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Venatrix

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 02.04.2018

Ein hist.Thriller vom Feinsten

Fest der Finsternis
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Ulf Torreck ist mit der Fortsetzung von „Vor der Finsternis“ ein bemerkenswerter historischer Thriller gelungen.

Historisches Umfeld:

Wir befinden uns im Jahre 1805. Napoleon Bonaparte, seit seiner eigenen ...

Ulf Torreck ist mit der Fortsetzung von „Vor der Finsternis“ ein bemerkenswerter historischer Thriller gelungen.

Historisches Umfeld:

Wir befinden uns im Jahre 1805. Napoleon Bonaparte, seit seiner eigenen Krönung vom 2. Dezember 1804 „Kaiser der Franzosen“ eilt von Sieg zu Sieg und unterjocht ganz Europa.

Die Menschen in Frankreich, vor allem die Reichen in Paris, die den „Grand Terreur“ des Jakobinerregimes überlebt haben, frönen all jenem dekadenten Luxus, den sie durch die Revolution besiegt geglaubt haben.

Allen voran Joseph Fouché, seines Zeichens Polizeiminister. Er ist ein „Stehaufmanderl“ (wie man in Wien sagt). Einmal in Ungnade bei Napoleon, dann wieder höchst willkommen mit seinem mächtigen Polizeiapparat, der auch die Geheimnisse der Staatsspitze hütet und zu seinem Vorteil einsetzt.

Sein Gegenspieler, Rivale und Erzfeind – im Leben wie im Thriller Charles-Maurice de Talleyrand. Ebenso ein ehemaliger Priester wie Fouché, ist er in den Jahren der Revolution steil aufgestiegen und als Außenminister Napoleons zu Reichtum und Ehren gekommen. Doch auch sein Wohlergehen ist von den Launen des Kaisers abhängig. Immer wieder spielt Napoleon die beiden gegeneinander aus.

Wir begegnen noch weiteren historischen Gestalten, die eine Hauptrolle in diesem Buch innehaben, aber längst nicht so berühmt sind. Vielleicht mit einer Ausnahme: Donatien Alphonse Marquis de Sade, jenem Adeligen, der die größte Zeit seines Lebens entweder in Haft oder im Irrenhaus verbrachte.
Auch Louis Marais ist historisch belegt, genauso wie Isabelle de la Tour, der Polizeiarzt Maurice Gevrol oder die Giftmischerin und Serienmörderin La Monvoisin.

Die Zeiten sind denkbar schlecht für die Mehrheit der Bevölkerung. Die Pest fordert unter den Armen wie unter den Reichen ihre Opfer. Verbrechersyndikate haben es relativ einfach – sie zahlen hohe Bestechungsgelder an die nicht allzu üppig entlohnten Staatsdiener, die dann bei Bedarf auch rechtzeitig wegsehen.

Zum Buch:

Der nach Brest strafversetzte Louis Marais wird von Fouché nach Paris zurückgeholt, nachdem eine unerklärliche Mordserie die Hauptstadt erschüttert. Die Opfer sind immer junge Mädchen, die kaum einer vermisst. Besonderes Kennzeichen: sie haben alle vor kurzem ein Kind geboren. Die Frauen sind bestialisch verstümmelt, die Kinder spurlos verschwunden. Marais soll nun diese Morde aufklären. Ein heikles Unterfangen zumal sich der Verdacht nach einer okkulten Sekte und perversen Riten ergibt.

Doch wer außer dem Marquis de Sade wüsste besser über solche Praktiken Bescheid? Also befreit ihn Marais aus der Irrenanstalt Charenton-Saint-Maurice.

„Es braucht ein Ungeheuer, um ein Scheusal zu fangen, das haben Sie selbst gesagt. Also beschweren Sie sich jetzt gefälligst nicht darüber, wenn andere versuchen, wie ein Ungeheuer zu denken.“ (S. 487)

Gemeinsam jagen sie den oder die Mörder. Doch sie hinken immer einen Schritt hinterher. Wie hängt Fouché in der Sache? Oder zieht Talleyrand die Fäden?

Marais kann niemandem im Polizeiapparat mehr vertrauen. Daher sucht er Hilfe bei einer ganz anderen Stelle: den Gitanes, dem fahrenden Volk, dem er selbst angehört.

Meine Meinung:

Was während der Ermittlungen aufgedeckt wird, ist nichts für zartbesaitete Leser. Allerdings werden die Grausamkeiten nicht aus reiner Sensationsgier geschildert.

Die Versuche von Maurice Gevrol zum Bespiel. Er ist besessen davon, die Ursache des Kindbettfiebers und ein Gegenmittel zu finden, sodass er Recht von Unrecht nicht mehr unterscheiden kann. Er „bestellt“ Leichen von Schwangeren, um an ihnen zu forschen, ohne über die Herkunft der Toten überhaupt nur nachzudenken.

Auch das Wort „Polizeigewalt“ ist durchaus wörtlich zu nehmen.

Ulf Torreck gelingt es perfekt, uns in diese dunkle Zeit eintauchen zu lassen. Der Gestank, der Schmutz des Molochs Paris ist auf jeder Seite spürbar. Der Einblick in die Lebensweise der Menschen dieser Zeit ist penibel recherchiert.

Die beiden Hauptcharaktere Louis Marais und de Sade könnten nicht unterschiedlicher sein: Marais ist ein knapp 40 Jahre alter, ernster und hartnäckiger Polizist. Er ist – für diese Zeit - integer und vom Leben gebeutelt.
Marquis de Sade, Verfasser von pornographischen und Kirchen kritischen Schriften, ist, obwohl häufig weggesperrt, doch auf der Sonnenseite des Lebens, im Überfluss geboren. Als Marais ihn aus der Irrenanstalt holt, ist Donatien 63 Jahre alt und hat wenig von seinem Sarkasmus eingebüßt. An vielen Stellen beweist de Sade schwarzen Humor, den ich sehr amüsant finde. Ihre unterschiedlichen Weltanschauungen zu Religion und Kirche regen zum Nachdenken an, und ergeben so manchen unkonventionellen Ermittlungsansatz.

Sprachlich ist das Buch ein Highlight, da es der Autor bestens versteht, sich der Ausdrucksweise des 19. Jahrhunderts anzunähern.

Das Cover, diesmal in roter Farbe gehalten, verspricht, was das Buch hält: pure Spannung.

Fazit:

Ein historischer Thriller vom Feinsten, dem ich liebend gerne 5 Sterne und eine Leseempfehlung gebe

Veröffentlicht am 02.04.2018

Spuren der Vergangenheit auf Wiens größter Baustelle

Napoleon in Aspern
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Die Stadtarchäologen Wiens untersuchen eines der größten Schlachtfelder Wiens: Aspern.

In diesem Ort tobt am 21. und 22. Mai 1809 eine gewaltige Materialschlacht zwischen Erzherzog Karl von Österreich ...

Die Stadtarchäologen Wiens untersuchen eines der größten Schlachtfelder Wiens: Aspern.

In diesem Ort tobt am 21. und 22. Mai 1809 eine gewaltige Materialschlacht zwischen Erzherzog Karl von Österreich und dem Kaiser der Franzosen, Napoleon Bonaparte. In diesem Gemetzel wird Napoleon erstmals persönlich besiegt. Dennoch entscheidet diese Schlacht nicht den Krieg, sondern erst die, ein paar Wochen später, am Wagram, die die Franzosen gewinnen.

Die Archäologen untersuchen dieses Gebiet unter anderem deswegen sehr genau, weil es als größtes Stadtentwicklungsgebiet Europas gilt, das schon vor einigen tausend Jahren besiedelt gewesen ist. Nach dem Ersten Weltkrieg ist das Gebiet der Flughafen Wiens. Schon beim Bau des Flughafens gibt es vereinzelt Funde aus 1809, denen man aber (noch) nicht viel Bedeutung schenkt.
Heute gibt es Sondierungsgrabungen und bei den Aushubarbeiten sind ständig Mitarbeiter der Stadtarchäologen dabei, um eventuell Interessantes gleich zu begutachten und zu bergen.

Was hat man also gefunden?

• 32 mehr oder weniger vollständige Skelette von Menschen
• 17 von Pferden
• Metallteile, die von Uniformen stammen
• Knöpfe aus Metall und Knochen
• Teile von Waffen und Munition
• Hufeisen

Das scheint eine geringe Ausbeute zu sein, man muss aber bedenken, dass die meisten Toten nach der Schlacht geborgen und auf diversen Friedhöfen bestattet wurden.
Waffen und Munition wurde eingesammelt und wiederverwendet.
An Hand der menschlichen Überreste konnte der Gesundheitszustand, das Alter und die Todesursache der Soldaten festgestellt werden.

Für an Archäologie und Geschichte Interessierte (wie mich) ist es total spannend, welche Story ein einfacher Knopf, der sich an einer Uniform befunden hat, erzählen kann.

Zahlreiche Fotos der Grabungen ergänzen den Textteil, der uns die Schlacht und die Strapazen, denen die Soldaten ausgesetzt waren, ein wenig näherbringt.

Stiche aus dem Heeresgeschichtlichen Museum und der Österreichischen Nationalbibliothek lassen die bunten Uniformen wieder auferstehen.
Auch auf die Bewaffnung und die daraus resultierenden Verwundungen und das völlig unzureichende Sanitätswesen wird hingewiesen.

Fazit:

Eine tolle Dokumentation der unermüdlichen Arbeit von Archäologen.

Veröffentlicht am 02.04.2018

Medi-Taping - Hilft wirklich

Medi-Taping: Schmerzfrei durch den Alltag
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Seit ich mir einen Bänderriss im Sprunggelenk zugezogen habe, beschäftige ich mich mit Medi-Taping. Davor habe ich über Kolleginnen und Kollegen, die die bunten Klebestreifen überall am Körper kleben ...


Seit ich mir einen Bänderriss im Sprunggelenk zugezogen habe, beschäftige ich mich mit Medi-Taping. Davor habe ich über Kolleginnen und Kollegen, die die bunten Klebestreifen überall am Körper kleben hatten, leise gelächelt.

Dieter Sielmann erklärt in seinem Buch die Wirkungsweise und Anwendungsgebiete des Medi-Taping. Natürlich kann es keine Wunder wirken und ein gerissenes Band wächst nicht mehr zusammen.
Auch als Prophylaxe und Unterstützung beim Sport lässt sich Medi-Taping gut einsetzen.
Die Farben haben ebenfalls gemäß Farbenlehre eine Bedeutung: Rotes Tape auf Muskeln, die aktiviert werden sollen, blaues auf Muskeln, die Verspannungen aufweisen. Das Gute ist, man kann nichts falsch machen!

Es folgen Schritt-für-Schritt-Anleitungen für unterschiedliche Anwendungsbereiche. Das einzig Blöde ist, dass für die meisten Anwendungen eine “Kammerzofe” nötig ist.

Die Tapes können, wenn sie ordentlich gesetzt sind, ca. 5 Tage belassen werden und duschen ist damit auch möglich.

Der Einsatz des Medi-Taping kann und soll den Arzt nicht ersetzen, bringt aber schnelle Entlastung bei muskelbedingten Schmerzen.

Für mich ein Glücksfall, weil ich so mein Sprunggelenk (vorerst) nicht operieren lassen muss. Inzwischen kann ich mein Sprunggelenk schon perfekt selbst tapen.

Fazit:

Ein übersichtliches Buch über den Einsatz von Kinesiologie-Tapes. Gerne gebe ich 5 Sterne.

Veröffentlicht am 02.04.2018

Ein echtes Lesehighlight

Demnächst in Tokio
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Demnächst in Tokio/Katharina Seewald/5 Sterne

„Keine Widerworte: Elisabeth heiratet Ernst!“ an diese Worte ihres Vaters kann sich die nunmehr 95 Jahre alte Elisabeth noch gut erinnern. In Erwartung ihres ...

Demnächst in Tokio/Katharina Seewald/5 Sterne

„Keine Widerworte: Elisabeth heiratet Ernst!“ an diese Worte ihres Vaters kann sich die nunmehr 95 Jahre alte Elisabeth noch gut erinnern. In Erwartung ihres nahen Todes will sie ihrer Tochter Karoline endlich reinen Wein einschenken. Viele Briefe hat sie begonnen und wieder zerrissen. Diesmal, so hat sie sich fest vorgenommen, wird sie ihr Vorhaben zu Ende führen.

Gesprochen wurden die oben erwähnten Worte im Deutschland von 1934. Auf Befehl des despotischen Vaters muss die noch nicht ganz 19-Jährige, den doppelt so alten Sohn des Firmenchefs, der ihrem invaliden, aber äußerst ehrgeizigen Vater Arbeit gibt, innerhalb weniger Stunden heiraten.
Während die frisch angetraute Ehefrau noch in Deutschland alles zusammenpacken muss, ist Ernst Wilhelm mit Diplomatenpass bereits auf dem Weg nach Japan, um in Tokio seine Position als Botschafter einzunehmen. „So Gott will, sehen wir uns demnächst in Tokio!“ (S. 29)

Elisabeth tritt die mühsame Reise mit der transsibirischen Eisenbahn in Begleitung einer Ordensfrau, Frl. Degenhardt, an. Frl. Degenhardt ist wortkarg. Die beiden Frauen stricken auf der langen Reise Socken für das Waisenhaus der Mission, in dem die Nonne arbeitet.

In Japan angekommen, wartet die nächste Überraschung: Ernst Wilhelm hat ein eigenes Schlafzimmer und rührt seine Gemahlin nicht an. Der geneigte Leser wird sich darob seine Gedanken machen.
Die deutsche Botschaft in Tokio ist ein Mikrokosmos wie auf einem anderen Stern. Doch langsam aber sicher ziehen auch hier die Sitten der NSDAP ein.

Elisabeths Leben gerät dann aus den Fugen als Alexander, ein Freund von Ernst Wilhelm, in ihr Leben tritt. Anfangs spöttisch “Zwerg” gerufen, wächst Elisabeth über sich hinaus, als auch der Ferne Osten vom Kriegsgeschehen der Zweiten Weltkrieg erfasst wird.
Dann wird Alexander der Spionage für Russland bezichtigt, verhaftet und zum Tode verurteilt.

Meine Meinung:

Ich habe das Buch in einer Nacht ausgelesen, weil ich von dieser Geschichte so fasziniert war. Die Entwicklung der quasi “verkauften” Tochter zu einer beeindruckenden Frau, die im fernen Japan ihren Mann steht, ist grandiose geschildert.
Elisabeth ist an der neuen, fremden und manchmal Furcht einflösenden Umgebung interessiert. Unbedarft wie sie ist, hat sie keine Vorurteile undbegegnet den Japanern auf Augenhöhe. Sie ist empathisch und kann dem hohlen Geschwätz der anderen Frauen, deren Männer in der Botschaft arbeiten nichts abgewinnen.

Sehr interessant finde ich die Hinweise auf die damals aktuelle politische Lage. Sie ist völlig unaufgeregt in die Handlung eingewoben und macht einen großen Teil der Dynamik und Spannung aus. Es ist ja bekannt, wie der Wahnsinn des 1.000-jährigen Reiches geendet hat. Dennoch sind die Einblicke sehr aufschlussreich zu lessen.

Wir Leser können uns zwar denken, wie es um die Verhältnisse zwischen Elisabeth – Alexander – Ernst bestellt ist. Das letzte große Geheimnis wird am Ende doch noch gelüftet.

Die Charaktere sind allesamt sehr gut gelungen. Elisabeth macht naturgemäß die größte Wandlung durch. Deswegen kann sie ihre Mutter nicht verstehen, die nach dem Tod von Elisabeths Vater, einen ebenso despotischen Mann heiratet und mit ihm nach Palästina geht.
Für Alexander hat der deutsche Spion Richard Sorge ein wenig Pate gestanden. Ein Grund, mich mit dieser schillernden Person in naher Zukunft weiter auseinander zu setzen.

Das mag ich an diesem Roman, dass er Anregungen gibt, sich mit dem einen oder anderen Aspekt näher zu beschäftigen. Z.B. Röhm-Putsch, von Schleicher-Affäre oder eben Richard Sorge.

Fazit:

„Demnächst in Tokio“ ist ein echtes Lesehighlight: spannend, gefühlvoll, lehrreich, fesselnd und zum Nachdenken anregend. Mehr kann man von einem Buch kaum erwarten, daher verdient es 5 Sterne und eine Leseempfehlung.


Veröffentlicht am 02.04.2018

Erik & Erika

Der Mann, der Weltmeisterin wurde
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Anlässlich seines 70. Geburtstags erscheint das zweite Buch von Erik Schinegger, jenem Mann, der bei der Schi-WM in Portillo 1966 Weltmeisterin wurde.

Wie kann das sein?
Die Geschichte ist so einfach ...

Anlässlich seines 70. Geburtstags erscheint das zweite Buch von Erik Schinegger, jenem Mann, der bei der Schi-WM in Portillo 1966 Weltmeisterin wurde.

Wie kann das sein?
Die Geschichte ist so einfach wie kompliziert.

Erik wird am 1948 auf dem Bauernhof seiner Eltern in Agsdorf bei St. Urban in Kärnten geboren - eine Hausgeburt, wie damals am Land üblich. Der prüfende Blick der Hebamme auf das Geschlecht des Neugeborenen ergibt ein Mädchen, das allerdings scheinbar einen kleinen Leistenbruch aufweist. Das Baby wird Erika genannt und wächst recht unbefangen, aber später mit harter Arbeit auf.
Ein bisschen scheel wird die grobknochige und burschikose Erika immer schon angesehen, weil sie sich nicht für Puppen und ähnliches Mädchenspielzeug interessiert. Schnitzen, “Bamkraxeln” wie man in Kärnten sagt und rangeln, das ist ihr Metier.
Auch in der Schule wird ihr unweibliches Verhalten bestraft und ihr Platz ist jahrelang neben einem der wilden Burschen – strafhalber.
Als Erika 1966 im chilenischen Cortillo Weltmeisterin wird, ahnt sie nicht, dass diese Goldmedaille ihre einzige bleiben wird. In der Schisaison 1967/68 wird der sogenannte “Sextest” eingeführt. Erika besteht den Test nicht – lt. diesem Ergebnis hat sie einen 100% männlichen Chromosomensatz. Der Österreichische Schiverband zwingt die völlig verdatterte Erika zum Rücktritt und will, dass sie sich zur Frau umoperieren lässt.
Man lässt sie im Glauben, danach wieder Rennen für den die Damenmannschaft fahren zu dürfen.

Schinegger steht nun vor einer folgenschweren Entscheidung. Familie und ÖSV wollen einen Skandal vermeiden und drängen zu einer Hormonkur, die ein Leben als (gebärunfähige) Frau ermöglichen würde. Eine Operation böte dagegen die Chance, ein zeugungsfähiger Mann zu werden. Erika entscheidet sich für die Operation und verlässt nach mehreren Operationen und einsamen Wochen das Krankenhaus als ERIK.

Was dann seitens Schiverband passiert, ist mehr als schäbig: Erik darf nicht mehr im Nationalkader fahren, obwohl er gute Ergebnisse bringt. Als Grund wird angegeben, dass sein Erscheinen Unruhe in die Mannschaft bringt…
Er muss seine Ausrüstung zurückgeben und wird von seiner Schi-Firma Kneissl fristlos (!)gekündigt.

In dieser Zeit zeigen sich die wahren Freunde. Allen voran Hans Naglreiter, der als Jugendlicher von seinem Vater ins Burgendland verpflanzt wird, um dort eine Bäckerlehre zu absolvieren. Diese Freundschaft hält bis heute.

Erik, der mehr als achtzehn Jahre seines Lebens als Mädchen verbracht hat, muss mit seinem echten Geschlecht erst umgehen lernen. Er kauft sich, “als Krücke” wie er sagt einen Porsche mit 185 PS und einer auffälligen orange/schwarzen Sportlackierung. Langsam wächst er in sein neues, zweites Leben hinein, lässt wenig anbrennen, heiratet Renate und wird Vater einer Tochter.
Mit seiner zweiten Frau Christa lebt er nach wie vor in Agsdorf. Seine Kinderschischule ist die größte Kärntens und erfreut sich regen Zulaufs.

2014 nimmt Erik an “Dancing Stars” teil. Seine Beweglichkeit, die ihn schon auf der Piste ausgezeichnet hat, kommt ihm auch hier zu Gute, bis er verletzungsbedingt aussteigen muss.

Die in Chile gewonnene Goldmedaille wird ihm nie aberkannt. Er schenkt sie später aus freien Stücken der Zweitplatzierten Marielle Goitschel. Rückgängig gemacht wird jedoch die anlässlich des Weltmeistertitels zuerkannte Schenkung eines Grundstücks seitens der Gemeinde, weil Erika nicht mehr Erika ist.

Meine Meinung:

Eine reflektierte Rückschau auf ein, nein, zwei Leben, in der wenig offenbleibt.
Erik Schinegger gibt unumwunden zu, dass ihn das Verhalten des OSV sehr gekränkt hat. Das Verbot für die Kollegen und Kolleginnen aus dem Kader mit ihm Kontakt aufzunehmen, der Maulkorb für die Medien – das alles hat ihn hart getroffen. Es wirft wohl eher ein schlechtes Bild auf den ÖSV, denn auf Erik. Er hat sich ja sein Schicksal nicht ausgesucht.

Wenn man heute Wochenschauberichte von 1966 sieht, muss man über Erika, die mit ihrer Sturmfrisur und in ihrem Kleid seltsam verkleidet wirkt, fast ein wenig schmunzeln.

Ich persönlich finde es ja ziemlich grotesk, dass bei allem medizinischen Aufwands, den der ÖSV betrieben hat (und betreibt), nicht aufgefallen sein soll, dass Erika eigentlich Erik ist. Aber, was man nicht sehen will, sieht man einfach nicht …

Die Zusage, Erika nach der Hormonkur und Umwandlung in eine Frau wieder in den Damenkader aufnehmen zu wollen, kann nur als Farce betrachtet werden. Aus einem männlichen Chromosomensatz (XY) kann keinesfalls ein weiblicher werden (XX). Spätestens beim nächsten “Sextest” wäre Erika wieder von den Bewerben ausgeschlossen worden. Da hätte ein “das haben wir nicht gewusst”, sicher nicht gezogen und ein möglicher Betrug vermutet worden. Auf einen solchen konnte sich der ÖSV sicher nicht einlassen, da vernichtet man lieber die sportliche Karriere des Erik Schinegger.

Ich werde jedenfalls den Film “Erik & Erika” ansehen. Regisseur Reinhold Bilgeri scheint das rechte Fingerspitzengefühl für dieses Thema zu haben.

Fazit:

Eine facettenreihe Autobiografie, des Mannes, der Weltmeisterin wurde. Gerne gebe ich fünf Sterne.