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Veröffentlicht am 13.08.2019

Hochstapler und Spion

Ein blendender Spion
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Die Geschichte des Spions Magnus Pym ist womöglich der anspruchsvollste Roman John le Carrés, den ich bisher gelesen habe. Pym ist der Sohn des Mythomanen Richard „Rick“ Pym und hat selbst ein ambivalentes ...

Die Geschichte des Spions Magnus Pym ist womöglich der anspruchsvollste Roman John le Carrés, den ich bisher gelesen habe. Pym ist der Sohn des Mythomanen Richard „Rick“ Pym und hat selbst ein ambivalentes Verhältnis zur Aufrichtigkeit und zur Lüge erworben. Dass diese Herkunft dem Beruf des Spions besonders förderlich ist, gehört zu den vielen Pointen, die dieser distanziert-ironische Text bereit hält.

Kunstvoll verschlungen mäandert die Erzählung durch die Biographien von Pym und Rick, verweilt in vielen Krümmungen bei der Betrachtung sowohl des allgemein Menschlichen wie auch der menschenfeindlichen Details des Agentenberufs. Das Autobiographische des Romans entnehme ich den Texten über den „Blendenden Spion“, es ist freilich völlig unerheblich zum Verständnis des Textes.

Einen Agententhriller hat le Carrés wieder nicht abgeliefert, sondern einen abgewogenen, leider oft weitschweifigen literarischen Roman, durch den man sich bisweilen beißen muss. Im Kern geht es la Carré um die Beziehungen zwischen Vater und Sohn, zwischen Wahrheit und Lüge, Loyalität und Verrat sowie um die Frage, wie sich Heimat definiert.

Gut, aber für meine n Geschmack zu langsam.

Veröffentlicht am 17.09.2018

Die Überlegenheit der Taube

Wie hoch die Wasser steigen
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Anja Kampmann erzählt mit schönen Sätzen, poetischem Bick und synästhetischen Details die Wochen des Bohrinselarbeiters Waclaw, nachdem dessen Kabinennachbar und Freund Mátyás in der Finsternis des Atlantiks ...

Anja Kampmann erzählt mit schönen Sätzen, poetischem Bick und synästhetischen Details die Wochen des Bohrinselarbeiters Waclaw, nachdem dessen Kabinennachbar und Freund Mátyás in der Finsternis des Atlantiks verschwunden ist. Waclaw macht sich auf, nach den Spuren von Mátyás zu suchen und begibt sich gleichzeitig auf eine Suche in eigener Sache.

Zu Beginn ist Waclaw ganz im Nebel seines Traumas gefangen: Der Verlust ist kaum zu fassen, die Welt um ihn verliert an Wirklichkeit. Kampmann setzt dies wunderbar in Sprache um, indem sich Gedanken, Handeln und Umgebung Waclaws ebenfalls in einen diffusen Nebel begeben, häufig wechseln und in der Unfähigkeit, die Wirklichkeit zu fassen, zu unterscheiden und zu beurteilen, alles glich wichtig oder unwichtig erscheint. Erst auf Seite 49 getraut sich Waclaw, Mátyás‘ Verschwinden auszusprechen: ein „accident“, vielleicht. Nun nimmt Waclaws Reise an die Orte, die beiden wichtig waren, Fahrt auf, schält sich ein Ziel heraus, das mehr ist als nur eine Flucht von der Bohrinsel: nach Ungarn, in Mátyás Dorf. Waclaws Weg mäandert nun durch die Zeiten und rund um das Mittelmeer, immer auf den Spuren. Hat er Mátyás geliebt? Waren sie ein Liebespaar? Ja, doch wird es nie explizit ausgesprochen.

Spätestens nachdem Waclaw in Mátyás‘ kleinem ungarischen Dorf gewesen ist, begreift er, dass sein Weg eine Reise rückwärts durch das eigene Leben ist. Dass er sich auf den Spuren seiner selbst bewegt, und einen Halt in sich sucht, der mit dem Tod seines Freundes weggebrochen war. Dieser innere Halt ist die Heimat, und die Heimat sind die Menschen, die ihm auf seinem Weg wichtig gewesen sind, Waclaw reist nach Italien, sucht nach Milena, nach dem Husten des Vaters, nach der Zeche im Ruhrpott. Die ganze Zeit verlässt der melancholische Nebel den Weg des Lesens nicht, hellt nur bisweilen auf, wenn mit Mátyás‘ Schwester Patrícia oder des Vaters Freund Alois echte Menschen in Waclaws Weg treten. Die Bedeutung der Tauben in diesem Roman liegt in ihrer Fähigkeit, ihre Heimat wieder zu finden. Darin sind sie Waclaw überlegen, und er weiß es.

Warum hat mir der Roman dennoch nicht gefallen?

Zunächst ist es die Detailverliebtheit der Autorin, die anfangs als erzählerisches Konzept wunderbar funktionierte, aber irgendwann zur Mache mutiert, der Handlung und der Erkenntnis im Weg steht. Die völlige Gleichgewichtung von elementarer Erinnerung und Fliegenleichen auf der Windschutzscheibe erregt in mi den Eindruck, der Erzählung eines Autisten zu folgen, der Wesentliches nicht aus dem Unwesentlichen herausfiltern kann.

Das Waclaw auf einer Reise zu sich ist, benötigt meines Erachtens nicht so viele Orte. Die Beliebigkeit, in der von Tanger nach Kairo, von Budapest nach Parma, von Bottrop nach Rotterdam gesprungen wird, wirkt bisweilen wie hektische Kulissenschieberei und lässt Waclaws Reiseumfeld zerfasern.

Kampmann liegt sprachlich nicht immer ganz richtig. Jungenkörper, die ins Wasser springen, machen nicht „klackklack“ (S. 195) Anglizismen wie „Waclaw erinnert dies oder jenes“ (z.B S. 52, 118) liegen unter dem sprachlichen Niveau Kampmanns und stören gewaltig. Auch das Fehlen der Anführungszeichen als Kennzeichen wörtlicher Rede hemmt Lesen und Verstehen der Begegnungen im Text unnötig.

Am meisten aber stört mich, dass Kampmann mit einem Arbeiter auf einer Bohrinsel einen harten Kerl aus einer extrem maskulinen Welt zu ihrem Protagonisten macht, ihn aber eigentlich nie in dieser Welt zeigt. Waclaw ist nachdenklich, traumatisiert, sensibel - also alles andre als ein harter Kerl. Schlimmer noch: Er ist nicht einmal männlich. Ich habe den Eindruck, Kampmann hat die Männer oder zumindest diesen Mann nicht verstanden.

„Wie hoch die Waser steigen“ steht auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis 2018, was ich nachvollziehen kann, weil Kampmanns Sprach ein hohes Niveau hat. Aber für meien Shortlist reich es nicht.

Veröffentlicht am 03.04.2018

„Eine Legende ist eine Lüge, eine allgemeine Wahrheit zu erklären“

Das Labyrinth der Lichter
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Zafón beendet seinen vierbändigen Zyklus um den „Friedhof der Vergessenen Bücher“ in seiner geliebten Heimatstadt Barcelona mit dem „Labyrinth der Lichter“. Zwar versichert die Vorbemerkung, man könne ...

Zafón beendet seinen vierbändigen Zyklus um den „Friedhof der Vergessenen Bücher“ in seiner geliebten Heimatstadt Barcelona mit dem „Labyrinth der Lichter“. Zwar versichert die Vorbemerkung, man könne den vierten Band auch lesen, ohne die anderen drei zu kennen, aber für den sättigenden Lesegenuss sollte man dieser Vorbemerkung nicht trauen.
Zur Handlung
Der im Franco-Regime emporgekommene Minister Mauricio Valls ist 1958 verschwunden, und die ungewöhnliche Geheimpolizistin Alicia Gris sowie der altgediente Hauptmann Vargas sollen ihn in Barcelona aufspüren. Alicia ist die zentrale Figur des Romans - eine bisweilen zynische, desillusionierte Femme fatale mit besonderen Ermittlerqualitäten, deren Vergangenheit mit dem Personal der anderen drei Bände verwoben ist - mit Fermín und der Familie Sempere. Alicia und Vargas begeben sich auf Valls‘ Spur, folgen den mysteriösen Hinweisen auf die Bücher des Schriftstellers Víctor Mataix und folgen den verschlungenen Pfaden durch das magische Barcelona und die Zeit der sterbenden Republik 1936-1944. Nach dem Angriff auf Vargas und Alicia am Ende des zweiten Buchdrittels wechseln die Akteure: Alicia tritt in den Hintergrund und die grausamen Täter des Regimes und ihre Opfer treten hervor: Leandro, Hendaya, Valls sowie David Martín, Mataix, Ariadna und Mercedes. Den Roman beschließt eine epilogische Sequenz aus der dritten Sempere-Generation und eine Rückkehr zu Julián Carax und dem „Schatten des Windes“
Drei starke Frauenpersönlichkeiten beweisen ihre selbstbewusste Eigenständigkeit: Alicia, Ariadna und die mit Daniel Sempere verheiratete Bea. Auch an diesen drei Frauenfiguren wird deutlich, dass Zafón sich für seine Figuren nicht gleich viel Mühe gegeben hat: Während Alicia vielschichtig und interessant ist, bleibt Bea eindimensionales Abziehbild. Regelrecht hölzern kommt ihr Gatte Daniel daher. Mit Vargas und Fermín schafft Zafón zwei gelungene Sympathieträger, mit Leandro und Hendaya zwei Antagonisten, die stets am Rande des Klischees wandeln.

Was ist besonders gelungen?
Zafón versteht es, seine Geschichten so zu schreiben, dass sie sich in einem Taumel aus Bewegung und Farbe, Atmosphäre und Stimmung wie von selbst lesen. Die Lektüre geschieht in höchster Rasanz, man fühlt sich durch die Handlung getragen, nie gehetzt. Gerade der Einstieg in das „Labyrinth der Lichter“ - Fermíns Ankunft in Barcelona und die Bombennahct, in der die junge Alicia verletzt wird - erzeugt den „Zafónschen Leserausch“, der seine Romane so besonders macht. „Eine Legende ist eine Lüge, eine allgemeine Wahrheit zu erklären“ (S. 184)
Die besondere Chemie zwischen Alicia und Vargas sowie die Atmosphäre bei den Semperes sind ebenfalls gelungen und beweisen die Erzählkunst des Autors, der den Schriftsteller David Martín sagen lässt, „… dass es in der Literatur nur ein wirkliches Thema gebe: nicht was man erzählt, sondern wie man es erzählt.“ (S. 784) Das hat Zafón drauf, auch wenn die Liebeserklärungen an sein Barcelona bisweilen entweder überziehen („Barcelona ist ein verhextes Haus.“ S. 389) oder ins Banale abrutschen („Licht und Schatten wie diese Stadt“ S. 485).

Was hat nicht gefallen?
Zafón reißt seine Leser mit in eine gelungene Kriminalhandlung, bei der sein Ermittlerteam aus Alicia, Vargas und ein paar Statisten in die Abgründe der frühen Franco-Ära und die vielen tragischen Geschicke der Opfer und ekelhaften Missetaten der Täter steigt. Dabei breitet sich der Plot in vielfachen Verzweigungen aus und ist bei der Lektüre nur schwer in Händen zu halten. Dass hier Längen entstehen, ist allerdings deutlich verzeihlicher als die Tatsache, dass der Autor seine Leser um den Erfolg der Ermittlungen bringt: Es sind nicht Alicia und Vargas, die dem Leser die Zusammenhänge um Minister Valls‘ Verschwinden und seine Verbrechen enthüllen, sondern die darin verstrickten Personen. Nach den Attacken auf Vargas und Alicia endet die zentrale Handlung zugunsten mitunter retrospektiver Zusammenfassungen, vor allem aber den Aktionen anderer Figuren. Wer die anderen Bände des „Friedhofs der vergessenen Bücher“ kennt, mag ab Seite 600 immer noch auf seine Kosten kommen, weil nicht nur die Mysterien des vierten Bandes aufgeklärt werden; wer aber nur Band vier kennt, darf sich zu Recht um einen ordentlichen Abschluss des auf den ersten 600 Seiten Erzählten betrogen fühlen.
Der Epilog um Julián Semperes Vergangenheitsbewältigung und seine Parallelisierung mit Zafón selbst gewähren zwar interessante Einblicke in die Konzeption des Zyklus‘des „Friedhofs der verschollenen Bücher“ (S. 896-898), wirkt aber erzählerisch und inhaltlich wie ein Fremdkörper.

Fazit
„Das Labyrinth der Lichter“ ist glänzend geschrieben und bereitet großes Lesevergnügen. Selbst die oben beschriebenen Schwächen trüben den Gesamteindruck nicht übermäßig. Der Roman ist ein empfehlenswerter Schmöker, den man allerdings erst nach Genuss der anderen drei Bände lesen sollte.

Veröffentlicht am 03.04.2018

Le Carré in der Post-Karla-Ära

Verräter wie wir
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Dima ist nicht nur ein Mensch mit Vergangenheit, einem wertvollen Geheimwissen über die Geldwäschepraxis im postsowjetischen Russland, das er verhökern möchte, und einem Plan, wie er seine Geheimnisse ...

Dima ist nicht nur ein Mensch mit Vergangenheit, einem wertvollen Geheimwissen über die Geldwäschepraxis im postsowjetischen Russland, das er verhökern möchte, und einem Plan, wie er seine Geheimnisse an den (westlichen) Mann bringen will. Er ist vor allem ein Mensch mit Herz. John le Carré ist mit seinen Figuren in „Verräter wie wir“ ein großer Wurf gelungen, wobei vor allem Dimitri Krasnow, genannt „Dima“ ein kraftstrotzender Vertreter der russischen Seele ist: gemütvoll, breitbeinig, leutselig und trinkfest. Und dabei extrem gefährlich, ein Familienmensch, der über viele Leichen ging.
Die Idee, dass Dima sein Wissen über die Geldwäsche russischer Mafiaclans an den britischen Geheimdienst verkaufen möchte, reflektiert die veränderten politischen Rahmenbedingungen in le Carrés Lieblingsspannungsfeld zwischen Russland und Großbritannien. Im ewigen Sowjetreich haben keine Masterminds wie „Karla“ mehr das Sagen, sondern menschenverachtende Raffgeier und Mafiosi. Das ist gelungen und schmeckt hochaktuell. Dass der britische Geheimdienst aus einer Mischung aus bürokratischem Phlegma und ebenso menschenverachtendem Dünkel Dima die Tour vermasselt, weil Menschen in dem großen Spiel nur hohle Figuren sind, passt zur Kälte der Welt er Spione.
Dass aber ein Tennisturnier den Hintergrund bildet und das unschuldig ins Spiel gezogene Pärchen Oxford-Dozent Perry Makepiece und Rechtsanwältin Gail Perkins zum Überlaufzirkus gehört, beschert der Handlung einige Längen vor allem beim Einstieg in die Geschichte und wirkt nicht immer ganz rund.
Unter dem Strich ein gelungener Geheimdienstroman mit hervorragend gezeichnetem Personal, aber gewiss nicht le Carrés stärkster Wurf.

Veröffentlicht am 16.08.2017

Schwergängige Geschichte zwischen Heimat und Exil, Wirklichkeit und Traum

Die satanischen Verse
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Rushdies Stil überrascht: Seine Geschichte sprüht vor fantastischen Einfällen, bunten Elementen, skurrilen Details. Die Handlung beginnt buchstäblich, indem die Protagonisten Gibril und Saladin vom Himmel ...

Rushdies Stil überrascht: Seine Geschichte sprüht vor fantastischen Einfällen, bunten Elementen, skurrilen Details. Die Handlung beginnt buchstäblich, indem die Protagonisten Gibril und Saladin vom Himmel fallen, und setzt sich fort in einem engelsgleichen Weg duch London und einem taufelsartigen durch die Hölle der Irrenanstalt, um schließlich wieder in Indien zu enden

Dazwischen erleben wir den Propheten Mohammed/Mahound in Zwichenkapiteln als etwas anders interpretierten Religionsstifter und können aus heutiger Sicht nicht nachvollziehen, warum das 1988/89 ein solcher Aufreger gewesen ist.

Der Roman ist klar gegliedert und kennzeichnet stets, ob die Handlung in Vergangenheit oder Gegenwart, Wirklichkeit oder Traum stattfindet, dennoch gerät man wegen der überbordenden Erzähllaune Rushdies immer wieder aus der Spur.

Ein nicht einfach zu lesendes, aber auch angesichts seiner Wirkung lesenswertes Buch.