In der Stadt New Orleans geht zwischen 1918 und dem Frühjahr 1919 ein Serienmörder um, den die Presse medienwirksam „Der Axtmörder“ getauft hat. Er geht äußerst brutal vor und hinterlässt blutige Tatorte, aber keine Spuren. Die Polizei tappt im Dunkeln und der ermittelnde Inspektor Michael Talbot steht mächtig unter Druck. Alle Hinweise deuten auf einen Täter aus Mafia-Kreisen hin, doch Die Familie ist unangreifbar. Dennoch will der Pate, der Sizilianer Carlo Matranga, den Mörder finden, und er beauftragt denn frisch aus der Haft entlassenen Ex-Polizisten Luca D'Andrea damit Nachforschungen anzustellen. Parallel zu Talbot und D'Andrea wird die junge Ida Davis von der Detektei Pinkerton auf den Fall aufmerksam, sie stöbert in alten Akten der Detektei und mit der Hilfe ihres sehr guten Freundes, des Jazzmusikers Lewis Armstrong, geht sie ihren eigenen Hinweisen nach. Unabhängig voneinander tauchen die Drei in die schrecklichen Abgründe der an Verderbtheit und Verbrechen nicht eben armen Stadt ein, decken so manchen Skandal auf und kommen nach und nach dem Mörder immer näher. Doch dieser ist ihnen immer einen Schritt voraus....
Was soll ich sagen, bis auf: UN-BE-DINGT LE-SEN!!!! Ich habe selten so ein geniales, spannendes, faszinierendes, atmosphärisch dichtes, sprachlich gewandtes, fesselndes Buch gelesen, bei dem zudem die Charaktere derartig vielschichtig herausgearbeitet wurden, dass eine Authentizität entsteht, die fast schon unheimlich ist. Zugegeben, es gibt viele Tote – aber wir reden hier von einem Serienmörder, die Mafia spielt eine große Rolle, damit muss man umgehen können, und auch mit den ausführlichen Beschreibungen des Autors von Tatorten, Opfern und Folterungen. Die Geschichte fesselt von der ersten Zeile an und nimmt rasend schnell Fahrt auf. Der Spannungsbogen wird stetig vorangetrieben und schnellt schließlich im Finale nochmals und gleich dreifach nach oben! Formal unterteilt in sechs Teile, eingerahmt in Pro- und Epilog, übergibt der Autor in den einzelnen Kapiteln gleich mehreren Protagonisten das Wort. Die verschiedenen Erzählperspektiven geben dem Leser die Möglichkeit, nicht nur der Handlung aus verschiedenen Perspektiven zu folgen, sie machen ihn zudem allwissend und geben ihm eine sehr umfassende Kenntnis des gesamten Geschehens. Der Fall selbst und die Lösung sind sehr komplex und somit machen diese drei unterschiedlichen Ermittlungsansätze sehr viel Sinn und geben ein stimmiges Gesamtbild.
Die drei Hauptfiguren, die Ermittler Michael Talbot, Luca D'Andrea und Ida Davis nehmen mit ihren Erzählsträngen den größten Raum ein, aber auch die Nebenfiguren wie der Journalist Riley und auch andere Informanten tragen sehr wesentlich zur Lösung des Falles bei. Alle drei ermitteln mit ihren eigenen Methoden und bringen sich natürlich mehr als einmal in größte Gefahr. Jede Figur verkörpert eine bestimmte ethnische Gruppe, Michael den Weißen irischer Herkunft, D'Andrea den Sizilianer, der in Der Familie aufgefangen wird, aber auch gefangen ist, und schließlich Ida, die sich sowohl als Frau als auch als Mischling gegen einige Übergriffe und Diskriminierungen wehren muss. Ihr Mut und ihre Intelligenz haben mich am meisten beeindruckt, aber auch von Michael und Luca war ich sehr angetan, beide sind zwiegespalten, verbeißen sich aber in den Fall, obwohl sie ihre jeweiligen Systeme - Luca die Mafia, Michael den Polizeiapparat und die Verwaltung, - anzweifeln. Alle haben eine vielschichtige Persönlichkeit, sie haben Ängste und Zweifel und sie scheuen sich auch nicht Menschen zu töten. Aber sie sind auch empathisch und streben nach Gerechtigkeit. Jeder einzelne dieser drei Erzählstränge führt den Fall dem finalen Höhepunkt zu.
Es treten generell sehr viele Figuren auf, doch im Lesefluss fällt diese Menge gar nicht auf, als Leser taucht man einfach in jedem neuen Kapitel aufs Neue in die jeweilige Perspektive ein und hat das Gefühl, nichts verpasst zu haben. Zur Übersicht gibt es aber auch ein Personenregister sowie zudem einen Plan der Stadt. Der Autor schafft es meines Erachtens auf geniale Weise, reale Geschehnisse wie den Brief des Axtmörders und das Leben des berühmten Jazzmusikers Armstrong zu einer spannenden Geschichte zu verknüpfen, bei dem sowohl die Charaktere als auch deren Umgebung bildhaft dargestellt werden und damit sehr real werden. Die Stadt New Orleans als Schmelztiegel sehr unterschiedlicher Sprachen und Kulturen, die Rassentrennung, die Armut, die Wetterkatastrophen, aber auch die Lebenslust der Menschen, ihre Musikalität und ihre Energie, nach schrecklichen Ereignissen wieder aufzustehen, aufzuräumen und weiterhin das Leben zu genießen, all dies wirkt sehr überzeugend. Die tolle detailliert-blumige Sprache des Autors lässt den Leser eintauchen, er lebt nicht nur mit, er ist dabei, er folgt Michael durch die schwülen dunklen Straßen, er sitzt mit Ida in der Straßenbahn, er hört den Jazz auf den Straßen. Die Geschichte ist eine wohlgesetzte Komposition, die einen verschlingt und in sich einsaugt und nicht mehr loslässt, bis man sie bis zur letzten Zeile gelesen hat. Dann erst kann man wieder ausatmen.
Fazit: Schlichtweg großartig und ein herrlicher Lesegenuss. Nichts für zart Besaitete, für alle anderen wärmstens empfohlen. Die Figuren wachsen einem ans Herz, jede ermittelt auf ihre Art und trägt ein Häppchen zur Lösung bei – eine sehr befriedigende Lösung angesichts der Tatsache, dass der reale Mörder nie gefunden wurde. Reale Tatsachen mischen sich aufs Vortrefflichste mit Fiktion, der Autor offenbart immenses Hintergrundwissen und historische Genauigkeit, aber auch ein großartiges erzählerisches Können. Kleine humorvolle Details geben der Geschichte die Würze, ansonsten ist es einfach ein großartiger Krimi vor dem faszinierenden Hintergrund der pulsierenden Südstaatenmetropole und der Hauptstadt des Jazz. In mir hat der Autor jedenfalls einen Riesenfan gefunden und nun hoffe ich inständig, dass Band zwei, auf englisch bereits unter dem Titel Dead Man´s Blues erschienen, schnellstmöglich auch auf deutsch erscheint!