Jede Menge Fiktion, aber leider kaum Fakten
New Orleans, 1919: Der Axeman geht um in der Stadt. Es gab bereits mehrere brutale Morde unter italienischstämmigen Lebensmittelhändlern, was den Verdacht auf die Mafia lenkt, dennoch tappt die Polizei, ...
New Orleans, 1919: Der Axeman geht um in der Stadt. Es gab bereits mehrere brutale Morde unter italienischstämmigen Lebensmittelhändlern, was den Verdacht auf die Mafia lenkt, dennoch tappt die Polizei, allen voran der leitende Ermittler Talbot, völlig im Dunkeln. Als dann auch noch Opfer zu verzeichnen sind, die nicht der italienischen Gemeinde angehören, ist es Zeit umzudenken. Doch nicht nur die Polizei ist hinter dem Axeman her, auch eine junge, ehrgeizige Mitarbeitern der Pinkerton-Detektei ermittelt auf eigene Faust in diesem Fall, und Talbots ehemaliger Partner Luca d'Andrea wird vom Oberhaupt einer Mafia-Familie auf den Axeman angesetzt.
Die Axeman-Morde von New Orleans sind eine reale Mordserie, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Stadt in Angst und Schrecken versetzte und nie aufgeklärt wurde. Reale Morde oder Serienmorde, besonders wenn der Täter nicht ermittelt werden konnte, sind für mich immer ein reizvolles Thema, und daher greife ich bei solchen Büchern gerne zu.
Höllenjazz in New Orleans hat mich zuerst begeistert, denn durch die drei Erzählstränge ist Abwechslung garantiert, es geht auch recht temporeich vorwärts, und die Protagonisten gewannen schnell meine Sympathien. Diese Begeisterung flachte dann aber auch relativ schnell wieder ab, denn ich habe das Buch zuallererst als historischen Krimi gelesen - da die Mordserie nicht aufgeklärt werden konnte, bleibt dennoch genug Raum für fiktive Handlungselemente.
Gerade im Punkt "Historie" hat mich Ray Celestin aber letzten Endes leider enttäuscht. Es gibt zwar ein umfangreiches Personenregister, in dem praktisch jede Figur des Romans aufgeführt ist (auch wenn der Auftritt noch so winzig und in drei Zeilen abgehakt war), es fehlt jedoch eine Kennzeichnung, welche dieser Personen real oder fiktiv sind, auch ein erklärendes Nachwort sucht man am Ende vergeblich. Da es zudem keine Quellbelege zur Recherche gibt, ist bei mir insgesamt leider der Eindruck entstanden, als ob der Autor nach der Devise "Für jeden was dabei!" aus etwas Voodoo, einer Prise Mafia, und mit Jazzmusik als Untermalung eine völlig fiktive Geschichte um einen wahren Fall gestrickt hätte, bei der als kleiner Gag am Rande ausgerechnet der junge, noch unbekannte Louis Armstrong als Sidekick herhalten musste. Und das ist mir, wenn eine wahre historische Begebenheit im Mittelpunkt steht, einfach nicht genug. Denn wenn ich mir am Ende doch wieder die relevanten Hintergrundinformationen selbst im Netz zusammenzusuchen muss, brauche ich im Vorfeld wirklich kein Buch zu lesen.
Mit den broschierten Ausgaben von Piper bin ich schon einigen Kummer gewohnt, was die Verarbeitungsqualität angeht. Auch Höllenjazz in New Orleans macht da keine Ausnahme, wenn man Leserillen vermeiden will, muss man das Buch schon extrem behutsam lesen und darf es eigentlich nie ganz aufklappen. Und nach nur einem Lesedurchgang ist in diesem Fall sogar schon die Beschriftung auf dem Buchrücken in Auflösung begriffen, was ich bei einem Preis von 16,00 Euro als qualitativ minderwertig ansehe - sowas ist mir bei Büchern anderer Verlage jedenfalls noch nie untergekommen, und die sind im vergleichbaren Format auch nicht teurer. Da das den Inhalt den Buches aber weder besser noch schlechter macht, und der Autor auf solche Details ohnehin keinen Einfluss hat, habe ich diesen Punkt bei der Bewertung außen vor gelassen.
Wer noch nie vom Axeman gehört hat, und das Buch lediglich als spannenden Krimi vor historischem Setting lesen möchte, kann zu meiner Wertung einen Stern dazurechnen und bedenkenlos zugreifen, wer sich allerdings von der Handlung ein paar neue, spannende Details zur realen Mordserie erwartet, wird wohl eher enttäuscht sein, denn in dem Punkt gibt die Handlung nicht wesentlich mehr her als der entsprechende Wikipedia-Artikel.