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Veröffentlicht am 20.04.2018

Ein außergewöhnlicher historischer Roman

Die letzte Reise der Meerjungfrau
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INHALT
England, 1785: Das bescheidene Leben des verwitweten Kaufmanns Jonah Hancock ändert sich schlagartig, als sein Kapitän aus Übersee als einziger Handelsware mit einer Meerjungfrau heimkommt. Ganz ...

INHALT
England, 1785: Das bescheidene Leben des verwitweten Kaufmanns Jonah Hancock ändert sich schlagartig, als sein Kapitän aus Übersee als einziger Handelsware mit einer Meerjungfrau heimkommt. Ganz London ist in Aufruhr - in den Kaffeehäusern, den Salons und Bordellen der Stadt sprechen die einen von einem Wunder, die anderen vermuten einen Betrug. Von allen wegen seines sensationellen Ausstellungsstücks hofiert, steigt Jonah Hancock bald in die obersten Gesellschaftskreise auf und wird durch ihren Verkauf zu einem äußerst reichen Mann. Um die Gunst der schönen Edelkurtisane Angelica Neal zu gewinnen, geht er auf die Forderung ein, ihre eine eigene Meerjungfrau als Liebesbeweis zu besorgen. Doch er ahnt nicht, welche verhängnisvollen Folgen dies nach sich ziehen wird…
MEINE MEINUNG
Mit ihrem herausragenden Romandebüt „Die letzte Reise der Meerjungfrau“ ist der talentierten britischen Autorin Imogen Hermes Gowar ein äußerst faszinierender historischer Roman gelungen. In ihrer großartigen Geschichte erzählt sie über menschliche Schicksale, über das ewige Streben nach Macht und Reichtum, über Begierden und Leidenschaften, Wunschträume und ernüchternde Wirklichkeit.
Gekonnt lässt uns Gowar ins quirlige London des 18. Jahrhunderts eintauchen, in dem sie uns mitnimmt in die geschäftigen Kaffeehäuser der Metropole, zu den wimmelnden Docks an der Themse und in die berühmtesten und dekadentesten Nobel-Bordelle der Stadt. Vor dem Hintergrund hervorragend recherchierter, historischer Details lässt sie die schillernde und sehr faszinierende Welt zur Georgeanischen Ära lebendig werden – einer Welt, die fast ausschließlich von Männern kontrolliert und dominiert wird und in der Frauen nur sehr begrenzte Entwicklungsmöglichkeiten eingeräumt werden. Das von ihr entworfene, facettenreiche Portrait zeigt eine dekadente, vornehme Gesellschaft mit ihrer Doppelmoral, voller Standesdünkel, Rassismus und strikter Sittsamkeit, aber auch den verruchten Teil des Molochs, den einige der vornehmen Herren nur allzu gut kennen. Hier lernen wir eine Gesellschaft kennen, die sich an immer neuen, monströsen Kuriositäten in Ausstellungen ergötzt, während sich erschreckende menschliche Schicksale in den Gossen der Stadt ereignen, wo Menschen in Armut und Elend vegetieren müssen.
Getragen wird diese grandiose Geschichte vom besonderen, atmosphärisch dichten Flair und dem Facettenreichtum seiner Figuren vor dem hervorragend beleuchteten historischen Hintergrund jener Zeit, weniger von einer spannungsgeladenen Handlung. Daher lässt sich dieser Roman auch nicht einfach so „herunterlesen“, sondern erfordert anfangs einiges an Konzentration und Geduld, um sich in die sich gemächlich entwickelnde Handlung hineinzufinden. Nach und nach ist man dann aber als Leser völlig gefangen von der abwechslungsreichen und ergreifenden Geschichte, die mit einigen sehr unerwarteten Wendungen zunehmend mehr Dynamik gewinnt und äußerst stimmig endet.
Gowar verwendet einen wundervoll lebendigen, humorvollen und recht anspruchsvollen Erzählstil gewürzt mit vielen detailreichen Beschreibungen und äußerst witzigen Formulierungen. Sehr geschickt ist von der Autorin auch das Motiv der Meerjungfrau gewählt, die zugleich für die vielen Frauengestalten steht, die damals in ihren Rollen gefangen waren und kaum ausbrechen konnten.
Brillant gezeichnet sind die beiden faszinierenden Hauptfiguren des Romans, die im Laufe der Geschichte zunehmend an Tiefe und Charisma gewinnen und mir immer mehr ans Herz gewachsen sind. So lernen wir zum einen den Kaufmann Jonah Hancock aus Deptford als männlichen Charakter kennen und zum anderen die berühmte Kurtisane Angelica Neal. Der grundsolide, etwas wunderliche Mr. Hancock ist eher charakterschwach, zögerlich und kann sich kaum gegen seine eigene Schwester wehren – alles in allem ein einfach liebenswerter Charakter. Angelica hingegen ist eine etwas naive, aber ziemlich berechnende junge Frau, die in ihrem kurzen Leben schon einiges durchgemacht hat und auf der Suche nach einem neuen reichen Gönner ist.
Auch die zahlreichen Nebenfiguren sind sehr plastisch ausgearbeitet und agieren für den Leser jederzeit schlüssig und nachvollziehbar.
Wie nun dieses so unterschiedliche Paar zusammenkommen wird und was dies alles mit der letzten Reise der wundersamen Meerjungfrau zu tun hat, erfährt man in der sehr kunstvoll gewobenen Geschichte.
FAZIT
Ein wundervoll berührender historischer Roman, der ein sehr anschauliches, vielschichtiges und faszinierendes Sittengemälde jener Zeit zeichnet! Mich hat der Roman bestens unterhalten, auch wenn ich anfangs mit den Charakteren und dem gemächlichen Erzähltempo Probleme hatte.
Ein unterhaltsames Lesevergnügen!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Atmosphäre
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 29.03.2018

Ein äußerst packender, unterhaltsamer Ökothriller

Das Eis
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INHALT
Beim Kalben eines schmelzenden Gletschers in der Arktis taucht direkt vor einem Kreuzfahrtschiff eine Leiche auf. Schnell ist klar, dass es sich um den Umweltaktivist und Arktis-Kenner Tom Harding, ...

INHALT
Beim Kalben eines schmelzenden Gletschers in der Arktis taucht direkt vor einem Kreuzfahrtschiff eine Leiche auf. Schnell ist klar, dass es sich um den Umweltaktivist und Arktis-Kenner Tom Harding, handelt, der drei Jahre zuvor bei einem Unfall spurlos im Eis verschwand. Der Letzte, der ihn lebend gesehen hat, ist sein bester Freund und Geschäftspartner Sean Cawson. Die beiden waren an der Eröffnung der exklusiven arktischen Midgard-Lodge beteiligt, die sich dem Schutz des Nordmeers verpflichtet. Als vor Gericht die Hintergründe zu Toms mysteriösen Tod untersucht werden, wird auch Seans Rolle beim Unfall und seine Beziehung zu Tom beleuchtet.
MEINE MEINUNG
Nach ihrem von Kritikern gefeierten Debütroman „Die Bienen“ hat die englische Autorin Laline Paull nun mit ihrem zweiten Roman „Das Eis“ einen äußerst packenden Ökothriller vorgelegt.
Hierin greift sie mit der globalen Klimaerwärmung und den weitreichenden Auswirkungen des Klimawandels auf das arktische Eis eine dringliche Umweltthematik auf, die jeden von uns betrifft. Geschickt verwebt sie ihre vielschichtige, fiktive Geschichte rund die Hauptfigur, den jungen Geschäftsmann Sean Cawson, mit hervorragend recherchierten Hintergrundinformationen zur Arktis zu einem fesselnden Leseabenteuer, das sie in der sehr nahen Zukunft angesiedelt hat.
Die Autorin versteht es, den Leser bereits mit wenigen Andeutungen in ein beängstigendes Szenario zu versetzten. Sie beschwört kein abstruses Science Fiction-Setting sondern einen beklemmenden, glaubwürdigen Ausblick auf unsere Zukunft herauf. Es ist eine Welt, in der das Eis in der ressourcenreichen Arktis durch den Klimawandel zum Großteil geschmolzen ist, neue Transitrouten für den Schiffsverkehr erschlossen werden, Wildtiere akut von Aussterben bedroht sind, der Sensationstourismus zur Arktis boomt und Regierungen der Anrainerstaaten sowie mächtige Wirtschaftsunternehmen sich positionieren, um die gnadenlose Ausbeutung der eisfreien Gebiete voranzutreiben.
Der Roman beginnt mit einem packenden Auftakt, bei dem wir von Bord eines Kreuzfahrtschiffs das Kalben eines Gletschers in der Arktis und das unerwartete Auftauchen einer Leiche miterleben. Schon bald steht fest, dass es sich hierbei um den vor drei Jahren bei einem tragischen Unfall verschollenen, ehemaligen Greenpeace-Chef Tom Harding handelt, der ein alter Studienfreund und Geschäftspartner von Sean war. Beide Freunde teilten schon als Studenten eine große Faszination für die Arktis und hatten gemeinsam die gewagte Geschäftsidee umgesetzt, die Vereinbarkeit von Wirtschaftsinteressen und Umweltethik zu fördern. Hierzu hatten sie auf Spitzbergen die exklusive Midgard-Lodge als inspirierenden Ort eröffnet, an dem sich Wirtschaftsvertreter dem Schutz der Arktis verpflichten.
Paulls Thriller entwickelt sich zu einer hochkomplexen Geschichte mit verschiedenen Handlungssträngen und zahlreichen Nebenfiguren, in der auch immer wieder die Problematik von Umweltschutz und Profitgier thematisiert wird. Im Mittelpunkt der aus Seans Perspektive erzählten Handlung steht jedoch die gerichtliche Untersuchung, die sich mit der Aufklärung der Hintergründe von Toms tödlichem Unfall am Gletscher beschäftigt und den Hinterbliebenen Klarheit bringen soll.
Schrittweise erfahren wir in zahlreichen Rückblenden in die Vergangenheit mehr Details zu Seans ominösem Midgard-Projekt auf Spitzbergen und seinen Konsortiumspartnern, seinem familiären Hintergrund und erhalten Einblicke in seine recht komplizierte Freundschaft zu Tom. Durch die ständigen Wechsel der Erzählstränge offenbaren sich ständig neue Sichtweisen, und es baut sich rasch eine enorme Spannung auf. Man fragt sich, wie die vielen verwirrenden Details mit Toms tragischen Unfall zusammenhängen könnten, denn hier ist bei weitem nicht alles so, wie es auf den ersten Blick scheint. Im Laufe der clever konstruierten Handlung werden immer mehr Intrigen auf höchster Ebene, private Konflikte, Verrat und menschliche Abgründe enthüllt. Während sich der Mittelteil der Geschichte leider etwas zieht, gewinnt das letzte Drittel zusehends an Tempo und die sich überstürzenden Ereignisse gewinnen an Dramatik. Nach einigen überraschenden Wendungen gipfelt der Thriller in einem unglaublich packenden Finale.
Mit ihren detaillierten Beschreibungen von einigen in der Arktis angesiedelten Episoden gelingt es Paull, die einzigartige, beeindruckende Atmosphäre und die besondere Faszination für diese unwirtliche Region sehr anschaulich zu vermitteln. Sehr gelungen sind auch die den Kapiteln vorangestellten Textausschnitte über die Polarregion wie beispielsweise Expeditionsberichte von legendären Polarforschern wie Peter Freuchen oder Inuit-Legenden.
FAZIT
Ein äußerst packender, unterhaltsamer Ökothriller und ein empfehlenswertes Leseabenteuer mit einer nachdenklich stimmenden Umweltbotschaft.

Veröffentlicht am 27.03.2018

Sehr gelungenes Debüt

Leinsee
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MEINE MEINUNG
Mit dem Debüt „Leinsee“ ist der deutschen Autorin Anne Reinecke ein außerordentlich faszinierender Entwicklungsroman gelungen, der mich vor allem mit ihrem bemerkenswerten Schreibstil beeindruckt ...

MEINE MEINUNG
Mit dem Debüt „Leinsee“ ist der deutschen Autorin Anne Reinecke ein außerordentlich faszinierender Entwicklungsroman gelungen, der mich vor allem mit ihrem bemerkenswerten Schreibstil beeindruckt hat.
Der Roman beginnt mit einer Ausnahmesituation für den jungen Protagonisten, der sich unter dem Pseudonym Karl Sund als aufstrebender Künstler in Berlin etabliert hat. Nach vielen Jahren ohne jeglichen Kontakt zu seinen berühmten Künstler-Eltern, muss er zu seinem Elternhaus zurückkehren, um die Beerdigung seines Vaters August zu organisieren, der Selbstmord begangen hat. Seine todkranke Mutter Ada befindet sich währenddessen im Koma auf der Intensivstation, da sie sich einer lebensbedrohlichen Operation mit ungewissem Ausgang unterzogen hatte. Der Leser erlebt die Hauptfigur anfangs in einer inneren Krise und gefangen in seiner aufgewühlten Gedankenwelt, denn unvermittelt ist Karl gezwungen, sich mit seiner schwierigen Kindheit und der sehr problematischen Beziehung zu seinen Eltern auseinander zu setzen. Schrittweise werden immer mehr Details aus Karls Vergangenheit und seine tragische Familiengeschichte enthüllt, so dass man zunehmend Einblick in seine komplexe Persönlichkeit erhält und sein Verhalten besser zu verstehen beginnen. Der Autorin ist es hierbei hervorragend gelungen, sein Innenleben einzufangen und uns an seiner Wut, Verlust, Trauer und Sehnsucht nach der ihm stets versagten Anerkennung und Nähe zu Mutter teilhaben zu lassen.
Sehr beiläufig und behutsam erzählt sie die ungewöhnliche Geschichte um die achtjährige Tanja, die bei Karl im Garten auftaucht und ihn ganz unbekümmert beobachtet. Fasziniert verfolgt man wie die beiden mit kleinen, spielerischen Gesten Kontakt aufnehmen und über einfallsreiche bis bizarre Überraschungsgeschenke größtenteils nonverbal miteinander kommunizieren. Schon bald ist man gefangen von Karls ganz eigener Welt voll seltsamer Angewohnheiten, seinen kindlichen, irrationalen Verhaltensweisen und seinem neu gefundenen Selbstverständnis. Im Laufe der Zeit entsteht zwischen den beiden eine ganz außergewöhnliche Freundschaft, die zum Teil auch etwas befremdliche Züge trägt. Das selbstbewusste, unberechenbare Mädchen, das mich anfangs oft an Pippi Langstrumpf erinnerte, kann Karl den benötigten Rückhalt geben und wird zunehmend zu einer zentralen Figur seinem Leben. Im Laufe der Handlung begleiten wir Karls charakterliche und künstlerische Entwicklung über das folgende Jahrzehnt, erleben aber auch seine innere Zerrissenheit und Sprunghaftigkeit auf dem Weg zu sich selbst und neuen Ausdrucksformen.
Die Autorin versteht es, mit viel Feingespür und einer besonderen Beobachtungsgabe außergewöhnliche Stimmungen und zwischenmenschliche Zwischentöne in ihrer Geschichte einzufangen und diese auf unnachahmliche Weise in wundervollen Bildern zu vermitteln. Besonders gut haben mir hierbei auch die originellen Überschriften der Kapitel gefallen, die sich mit ungewöhnlichen Farbkompositionen wie „Gottweiß“, „Kaugummigrau“ oder „Schaumstoffgelb“ auf eine inhaltliche Besonderheit im jeweiligen Abschnitt beziehen. Reineckes prägnanter, klarer Schreibstil gewürzt mit feinsinnigen, humorvollen Passagen und einer guten Portion Kritik am Kunstbetrieb macht den Roman zudem zu einem besonderen Leseerlebnis.
FAZIT
Ein faszinierender, nachdenklich stimmender Entwicklungsroman - farbenfroh, voller Poesie und mit einem wundervollen Schreibstil! Sehr lesenswert!

Veröffentlicht am 21.03.2018

Ein berührender, kunstvoll geflochtener Frauenroman

Der Zopf
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INHALT
Eine Reise rund um den Globus - Drei Kontinente, drei Frauen, drei Lebenswege, die unterschiedlicher nicht sein könnten und dennoch eint sie das gleiche Schicksal. Smita aus Indien, Giulia aus Sizilien ...

INHALT
Eine Reise rund um den Globus - Drei Kontinente, drei Frauen, drei Lebenswege, die unterschiedlicher nicht sein könnten und dennoch eint sie das gleiche Schicksal. Smita aus Indien, Giulia aus Sizilien und Sarah aus Kanada kämpfen mutig gegen die Widrigkeiten des Lebens an, die sie unversehens in eine existenzielle Krise stürzen. Wird es ihnen gelingen, einen Ausweg zu finden und einen Neuanfang zu wagen?
MEINE MEINUNG
Mit „Der Zopf” hat die französische Autorin Laetitia Colombani einen bemerkenswerten Debütroman geschrieben, den man noch einige Zeit lang in Gedanken mit sich trägt.
In dem eindrücklich erzählten, berührenden Frauenroman stehen drei Frauen im Mittelpunkt, die auf verschiedenen Kontinenten, in voneinander abweichenden sozialen Milieus und sehr unterschiedlichen Welten leben. Sehr originell ist der besondere Aufbau des Romans, in dem die fesselnde Lebensgeschichte der drei Hauptfiguren in den sich abwechselnden Kapiteln aus ihrer Perspektive in der 3. Person erzählt wird. Geschickt lässt die Autorin diese drei unterschiedlichen Handlungsstränge sehr kunstvoll zusammenlaufen, bis zum Ende hin deutlich wird wie diese zusammenhängen. Drei teilweise emotional aufwühlende Schicksale verflochten zu einem alles verbindenden Zopf – ein wundervoll gewähltes Bild. Thematisch ist dies auf dem Cover sehr gelungen aufgegriffen, das auch farblich sehr ansprechend gestaltet und ein echter Blickfang ist.
Als Symbol stehen Haare auch stellvertretend für die Identität eines Menschen, von ihnen lässt sich auf die körperliche Gesundheit, gesellschaftliche Stellung und sogar religiöse Einstellung des Menschen schließen, und besitzen hierdurch sogar einen besonderen Wert, der sie zu einem begehrten Handelsobjekt macht.
Der sehr anschauliche Schreibstil der Autorin gewährt uns Einblicke in die Gefühls- und Gedankenwelt der verschiedenen Hautfiguren, baut oft ohne viele Beschreibungen eine teilweise eindringliche Atmosphäre auf und passt auch sprachlich hervorragend zu den jeweiligen Charakteren.
So lernen wir in den unterschiedlichen Episoden die drei Frauen und ihre Lebenssituation schrittweise kennen. Die junge Giulia aus Sizilien arbeitet in der kleinen, elterlichen Perückenmanufaktur in Palermo. Die alleinerziehende Kanadierin Sarah ist erfolgreiche Teilhaberin in einer großen Anwaltskanzlei in Montreal. Sie hat sich trotz aller Schuldgefühle wegen ihrer drei Kinder für den knallharten Karriereweg entschieden und ihren nach außen perfekten, aber stressigen Lebensstil ganz darauf ausgerichtet. Die aufopferungsvolle Mutter Smita lebt unter ärmlichsten Bedingungen im dem Dorf Badlapur, denn ihre Familie gehört als „Unberührbare“ zur untersten Schicht des Kastensystems in Indien und ist gesellschaftlich geächtet. Alles würde sie dafür geben, ihrer Tochter Lalita eine gute Ausbildung zu ermöglichen, damit sie der großen Armut einmal entfliehen kann. Gebannt folgt man den geschilderten Ereignissen und ist betroffen von den Widrigkeiten des Lebens, gegen die die Frauen unversehens ankämpfen müssen. Immer wieder tragen geschickt platzierte Cliffhanger am Ende einzelner Kapitel zur Steigerung der Spannung bei.
Obwohl die Autorin mit großer Sensibilität ihre Hauptfiguren und charakterliche Weiterentwicklung im Laufe der Handlung ausgearbeitet hat, hätte ich mir bei ihnen teilweise etwas mehr Nuancen und Tiefgang gewünscht. Dennoch hatte ich schon bald jede einzelne von ihnen in mein Herz geschlossen und gefesselt ihren Lebensweg mitverfolgt. Äußert bewegt hat mich vor allem das unvorstellbare Schicksal von Smita und ihrer kleinen Tochter in Indien.
Die Autorin beschreibt auf sehr einfühlsame und behutsame Weise den Kampf dreier Frauen, die ganz unerwartet in eine Krise stürzen. In diesem entscheidenden Moment ihres Lebens gelingt es ihnen, ihr Schicksal mutig und entschlossen in die Hand zu nehmen und einen Weg in ihre individuelle Freiheit und hoffnungsvolle Zukunft zu beschreiten. Der nachdenklich und zugleich hoffnungsvoll stimmende Ausklang des Romans hat mir ausgesprochen gut gefallen. Ein bemerkenswerter, warmherziger Roman, der den Leser mit auf eine außergewöhnliche und sehr persönliche Reise über die Kontinente genommen hat, stellvertretend für die Lebenswege vieler Frauen in aller Welt, die gegen Ungerechtigkeiten, Diskriminierung, Frauenfeindlichkeit und Schicksalsschläge in ihrem Leben anzukämpfen haben, und der zugleich ein wundervoller Mutmacher ist für alle Frauen auf der Suche nach einem Weg in ihre individuelle Freiheit und Selbstbestimmung.
FAZIT
Ein ergreifender und einfühlsam geschriebener Frauenroman über drei bewegende Frauenschicksale. Sehr lesenswert!

Veröffentlicht am 15.03.2018

Ein toll geschriebener, bewegender und tiefgründiger Roman

Für immer ist die längste Zeit
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INHALT
Maddy Starling ist vom Dach der Bibliothek in den Tod gestürzt. Doch statt gleich in den Himmel zu kommen, hat sie noch Gelegenheit ihre Familie ein Weilchen zu beobachten und ist schockiert. Ihre ...

INHALT
Maddy Starling ist vom Dach der Bibliothek in den Tod gestürzt. Doch statt gleich in den Himmel zu kommen, hat sie noch Gelegenheit ihre Familie ein Weilchen zu beobachten und ist schockiert. Ihre pubertierende Tochter Eve und ihr völlig aus der Bahn geworfener Ehemann Brady sind bereits mit der Organisation der alltäglichen Dinge völlig überfordert und drohen an der Frage nach dem Warum zu zerbrechen. Maddy beschließt, Einfluss auf die Geschicke ihrer Liebsten zu nehmen – allerdings keine leichte Aufgabe aus dem Jenseits…
MEINE MEINUNG
Mit ihrem Debüt „Für immer ist die längste Zeit“ hat die amerikanische Autorin Abby Fabiaschi einen sehr bewegenden und tiefgründigen Roman vorgelegt. Hierbei ist es der Autorin auf einzigartige Weise gelungen, die schwierige Thematik rund um Tod und Trauerbewältigung mit einer wundervollen Leichtigkeit, ihrem humorvollen Erzählstil und einer interessanten übernatürlichen Komponente zu vermitteln. Dennoch weist der Roman viel Tiefgang und emotional aufwühlende Episoden auf, und regt den Leser zum Nachdenken an.
Schon der amüsante Einstieg ist sehr geschickt gewählt, zeigt er uns doch wie Maddy nach ihrem Sturz vom Bibliotheksdach aus dem Jenseits ihre Lieben beobachtet, mit zarten Einflüsterungen versucht deren Leben zu lenken und für ihren überforderten Mann sogar eine neue Frau zu finden.
Der Roman wird aus sich abwechselnden, sehr authentisch wirkenden Perspektiven erzählt, so dass die Ereignisse pro Kapitel jeweils aus der Sicht von Maddy, Eve und Brady geschildert werden. Leider ist es der Autorin allerdings nicht gelungen, für jede Figur auch sprachlich eine eigene, unverwechselbare „innere Stimme“ zu finden. Eingestreut sind zudem kursiv gedruckte Passagen, die Auszüge aus Maddys Tagebuch darstellen. Hierin reflektiert sie einige Episoden aus ihrem Leben teilweise durchaus kritisch und bringt dem Leser diese oft aus einem ganz anderen Blickwinkel nahe.
Lebendig, lebensnah und facettenreich hat die Autorin ihre sympathischen Hauptfiguren und deren charakterliche Entwicklung gezeichnet.
Fabiaschi beschreibt sehr realistisch und glaubwürdig, wie Eves und Bradys Leben nach Maddys Selbstmord völlig aus den Fugen gerät, die beiden durch den plötzlichen Verlust völlig am Boden zerstört sind und mit der Bewältigung des Alltags, ihrer Trauer und Schuldgefühlen zu kämpfen haben. Ihre Gedanken kreisen immer wieder um die Frage nach den Gründen. Sehr nachvollziehbar schildert die Autorin ihr Gefühlschaos, ihre Einsamkeit und Verzweiflung. Sie lässt uns hautnah das Auf- und Ab in ihren Bemühungen miterleben, ein belastbares Vater-Tochter-Verhältnis aufzubauen und ihre Beziehung zueinander neu zu definieren.
Durch ihren bildhaften, einfühlsamen und mitreißenden Erzählstil gewährt die Autorin dem Leser Einblicke in die Gefühlswelt der Protagonisten, wodurch man sich gut in sie hineinversetzen, ihr Handeln und ihre Entwicklung besser nachvollziehen kann.
Ein absolutes Highlight war für mich jedoch Maddy mit ihrem vielschichtigen, liebenswerten Charakter und ihren vielen tollen Lebensweisheiten, die sie ihren Mitmenschen auf den Weg gibt. Sehr rührend waren ihre Versuche, ihren Lieben Trost und Zuspruch auf ihrem schweren Weg zu spenden. Je besser man allerdings Maddys Charakter im Laufe der Geschichte kennenlernt, desto spannender wird es, die Hintergründe ihres rätselhaften Selbstmords zu ergründen. Geschickt eingestreute Andeutungen geben Anlass zu Spekulationen, so dass man auf das Ende hinfiebert und auf eine plausible Erklärung hofft.
Hervorragend ausgearbeitet sind auch viele der Nebencharaktere. Als etwas unpassend und unnötig empfand ich allerdings eine für die Gesamthandlung eher unwichtige Nebenstory.
Im Epilog lässt die Autorin ihre berührende Geschichte dann zwar etwas rosa-rot, aber dennoch sehr passend und zufriedenstellend ausklingen.
Was diesen Roman trotz der tragischen Thematik besonders macht, ist die Leichtigkeit und Frische mit der es der Autorin es gelungen ist, die verschiedenen Phasen von Trauer, die sehr komplexen Emotionen während der Trauerbewältigung und die zwangsläufigen Rückschritte beim Umgang mit schicksalhaften Verlusten authentisch und anschaulich zu vermitteln. Zugleich zeigt sie für den Leser einen sehr tröstlichen Ausblick auf, dass jeder einen Abschluss finden und auf Neubeginn hoffen darf. Hervorzuheben ist auch sehr angenehme Schreibstil der Autorin gewürzt mit der richtigen Portion Sarkasmus, Ironie und Humor.

FAZIT
Ein wundervoll geschriebener, bewegender und tiefgründiger Roman über Trauer und Trauerbewältigung, der viele interessante Denkansätze liefert.
Eine sehr empfehlenswerte Lektüre!