Wiesenstein
Haus Wiesenstein ist Gerhart Hauptmanns Refugium im schlesischen Agnetendorf. Vom ihm selbst auf der Höhe seines Ruhmes geplant und gebaut steht es wie eine Trutzburg mit Turm und Erkern da und war immer ...
Haus Wiesenstein ist Gerhart Hauptmanns Refugium im schlesischen Agnetendorf. Vom ihm selbst auf der Höhe seines Ruhmes geplant und gebaut steht es wie eine Trutzburg mit Turm und Erkern da und war immer seine Heimat und sein Rückzugsort.
1945 nähert sich der Krieg seinem Ende. Hauptmann weilt nach einer schweren Erkrankung zur Erholung in einem Sanatorium in Dresden und muss die schrecklichen Bombennächte miterleben. Geschwächt gelingt ihm und seiner Frau Margarete mit viel Unterstützung der Behörden die Reise nach Agnetendorf. Dort verbringen sie die letzten Monate in fast unwirklich scheinender Umgebung. Während die Welt um sie herum in Krieg, Chaos und Vertreibung versinkt, bleibt das Leben auf Wiesenstein davon fast unberührt. Es gibt ausreichend Dienstpersonal, ja es wird sogar immer mehr, denn das Haus bietet Schutz vor den anrückenden Russen. Hauptmann weiß, dass sein Werk in Russland geschätzt wird, hat er doch mit seinen frühen Werken auf soziale Missstände aufmerksam gemacht und es gibt sogar einen Briefwechsel mit Maxim Gorki, der nun als Schutzbrief dienen soll. Gleichzeitig gibt es aber auch ein Exemplar von „Mein Kampf“, dass Hauptmann mit vielen, durchaus wohlwollenden Anmerkungen versehen hat und das nun vom Archivar zusammen mit vielen Dokumenten und Manuskripten in Sicherheit gebracht werden soll. Auch das zeigt die Ambivalenz dieses Mannes.
Hans Pleschinski hat die letzten Lebensmonate Hauptmanns in einem Roman beschrieben, der sich auf vielen Ebenen dem Menschen Hauptmann annähert. War er ein Anhänger der Naziideologie oder hat er sich nur angepasst, um sein Land nicht verlassen zu müssen? Suchte er die Nähe zu den Nazigrößen oder wurde er nur benutzt? Jedenfalls verhalf ihm die Bewunderung Hitlers zu einem Sonderstatus, den er gern nutzte. Jeder Leser kann sich selbst ein Urteil bilden, denn der greise Dichter versucht sich selbst Antwort darauf zu geben. Er will zusammen mit seiner Sekretärin seine alten Dramen und Epen überarbeiten und dieser Kunstgriff ermöglicht es Pleschinski, in Hauptmanns Werken nach seiner Haltung zu suchen.
Ich konnte mit diesen Werkauszügen nicht sehr viel anfangen. Seine Dramen werden sicher lebendig bleiben, aber mit seinen Versepen wurde ich überhaupt nicht warm. Die Sprache klang mir nur schwülstig.
Sehr gut gefallen hat mir die Beschreibung der letzten Monate in Schlesien. Die Menschen, die auf der Flucht waren, die Nachbarn, die vertrieben wurden und nur mit einem Handkarren ihre Heimat verlassen, diese Bilder machen die Schrecken eines Krieges greifbar. Auch die Schicksale der Hausgenossen des Meisters, wie Sekretärin, Masseur, Krankenschwester und viele andere, haben die Geschichte immer wieder geerdet.
Letztendlich habe ich diesen umfangreichen Roman gern gelesen, auch wenn er mich immer wieder herausforderte und bei den längeren Auszügen aus den Versepen auch bis an den Rand meiner Geduld brachte. Pleschinskis Stil gefällt mir, aber manchmal hatte ich doch das Gefühl, dass Szenen zu breit angelegt waren, Situationen immer wieder in neuer Perspektive geschildert wurden, der Roman auf der Stelle verharrt. Mich wird er jedenfalls nicht dazu inspirieren, mich mit Hauptmanns Werken zu beschäftigen.