Person, wenn ich in deren Leben korrigierend eingreife?

„Die sanfte Gleichgültigkeit der Welt“ ist kein einfach zu lesenden Buch, aber ein Roman, den es zu lesen lohn. Peter Stamm schafft es mit klaren Worten den Leser darauf hinzuweisen, dass wir Menschen nur ein Rädchen im Getriebe des Lebens sind und Verantwortung für unser Tun im Hier und Jetzt haben. Gerne gebe ich hierzu meine Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 13.03.2018

Man kann nicht zweimal in denselben Fluss steigen

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Mann und Frau. Zum Inhalt. Fragezeichen im Gesicht? Das ist hier Programm. Ich-Erzähler Christoph, Autor einer einzigen, seiner Geschichte, in den Fünfzigern, erzählt von seiner Geschichte mit Magdalena, ...

Mann und Frau. Zum Inhalt. Fragezeichen im Gesicht? Das ist hier Programm. Ich-Erzähler Christoph, Autor einer einzigen, seiner Geschichte, in den Fünfzigern, erzählt von seiner Geschichte mit Magdalena, Schauspielerin. Diese Geschichte ist vorbei. Oder? Er erzählt davon Lena, bald Dreißig, Schauspielerin, die zusammen ist mit Chris, Autor. Irgendwie ist das junge Paar die Wiederholung des älteren Paares, und irgendwie auch nicht. Er erzählt davon auch Chris, in Barcelona, wo Chris gar nicht sein dürfte, noch nicht.

„Wenn er ist wie Sie und ich wie Ihre Magdalena und wenn wir dasselbe Leben führen wie Sie beide, dann müssten doch auch unsere Eltern dieselben sein und unsere Freunde, die Häuser, in denen wir leben, die Inszenierungen, in denen ich und Ihre Magdalena aufgetreten sind, die Texte, die Chris und Sie schreiben. Dann müsste die ganze Welt sich verdoppelt haben. Und das hat sie nicht. Nein, sagte ich, das hat sie nicht. Es gibt Unterschiede, Abweichungen. Es sind die Fehler, die Asymmetrien, die unser Leben überhaupt erst möglich machen. Ich habe einmal mit einem Physiker gesprochen, der mir erklärt hat, das ganze Universum basiere auf einem kleinen Fehler, einem winzigen Ungleichgewicht zwischen Materie und Antimaterie, das beim Urknall entstanden sein muss. Hätte es diesen Fehler nicht gegeben, hätten sich Materie und Antimaterie längst wieder aufgehoben und es existierte gar nichts.“ S. 81f.


„Die sanfte Gleichgültigkeit der Welt“ konnte ich nur sehr langsam lesen, somit wurden die 160 Seiten zu einer viel umfangreicheren Lektüre. Am besten funktionierte das, wenn ich hinterher Zeit hatte für mich – irgendwann war das das Buch, das ich noch gelesen habe, bevor ich unter die Dusche ging oder die Wäsche gemacht habe oder kurz vorm Einschlafen (nicht so gut, ich lag gestern noch lange wach). Wenn ich mein Leben noch einmal leben könnte, was würde ich anders machen? Wenn ich wüsste, was passiert, würde ich mich anders verhalten? Warum bleibe ich mit jemandem zusammen, entscheide mich für eine Tätigkeit? Wähle ich einen Brot-Job, den ich hasse, um eine Beziehung führen zu können, wo verbiege ich mich? Wo bin ich der Autor meiner Geschichte, wo nur Schauspieler für die Texte anderer? Ich MUSS aufhören, sonst schreibe ich hier ewig.

Der Text ist nicht einfach zu „verdauen“, ich komme mit dem Anfang klar, mit der Parallelexistenz von Christoph und Magdalena in Chris und Lena. Doch gerade, wenn ich mir dafür eine Erklärung zurechtgelegt habe, fächert der schweizer Autor Peter Stamm das noch weiter auf. Da gibt es noch einen alten Mann, es fällt mir am Ende wieder ein, dass ich von ihm zu Beginn gelesen habe und auch zwischendurch. Auch folgt der 50plus-Christoph dem jungen Paar, dann gibt es diese Hochzeit, die aber schon länger stattfindet, dann ist der Raum leer.

Ein Buch, das verwirrt, anregt, aufregt, in wunderschön unaufgeregter Sprache. Es wird erst in Verbindung mit dem Leser zu einer Geschichte. S. 121 „Ich glaube, das ist es, was ich an Büchern immer gemocht habe. Dass sie unabänderlich sind. Man muss sie gar nicht lesen. Es reicht, sie zu besitzen, sie in die Hand zu nehmen und zu wissen, dass sie immer so bleiben, wie sie sind.“ Nein, hier nicht.
Man kann nicht zweimal in denselben Fluss steigen (Heraklit)



Ungeachtet meiner Lesezeit: wirklich? € 20,- für 160 Seiten HC? Ich hätte mir dann dafür doch ein Lesebändchen gewünscht und ein irgendwie passend gestaltetes Vorsatzblatt. Nur so als Anregung.

Veröffentlicht am 21.06.2018

Die Philosophie einer aberwitzigen Begegnung

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„Du stellst dir das alles ein bisschen zu einfach vor, sagte ich, ein literarischer Text braucht eine Form, eine Folgerichtigkeit, die unser Leben nicht hat, Glück macht keine guten Geschichten.“


Inhalt


Christoph ...

„Du stellst dir das alles ein bisschen zu einfach vor, sagte ich, ein literarischer Text braucht eine Form, eine Folgerichtigkeit, die unser Leben nicht hat, Glück macht keine guten Geschichten.“


Inhalt


Christoph begegnet Magdalena, einer Frau, die er vor zwanzig Jahren geliebt hat, nur das sie immer noch so jung ist wie damals und sich nun Lena nennt. Doch wie er feststellt hat sie einen Freund und der ist kein anderer als sein eigenes jüngeres Ich. Er spricht die junge Frau an und möchte ihr seine Geschichte, die bald auch die ihre sein wird erzählen. Lena hört ihm aufmerksam zu, macht sogar die beiden Männer miteinander bekannt und stellt doch immer wieder fest, dass es zwischen dem Leben ihres Geliebten Chris und jenes fremden Mannes Christoph zwar viele Parallelen gibt, aber auch unüberbrückbare Unterschiede. Christoph schwankt ständig zwischen Unglauben und Sicherheit, zwischen dem Wunsch in das Leben der beiden jungen Menschen einzugreifen, um sich oder vielmehr dem anderen Paar die Chance zu geben dauerhaft miteinander glücklich zu werden. Denn das ist sein größter Verlust an der eigenen Lebensgeschichte, die Trennung von jener Frau, die er einst liebte und eigentlich immer noch liebt. Doch lässt sich das Leben wirklich auf zweite Chancen dieser Art ein?


Meinung


Vergangenes Jahr habe ich mit „Weit über das Land“ mein erstes Buch des Autors gelesen und war davon derart fasziniert, dass ich nun auch voller Neugier in sein aktuelles Buch gestartet bin. Dieser Roman bietet eine sehr ungewöhnliche, experimentelle Sicht auf den Lauf des Lebens und lässt sich auf die Möglichkeit ein, einem Menschen die Chance zu geben, seine vergangenen Entscheidungen durch sein Wissen der Gegenwart zu beeinflussen. Allein dieser angedeutete Handlungsschwerpunkt im Klappentext regt die Fantasie an und lässt eine Unmenge hypothetischer Fragen zu. Durchaus ein Ansatzpunkt, den ich in literarischen Texten zu schätzen weiß.


Nur leider wird schon nach wenigen Seiten klar, dass es diesmal nicht gelingt, meine hohe Erwartungshaltung zu befriedigen, allein schon, weil der Text zu viele Unsicherheiten, zu viele Unvorstellbarkeiten in den Vordergrund rückt. Es hat mich zum Beispiel sehr verstört, dass sich Lena, so ohne weiteres auf dieses Gespräch mit dem Fremden einlässt, das auch der junge Chris, in den Fokus rückt, sich aber überhaupt nicht dafür erwärmt. Auch die Verflechtung der beiden Handlungsstränge Vergangenheit versus Gegenwart wechselt willkürlich und unübersichtlich, oft nur durch die andere Namensbezeichnung abgegrenzt, so dass ich stellenweise Passagen zweimal gelesen habe, weil sich gedanklich ein anderes Bild aufgebaut hatte.


Ganz anders habe ich hingegen den Schreibstil zu bewerten. Ich glaube, der macht vieles wieder gut, was der Inhalt dieses Buches nicht geraderücken kann. Ich mag generell den klaren, schnörkellosen Erzählstil, der aussagekräftige Sätze mit Lebensweisheiten koppelt und sich nicht nur auf die Ebene des Erlebens stellt, sondern gedankliche Schlussfolgerungen des Lesers provoziert. Für mich ist auch dieser zweite Text von Peter Stamm ein wahrer Lesegenuss, der mich auch dazu veranlasst, noch weitere Erzählungen aus seiner Feder kennenlernen zu wollen.


Am meisten vermisst habe ich die psychologische Komponente des Romans, denn dieses Gedankenexperiment lebt doch gerade dadurch, dass sich der Hauptprotagonist Fragen stellt und Antworten sucht. Leider unternimmt Christoph diesen Schritt nicht und sein Verhalten ist für mich unvorstellbar. Seltsam unbeteiligt und sehr frustriert begegnet er seiner obskuren Situation, erlebt eine bunte Gefühlspalette, distanziert sich aber vom Geschehen. Manchmal beobachtet er nur, dann ist er wieder sehr aktiv. Nur Antworten auf seine Fragen sucht er nicht, möchte sie vielleicht nicht finden und ergibt sich betroffen seinen Erinnerungen, die nun nicht mehr ganz ungetrübt sind.


Fazit


Ich vergebe mittelmäßige 3 Lesesterne für diesen Roman, der voller Ideen steckt und ein wahres Meisterwerk an Erzählkunst hätte werden können, doch er bleibt im Konjunktiv stecken. Zu wirr, zu aberwitzig, zu wenig überzeugend handelt der Hauptcharakter, auch die Nebencharaktere bleiben seltsam blass und es fehlt eine klare, konkrete Aussage am Ende des Buches. Tatsächlich kann man von „sanfter Gleichgültigkeit“ sprechen, der Titel ist hier Programm, viel wird nicht bleiben vom Inhalt und die Welt dreht sich trotzdem weiter. Mein Interesse an Romanen dieser Art bleibt jedoch entsprechend hoch, weil es die existentiellen Fragen sind, die ich mir nicht nur oft stelle, sondern auf die ich auch gern Antworten bekomme, insbesondere in der Gegenwartsliteratur.