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Venatrix

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Veröffentlicht am 01.04.2018

Mörderisch & FEsch - ein kongeniales Duo

Mörderisch & Fesch
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Man stelle sich folgendes vor:

Irgendwo in Österreich, ein idyllisch gelegenes Dorf namens Sankt Lindenbrunn mit einem Polizeiposten und zwei Beamten. (ja so etwas Ausgefallenes gibt es noch)

Einer davon ...

Man stelle sich folgendes vor:

Irgendwo in Österreich, ein idyllisch gelegenes Dorf namens Sankt Lindenbrunn mit einem Polizeiposten und zwei Beamten. (ja so etwas Ausgefallenes gibt es noch)

Einer davon heißt Friedrich Fesch, doch leider hält Mutter Natur nicht, was sein Name verspricht. Einsam, schlaksig, wenig Haare auf dem Kopf und mit Segelohren ausgestattet ist er. Außer einem Schnurrbart, den er häufig zwirbelt hat er nur eine, beim jugendlichen Völkerball spielen, dreifach gebrochene Nase aufzuweisen. Der Polizist, (er hat es mit der modernen Technik nicht so) hört lieber auf seinen Bauch und bäckt gerne Torten, was aber niemand wissen darf, da es ja der Männlichkeit abträglich wäre. Dieser Friedrich Fesch lebt nach seiner Scheidung mit Wolfgang und Paul, zwei Wellensittichen, allein in seinem Haus.

Diese Idylle wird jäh gestört, als Uschi Herzigman, die unbestrittene Dorfschönheit und zukünftige Miss Lindenblatt, erschlagen aufgefunden wird.

Man schickt, sehr zu Feschs Missfallen, sofort einen Ermittler der Kriminalpolizei. Dieser entpuppt sich als Kommissarin Michaela Mörderisch, ausgesprochen hübsch und mit einem Hang zum Rallye-Fahren.

Nun müssen die beiden gegensätzlichen Charaktere zusammenarbeiten. Man untersucht das familiäre Umfeld der Toten, lauscht bösen Gerüchten und macht sich seine eigenen Gedanken.

Dann wird Levin Liguster, ein abgewiesener Verehrer der Toten, verletzt auf der Fahrbahn liegend gefunden. Blöderweise leidet er an einer Amnesie, oder nicht?

Liegt darin der Schlüssel zur Aufklärung? Und was hat der Manager von Uschi, der zwar von allen Dave genannt wird, aber eigentlich auf den klingenden Namen Titus David Pluzer hört, mit dem Tod seiner aussichtsreichen Miss-Kandidatin zu tun?

Meine Meinung:

Lisa Gallauner ist ein herrlicher Krimi mit viel Humor und grandiosen Wortspielen gelungen.

Die Namen der Protagonisten sind so herrlich, dass ich mehrmals lauthals aufgelacht habe: Ein Mann der „Fesch“ heißt und eigentlich gar nicht ansehnlich ist.

Eine Kriminalbeamtin mit dem Namen „Mörderisch“ ist doch zum Schießen, oder?

Beim Namen „Liguster“, denkt auch jeder an die gleichnamige Hecke.

Und erst der Name des Managers: Titus David Pluzer. Pluzer (auch Plutzer) hat in Österreich gleich mehrere Bedeutungen:

1. Kürbis (Steiermark)
2. (großer) Kopf (Wien)
3. Keramik- oder Glasgefäß, ähnlich einer Amphore nur rundlicher, zur Aufbewahrung von Wein (Steiermark und Burgenland).

Kein Wunder, dass er lieber „Dave“ genannt werden will.

Liebevoll werden die Marotten der Sankt Lindenbrunner Einwohner beschrieben.

Auch die liebenswürdige Feindschaft zwischen Sankt Lindenbunn und Unterlindenbrunn (nein, es gibt kein Oberlindenbrunn) wird thematisiert.

Der Dorftratsch nimmt ebenso einen großen, aktiven Raum ein. Manchmal, aber nur manchmal, enthält er ein klitzekleines Körnchen der Wahrheit.

Herrlich die Wortspielereien, z.B. „der Rest dieses Arbeitstages war für A. und F. ..ein Sprichwort, das der Friedrich schon alleine auf Grund seines Vornamens ganz amüsant findet.“

Besonders gut gefallen mir die Bezüge zur Mentalität und das Lokalkolorit, auch wenn es sich diesmal um einen fiktiven Ort handelt.

Der österreichische Verlag „Federfrei“ ist immer für witzige, manchmal auch boshafte oder durchaus ernste Krimis aus Österreich gut. Ich bin bislang nie enttäuscht worden.

Fazit:

Ein Feuerwerk an Wortwitz, dessen einzige Mangel ist, dass der Krimi so kurz war. Ich gebe gerne fünf Sterne sowie eine Leseempfehlung – und wünsche mir im Gegenzug eine Fortsetzung.

Veröffentlicht am 01.04.2018

„Nichts ist, wie es scheint“

Teufelsbotschaft
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„Ein einsam gelegenes Blockhaus mitten in den idyllischen Wachauer Weinbergen wird zum Ort eines schrecklichen Blutbades. Als Meierhofer, der gerade zum zweiten Mal Opa geworden ist, und sein Team am Tatort ...

„Ein einsam gelegenes Blockhaus mitten in den idyllischen Wachauer Weinbergen wird zum Ort eines schrecklichen Blutbades. Als Meierhofer, der gerade zum zweiten Mal Opa geworden ist, und sein Team am Tatort eintreffen, entdecken sie unzählige Blutspuren. Doch vom Opfer fehlt jede Spur. Wer war die Leiche und was geschah tatsächlich im Kaminzimmer des Ferienhauses?“

Dieser Krimi ist der 6. einer Reihe rund um den niederösterreichischen Chefinspektor Meierhofer und sein Team.

Ein blutiger Mord ohne Leiche? Einige Personen, die sich verdächtig benehmen? Cui bono? Wer hat ein Motiv? Warum ist das offensichtliche Opfer unter falschem Namen in der Wachau abgestiegen und was hat der eifersüchtige Mann der Vermieterin damit zu tun? Fragen über Fragen, die Meierhofer und sein Team akribisch untersuchen müssen, um Antworten zu bekommen. Als dann die Leiche in Wien doch noch auftaucht, ist Zusammenarbeit mit den Wiener Kollegen gefragt.
Werden die beiden Teams das Rätsel um die Bluttat in der Wachau lösen können?

Wow, welch ein diffiziler Fall! Nichts ist, wie es scheint. Mein erster Krimi von Lisa Gallauner und so fesselnd, dass ich ihn nicht mehr aus der Hand legen konnte. Wieso ist mir diese Autorin solange entgangen?

Die Figuren sind, egal ob gut oder böse, exakt charakterisiert. Besonders gut hat mir natürlich Meierhofer gefallen, der Ecken und Kanten zeigt. Mit seinen sechzig Lebens- und einer Menge Dienstjahren gehört er zu den wenigen Ermittlern, die durch Erfahrung und gute Menschenkenntnis Erfolge vorweisen können, als durch übermäßigen Alkoholkonsum. Auch, dass er ein intaktes Familienleben hat, gefällt mir sehr gut. Sein Team besteht aus einigen interessanten Typen, die ich, wenn ich die fünf vorherigen Fälle noch lese, sicherlich auch noch schätzen lerne.

Fazit:

Ein Atem raubender Krimi vor der Kulisse der schönen Wachau.
Ich bin ganz hingerissen und vergebe gerne fünf Sterne und eine unbedingte Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 01.04.2018

Wer schießt hier mit Pfeil und Bogen?

Teufelsziel
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Sommerliche Hitze macht Chefinspektor Hans Meierhofer, der laut Eigendefinition ein „Wintermensch“ ist, schwer zu schaffen. Als dann noch eine junge Frau im Wald tot aufgefunden wird, schwitzen Meierhofer ...

Sommerliche Hitze macht Chefinspektor Hans Meierhofer, der laut Eigendefinition ein „Wintermensch“ ist, schwer zu schaffen. Als dann noch eine junge Frau im Wald tot aufgefunden wird, schwitzen Meierhofer und sein Team gewaltig: Die junge Frau ist als Prinzessin verkleidet und aus ihrer Brust ragt ein schwarzer Jagdpfeil. Meierhofer befürchtet mit seinem untrüglichen Bauchgefühl weitere Tote.

Und tatsächlich, die nächste junge Frau, diesmal als Elfe verkleidet und mit einem Pfeil in den Rücken wird ermordet aufgefunden.

Meierhofer, Staudinger und die junge Bromspeidel ermitteln auf Hochtouren und kommen dem Täter gefährlich nahe. Gelingt es, den Mörder rechtzeitig vor dem nächsten Mord zu fassen?

Fazit:

Der nunmehr 7. Fall für das sympathische Ermittlerteam. Gerne gebe ich 5 Sterne.


Veröffentlicht am 01.04.2018

"Alle Menschen san ma zwider, .."

Horak hasste es, sich zu ärgern
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Schauplatz Wien-Josefstadt/Traditionscafé Hummel:
Erwin Horak, seines Zeichen Lehrer für Mathe und Physik im nahen Piaristen-Gymnasium verbringt jeden Abend im Hummel um sein Abendessen zu genießen und ...

Schauplatz Wien-Josefstadt/Traditionscafé Hummel:
Erwin Horak, seines Zeichen Lehrer für Mathe und Physik im nahen Piaristen-Gymnasium verbringt jeden Abend im Hummel um sein Abendessen zu genießen und Zeitung zu lesen. Wobei genießen wohl der falsche Ausdruck ist, denn Horak ist alles andere denn ein Genussmensch. Er ist ein Misanthrop wie er im Buche steht. Er kann nichts und niemanden leiden, hasst Störungen, seinen Beruf, die Schüler, die Kollegen, die Nachbarn, Autos und vor allem gurrende Tauben.

Einzig mit Kurt, einem Latein-Professor, spielt er seit Jahrzehnten einmal wöchentlich Karten im Hummel. Doch gepflegt konversiert wird hier auch nicht: Kurze, knappe Worte – das muss reichen.

Erwins Leben ändert sich, als Kurt in den Ruhestand geht und mit seiner Frau Resi einen neuen Lebensabschnitt beginnen will. Das wäre an sich schon eine einschneidende Änderung in Erwins gleichförmiges Leben, denn nun fürchtet er den Schulbeginn noch mehr. Was soll er ohne Kurt?

Doch eine viel schwerwiegendere Änderung schneit ihm in Form der Trafikantin Elfriede an den Kaffeehaustisch.
Sie lässt sich von Erwins ruppigen Gehabe nicht abschrecken und setzt sich täglich an seinen Tisch. Zu Beginn ist die Konversation einseitig, doch scheint Erwin,die freche Person nicht aus dem Kopf zu gehen.

Meine Meinung:

Die Autorin hat hier eine wirklich nette Geschichte erzählt. Wie oft begegnen wir Menschen, die ruppig und grob erscheinen? Oft vermuten wir schlechtes Benehmen dahinter. Meistens haben wir weder die Zeit noch das Animo sich mit solchen Mitmenschen länger als nötig zu beschäftigen. Wenn man allerdings versucht, hinter die grobe Fassade zu blicken, kann sich ein verletzlicher und netter Mensch verstecken.
Wie singt schon Kurt Sowinetz in einem seiner Chanson? „Alle Menschen san ma zwider, ..“

Mir hat das Lokalkolorit des achten Wiener Gemeindebezirks (=Josefstadt) sehr gut gefallen. Der kleine Bezirk hat wenig Grünflächen, dafür mehr Kaffeehäuser und wirkt im Sommer besonders heißt. Die Verkehrsader Josefstädter Straße ist fast immer verstopft. Autos, Straßenbahn, Autobus und Radfahrer duellieren sich regelrecht um die Vorfahrt. Ja, genauso kenne ich die Josefstadt!

Ein besonderes Highlight ist natürlich das Café Hummel, in dem man seit längerer Zeit nun doch nicht mehr rauchen darf, aber umso mehr exzellente Speisen zu sich nehmen kann.

Sprachlich hat mir das Geplänkel zwischen Erwin und Elfriede sehr gut gefallen. Die Charaktere sind liebevoll gestaltet. Erwin und Elfriede, Kurt und Resi oder auch die Kellner Klaus und Peter sowie die alte Dame Josefine haben ihre Ecken und Kanten und sind in ihrer schrulligen Art liebenswert.

Fazit:

Ein gekonnter Blick mit Augenzwinkern auf eine echte Wiener Spezies: Den Grantscherm. Gerne gebe ich für dieses nette Buch 5 Sterne.

Veröffentlicht am 28.03.2018

Eine aufwühlende Familiengeschichte

Roter Herbst in Chortitza
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Mit dieser Familiengeschichte, die sie von 1919 bis in die 1970er Jahre erstreckt ist Tim Tichatzki ein aufwühlendes Debüt gelungen.

Er zeichnet den Weg zweier Jugendfreunde, Willi und Maxim, nach, die ...

Mit dieser Familiengeschichte, die sie von 1919 bis in die 1970er Jahre erstreckt ist Tim Tichatzki ein aufwühlendes Debüt gelungen.

Er zeichnet den Weg zweier Jugendfreunde, Willi und Maxim, nach, die sich weit auseinander entwickeln: Willi, ist Mitglied der mennonistischen Glaubensgemeinsachft, die der Gewalt abschwören und Maxim, der im nachrevolutionären Russland, zum gefürchteten Schlächter wird. Sie werden sich Jahrzehnte und viele Tote später in einem Arbeitslager wiederbegegnen.

Meine Meinung:

Obwohl als „Historischer Roman“ deklariert, steht gleich auf dem Cover „nach einer wahren Geschichte“. So weiß der Leser gleich, woran er ist. Worauf vermutlich die wenigsten gefasst sind, ist die Brutalität mit der das ehemalige Zarenreich in einen modernen (?) Staat umgewandelt werden soll. Zuerst Lenin, dann Stalin – die beiden wollen aus dem rückständigen Bauernstaat eine floriernde Industrienation machen, koste es was es wolle. In diesem Fall: Millionen von Menschenleben. Bauern, die zwangsweise in Kolchosen umgesiedelt werden und dort unter unmenschlichen Bedingungen und unfähigen, aber brutalen Aufsehern Getreide „erzeugen“ sollen. Familien werden auseinander gerissen, echte oder vemeintliche Regimegegner verhaftet, verschleppt und ermordet.

In diesen geschichtlichen Kontext spielt sich das Leben der Mennoniten der Ukraine, die lange als Kornkammer Russlands bezeichnet wurde, ab. Die Menschen sind willkürlichen Repressalien und Gewaltorgien ausgesetzt, die Ausübung der Religion wird wie überall in der Sowjetunion verboten.
Kaum keimt ein wenig Hoffnung auf, wie zum Bespiel der Einmarsch der Deutschen in Russland, wird diese sofort wieder zunichte gemacht. Zwar wird die Familie Bergen Richtung Westen bis Thüringen, evakuiert, das dann nach dem Zweiten Weltkrieg als russiche Zone nach der Teilung Deutschlands unter sowjetischen Einfluss steht. Dann gerät die Familie zwischen die Mühlsteine der Politik und wird als „Deutsche“ in ein Arbeitslager nach Sibirien verfrachtet. Erst in den 1970er gelingt es den Mitgliedern der Familie Bergen, die auch die Familie des Autors ist, die Ausreise nach Deutschland.

Ohne jegliches Pathos blickt Tim Tichatzki auf eine der dunkelsten und blutigen Jahrzehnte der Geschichte zurück. Mit bewegenden Worten und ohne Effekthascherei wird das Grauen, das Stalins Schergen verübt haben, dargstellt. Als historisch interessierte Leserin sind mir die Gräueltaten des Sowjetregimes in großen Zügen bekannt. In der detaillierten Darstellung habe ich sie jedoch noch nicht betrachtet. Lenin, Stalin, Blochin, Jeschow oder Beria sind für mich keine Unbekannten. Auch Fünf-Jahres-Pläne, die Säuberungen im „Großen Terror“ und die Millionen (Hunger)Toten durch völlige Fehlplanung und Verrohung der Machthaber sind mir geläufig.

Auf Grund der riesigen Zahl an Opfern ist es schwer, sich dem Einzelnen zu nähern. Dies gelingt mit diesem Roman in eindrucksvoller Weise. Die Personen sind authentisch dargestellt. Hin und wieder habe ich das Gefühl gehabt, den einen oder anderen „beuteln“ zu müssen, weil mir die friedvolle an Naivität grenzende Haltung der Gemeindemitglieder ein wenig zugesetzt hat. Doch dies ist natürlich dem Wissen von heute geschuldet. In der aktuellen Situation und in ihrem beinahe unerschütterlichen Glauben an das Gute im Menschen, konnten die Mitglieder dieser mennonitsche Gemeinde nicht anders handeln.

Fazit:

Ein Buch, das eine noch viel zuwenig aufgearbeitete dunkle Phase der europäischen Geschichte behandelt. Allerdings ist das Buch nichts für zartbesaitete Gemüter. Gerne gebe ich 5 Sterne und eine Leseempfehlung.