Der Roman von Christian Hardinghaus basiert auf der wahren Geschichte des Arztes Helmut Machemer. In seinen Briefen von der Front hat er seine Eindrücke seiner Familie hinterlassen. Gemeinsam mit Christian Hardinghaus hat sein Sohn Hans Machemer diese Dokumente ausgewertet und in einem Bildband/Sachbuch niedergeschrieben. Die Geschichte hat den Autor so nachhaltig beeindruckt, dass er einen Roman geschrieben hat, der auf Macheners Lebensgeschichte basiert.
Aus der Erzählperspektive des 95-jährigen ehemaligen Sanitätsgehilfen Friedrich Tönnies erfährt der Leser die Lebensgeschichte von Doktor Wilhelm Möckel. Dieser war sein Freund und Wegbegleiter in den ersten Kriegsjahren. Ein kleiner Vorfall ist der Auslöser, dass Friedrich den Entschluss fasst, die Geschichte von Wilhelm zu Papier zu bringen. Als der junge Augenarzt die kesse Medizinstudentin Annemarie im Sommer 1932 kennenlernt, ahnen sie nicht, welches Schicksal sie erwarten wird. Als Annemarie und Wilhelm heiraten wollen, erfährt die junge Frau, dass ihre Mutter Jüdin ist. Diese hat zwar nie den jüdischen Glauben praktiziert, doch nach dem Inkrafttreten des Nürnberger Rassegesetzes 1933 ist Annemarie ein "Mischling erstes Grades". Sie darf ihr Medizinstudium nicht mehr weiterführen und Wilhelm wird nach der Heirat die Kassenzulassung entzogen. Freunde wenden sich ab. Als Wilhelm hört, dass er die Möglichkeit hat durch eine besondere Tapferkeitsauzeichnung, das Eiserne Kreuz I. Klasse, ein Gnadengesuch beim Führer einzureichen, meldet er sich freiwillig zum Kriegseinsatz. Dies ist die einzige Chance einer "Arisierung" für seine Frau und die Zwillingssöhne Max und Martin zu bekommen...
Zu Beginn erfahren wir mehr über Wilhelm und Annemarie, ihre beginnende Liebe und die anfänglichen Schwierigkeiten durch das Nürnberger Rassegesetz. Man erlebt hautnah mit, wie die beiden ausgegrenzt werden und wie radikal selbst ehemalige Freunde sich verhalten.
Doch den Großteil begleiten wir Friedrich und Wilhelm an die Ostfront, liegen mit ihnen in den Schützengräben, laufen unter Kugelhagel zu den Verwundeten und verbinden sogar den Feind. Äußerst authentisch und wahnsinnig gut recherchiert hat Christian Hardinghaus für seinen Roman und legt einen ungeschönten Bericht vor. Der entscheidende Hungerwinter steht der 16. Panzerdivision bevor, doch zuvor geht es noch in die Südukraine, deren Bewohner der Besatzungsmacht gar nicht so feindlich gegenübersteht, weil viele von ihnen deutsche Wurzeln haben. Kriegstechnische Details langweilen hier nicht, sondern lenken ab und zu vom Kampfgeschehen, Amputationen und schweren Verlusten ab, die Wilhelm und Friedrich miterleben müssen. Dabei bleibt Wilhelm immer menschlich und seinem Hypokrates-Eid treu.
In einem zweiten Strang bleiben wir bei Annemarie und ihrer Familie, die mehr und mehr unter Druck geraten und den Schikanen der NS ausgeliefert sind. So erfährt der Leser wie es den Daheimgebliebenen ergeht, während Wilhelm und sein treuer Sanitätsgehilfe Friedrich an der Ostfront kämpfen.
Zum Roman gibt es auch das Sachbuch "Wofür es lohnte, das Leben zu wagen: Briefe, Fotos und Dokumente eines Truppenarztes von der Ostfront 1941/42" mit über 160 Briefen, über 2000 Fotos und mehreren Stunden Filmmaterial.
Schreibstil:
Christain Hardinghaus hat einen eher nüchternen, aber sehr flüssigen Schreibstil, der bei diesem Roman, der den Schrecken des Krieges sehr detailliert wiedergibt, perfekt passt. Trotzdem kommt das Emotionale genaus durch und berührt sehr. Als Historiker und mit den persönlichen Unterlagen des Vorbildes für seinen Roman, entführt er den Leser zurück in die Zeit des zweiten Weltkrieges. Die Stimmung ist dem Thema entsprechend eher düster gehalten.
Die Charaktere sind sehr lebendig und gut gezeichnet. Ich fühlte ihre Emotionen, sei es Angst, Unglauben, Freude oder Verlust durch jede Zeile.
Fazit:
Ein bewegender Roman mit biografischen Zügen, der ein weiterer großartiger Beitrag gegen das Vergessen ist. Ein wichtiges Zeitdokument, das ich gerne weiterempfehle! Literatur zu diesem Thema kann es nie genug geben!