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heinoko

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 10.05.2018

Brutal-reißerisches Road Movie

Die Rache der Polly McClusky
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Nate McClusky, soeben erst dem Knast entkommen, flieht mit seiner Tochter 11-jährigen Polly vor einer Gang, die beiden nach dem Leben trachtet.
Polly ist überdurchschnittlich intelligent, zu Beginn des ...

Nate McClusky, soeben erst dem Knast entkommen, flieht mit seiner Tochter 11-jährigen Polly vor einer Gang, die beiden nach dem Leben trachtet.
Polly ist überdurchschnittlich intelligent, zu Beginn des Buches ganz unschuldiges Kind, in verschiedenen Welten lebend. Im Verlauf der Geschichte wandelt sich Polly unter Schulung ihres Vaters zunehmend, bekommt „Revolverheldaugen“. Sie lernt zu kämpfen und wechselt sukzessive die Fronten.
Die Sprache fasziniert mich und stößt mich ab, beides gleichermaßen und beides gleich intensiv. Auf jeden Fall hat sie eine enorme Sogwirkung, sie lässt mich nicht kalt, sondern zieht mich in eine Geschichte hinein, die ich eigentlich gar nicht lesen möchte. Es ist schon eine besondere Kunst, die entsetzlichsten Geschehnisse auf eine solch berauschende Weise darzustellen. Ich würde sagen: genial brutal geschrieben – auch wenn ich den Inhalt im Gesamten nicht mag.

Veröffentlicht am 19.04.2018

Zwei Themen, die nicht zueinander passen

Der Letzte von uns
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Das Positive vornweg: Das Buch ist schnell zu lesen, es ist leicht zu lesen, die große Schrift macht es dem Leser leicht, die 450 Seiten zügig zu konsumieren.
Zwei Zeitstränge öffnen sich dem Leser: 1945, ...


Das Positive vornweg: Das Buch ist schnell zu lesen, es ist leicht zu lesen, die große Schrift macht es dem Leser leicht, die 450 Seiten zügig zu konsumieren.
Zwei Zeitstränge öffnen sich dem Leser: 1945, die Bombennacht von Dresden. Luisa bringt ihren Sohn Werner zur Welt und stirbt wenige Stunden danach. Die Schwester von Luisa und eine fremde Frau als Amme nehmen sich des Neugeborenen an. 1969 in Manhattan: Wern, jung, erfolgreich, bei den Frauen beliebt, trifft auf Rebecca, eine exaltierte Künstlerin. Er umwirbt sie nach allen Regeln der Kunst, sie bricht jedoch nach einem Zusammentreffen der Mutter von Rebecca mit Wern den Kontakt ab. In der Folge wird – immer wieder wechselnd zwischen den Handlungssträngen – sowohl über die weitere Geschichte von Werner während der Kriegszeit als auch über Wern und Rebecca in den siebziger Jahren in Manhattan erzählt, bis sich zum guten Schluss die beiden Handlungsbögen dramatisch schließen.
Warum kann ich diesem Buch so wenig abgewinnen? Weil hier zwei Themen zusammengewürfelt werden, die sich gegenseitig stören, weil sie in der Kombination dem Ernsten die Tiefe nehmen und dem Leichten das Frohe zerstören. Weil Menschen geschildert werden, mit denen ich nichts anfangen kann, sie werden oberflächlich, wenig greifbar und wenig nachvollziehbar in ihrem Handeln geschildert. Weil mich das ewige Hin und Her zwischen Rebecca und Wern nach einer Weile nur noch nervt. Und weil ich wenige Tage zuvor einen Roman über den Zweiten Weltkrieg gelesen habe, der von so überragender Qualität war (Ein Held in dunkler Zeit), dass mir die Schwächen von „Der Letzte von uns“ leider ganz besonders deutlich wurden.

Veröffentlicht am 19.04.2018

Männlich sexistisch überladen

Der Mann, der nicht mitspielt. Hollywood 1921: Hardy Engels erster Fall
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Vorausschicken muss ich, dass Hörbücher generell nicht mein Ding sind. Zuviel Ablenkung, zuwenig Konzentration, zu oberflächliches Zuhören, mitunter Ermüdungserscheinungen… all diese bei mir auftretenden ...


Vorausschicken muss ich, dass Hörbücher generell nicht mein Ding sind. Zuviel Ablenkung, zuwenig Konzentration, zu oberflächliches Zuhören, mitunter Ermüdungserscheinungen… all diese bei mir auftretenden Mankos lassen
mich viel eher zum gedruckten Buch greifen. Dennoch wollte ich mit diesem Titel dem Hörbuch generell und auch mir eine neue Chance geben. Fast 16 Stunden lang gab ich Christof Weigold und dem Mann, der nicht mitspielt, eine Chance.
Hollywood in den 20er Jahren. Hardy Engel ist erfolgloser Schauspieler und versucht sich als Privatdetektiv. Er erhält von einer mysteriösen, schönen Frau, Pepper Murphy, den Auftrag, Virginia Rappe zu finden, was ihm auch gelingt, allerdings stirbt Virginia Rappe kurz darauf an inneren Verletzungen. Der geschilderte Fall, der zur damaligen Zeit ein großer Skandal war, beruht auf einer wahren Geschichte. Der Autor startet mit diesem Buch eine Reihe, die auf historischen Skandalen und ungeklärten Mordfällen in Hollywood basiert. Das Hollywood dieser Zeit war die Zeit der Stummfilme, der Prohibition, der Drogen und ein wahres Sündenbabel. Schauspielgrößen wie Buster Keaton, Charlie Chaplin, Filmstudio-Giganten, die sich gegenseitig überboten, Machtmissbrauch, sexuelle Übergriffe – all diese schillernden Facetten werden vom Autor äußerst detailliert und für den Hörer vorstellbar beschrieben.
Erst im letzten Drittel nimmt die Geschichte an Fahrt auf, vorher schlingert sich der Text von Beschreibung zu Beschreibung, scheinbar endlos sich ergehend in Beobachtungen, dazu erzählt in einer sehr männlichen, teilweise geradezu abstoßend sexistischen Sprache. Für keine der Protagonisten konnte ich in irgendeiner Form Sympathie entwickeln. Das Hörbuch war für mich deshalb eine äußerst mühsame Sache – einzig die wunderbare Stimme von Uve Teschner ließ mich bis zum Ende durchhalten.

Veröffentlicht am 09.04.2018

Zuviel Lesezeit für zu wenig Inhalt

Mordzeitlose
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Was ist dieses Buch? Ein Kriminalroman steht auf dem Cover. Ist das Buch wirklich ein Krimi? Oder ist es ein Psychogramm einer verwirrten Seele? Oder eine Hommage an die Pflanzenwelt? Ein mit Zeitbezügen ...

Was ist dieses Buch? Ein Kriminalroman steht auf dem Cover. Ist das Buch wirklich ein Krimi? Oder ist es ein Psychogramm einer verwirrten Seele? Oder eine Hommage an die Pflanzenwelt? Ein mit Zeitbezügen und Systemkritik überfrachteter Roman? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass die Autorin, die sich gut zu vermarkten weiß, viel wollte. Zuviel wollte vielleicht.
Margrit wächst als völlig isoliertes Kind hartherziger Eltern auf. Diese haben eine Gärtnerei, und schon früh zieht sich Margrit in die Welt der Pflanzen zurück, in ihr „Gewächshaus der Kindheit“, sie spricht mit den Pflanzen. Besondere Faszination übt die Herbstzeitlose mit ihrer todbringenden Giftigkeit auf sie aus. Das Buch begleitet Margrit weiter durch ihr isoliertes Leben, über Studium, Promotion und Veröffentlichung zahlloser Fachartikel. Die Mutter stirbt früh unter ungeklärten Umständen. Der erste Freund Margrits verschwindet. Und ein Ermittler bleibt auch 40 Jahre später noch auf der Suche nach Zusammenhängen.
Das Buch fordert geduldiges Lesen. Es passiert wenig, streckenweise gar nichts. Was die Krimi-Handlung betrifft, weiß man im Grunde von Anfang an, dass wir es mit einer Psychopathin in Strickjacke zu tun haben. Also ein Krimi ohne Spannung, ohne Wendungen und Drehungen – dem klassischen Krimileser demnach nicht zu empfehlen. Die Autorin überrascht im Sprachstil streckenweise mit Passagen großer fast lyrischer Schönheit, die aber sehr schnell wieder wechseln in langweilige Langsamkeit des Nicht-Geschehens. Dass aus dem isolierten, unterdrückten Kind Margrit eine Koryphäe wird, die durch die Welt reist und Vorträge in freier Form führt, ist psychopathologisch undenkbar und unglaubwürdig. Da hilft auch die oftmals fein ziselierte Erzählweise nicht. Schon gar nicht, wenn das Mischen von Zeitsträngen ohne erkennbaren Sinn das Lesen erschwert, vor, zurück, hin und her, was normalerweise bei Krimis und Thrillern als probates Mittel dient, die Spannung zu erhöhen, hier jedoch nur ärgerlich macht. Als unangenehm empfand ich auch, wie die Autorin mit dem Einschub relativ unbekannter Musikstücke kokettiert und dabei völlig verkennt, dass eine möglicherweise beabsichtigte Wirkung, nämlich eine bestimmte Stimmung anhand der Musik zu vermitteln, ausbleibt, ausbleiben muss.
Um es auf den Punkt zu bringen: Ein streckenweise interessantes Buch mit gelegentlich gut geschriebenen Passagen, wobei jedoch insgesamt Langeweile und Unglaubwürdigkeit des Plots überwiegen.

Veröffentlicht am 02.04.2018

Leider hinter den Erwartungen zurückgeblieben

Erzähl ich von früher...
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Das Anliegen der Autorin ist, wie sie selbst im Vorwort schreibt, die eigenen Erinnerungen „aufzuwecken“. Das Buch soll ermutigen, von diesen Erinnerungen zu erzählen, wem auch immer, und damit ein Stück ...

Das Anliegen der Autorin ist, wie sie selbst im Vorwort schreibt, die eigenen Erinnerungen „aufzuwecken“. Das Buch soll ermutigen, von diesen Erinnerungen zu erzählen, wem auch immer, und damit ein Stück Zeitgeschichte lebendig werden zu lassen.
Die einzelnen Kapitel sind zeitlich und thematisch eingeteilt, wie z. B. Kindheit und Jugend, Leben in der Familie, Kriegsjahre usw. Innerhalb dieser Kapitel finden sich einige sehr schön und passend ausgewählte Geschichten, erzählt von Astrid Lindgren zum Beispiel oder Erich Kästner. Der Rest des Buches ist angefüllt mit privaten Erinnerungsfetzen und persönlichen kurzen Geschichtchen.
Was gut ist an diesem Buch und was ganz im Sinne der Autorin funktioniert: Es werden beim Lesen eigene Erinnerungen wach, einzelne Bilder tauchen auf und man beginnt tatsächlich davon zu erzählen. Ich könnte mir gut vorstellen, dass man mit diesem Buch überall dort, wo ältere Menschen zusammenkommen, interessante und lebendige Gesprächsrunden anstoßen kann, das Buch also quasi einzusetzen als Arbeitsmaterial für Menschen, die sich mit Senioren beschäftigen.
Lesend hat mich das Buch allerdings sehr enttäuscht. Es kommen nur wenige Erinnernde zu Wort, die Beiträge sind sprachlich dürftig, wirken meist farblos nüchtern bis hölzern. Die Geschichten bleiben aufgrund der knappen und trockenen Schilderungen für den Leser nicht wirklich greifbar. Man atmet geradezu auf, wenn man auf einen Beitrag stößt, der gekonnt geschrieben ist – um dann festzustellen, dass hier Astrid Lindgren erzählt… Es hätte dem Buch gut getan, wenn die Autorin mehr Mühe darauf verwendet hätte, zum einen viel mehr und unterschiedliche Menschen zu befragen, mehr Erinnerungen zu sammeln, denn erst die Vielfalt bringt das Leben in seiner gesamten Bandbreite näher, und diese Erinnerungen dann vor allem sprachlich so zu überarbeiten, dass sie den Leser emotional erreichen.