Nachdem Lucy Briar einst ihre Heimat beinahe fluchtartig verließ, kehrt sie nun aus London zurück nach Melbourne, um ihren Vater zu besuchen. Doch kaum in der alten Heimat, überschlagen sich die Ereignisse, ihr Vater bricht sich bei einem Unfall die Hüfte, ihr Großvater verstirbt und hinterlässt ihnen das alte Anwesen Bitterwood Park. Um ihrem Vater einen Gefallen zu tun, bricht Lucy auf nach Bitterwood, um ein Familienalbum zu suchen. Dabei begleitet sie Magnus, der Mann, der schon immer ihre heimliche Liebe war, doch damals war er verheiratet und eigentlich auch viel zu alt für sie. Gemeinsam entdecken sie, dass das Familienalbum verbrannt wurde, doch alte Negative scheinen noch zu existieren. Je mehr Lucy in der Vergangenheit gräbt, desto mehr stösst sie auf Familiengeheimnisse und sie beginnt zu forschen, was damals wirklich auf Bitterwood geschah.
Meine Meinung
Schon dieses hübsche, leicht düster wirkende Cover weckte meine Aufmerksamkeit und da ich Geschichten rund um Familien und deren Geheimnisse liebe, wollte ich auch dieses Buch lesen. Nach Das Rosenholzzimmer und Am dunklen Fluss ist mit Der Schattengarten bereits das dritte Buch der Autorin auf Deutsch erschienen. Für mich war es zwar das erste Buch aus ihrer Feder, aber da die beiden anderen Romane bereits in meinem Regal stehen, war es mit Sicherheit nicht mein Letztes. Anna Romer hat einen sehr klaren und flüssigen Schreibstil, mit dem sie nicht nur detaillierte Bilder erschafft, sondern auch die dazu passende Atmosphäre. Allerdings fiel mir der Einstieg in diesen Roman nicht leicht, da es mir zu Beginn einfach viel zu langatmig war, durch die vielen, langen Beschreibungen, die leider nur wenig Tempo in die Handlung brachten. Doch ab dem Moment, als die Suche nach dem Vergangenen beginnt, konnte die Autorin mich absolut fesseln und das Buch wurde nur so verschlungen. Es wird düster, es wird spannend und auch tragisch, denn Anna Romer hat hier geschickt ein dunkles Geheimnis mit eingewoben, das mich neugierig machte, aber durchaus auch berührte, denn allein am Verhalten der Charaktere der Gegenwart wurde klar, dass da so einiges noch im Verborgenen ruhte.
Erzählt wird die Geschichte zum großen Teil auf zwei Zeitebenen, zum einen geht es in die Vergangenheit von Lucys Großvater Edwin in die Jahre rund um 1930. Wobei es auch immer wieder kürzere Einblendungen gibt, die den Leser noch weiter in die Vergangenheit führen. Das war zwar ein wenig verwirrend, doch dank der Zeitangabe über den Kapiteln wusste man zumindest, wo man sich befand. Die zweite Zeitebene spielt in der Gegenwart im Jahr 1993, aber auch hier gibt es immer mal wieder Sprünge in die Kindheitstage Lucys. Da all diese unterschiedlichen Zeiten doch irgendwo miteinander verknüpft sind, sind die Begebenheiten durchweg wichtig für die Entwicklung der Handlung, aber auch der Charaktere. Dazu gehören auch noch kleinere Geschichten, die Lucys Vater, ein Kinderbuchautor, verfasst hat und die von Lucy illustriert werden. Denn auch diese kleinen Geschichten gehören mit zu der Auflösung der Ereignisse, bzw. geben einen Einblick auf die Psyche der Charaktere, denn auch sie geben Vergangenes wieder.
Während Lucys Part in der Ich-Form erzählt wird, gibt ein personeller Erzähler die Geschehnisse aus vergangenen Tagen wieder. So kann man sich sehr gut in die Protagonistin Lucy versetzen, aber auch mit einer gewissen Distanz die vergangenen Ereignisse beobachten. Bei diesen habe ich doch lange im Dunklen getappt, was nun wirklich geschehen ist und ich wurde auf jeden Fall überrascht.
Lucy ist eine Protagonistin, bei der ich ein wenig Zeit benötigte, um mich wirklich auf sie einlassen zu können. Doch je mehr ich über sie erfuhr, desto sympathischer wurde sie mir und desto mehr konnte ich mich in ihre Handlungen hineindenken. Letzten Endes war sie ein schlüssiger und durchdachter Charakter. Aber auch Edwin, bei dem ich lange Zeit nicht wusste, wie ich ihn wirklich einschätzen sollte und dem ich gegenüber sehr distanziert blieb, wurde jemand, mit dem ich mitfühlen konnte, denn die tragischen Schicksalsschläge, die ihn und seine erste Frau Clarice ereilten, waren wirklich sehr bewegend.
Neben diesen beiden Charakteren gibt es eine ganze Menge Nebencharaktere, alle facettenreich und durchdacht und mit der gewissen Wirkung auf die Handlung, die diese zum guten Schluss klar und logisch auflösten.
Mein Fazit
Nach anfänglichen Schwierigkeiten in die Geschichte zu finden, wurde ich dann doch positiv überrascht und absolut gefesselt. Je mehr ich erfuhr, desto mehr geriet ich in den Sog der Erzählung. Anna Romer beschreibt detailliert mit einer lebendigen und atmosphärischen Sprache und ich fühlte mich mitten in die Handlung versetzt. Die Geschichte war tragisch, ja schon dramatisch und ließ mich doch bewegt zurück. Mein erstes, aber mit Sicherheit nicht mein letztes Buch der Autorin. Wer Geschichten um längst vergangene Familiengeheimnisse mag, sollte hier einfach mal hineinschnuppern.