Dieser Buchtitel hat mich ein wenig in die Irre geführt. Die Aussage „Weil du mir versprochen bist“ symbolisierte für mich eine Liebe zwischen zwei jungen Menschen, die sich gegenseitig das Eheversprechen geben – und zwar aus freien Stücken und frohen Herzens. Leider gestalten sich die Voraussetzungen in diesem Roman für die 17jährige Leonie Sawyer ein wenig anders. Leonies Kindheit ist von der Alkoholsucht und Brutalität ihres Vaters gezeichnet, der gestohlene Kuss des lebenslustigen Mandolinenspielers und Frauenhelden Gideon O’Riley lässt die Situation eskalieren. Der „große Herzensbrecher von Rocky Knob“ wird unter Gewaltandrohung dazu gezwungen, Leonie zu heiraten, die ihrerseits ohnedies kein Mitspracherecht hat bzw. es auch niemals hatte. Um finanzielle Mittel und Platz ist es sowohl in Leonies, als auch in Gideons Familie knapp bestellt und die jungen Eheleute brechen auf in ein neues Leben, ins Unbekannte, auf der Suche nach Arbeit. Hunger, Erschöpfung und das unbarmherzige Verhalten Gideons führen schließlich zu Leonies Zusammenbruch, als unvermittelt ein alter Mann namens Jebediah auftaucht. Er und seine Ehefrau Elsie nehmen die O’Rileys bei sich auf und Leonie darf zum ersten Mal in ihrem Leben das Gefühl von Liebe und Geborgenheit bei den beiden warmherzigen Menschen erfahren. Doch Gideon schwankt immer noch zwischen seinem alten und dem neuen Leben und wird sich für eine dieser beiden Welten entscheiden müssen…
Ich war ein wenig zwiegespalten in meiner Buchbewertung. Anfangs zeichnet die Autorin ein sehr deutliches Bild vom Leben ihrer beiden Protagonisten, die beide in ärmlichen Verhältnissen aufwuchsen, wobei Leonie abgesehen von Hunger und Einschränkungen auch noch die Unberechenbarkeit und Schläge ihres Vaters aushalten musste. Das Mädchen sehnte sich danach, endlich volljährig zu sein und zu ihrer liebenswürdigen Tante Sarah zu ziehen, die ihren Unterhalt durch die Herstellung von Seifen verdiente. Bei der gottesfürchtigen Frau fand Leonie stets Zuflucht und Trost, den Sarah ihr auch durch die gemeinsame Lektüre der Bibel vermitteln konnte. Die Fehlinterpretation eines erzwungenen Kusses, die zur Zwangsheirat führt, erweckte in Leonie den Eindruck, von einer Abhängigkeit in die nächste zu fallen, nahm ihr jegliche Hoffnung auf Freiheit und Glück.
Die Gefühls- und Gedankenwelt der beiden Hauptakteure fand ich außerordentlich gut dargestellt – man konnte als Leser die persönliche Entwicklung besonders bei Gideon sehr gut miterleben. Etwas unglaubwürdig stellten für mich jedoch Gideons Handlungen dar. Seine in kursiver Schrift ausgedrückten Gefühle und Gedanken stehen in einigem Widerspruch zur Brutalität und Härte, mit der er seine junge Ehefrau behandelte. Bei manchen Passagen dieses Buches hatte ich beinahe den Eindruck, dass dieser Mann einen räudigen Hund wohl besser behandeln würde, als das unschuldige junge Mädchen, das ihm gegen seinen Willen angetraut wurde.
Mit Jebediah und Elsie brachte Joanne Bischof ein wunderbares altes Ehepaar ins Spiel, zwei Menschen, die das Gute im Leben symbolisieren. Für Leonie war es ein Ankommen, Gideon wurde jedoch ein Spiegel vorgehalten, für ihn begann eine schwere Zeit des Arbeitens – nicht nur in körperlicher Hinsicht, sondern auch an sich selber.
Die Geschichte an sich hat mich - abgesehen von Gideons eiskalter Lieblosigkeit und Grausamkeit – ansonsten vollends überzeugt, meine beiden favorisierten Figuren dieses Buches waren ohne Zweifel Jebediah und Elsie. Der innere Konflikt Gideons wurde ebenfalls sehr gut skizziert, mir wurde für meinen Geschmack jedoch zu wenig auf die Nebenfiguren eingegangen. Gerne hätte ich mehr über tief gläubige Sarah, Leonies Tante, erfahren. Das Verhalten von Gideons Mutter hinterließ bei mir ebenfalls offene Fragen… ihre deutlich spürbare Zuneigung zu ihrem ältesten Sohn steht in starkem Widerspruch zu ihrem Verhalten, eine angedeutete frühere Verliebtheit seiner Mutter bleibt ebenfalls im Raum stehen. Leonies Mutter wird zwar kurz erwähnt, bleibt jedoch weitgehend im Hintergrund.
FAZIT: Mit „Weil du mir versprochen bist“ hat Joanne Bischof einen gefühlvollen Liebesroman verfasst, der den Leser gefangen nimmt. Man taucht ein in das harte Leben der ländlichen Bevölkerung dieser Zeit, in der die Menschen schwer arbeiten mussten, um ihre Familien ernähren zu können. Das Schicksal Leonies steht wohl sinnbildlich für die damals durchaus üblichen Zwangsheiraten, wobei es der Autorin vortrefflich gelungen ist, die inneren Kämpfe und die charakterliche Entwicklung und Läuterung ihrer Protagonisten darzustellen. Der Glaube spielt eine große Rolle im Buch und der einnehmende Schreibstil und die zum Teil äußerst liebenswerten handelnden Personen machten das Lesen zu einem Vergnügen. Abgesehen von kleinen, bereits erwähnten Kritikpunkten möchte ich dieses Buch von Herzen weiter empfehlen und würde in Form eines Nachfolgebandes gerne mehr über Gideon und Leonie erfahren.