Ein unterhaltsamer historischer Roman mit leichten Längen.
Eines Tages gerät die Welt der beiden jungen Geschwister Habar und Ibrahim aus allen Fugen. Soldaten stürmen ihr Dorf, plündern ihr Elternhaus und töten ihre Eltern. Zudem werden sie gefangengenommen und ...
Eines Tages gerät die Welt der beiden jungen Geschwister Habar und Ibrahim aus allen Fugen. Soldaten stürmen ihr Dorf, plündern ihr Elternhaus und töten ihre Eltern. Zudem werden sie gefangengenommen und nur dem beherzten Eingreifen eines sächsischen Offiziers, der beide bei einem nicht ganz so ehrlichen Würfelspiel, gewinnt, ist es zu verdanken, dass Habar nur knapp einer Vergewaltigung entgeht.
Stattdessen befinden sie sich nun im Besitz des Offiziers Georg von Hartleben, der beide mit in seine sächsische Heimat nimmt, wo sie sich auf seinem geerbten Landgut als billige Arbeitskräfte verdingen sollen.
Es wird eine sehr schwere Zeit für das Geschwisterpaar, denn ihre fremdländische Herkunft, ihr Glauben und ihr anderes Aussehen sorgen zunächst für einiges Misstrauen unter der Bevölkerung. Besonders auch bei Rupert von Hartleben, Sohn des verstorbenen älteren Bruders von Georg, der beide verhasst verfolgt und nur auf eine günstige Gelegenheit wartet, Ibrahim und Habar endgültig loszuwerden.
Nach einer gewissen Zeit der Eingewöhnung ist es zunächst Habar, die sich dazu entschließt, die Sprache der Ungläubigen und ihre Schrift zu erlernen. Diese Möglichkeit bietet sich ihr, als sie sich mit einem venezianischen Maler anfreundet, der auf dem Gut arbeitet und sie in die Kunst des Schreibens einweiht.
Ibrahim weigert sich weiterhin, sein neues Leben zu akzeptieren- selbst als der Sohn seines „Besitzers“, Karl immer wieder seine Nähe sucht und mit ihm Freundschaft schließen möchte.
Als Georg von Hartleben von Habars erlernter Kunstfertigkeit erfährt, bringt er sie dazu, für ihn wichtige Dokumente zu fälschen- eine Tat mit weitreichenden Folgen, nicht nur für Georg, sondern auch für Habar.
Jahre später kommt es jedoch zu einem Ereignis, das dazu führt, dass Ibrahim und Habar getrennt werden. Habar wird an einen anderen reichen Mann verkauft, der sie als Gesellschafterin für seine Tochter haben möchte.
Habar ist verzweifelt und hofft dass sie von ihrem Bruder gerettet wird, doch die Jahre vergehen. Immer wieder wird sie von der Familie ihres neuen Besitzers dazu genötigt, endlich den christlichen Glauben anzunehmen, doch sie weigert sich vehement - hat sie doch das Gefühl ihre getöteten Eltern und ihren Bruder dabei zu verraten.
Wird das Schicksal Habar und Ibrahim jemals wieder zusammenführen?
Kirsten Schützhofer gelingt es meiner Meinung nach sehr gut, mit ihrem Roman „Die Kalligraphin“ dem Leser einen Eindruck eines bisher in historischen Romanen eher selten angesprochenen Teiles der deutschen Geschichte zu verschaffen und die Sorgen und Ängste der muslimischen Gefangenen und ihre Erlebnisse in einer völlig fremden Umgebung realistisch darzustellen. Trotzdem ist dieser Roman keineswegs „trockene, schwere Romankost“.
Die anfängliche Geschichte um das muslimische Geschwisterpaar fern der Heimat entwickelt sich stetig mit seinen Haupt und Nebenfiguren, die durchaus auch charakterliche Schwächen aufweisen, dadurch jedoch viel authentischer erscheinen; weiter, bis sie sich endgültig zu einer Familiensaga ausweitet und der Leser schließlich miterlebt, wie Gefühle wie Hass, Misstrauen und Ablehnung von beiden Seiten, sich im Laufe der Zeit umkehren in Freundschaft, Verständnis, Liebe und Vergebung.
Aber auch die geschichtlichen Hintergründe der Zeit fließen immer wieder am Rande in die Story mit ein und sorgen zusammen mit Georg von Hartlebens folgenschweren Entschluss wichtige Dokumente von Habar fälschen zu lassen und der gefährlichen Entwicklung die das Ganze nach sich zieht, für spannende Unterhaltung.
Abgerundet wird der unterhaltsame, historische Roman durch Kirsten Schützhofers sehr gute Ausdrucksweise und einem interessanten Ende des Buches, das viel Hoffnung auf die Zukunft mit einfließen lässt.
Einzig die Länge dieses Romans ist mit 636 Seiten (die restlichen Seiten des Buches beinhalten ein interessantes Nachwort der Autorin, Quellenangaben, Zeittafel und Glossar) meiner Meinung nach ein wenig zu viel des Guten- einige Geschehnisse in diesem Buch werden vielleicht ein wenig zu weitschweifig erzählt und weniger wäre in diesem Fall durchaus mehr gewesen.
Kurz gefasst: Ein unterhaltsamer historischer Roman mit leichten Längen.