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Veröffentlicht am 19.08.2018

Sanfter Feminismus

Das weibliche Prinzip
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Ein bisschen weichgespült mutet Meg Wolitzers neuestes Buch „Das weibliche Prinzip“ an, nachdem man nach Verlagswerbung und Klappentext eigentlich einen feministischen Roman erwartet. Ich habe das Buch ...

Ein bisschen weichgespült mutet Meg Wolitzers neuestes Buch „Das weibliche Prinzip“ an, nachdem man nach Verlagswerbung und Klappentext eigentlich einen feministischen Roman erwartet. Ich habe das Buch dennoch gerne gelesen, denn die Autorin kann schreiben und verknüpft Amerikanische Familiengeschichte und Coming-of-Age-Roman Geschichte mit einer Geschichte zur Frauenbewegung, letztere allerdings eher wenig kämpferisch.

Geer Kadetsky, ein schüchternes Kleinstadt-College-Mädchen und Faith Frank, seit Jahrzehnten eine Ikone der amerikanischen Frauenbewegung, begegnen sich bei einem von Faiths College-Auftritten. Die damals 63jährige Faith besitzt alle Attribute, die Greer gerne hätte: sie ist charismatisch, kämpferisch und unerschrocken. Die unsichere Greer verändert sich durch diese Begegnung und beginnt, sich wichtige Lebensfragen außerhalb ihrer kleinen heilen Welt mit ihrem Freund Cory, den sie seit Kindestagen kennt, zu stellen. Nach ihrem Abschluss bietet Faith Greer einen Job in einem neuen Frauen-Projekt an, Greer zieht nach Brooklyn und verabschiedet sich damit vollends aus ihrem alten Leben und ihren kleinlichen Zukunftsplänen. Viele positive und auch negative Erfahrungen prägen von da an ihren nicht immer leichten Weg, der sie zur Selbsterkenntnis, Einsicht und letztlich wieder zur zufriedenen Gelassenheit führt.

Meg Wolitzer zeichnet das feministische Erwachen und das Erwachsenwerden der Greer Kadetsky nach, eine Heldin, die sich letztlich versucht selbst zu verwirklichen, aus ihrem kleinen beengten Kreis auszubrechen und statt dessen einen steinigen aber idealistischen Weg einschlägt. Mit vielen Rückschauen und sehr differenzierten Nebenfiguren und Nebenschauplätzen ergibt sich ein unterhaltsames Konstrukt. Interessante Blicke auf die Geschichte der Frauenbewegung, denn auch wenn Faith Frank eine fiktive Figur ist, findet man Entsprechungen in der Frauenbewegung weltweit, und nicht zuletzt aktueller Bezug zu den Machtfragen der Trump-Ära hätten einen wirklich großartigen Roman hervorbringen können, wenn die sprachliche Spritzigkeit der Autorin bei der stellenweise hausbackenen und althergebrachten Übersetzung nicht auf der Strecke geblieben wären und wenn sich Meg Wolitzer nicht weitestgehend auf die kuschelige Gemütlichkeit der weißen weiblichen Mittelschicht beschränkt hätte, die auf Frauen-Konferenzen mit Appetizern in Edelklamotten frisch frisiert die schreckliche Welt ein bisschen zu verbessern versucht.

So ist es eben ein gut lesbarer, unterhaltsamer Roman, dem aber jeglicher feministischer Kampfgeist fehlt, der die Heldinnen seltsam unproduktiv verharren lässt, da die Frage nach Intersektionalität hinsichtlich wirtschaftlicher, sexistischer und rassistischer Benachteiligung nicht einmal gestellt wird und die statt dessen in Drogenschwadigen Erinnerungen schwelgen. Auch bezüglich Greers Weg dreht sich die Geschichte letzten Endes im Kreis, denn auch sie erhebt, als sie desillusioniert auf unbequeme Wahrheiten stößt, nicht wirklich ihre Stimme, sondern gibt den Stab letztlich nur weiter und zieht sich zurück.

Veröffentlicht am 20.07.2018

Palästinensische Lebenslinien

Häuser aus Sand
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Die palästinensisch-amerikanische Autorin Hala Alyan hat mit ihrem Buch „Häuser aus Sand“ einen Generationenroman mit Fokus auf den Frauen der Familie Jakoub geschrieben, der sich mit der Heimatlosigkeit ...

Die palästinensisch-amerikanische Autorin Hala Alyan hat mit ihrem Buch „Häuser aus Sand“ einen Generationenroman mit Fokus auf den Frauen der Familie Jakoub geschrieben, der sich mit der Heimatlosigkeit und der Sehnsucht nach Frieden und Geborgenheit auseinandersetzt

Wie Sand zwischen den Fingern verrinnen und vergehen die Häuser der Familie, die über mehrere Generationen auf der Flucht vor Krieg und Gewalt ist. Beginnend mit Vertreibung und Fluch vom angestammten Familienbesitz mit Orangenplantage aus Jaffa am Mittelmeer 1948 führt der Weg über Nablus im Westjordanland, nach Kuweit-Stadt und Ammam in Jordanien bis nach Beirut im Libanon, ständig begleitet von Krieg, Angst und Verlust.
Alia, deren Lebensweg man im Roman verfolgt, kann sich an die Schönheit Jaffas im Gegensatz zu ihrer Mutter nicht mehr erinnern. Sie war 3 Jahre alt, als die Israelis die Stadt einnahmen und die Familie vertrieben wurde. Nablus ist ihre wahre Heimat, hier wächst sie auf, lebt im Glück mit ihrem Ehemann Atef, umgeben von ihrer Familie. Bis der von der arabischen Allianz gegen Israel verlorene Sechstage-Krieg 1967 die Familie zur erneuten Flucht zwingt, nach Kuweit-Stadt in die sengende Hitze bzw. nach Ammam in Jordanien. Wie zuvor ihre Mutter fühlt sich Alia in Kuweit unwohl, fremd und heimatlos. Sie lebt wie eine Gefangene mit einem kleinen Lichtblick auf den Sommer jedes Jahr, den sie bei ihrer Familie in Ammam verbringt. Auch Kuweit wird vom Krieg mit dem Irak überrollt, 1990 verlässt Alia mit ihrer Familie das Land, das nächste Haus steht in Ammam, viel kleiner als alle vorherigen, weil die finanziellen Verluste bei der Flucht groß waren. Die letzte Lebensstation von Alia ist die Sommerwohnung in Beirut, auch hier wieder umgeben von Krieg und Bombardement im Juli 2006.
Die Kinder und Enkelkinder streuen sich im Laufe der Jahre in viele Richtungen, nach Paris, Boston, New York, widerspenstig gegen dem Festhalten an Tradition und Heimatverbundenheit in ihrer Jugend, begreifend und Halt suchend in späteren Jahren. Manar, Alias Enkelin, reist 2014 ins alte Palästina, von Jerusalem aus verfolgt sie ihre Wurzeln in Jaffa, Nablus und anderen Städten, füllt ihre Taschen mit Erde und sucht ein Gefühl für die alte Heimat ihrer Familie.

Die Geschichte hangelt sich an Kriegs-Ereignissen entlang, die letztlich die Hoffnung einer Palästinensische Familie auf Rückkehr in ihre alte Heimat zerstören. Auch wenn nur Alias Mutter Salma jemals in Palästina gelebt hat ist das Leben der Familie über mehrere Generationen davon geprägt, einen Ort für sich zu finden, an dem es Hoffnung, Sicherheit und eine Heimat gibt. Und auch wenn sich alle an den neuen Orten, in den neuen Häusern, mit dem Alltag irgendwie arrangieren, so bleiben sie doch Flüchtlinge in einem fremden Land.
Die Familie Jakoub ist reich, und trotz vieler Verluste gelingt es an jedem neuen Ort, ein neues Haus zu erwerben und ein kleines Reich aufzubauen, ihre Existenz neu zu ordnen, Bedienstete einzustellen und ein augenscheinlich recht bequemes Leben zu leben - auf Zeit, bis zur nächsten Flucht.

Das Buch ist interessant und sehr angenehm zu lesen, trotz der schwierigen Problematik, die darin behandelt wird. Es ist ein in meinen Augen typisches Frauen-Buch mit bewusstem Blick auf den Frauen der Familie, ihren Stärken und auch ihren Schwächen.
Mir hätte ein bisschen mehr Fokus auf politischen Hintergründen besser gefallen, aber das ist eindeutig Geschmacksache. Zumal man mit dem üblichen geschichtlichen Hintergrundwissen anhand von Jahreszahlen und Orten ganz klar zuordnen kann, welche Kriege und Konflikte im Buch erwähnt sind, ohne nachschlagen zu müssen.

Die Autorin hat sich für den Weg einer reichen palästinensische Familie entschieden, und obwohl mich auch der Weg ärmerer Palästinenser sehr interessiert, akzeptiere ich natürlich ihren Schwerpunkt. Ein bisschen gefehlt hat mir der Konflikt zwischen Tradition und Moderne, der durchaus am Rande erwähnt wird und gerade bei einem Roman über arabische Frauen mehrerer Generationen in meinen Augen wichtig ist. Hier scheint jedoch die Toleranz innerhalb der Familie groß zu sein, zumindest möchte mir die Autorin das glauben machen.
Es gibt für mich einiges anderes, was das Buch an Konflikten vermissen lässt und wie glattgebügelt wirkt, zum Beispiel die Normalität der Bediensteten, die in fernen Ländern Kinder haben und sie maximal einmal im Jahr sehen können. Ganz kurz hat eines der Mädchen von Alia damit ein kleines Problem am Rande, mehr jedoch nicht.

Insgesamt ist „Häuser aus Sand“ ein Buch, das viel Konfliktpotenzial bietet und bei entsprechendem Fokus meine rückhaltlose Begeisterung bekommen hätte. So ist es für mich ein sehr gut zu lesender und spannender Familienroman mit interessantem historischen Hintergrund, aber auch ein ganz klein wenig zu seicht für meinen Geschmack.

Veröffentlicht am 11.06.2018

Einstiegsdroge

Krokodilwächter
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Eine pensionierte Musikdozentin, in deren Haus ein Mord nach ihrem Buchmanuskript passiert, ein junger Mann, der besessen nach dem Opfer gewesen ist und zwei Ermittler, die auf den ersten Blick so gar ...

Eine pensionierte Musikdozentin, in deren Haus ein Mord nach ihrem Buchmanuskript passiert, ein junger Mann, der besessen nach dem Opfer gewesen ist und zwei Ermittler, die auf den ersten Blick so gar nicht zusammenpassen wollen, sind die Zutaten zum ersten Teil der neuen Kopenhagen-Thriller-Serie von Katrine Engberg, erschienen im Diogenes-Verlag mit außergewöhnlich schönem Cover.

Die Leiche einer jungen Frau, die erst weniger Monate zuvor im Haus der pensionierten Musikdozentin Esther de Laurenti eingezogen war, wird in ihrer Wohnung gefunden, und die erste Spur führt zu einem Buchmanuskript der etwas exzentrischen Esther, das auf verblüffende Weise dem Tathergang dieses Mordes ähnelt, und das nur online in einer Schreibgruppe diskutiert wird. Die beiden Ermittler Jeppe Kørner und Anette Werner versuchen, den Kreis der Verdächtigen und die ernstzunehmenden Spuren einzugrenzen, während weitere Morde geschehen, streng nach Romanvorlage.

Mit dem Reigen um die verdächtigen Personen, verfolgbaren Spuren und dem Miträtseln beim Lesen handelt es sich eher um einen klassischen Ermittlerkrimi als um einen Thriller, was mir jedoch sehr gefiel. Daneben machen die ausführliche Einführung der Autorin ins Setting und eine umfangreiche Biografie, die den Charakteren von ihr mitgegeben wird, das Buch zu einer hervorragenden Einstiegsdroge für weitere Fälle des Ermittlerduos aus Kopenhagen.

Zwar ist in diesem ersten Band Jeppe privat etwas gebeutelt und psychisch angeschlagen, erscheint gefährlich abgelenkt, sein Handeln umständlich und sich selbst im Wege stehend, so dass seine Partnerin Anette im Vergleich zu ihm souverän handeln muss, doch der background seiner privaten Probleme deutet darauf hin, dass er sich nicht als drogenversumpfter abgehalfterter Polizist durch alle Bände ziehen wird.

Nach einem sehr spannend angelegten Versteckspiel zwischen Polizei und Täter wartet das Buch am Ende mit einer überraschenden Auflösung auf, und auch wenn einige wenige Fragen offen bleiben, weil man als Leser gegen Ende eines guten Krimis hinter jedem kleinen Schatten gerne ein Monster sehen möchte, macht das Buch Lust auf weitere Bände dieses wirklich gelungenen nordischen Krimis.

Veröffentlicht am 10.06.2018

Zerfall einer Familie

Der rote Swimmingpool
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Mit einem kleinen Paukenschlag beginnt der Debütroman „Der rote Swimmingpool“ von Natalie Buchholz aus dem Hanser-Verlag. Ein bisschen erstaunt und sehr neugierig liest man von der Urteilsbegründung für ...

Mit einem kleinen Paukenschlag beginnt der Debütroman „Der rote Swimmingpool“ von Natalie Buchholz aus dem Hanser-Verlag. Ein bisschen erstaunt und sehr neugierig liest man von der Urteilsbegründung für Adam, den Erzähler des Romanes, und wird damit sehr neugierig auf diese Familiengeschichte aus der Sicht des heranwachsenden Protagonisten.

Eine perfekte und glückliche Familie sind Adam und seine verliebten Eltern, der Junge hat Freunde, die ihn um seine schöne Mutter Eva und den lebenshungrigen und großzügigen Vater beneiden, bis sein Vater Viktor plötzlich verschwindet. Adam versteht nicht, was passiert ist, wird von seiner Mutter und von seinem Vater im Unklaren gelassen und handelt aus Unverständnis und großem Frust über den Verlust seines Glücks und der perfekten Familie heraus unüberlegt und völlig irrational. Als für ihn alles zerbrochen ist und er die Strafe für sein Handeln abarbeiten muss findet Adam ein Mädchen, in das er sich verliebt. Tina hilft Adam, seinen eigenen Weg zum Erwachsensein zu finden und sich sein eigenes Leben trotz des großen Schmerzes zu gestalten.

Warmherzig erzählt, gut und klar strukturiert und kein bisschen langweilig liest sich dieser Roman. Die Autorin schafft es von Anfang an, eine große Nähe zu den Charakteren aufzubauen, auch wenn man erst im Laufe der Geschichte durch Rückblicke in den background der Figuren eingeführt wird. Am Anfang bekommt man nur ein paar wesentliche Informationen mit auf den Weg - fast hinterher gerufen - bevor man eine Figur erstmals ein Stück im Buch begleitet, das gefällt mir sehr.
Die Geschichte lebt von den wenigen überschaubaren Charakteren, die sehr lebensecht und dreidimensional wirken, und von der Neugier des Lesers, die ständig geschickt geschürt wird. Nicht chronologisch erzählt, und sehr gut erfassbar und nachvollziehbar gliedert sich das Geschehen in einen Erzählstrang in der Gegenwart nach Adams Tat und in einen Strang in der Vergangenheit, in dem der Zerfall der Familie und Adams einsamer Weg danach beschrieben werden. Und in beiden Ebenen steigern sich Spannung und Neugier auch mit zusätzlichen kleinen Seitenblicken enorm, bis zum dramatischen Höhepunkt. Das ist wirklich großartig gemacht, Bravo dafür!

Ich bin sonst kein sehr großer Fan von Coming-of-age-Romanen, doch dieser hier hat mich überzeugt durch eine glaubhafte Familiengeschichte, großartige Charaktere und einen schnörkellosen Schreibstil, der für mich in seiner Klarheit und Knappheit sehr gut zum Geschehen passt. Die Autorin hat mich von Beginn an sehr an die Geschichte gebunden und ich kann dieses wirklich großartige Buch nur empfehlen.

  • Einzelne Kategorien
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  • Geschichte
  • Dramaturgie
Veröffentlicht am 06.04.2018

Amerikanische Männlichkeit

Die Herzen der Männer
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Schwierige Beziehungen zwischen den Generationen prägen den Roman von Nickolas Butler „Die Herzen der Männer“. Im Zentrum steht Nelson, als Kind ein freudloser Außenseiter ohne Selbstbewusstsein und für ...

Schwierige Beziehungen zwischen den Generationen prägen den Roman von Nickolas Butler „Die Herzen der Männer“. Im Zentrum steht Nelson, als Kind ein freudloser Außenseiter ohne Selbstbewusstsein und für seinen Vater eine Enttäuschung. Traurig tröpfelt zu Beginn des Romanes Nelsons Leben aus den Seiten des Buches, die wenigen glückliche Momente seiner Kindheit verdankt er seiner Mutter. Nelson sehnt sich nach Zuwendung durch seinen Vater, doch dieser wendet sich immer mehr von ihm ab.
Vor allem im Sommer-Pfadfindercamp wird für Nelson überdeutlich, dass sein Vater sich einen lauten, unerschrockenen Sohn wünscht, Nelson hingegen hat dort einiges zu erdulden und bleibt trotz oder gerade wegen seines strebsamen Eifers im Erlernen pfadfinderischer Überlebensfähigkeiten allein und wird als Außenseiter gemobbt. Nur der alte Campleiter Wilbur unterstützt ihn und richtet ihn auf. Umso erstaunlicher ist Nelsons Freundschaft mit Jonathan, dem beliebten, unerschrockenen und coolen älteren Jungen, die nach dem Sommercamp für ein ganzes Leben bestehen bleibt.
Jonathans Sohn Trevor verbringt genau wie in der nächsten Generation dessen Sohn Thomas seine Sommer im Pfadfindercamp im rauhen Wisconsin. Verknüpft durch die Lagererfahrungen und das schwierige Verhältnis der Söhne zu ihren Vätern verbinden sich die Männergeschichten und der Kreis schließt sich nicht zuletzt dadurch, dass ihr Verhältnis zu ihren Müttern immer durch große Liebe geprägt ist.

Wann ist ein Mann ein Mann?
Nickolas Butler beleuchtet in seinem Buch die verschiedenen Formen der Männlichkeit. Am Beispiel der zentralen Figur Nelson wird sowohl der Wandel von Männlichkeit im Laufe der Zeit als auch die Erwartung der amerikanischen Gesellschaft an echte Männer besonders deutlich gemacht. Die Geschichte begleitet Nelson vom sensiblen, klugen, ausgegrenzten und geächteten Jungen, als Elitesoldat im Vietnamkrieg bis hin zum unerschrockenen alten Lagerkommandanten des Pfadfindercamps. Er, der als Kind Außenseiter und Streber war, nach Aufmerksamkeit seines Vaters gelechzt hat, stolpert als Held durch den Vietnamkrieg, flüchtet nach seiner Rückkehr vor der mütterlichen Fürsorge und wird schließlich Lagerkommandant und Nachfolger des von ihm als Kind so bewunderten alten Wilson im Pfadfindercamp. Er, der unmännliche kleine Außenseiter begibt sich auf das besonders negative brutal-männliche Kriegsterrain, aus dem er sich allerdings nach traumatischen Kriegserfahrungen wieder zurückzieht, keine militärische Karriere durchläuft, sondern sozusagen „back to the roots“ im Pfadfinderlager versucht, anderen kleinen Jungen der nächsten und übernächsten Generation klare Regeln und Strukturen auf althergebrachte männliche Art zu vermitteln.

Butler zeigt, wie vernarbt äußerlich und innerlich ein Leben mit einer schlechten Vater-Sohn-Beziehung trotz vielen Unbills gelebt werden kann, wie wichtig Beziehungen im Leben eines Kindes und eines Heranwachsenden sind, dass oft nur Schutz und Hilfe im rechten Moment die Rettung bedeuten und dass es durchaus möglich ist, aus beengenden und brutalen Verhältnissen auszubrechen und seinen Weg zu gehen.

Und ja, es ist auch ein Buch über Lagerfeuer-Romantik und einer daraus erwachsenden Männerfreundschaft, die das ganze Leben hält. Und obwohl man die amerikanischen Pfadfinder durchaus als militärisch angehauchte Organisation betrachten kann mit ihren Uniformen, Regeln und den Dingen, die den kleinen Jungen in den Camps beigebracht werden, steht das Pfadfindertum für mich hier nicht ausschließlich und vordergründig als Heldenschmiede für spätere Soldaten, sondern für althergebrachte Werte wie Freundschaft, Treue, Ehrlichkeit und Redlichkeit und Kameradschaft im positiven Sinn.

Doch auch Frauen spielen in diesem so männlichen Kosmos eine Rolle, und nicht nur eine nebensächliche. Auffallend, dass viele Beziehungen der männlichen Figuren zu den Frauen der Geschichte zum einen von großer Zuneigung und inniger Liebe, zum anderen von Untreue geprägt ist. Und ebenso ungewöhnlich, dass eine Frau die Männerdomäne Pfadfinderlager erobern darf, Rachel, die Mutter von Thomas, begleitet ihren Sohn zum Sommercamp, so wie es sonst nur die Väter der Jungen tun.
Spricht das für einen Wandel im Bild der Männlichkeit? Vielleicht, denn der Focus des Autors ist neben der Beziehungen von Vätern/Müttern zu ihren Söhnen auch auf das Bild der Männer in der amerikanischen Gesellschaft und seinen Wandel gerichtet.

Ich habe das Buch sehr gerne gelesen, es kommt ohne großes Pathos und ohne inhaltslose Allgemeinplätze zur Frage nach Männlichkeit aus, ist durch verschiedene Perspektiven und Zeitebenen spannend zu lesen und in meinen Augen sprachlich auf dem Niveau wirkliche anspruchsvoller Literatur. Ich empfehle es ausdrücklich.