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Veröffentlicht am 10.04.2018

Lebensabenteuer

Louis oder Der Ritt auf der Schildkröte
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Von Anfang an mochte die Mutter das Kind nicht. Und so hat der im 19. Jahrhundert in den Schweizer Bergen geborene Hans Roth es nicht leicht. Der etwas zu klein geratene Hans verlässt früh seine heimatlichen ...

Von Anfang an mochte die Mutter das Kind nicht. Und so hat der im 19. Jahrhundert in den Schweizer Bergen geborene Hans Roth es nicht leicht. Der etwas zu klein geratene Hans verlässt früh seine heimatlichen Gefilde. Auf seinem Weg kommt er unter die Fittiche verschiedener Personen und er bereist so die Welt. Er legt sich den weniger unscheinbaren Namen Louis de Montesanto zu. Nicht nur erlebt er Geschichten, er beginnt auch sie auszuschmücken und zu erzählen. Und immer wieder verlässt er Orte und Menschen, niemals mehr kann er einen Ort seine Heimat nennen.

Ausgesprochen liebevoll gestaltet ist dieser Lebens- und Abenteuerbericht. Seinen Roman bezeichnet der Autor Michael Hugentobler als fiktive Geschichte eines Mannes, der wirklich gelebt hat. Er schreibt von Louis’ Leben und seinen Reisen. Was ist wahr, was kann nicht wahr sein. Als tragisch aber kann man das Leben des Louis de Montesanto bezeichnen. Seit seiner Geburt, so kann man wegen seiner Kleinwüchsigkeit nur sagen, hatte er es nicht leicht. Gemessen daran findet er jedoch immer Menschen, die ihm Arbeit, Essen und Wohnung gegen. Doch so wie er bereits seine Heimat verlassen hat, so verlässt er auch später seine Gönner. Nur während der kurzen Zeit seines Erfolges als vermeintlicher Darsteller wahrer Erlebnisse, ist er auf der Höhe seines Lebens. Schnell jedoch ist es damit vorbei, als herauskommt, dass er doch das Meiste erfunden hat.

Wie geht man am Besten an ein Buch eines Genres heran, das man sonst eher weniger liest. Möglichst unvoreingenommen natürlich. Was aber, wenn es einem dennoch nicht so recht liegt. Trotzdem kann man die abenteuerlichen Erlebnisse des Protagonisten genießen, sich amüsieren über seine Ausschmückungen, die Tragik seines Lebens nachempfinden. Die Nachforschungen der Tochter bringen sogar Spannung in die Geschichte. Allerdings etwas distanziert und beschreibend bleibt der Ton und das ist, woran sich entscheidet, ob man diesen Bericht gebannt inhaliert oder doch zwar mit Wärme aber doch eher aus der Ferne die Handlung verfolgt. Eine Lektüre, die für Liebhaber des Genres ein tolles Leseerlebnis bietet und die anderen einen interessanten Einblick in ein ungewöhnliches Leben gewährt.

Veröffentlicht am 08.04.2018

Eifersucht kann töten

Spreewaldrache (Ein-Fall-für-Klaudia-Wagner 3)
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Nach einer Technoparty wird der junge Daniel schwer verletzt aufgefunden. Gefährliche Körperverletzung lautet die Fallkennzeichnung. Kriminalobermeisterin Klaudia Wagner beginnt mit den Ermittlungen. Doch ...

Nach einer Technoparty wird der junge Daniel schwer verletzt aufgefunden. Gefährliche Körperverletzung lautet die Fallkennzeichnung. Kriminalobermeisterin Klaudia Wagner beginnt mit den Ermittlungen. Doch der junge Mann kann sich nicht an viel erinnern oder er sagt nichts. Wenig später wird ein älterer Mann, der offensichtlich ein Penner war, tot in einer Datsche entdeckt. Der alte Mann stand in Beziehung zu den anderen Personen, die als Beteiligte festgestellt werden konnten. Doch in der kleinen Spreewaldgemeinde wird Schweigen groß geschrieben. Jedoch deutet einiges darauf hin, dass die Ereignisse auf einen Brand zurückgehen, bei dem vor zwanzig Jahren ein Jugendlicher umgekommen ist.

Noch immer ist Klaudia Wagner nicht ganz im Spreewald angekommen. Ursprünglich stammt sie aus dem Ruhrgebiet und sie hat sich aus persönlichen Gründen nach Brandenburg versetzen lassen. Schwierig ist das Ankommen, aber nicht unmöglich. Auch wenn es immer wieder Schwierigkeiten gibt, fühlt sie sich doch so langsam heimisch. Der neue Fall, ihr dritter, erweist sich als nicht leicht zu knacken. Die Sache von damals scheint noch nicht ausgestanden zu sein. Da haben wohl einige noch ein Hühnchen miteinander zu rupfen. Doch warum nicht einfach die Vergangenheit ruhen lassen. Allerdings, manches nagt an einem und wird nie vergessen.

In ihrem dritten Fall hat es Klaudia Wagner nicht leicht, eine Lösung zu finden. Sehr verschlungen sind die Beziehungen der beteiligten Familien. Es wirkt wie ein wir gegen die. Und möglicherweise kann Eifersucht tatsächlich töten. Wenn Probleme schweigend unter den Teppich gekehrt werden, können sie nie richtig verarbeitet werden. Und wenn sich die Gelegenheit bietet, bricht alles wieder auf. Natürlich wird es durch diese Hintergründe, die in der Vergangenheit verborgen liegen, alles andere als einfach, die Gegenwart zu verstehen. Fraglich, ob jemals alles herauskommt. Was zu Beginn nur in kleinen Schritten vorankommt, wirkt am Ende etwas überhastet, so dass man sich fragt, ob man nicht etwas verpasst hat. Dennoch versteht es Klaudia Wagner mit ihrem Auftreten zu fesseln, ihre zielstrebige Art überzeugt und die stimmungsvollen Beschreibungen des Spreewalds im November lassen einen wünschen, den Ort im Sommer zu besuchen.

Veröffentlicht am 06.04.2018

Kleine Lissie

Das Böse, es bleibt
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Die junge Marlene flieht vor ihrem Mann. Im vereisten Winter des Jahres 1974 macht sie sich mit dem Auto auf durch eine unwirtliche Gegend in Südtirol. In dem beginnenden Schneesturm kommt sie mit ihrem ...

Die junge Marlene flieht vor ihrem Mann. Im vereisten Winter des Jahres 1974 macht sie sich mit dem Auto auf durch eine unwirtliche Gegend in Südtirol. In dem beginnenden Schneesturm kommt sie mit ihrem Wagen von der Straße ab. Als Marlene wieder erwacht, findet sie sich auf dem Erbhof eines Bauern wieder, auf dem nur der Bauer Simon Keller lebt. Zunächst ist Marlene sehr erleichtert, dass ihr nicht mehr passiert ist und dass sie für ein paar Tage bei Simon unterkommen kann. Doch je länger sie sich in der Abgeschiedenheit aufhält, desto unheimlicher wird ihr der Gastgeber. Inzwischen hat auch ihr Mann den Auftrag gegeben, nach Marlene zu suchen.

Hat Marlene nun Glück im Unglück gehabt? Zumindest sieht es erstmal so aus. Alles kann nur besser sein als die Ehe mit einem Mann, der ein Verbrecher ist. Auf diesem einsamen Hof wird sie nicht so schnell gefunden werden. Doch je länger sie mit Simon Keller unter einem Dach ist, desto mehr bekommt sie es mit der Angst zu tun. Oder ist es normal, dass der Bauer mit den Schweinen redet, ihnen Namen gibt und besonders der Sau Lissie zugetan zu sein scheint. Lissie, eine ausgesprochen große Sau, die immer Hunger hat nach ihrem durch Simon liebevoll zubereiteten Nahrungsbrei. Offensichtlich versteht sich Simon mit seinen Schweinen besser als mit den Menschen.

Was recht harmlos mit einer durchaus verständlichen Flucht beginnt, wächst sich zu einem richtigen Schauerroman aus. Marlene muss in großer Gefahr bestehen und man empfindet mit ihr, wenn sie vor Unbehagen und Angst nicht mehr ein noch aus weiß. Gleichzeitig verfolgt man die Suche, die ihr Mann in Auftrag gegeben hat. Und man fragt sich, wie Marlene der Bedrohung entkommen soll. Von allen Seiten scheint Gefahr zu drohen. An einem Punkt wünscht man fast, der Sucher würde der Retter sein, auch wenn er ein Mann des Vertrauens ist, der für seine Kunden abschließende Regelungen herstellt. Sehr gut gelingt es dem Autor, die Spannung langsam aufzubauen. Immer wenn die Rettung nah scheint, tut sich eine neue Gefahr auf, und wenn man meint, nun ist es aus, bietet sich doch ein Ausweg an. Allerdings wird man von diesem Spannungsroman erst gegen Ende hin wirklich gepackt.

Wie gewohnt liest Mathias Koeberlin gekonnt, seine „Süße Lissie, kleine Lissie“ ist schon allein des Hörens wert.

Veröffentlicht am 25.03.2018

Rockstars

Wer andern eine Bombe baut
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Nach einer etwas turbulenten Jugend unter anderem in einer Rockband ist Ray in der Welt der Erwachsenen angekommen. Er ist nun Englischlehrer mit Frau, Kind, Haus und Hypothek. Kann das alles gewesen sein? ...

Nach einer etwas turbulenten Jugend unter anderem in einer Rockband ist Ray in der Welt der Erwachsenen angekommen. Er ist nun Englischlehrer mit Frau, Kind, Haus und Hypothek. Kann das alles gewesen sein? Auch wenn sich die Band damals im Unfrieden getrennt hat, vielleicht könnte man es nochmal versuchen. Doch sein alter Kumpel Simon ist vor drei Jahren bei einem Flugzeugabsturz gestorben. Die von ihren Kollegen gerne unterschätzte Polizistin Angelique de Xavia hat ihren großen Fall, sie wird auf den Terroristen angesetzt, der nie erwischt wurde, Black Spirit nennt er sich.

Schon zu Beginn der Lektüre fallen einige Begriffe und Formulierungen auf, die die Überlegung anstoßen, wann das Buch geschrieben wurde. Ein Blick ins Impressum ist da hilfreich, der Roman wurde im Original bereits im Jahr 2001 veröffentlicht, weitere Nachforschungen ergeben zwar Januar 2001, aber soweit ist man zu beginn noch nicht. Bei dieser Jahreszahl fallen einem aus heutiger Sicht dann natürlich sofort die schrecklichen Ereignisse des 9/11 ein. Sollte der Autor also fast prophetische Worte gefunden haben? Es überläuft einen kalt. Doch ein Blick auf die Autorenseite schafft Aufklärung. Bei Schreiben, das wohl vor dem Attentat stattgefunden hat, hat der Autor an Jugendfreundschaft, Rockmusik und die Anfänge der Computerspiele gedacht. Das erleichtert zwar, wirkt aber doch etwas prosaisch.

Man findet sich wieder in der Welt der Musik der 1980ger, man hatte diese oder jene Band zu mögen, gerne von einem Indie-Label. Man hielt sich gepflegt zurück, wenn man eine Vorliebe für den Mainstream hatte, oder stritt es gleich empört ab. Computer waren etwas Fremdes, was eher die anderen hatten. Aber eine Band, ja, das wäre was gewesen. Auch die Freundschaft zwischen Simon und Ray, die eigentlich keine ist, wird nachvollziehbar. Manchmal sind sie ein wenig ausschweifend die Erläuterungen und die Ausflüge in die Vergangenheit. Und immer wieder kommt einem die heutige Erfahrung, der allgegenwärtig stattfindende Terror in den Weg. So verliert gerade das an Bedeutung, was der Autor im Sinne hatte. Es bleibt eine bitterböse Satire über den kalten Terror der heutigen Zeit, über die Geltungssucht eines Einzelnen und als Silberstreif am Horizont eine coole Polizistin, ein ehemaliger Jugendlicher, der langsam aber sicher bei den Erwachsenen ankommt und zwei Jugendliche, die das gefährliche Abenteuer wagemutig annehmen.

Veröffentlicht am 14.03.2018

Mardi Gras

Höllenjazz in New Orleans
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Ein Mörder geht um in New Orleans. Axeman wird er genannt, weil er seine Opfer mit einer Axt verstümmelt, die er am Tatort liegen lässt. Die Bevölkerung ist in Angst und Schrecken und langsam werden die ...

Ein Mörder geht um in New Orleans. Axeman wird er genannt, weil er seine Opfer mit einer Axt verstümmelt, die er am Tatort liegen lässt. Die Bevölkerung ist in Angst und Schrecken und langsam werden die Menschen auch unruhig, da die Polizei offensichtlich nicht in der Lage ist dem Täter das Handwerk zu legen. Ob das so stimmt, kann nicht gesagt werden. Auf jeden Fall wird von verschiedenen Seiten fieberhaft ermittelt. Natürlich auch durch die Polizeibeamten vornehmlich Michael Talbot, doch auch eine Bearbeiterin der Pinkerton-Detektei begibt sich an eigene Nachforschungen. Und nicht zuletzt der wegen Korruption verurteilte ehemalige Polizist Luca D’Andrea.

Tatsächlich begangen wurden die beschriebenen Mordfälle im Jahr 1919, bis ins letzte Detail gelöst wurde der Fall nie. Daraus ergibt sich ein hervorragender Ausgangspunkt für dieses Phantasieprodukt des Autors Ray Celestin, der hiermit sein Debüt vorlegt. Aus verschiedenen Positionen umkreisen seine handelnden Personen den Fall, der kaum lösbar erscheint, ist doch der Täter bestens informiert und sehr gewieft darin, keine verwertbaren Spuren zu hinterlassen. Auch die Opfer bieten zunächst kaum einen Ansatz für die Ermittler, da tun sich keine Zusammenhänge auf. Doch so unterschiedlich die Ermittler sind, so hartnäckig sind sie auch und nach und nach entsteht aus den vorhandenen Spuren ein Bild.

New Orleans, The Big Easy, kurz nach dem ersten Weltkrieg, der auch dort seine Opfer gefordert hat, eine Stadt der Sünde, des Feierns und des Mardi Gras. Kurz vor Beginn der Prohibition geht es noch einmal hoch her. Allerdings ist man in den Vergnügungsvierteln bereits dabei, sich auf das kommende Alkoholverbot einzustellen. Vor diesem Hintergrund und dem, was über die tatsächlichen Axtmorde bekannt ist, hat der Autor in seinem Erstlingswerk einen spannenden Kriminalfall beschrieben. Mit den wahren Fakten als Rahmen hat er seine Phantasie spielen lassen und drei verschiedene Hauptpersonen mit den Ermittlungen beauftragt. Alle drei haben unterschiedliche Herangehensweisen und erzielen unterschiedliche Ergebnisse, die allerdings ein Gesamtbild ergeben, so dass man mit diesem Roman eine stimmige Lösung erhält. Ein wenig fraglich ist, ob diese unterschiedlichen Ansätze, die kaum eine Bündelung erfahren, nicht etwas zu viel des Guten sind. Viel Sympathie wird allerdings durch das Spiel mit bekannten Namen geweckt und auch die Beschreibung des pulsierenden Lebens in New Orleans kurz vor Beginn der Prohibition ist ausgesprochen anschaulich.