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Veröffentlicht am 15.09.2016

Von der Vergangenheit eingeholt

Der Teufel im Glas
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Anna Grass ist von Hause aus Archäologin, keine ganz unbedeutende dazu. Nach einem schlimmen Erlebnis – erzählt im Vorgängerbuch – ist sie weder physisch noch psychisch ganz wieder hergestellt. Deshalb ...

Anna Grass ist von Hause aus Archäologin, keine ganz unbedeutende dazu. Nach einem schlimmen Erlebnis – erzählt im Vorgängerbuch – ist sie weder physisch noch psychisch ganz wieder hergestellt. Deshalb ist sie erschrocken und fasziniert zugleich, als sie bei einem kirchlichen Auftrag (unter dem Kreuzgang soll eine Fußbodenheizung verlegt und die alten Grabstellen umgebettet werden) die Leiche eines Paters findet, der wohl erst vor einen Tagen dort versteckt wurde.

Seine Leiche wurde mit alten Ritualen bestattet, die ein „Wiedergehen“ verhindern sollen. Anfangs wird Anna Grass von der Polizei als Sachverständige mit einbezogen. Bald muss sie aber erkennen, dass Major Kandler, eigentlich ein Freund, sehr gegen sie arbeitet. Wie überhaupt bei der Polizeiarbeit keine einheitliche Linie zu sehen ist und Paul hauptsächlich sich um private Befindlichkeiten kümmert. So begibt sich Anna immer wieder auf eigene Faust auf Indiziensuche, vor allem als ein zweiter Toter gefunden wird, Pater Michael war ihr ein guter Freund, er wird gekreuzigt in der Kirche entdeckt.
Der Körper ist genauso rituell platziert, wie Anna es in einem Vortrag erläutert hat. Nun waren beide tote Priester. Als Exorzisten haben eng mit der Psychiatrie zusammengearbeitet. dadurch ist Der bekannte Psychiater Kolma drängt Anna zur Zusammenarbeit, sie fühlt sich von ihm geradezu gestalkt, ist aber auch neugierig auf weitere Zusammenhänge.
Die Spuren führen tief in die österreichische Vergangenheit. Der Vater von Psychiater Kolma war der unrühmlich in die Nazizeit verstrickt, hat es aber auch im Nachkriegsösterreich weiter zu Ruhm gebracht. Ein sehr bedrückender und intensiv recherchierter Handlungsstrang.
Ich fand es aber ausgesprochen schade, dass Leser ohne Vorkenntnis des ersten Buchs ziemliche Kenntnislücken haben, es gibt keine erklärenden Rückblenden, keine Hinweise. Vielleicht ist das der Grund, dass ich die Handlungen und Charakterisierungen der Hauptperson nicht immer logisch fand.
Mich störten auch die kleinmaschigen Beziehung untereinander, alle Figuren, ob von der Polizei, kirchliche Würdenträger, Verdächtige oder Journalisten, waren miteinander verbandelt, verschwägert, oder befreundet. Auch da fehlte mir die Vorgeschichte des ersten Buches.
Das Schlusskapitel löst dann die Geschehnisse etwas überstürzt auf, schade.
Sehr gerne habe ich den leicht ironischen Tonfall gelesen, die ironischen Seitenhiebe auf die Wiener Gesellschaft, das rundet diesen spannenden Krimi

Veröffentlicht am 15.09.2016

Solide, aber zu vorhersehbar

Inspector Swanson und der Fluch des Hope-Diamanten
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Tote Goldschmiede, bizarre Mordmethoden, ein Gentleman-Ermittler auf den Spuren Sherlock Holmes und das unverwechselbare viktorianische England. Das sind die Zutaten zu diesem Krimi, der dem Genre des ...

Tote Goldschmiede, bizarre Mordmethoden, ein Gentleman-Ermittler auf den Spuren Sherlock Holmes und das unverwechselbare viktorianische England. Das sind die Zutaten zu diesem Krimi, der dem Genre des Cosy Krimis zuzurechnen ist.

Mit Inspektor Swanson und seinen Gehilfen des noch jungen Scotland Yards begeben wir uns auf Spurensuche. Und im Gegensatz zu Swanson weiß der Leser leider schon nach ein - zwei Dutzend Seiten Motiv und Täter, auch wenn der Name erst später gelüftet wird und daher verliert die Geschichte sehr an Spannung.
Aber trotzdem kann man sich gut unterhalten, das liegt am Sprachwitz und an den vielen Anspielungen.

So begegnet Swanson u.a. Oscar Wilde und Lord Alfred Douglas, wobei ihm die deutlichen Avancen Oscars nicht grade angenehm sind. Während sein Assistent eifrig die Aussprüche in einem Notizheft aufschreibt um sie für die Nachwelt zu erhalten. Jetzt wissen wir, wem wir die köstlichen Oscar Wilde Zitate zu verdanken haben.
Genauso amüsant sind die Reaktionen des junge Assistenten Penwood, grade frisch verheiratet, dem die Durchsuchung des Schlafzimmer eines der Mordopfer - ein Frauenheld mit besonderen Neigungen - ausgesprochen Qual bereitet. A

Im Sprachstil den Doyle Romanen verpflichtet, gibt es auch Gastauftritte einiger illustrer Zeitgenossen, die die Geschichte etwas aufpeppen.
Es ist eine nette Unterhaltung für zwischendurch, aber auch nicht mehr.
Was aber den Fluch des Hope-Diamanten angeht, spielt der für die Handlung keine Rolle, deshalb irritierte mich der Titel.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Potential nicht ausgeschöpft

Die Canterbury Schwestern
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Che de Milans Verhältnis zur Mutter war immer schon kompliziert. Ihr verdankt sie nicht nur den außergewöhnlichen Namen, sondern auch eine turbulente Kindheit, da ihre Hippieeltern sich in einer Kommune ...

Che de Milans Verhältnis zur Mutter war immer schon kompliziert. Ihr verdankt sie nicht nur den außergewöhnlichen Namen, sondern auch eine turbulente Kindheit, da ihre Hippieeltern sich in einer Kommune auslebten. Als Erwachsene reagiert Che mit einem sehr strukturierten Leben auf ihre Kindheitserfahrung. Nun hat ihre Mutter "nach dem Verlust eines Lungenflügels und ihres Ehemanns" (S.10) zurück in den Schoss der katholischen Kirche gefunden und je weiter der Krebs fortschreitet, umso glühender wird der Wunsch nach einer Pilgerreise nach Canterbury.


Auch wenn Diana de Milan den Weg nicht mehr gehen kann - der Tod kam ihr zuvor - die Verpflichtung ihre Asche dort hin zu bringen, gab sie ihrer Tochter mit. Nun sitzt Che also in einem Gasthaus in Southwark, beäugt kritisch ihre Pilgerschwestern und zögert noch, ob sie sich ihnen zu erkennen geben soll.


Nun wandert sie trotz ihrer Vorbehalte mit den acht Frauen, die Asche der Mutter in ein einem Plastikbeutel im Rucksack. 5 Tage soll die Wanderung dauern und ganz nach Chaucers Vorbild regt die Reiseleiterin Tess an, jede der Frauen soll mit einer Geschichte den Weg verkürzen. Nun hören wir also Lebensbeichten und Lebenslügen der einzelnen Frauen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Doch ihre Lebensgeschichten haben fast alle nur ein Thema.
Lange konnte ich die Frauen nicht richtig auseinander halten, zu belanglos und oberflächlich erschienen mir ihre Erzählungen von toten Ehemännern, zerbrochenen Ehen und gescheiterten Lebensentwürfen. Allmählich aber blättert die Fassade und ein Kern Wahrheit bricht sich Bahn, aber bevor die Frauen wieder zu sich selbst finden, ist der Weg auch schon zu Ende.


Der Roman ist locker und leicht erzählt, es gibt Annäherungen und neue Erfahrungen, aber eigentlich nie eine echte Teilnahme an den Figuren. Vielleicht weil sie zu blass und austauschbar geschildert werden, es fehlt den Figuren einfach an Persönlichkeit! Gegen Ende der Geschichte agiert dann Drama und Hektik, aber so richtig fesselnd wird die Geschichte für mich dadurch auch nicht.
Nach den Einführungen der Reiseleiterin Tess hätte ich mir etwas mehr „Chaucer“ erhofft, aber da Tess eine der blassesten Figuren des Roman ist, kam da gar nicht viel.


Es ist eine nette Lektüre, aber ich finde, das Thema hätte viel mehr Potenzial gehabt, das leider nicht ausgeschöpft wurde.


Veröffentlicht am 31.08.2021

Sport und Mord

Aus der Puste
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Rosa und Sebi wollen heiraten – zum zweiten Mal und es soll nun für immer sein. Die Hochzeit soll in Dangast an der Nordseeküste stattfinden und dieses Mal ohne Familie. Angekommen in der Stammpension ...

Rosa und Sebi wollen heiraten – zum zweiten Mal und es soll nun für immer sein. Die Hochzeit soll in Dangast an der Nordseeküste stattfinden und dieses Mal ohne Familie. Angekommen in der Stammpension staunt Rosa Fink nicht schlecht, aus der üppigen, dauergewellten Wiebke Janssen ist eine sportlich-schlanke Frau mit flotter Kurzhaarfrisur geworden. Alles wegen der Watt-Walkies und ihrem charismatischen Trainer Oli.

Rosa hadert ja selbst mit ihren Rundungen, aber Walken mit Oli muss es nun nicht sein. Aber die Gelegenheit ergibt sich gar nicht mehr, denn bei einem Küstenlauf bricht Oli mit Kreislaufversagen zusammen und stirbt noch am Unfallort. Rosa detektivischer Spürsinn ist geweckt, ihr sind Ungereimtheiten aufgefallen und Olis Verführungskünste sind einigen Ehemänner ein Dorn im Auge. Tatverdächtige hätten Rosa und Sebi genug.

So gibt es statt vorgezogener Flitterwochen erstmal Ermittlungen, was für Sebi gut passt, denn nach seinem freiwilligen Abschied von der Polizei hat er ein Detektivbüro in Wuppertal eröffnet.

Das ist ein typischer Cosy Crime, aber trotzdem hätte er für meinen Geschmack außer den Plänkeleien zwischen Rosa und Sebi noch ein bisschen mehr Pep haben können. Die Ermittlungen ziehen sich zwischen Friesenkeksen und Tee und ein wenig Nordseefeeling.

Das ist ganz nett zu lesen, bleibt aber nicht im Gedächtnis. Mir fehlte die Spannung und auch der Humor war wenig subtil.

Ach, eh ich es vergesse – Katzen kommen auch drin vor und ein Plätzchen-Rezept darf auch nicht fehlen.

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Veröffentlicht am 17.05.2021

Kirschwasser und Reismilch

Schwarzwälder Morde
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Tote Hose im Polizeiposten Bad Wildbad. Kommissar Justin Schmälzle, Badener mit haitianischen Wurzeln und Kollege Scholz langweilen sich. Da helfen auch die vielen Reismilch-Macciato nicht über das Tief.

Endlich ...

Tote Hose im Polizeiposten Bad Wildbad. Kommissar Justin Schmälzle, Badener mit haitianischen Wurzeln und Kollege Scholz langweilen sich. Da helfen auch die vielen Reismilch-Macciato nicht über das Tief.

Endlich ein Fall: rüstige Wanderer entdecken eine Leiche im Moor und kurz darauf wird eine Sachbeschädigung gemeldet. Doch die Leiche ist historisch und damit sind die Ermittlungen genauso gestorben, wie der Täter. Die Sachbeschädigung ist eher lästig, es geht um Schwarzbauten und versetzte Grenzsteine, um Nachbarschaftsstreit und Neid.

Der örtliche Schnapsbrenner, ein wahrer Kirschwasser-Tycoon, ist wohl dafür verantwortlich, aber so recht Lust zur Ermittlung bringen beide Polizisten nicht auf. Es wird gegessen, geschwätzt und halbherzig Zeugen befragt. Lediglich die Putzfrau des Polizeipostens ist auf Zack. Während in den Büros die Staubschichten höher werden, ist sie eifrig in den Fall verstrickt.

Ein Regionalkrimi zwischen Baden und Württemberg, mit vielen Dialogen im Dialekt, die mir anfangs noch Spaß gemacht haben. Ich mag die Mundart und hatte deshalb keine Probleme damit. Die hatte ich nur mit den Figuren, die zwar skurril beschrieben werden, aber trotz ihrer Macken keine Tiefe und Relevanz hatten. So plätscherte die Handlung hin und her und die zweite Hälfte des Buchs zog sich für mich arg in die Länge.

Der zweite Handlungsstrang des Buches hat mich da schon viel mehr überzeugt. Die Geschichte hinter der Moorleiche, die in eingestreuten Rückblenden erzählt wird, gefiel mir durch die erzeugte Atmosphäre und das Schicksal der Toten. Das hat mich mit dem Buch ein wenig versöhnt.

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