KI - Freund und Feind
Am Institut für neuronale Informatik in München optimiert eine kleine Gruppe von ausgewählten Wissenschaftlern einen kindhaft wirkenden Roboter, eine Künstliche Intelligenz, die offiziell zur Verbesserung ...
Am Institut für neuronale Informatik in München optimiert eine kleine Gruppe von ausgewählten Wissenschaftlern einen kindhaft wirkenden Roboter, eine Künstliche Intelligenz, die offiziell zur Verbesserung der Behandlung von Patienten beitragen soll. Chi, so der Name der menschlich anmutenden KI, soll mit ihrem programmierten Einfühlungsvermögen das Vertrauen der Patienten gewinnen und mit diesen den jeweils besten Behandlungsplan umsetzen. So schön ich die Idee in Zeiten des Pflegenotstandes fand, begann ich trotzdem sehr früh an dem Konzept zu zweifeln. Im Rahmen der Entwicklung wurden Fähigkeiten implementiert, die aus meiner Sicht zur Pflege nicht unbedingt oder zumindest nicht in dem Ausmaß erforderlich sind. Da Chi ein selbstlernender Computer ist, fängt die KI schon sehr bald an, sich zu verselbstständigen.
In dieses Forschungsprojekt wird Céline, Psychologiestudentin mit besonderer Gabe, wie zufällig hineinkatapultiert. Seit ihrer frühen Kindheit hat sie Visionen von Ereignissen, die dann tatsächlich passieren. Nie hat ihr jemand geglaubt, die meisten Mitmenschen fanden Céline merkwürdig. Ihre Aufgabe am Institut ist es, als Input für Chi Menschen und Situationen anhand von Videoaufnahmen zu beurteilen. Mir persönlich kam Céline ein wenig naiv vor. Sie lässt sich von Pandora, die sie für das Projekt angeworben hat, und auch von Chi für mein Empfinden zu stark vereinnahmen. Gerade zu Beginn hinterfragt sie kaum etwas, stupide erledigt sie, was von ihr verlangt wird. Lange hegt sie nicht den geringsten Verdacht, das Interesse an ihr könnte im Zusammenhang mit ihrer Gäbe stehen.
Pandora ist die heimliche Chefin des KI-Projekts. Pandora und Kim, ein hochkonzentrierter, aber ansonsten recht farbloser Forschungsingenieur, haben sich meiner Meinung nach innerhalb ihres Projekts verrannt. Fasziniert von den Möglichkeiten, die Chi ihnen eröffnet, sind beide süchtig nach dem nächsten „Forschungskick“. Sie driften ins Unethische ab, lassen sämtliche Gefahren außer Acht.
Margit Ruile stellt in God’s Kitchen sehr gekonnt das Für und Wider von Künstlicher Intelligenz dar. Dabei urteilt sie weder in die eine noch in die andere Richtung, Margit Ruile ruft zwischen den Zeilen lediglich dazu auf, potentielle Auswirkungen der KI im Blick zu behalten. Ihr Schreibstil liest sich flüssig und fesselnd. Die kurzen Kapitel animieren zum steten Weiterlesen. Ich musste mich regelrecht zwingen, eine Pause einzulegen. Für God’s Kitchen muss man auch kein Informatiker sein. Es hat mir gefallen, dass Margit Ruile auf umfangreiches Fachchinesisch verzichtet.
Kritisieren möchte ich lediglich die Umsetzung der asiatischen Wurzeln der Charaktere Kim und Céline. Bis auf die anfängliche Beschreibung war davon für mich im Verlauf nicht mehr genug zu spüren. Deshalb kam diese Tatsache in meinem Kopf nicht wirklich an. Vielleicht hat mich auch das typisch deutsche Setting im Institut, mit grummelnder Empfangsdame, Antragsprozedere für Büromaterial und Zugangsbeschränkungen abgelenkt. Letztlich war das für die Story auch nicht so wichtig. Im Nachhinein betrachtet wirken die asiatischen Wurzeln auf mich dennoch etwas aufgesetzt.
Insgesamt hat mir God’s Kitchen gut gefallen. Meine Erwartungen nach der Lesung auf der LMB18 wurden voll erfüllt. Der Roman war spannend, hat mich in seinen Bann gezogen. Nach viel zu kurzer Zeit hatte ich God’s Kitchen ausgelesen. Gern empfehle Margit Ruile‘s Roman weiter.