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Veröffentlicht am 21.03.2018

Mental auf der Achterbahn

NACHTWILD
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Spätestens nach der Geburt eines Kindes aktiviert sich ein gewisser Mutterinstinkt, so viel weiß fast jeder. Unter normale Umständen ist dieser auch so stark, dass die Mutter sich um das Baby kümmert, ...

Spätestens nach der Geburt eines Kindes aktiviert sich ein gewisser Mutterinstinkt, so viel weiß fast jeder. Unter normale Umständen ist dieser auch so stark, dass die Mutter sich um das Baby kümmert, egal was vorher passiert ist oder noch passieren wird. Sie wird es beschützen, mit ihrem Leben verteidigen.

Das sagt sich leicht und liest sich auch gut. Doch welche Ausmaße Mutterliebe annehmen kann und muss, zeigt sich in Ausnahmesituationen am stärksten. Joan, Mutter von Lincoln, der bald zu schwer sein wird, um getragen zu werden, sieht sich mit so einer Situation konfrontiert.

Mit einer Intensität, die unter die Haut geht, lässt Gin Phillips den Leser miterleben, wie Joan nicht nur für sich lebenswichtige Entscheidungen treffen muss, sondern dabei auch ihr Kind berücksichtigt.

Wie auch Joan erfährt der Leser erst im Verlauf des Thrillers, wie die Situation tatsächlich aussieht und man überlegt ganz automatisch selbst, was das Beste wäre, formuliert in Gedanken Ratschläge für Joan und fiebert mit ihr mit, kann nichts tun außer die Mutter, die ihr Kind mit allem verteidigt, was sie hat, aus der Ferne zu beobachten. Eine mentale Achterbahnfahrt, nicht nur für Mütter.

Veröffentlicht am 22.02.2018

Als Thriller oder als Sci-Fi-Roman ungewöhnlich, aber als Kombination perfekt

Hologrammatica
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Kaum jemand schreibt unter dem selben Namen beziehungsweise Pseudonym so vielfältig und immer überzeugend wie Tom Hillenbrand. Sowohl spannende, historisch angehauchte Literatur als auch kulinarische Krimis ...

Kaum jemand schreibt unter dem selben Namen beziehungsweise Pseudonym so vielfältig und immer überzeugend wie Tom Hillenbrand. Sowohl spannende, historisch angehauchte Literatur als auch kulinarische Krimis gehören ebenso zu seinem Repertoire wie packende Romane und Thriller, die sich mit der Zukunft und unserer Gesellschaft befassen.

In diese Sparte fällt zweifelsohne auch “Hologrammatica”. Irgendwann, so um 2080, hat die virtuelle Welt längst die Kontrolle über uns Menschen. Was nicht gut aussieht, wird holografisch aufpoliert und mit den diversen (selbstfahrenden) Verkehrsmitteln ist man innerhalb von drei Stunden überall auf dem Planeten wo man sein möchte. Und auch außerhalb.

Gefangen zwischen den Annehmlichkeiten und den gefährlichen Aspekten der Technologien ist im Buch auch Quästor Galahad Singh, eine Art Privatdetektiv. Er soll das Verschwinden einer französischen Programmiererin lösen und sie im besten Fall lebend wieder nach Hause bringen. Tom Hillenbrand schickt Galahad auf eine famos konstruierte Reise zwischen optischen Täuschungen, speicherbaren Gehirnen und einer ganz neuen Sorte von Supercomputer.

All die neuen Errungenschaften, die im Buch selbstverständlich scheinen, wirken aktuell zwar etwas unrealistisch - aber wer hätte vor 50 Jahren schon an Smartphones gedacht? Im Großen und Ganzen fügen sich Hillenbrands Erfindungen gut ineinander und könnten somit so oder so ähnlich einmal realisiert werden. Die Zeit wird zeigen, ob er Recht behalten wird.

Doch egal, wie es in der Realität weitergehen wird, der Thriller selbst kann Spannungsleser und Sci-Fi-Interessierte gleichermaßen faszinieren. Selten war der Satz “Lesen ist Abenteuer im Kopf” so zutreffend. Eine (fast) ganz neue Welt entsteht nicht nur auf den Seiten, sondern auch im Leser, wenn er sich voll auf Hillenbrands schier unerschöpflichen Phantasiereichtum einlassen kann.

Veröffentlicht am 22.02.2018

Babylons Damoklesschwert

Schlüssel 17
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Nomen est omen. Ein Schlüssel spielt in diesem Thriller eine Schlüsselrolle. Marc Raabe spannt den Bogen aus der Zeit vor dem Mauerfall ins Berlin der Gegenwart, eng verwoben mit Tom Babylons Lebenslauf. ...

Nomen est omen. Ein Schlüssel spielt in diesem Thriller eine Schlüsselrolle. Marc Raabe spannt den Bogen aus der Zeit vor dem Mauerfall ins Berlin der Gegenwart, eng verwoben mit Tom Babylons Lebenslauf. Der emotionale wie starrsinnige LKA-Ermittler geht gerne eigene Wege und schreckt auch nicht vor unkonventionellen Methoden zurück wenn es darum geht einen Fall zu lösen. Erst recht, wenn er persönlich darin verwickelt ist.

In Gestalt einer im Berliner Dom präsentierten Leiche holt ihn seine Vergangenheit ein. Ein kleiner Gegenstand erregt Toms Aufmerksamkeit und wird sie so bald nicht mehr loslassen. Für ihn ist das ein Zeichen, denn der Schlüssel, den er bei der Leiche sieht, hängt mit dem Verschwinden seiner kleinen Schwester zusammen. Er hat seit Jahrzehnten weder sie noch den Schlüssel gesehen. Sie ist sein wunder Punkt, er sein persönliches Damoklesschwert.

Dieser eine kurze Moment am Tatort macht Tom schrittweise zu einem Getriebenen, der zunehmend jedem misstraut, der an den Ermittlungen beteiligt ist. Zu viele eigenartige Begegnungen und kleine Ungereimtheiten tauchen auf. Meisterhaft versteht der Raabe es, zur richtigen Zeit neue Puzzleteile ins Spiel zu bringen, sein Geflecht dichter zu weben und den Leser gemeinsam mit Tom in dieser angespannten Atmosphäre zu binden.

Da dieser Thriller der Start einer Serie ist, bleiben am Ende teilweise Fragen offen. Da die Auflösung des dichten Plots nicht so einfach scheint, ist auch die in sich stimmige Lösung für den Leser nicht so einfach nachzuvollziehen. Aufmerksames Lesen ist hier Pflicht, sollte bei diesem packenden Buch aber sowieso kein Problem darstellen.

Veröffentlicht am 19.02.2018

Ein tiefgehender Roman voll Bangen und Hoffen

Der Reisende
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Es gibt ja viele Bücher, die zu Beginn der NS-Zeit spielen und noch mehr, die währenddessen oder danach handeln. Auch Bücher von Zeitzeugen kennen wir und im Grunde sind diese immer besonders packend. ...

Es gibt ja viele Bücher, die zu Beginn der NS-Zeit spielen und noch mehr, die währenddessen oder danach handeln. Auch Bücher von Zeitzeugen kennen wir und im Grunde sind diese immer besonders packend. Fast noch ergreifender und unmittelbarer ist dieser Roman, wohl aufgrund seiner Entstehungszeit.

Boschwitz schrieb die Erlebnisse des fiktiven Otto Silbermann nicht etwa ein paar Jahrzehnte nach der grausamen Zeit, sondern direkt damals. Er emigrierte 1935 von Berlin nach Skandinavien und schrieb, wie vermutet wird, ab 1938, mit 23 Jahren, daran. Er verarbeitete in diesem Manuskript mit Silbermann stellvertretend für alle, die nach den Pogromen verfolgt wurden, die Erfahrungen und Gefühle, die Millionen von Juden zur gleichen Zeit erdulden mussten, unverschuldet.

Er nimmt den Leser mit auf eine Reise, die einerseits physisch in Zügen der Reichsbahn stattfindet, wohin sich Silbermann gerne flüchtet. Andererseits ist es eine Reise in dessen Kopf. Seine Gedanken überschlagen sich, werden wirr und hindern ihn daran, zu schlafen. Die Eindringlichkeit, mit der Boschwitz dies alles beschreibt, überträgt sich auf den Leser, ob man nun will oder nicht.

Über allem liegt eine gewisse Unruhe, Unsicherheit und Angespanntheit, die niemanden kalt lässt. Jede direktere Begegnung mit anderen wird zur möglichen Falle, selten kann Silbermann frei heraus reden, was seine wirren Gedanken zusätzlich befeuert. Sein Zittern überträgt sich auf den Leser, man hofft, man bangt und kann nicht verstehen, wie es einmal so weit kommen konnte.

Veröffentlicht am 02.02.2018

Britisch-deutsches Ermittlerduo im zerstörten Köln

Echo der Toten. Ein Fall für Friederike Matthée (Friederike Matthée ermittelt 1)
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Beate Sauer versetzt den Leser hier gekonnt in die mühselige und entbehrungsreiche Zeit kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. 1947 in Deutschland. Die Ruinen dominieren Stadtbilder, der Schwarzmarkthandel blüht, ...

Beate Sauer versetzt den Leser hier gekonnt in die mühselige und entbehrungsreiche Zeit kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. 1947 in Deutschland. Die Ruinen dominieren Stadtbilder, der Schwarzmarkthandel blüht, Lebensmittel sind rar und die Briten beherrschen als Besatzungsmacht große Teile des Landes. Doch das Verbrechen hat mit Ende des Krieges nicht Halt gemacht.

Ein Mann wird auf dem Land in einer Scheune ermordet. Der Tote war gewissermaßen recht prominent, da er als Schwarzmarkthändler weit herumkam. Der Fall wird Richard Davies von der Royal Military Police zugeteilt, weil auch britische Waren gehandelt wurden. Er fordert Unterstützung von der Weiblichen Polizei an, denn es soll ein Kind befragt werden, das ein wichtiger Zeuge sein könnte. Friederike Matthée wird ihm zugeteilt und die beiden ermitteln fortan in Absprache mit der deutschen Kriminalpolizei.

Solche Ermittlungen können generell, auch heutzutage, relativ mühevoll und schwierig sein. Umso mehr Hochachtung muss man vor jenen Personen haben, die damals tatsächlich mit den Umständen zurechtkommen und ihre Arbeit machen mussten. Die Menschen und Geschehnisse im Roman sind erfunden, dennoch erlebten zahlreiche Überlebende tatsächlich den Januar 1947, der mit niedrigsten Temperaturen und viel Schnee die Leute im Griff hatte. Fließendes Wasser und warme Räume waren keine Selbstverständlichkeit, ganz abgesehen davon, sich täglich sattessen zu können.

Diese Zustände stellt die Autorin hier deutlich heraus, vor allem auch dadurch, weil sie Matthée mit Davies zusammenspannt. Als Mitglied der britischen Besatzungsmacht und durch seinen Rang in der Polizei hat er weniger Einschränkungen als die meisten deutschen Bürger. Er ist es gewohnt, beim Essen etwas Auswahl zu haben und muss sich um Sprit für seinen Jeep keine Sorgen machen. Die beiden können den Fall am Ende lösen, doch im Licht der ganzen “Reise” und der Ereignisse bis dahin erscheint das fast nicht mehr so wichtig. Die Atmosphäre und die Annäherung zweier so unterschiedlicher Leben in einer so schwierigen Zeit sind die wahren Stars dieses Krimis.