"Kleine Stadt der großen Träume" war in vielerlei Hinsicht nicht das, was ich erwartet hatte. Die Inhaltsangabe legt einen großen Fokus auf Eishockey und obwohl es auch eine große Rolle für die verschiedenen Charaktere spielt, die der Autor in den Blick nimmt, ist es für die Handlung letztlich nicht mehr als ein Katalysator oder die Motivation der einzelnen Figuren. Es geht um Gruppenmentalität, wie leicht es ist, wegzuschauen und wie schnell jemand, der eigentlich nichts Falsches getan hat, in den Mittelpunkt von negativer Aufmerksamkeit rücken kann.
Backman hat mit diesem Buch quasi eine Charakterstudie vorgelegt. Er stellt viele Menschen vor, die in Björnstadt leben, und nimmt sich Zeit, um dem Leser genau aufzuzeigen, wie sie fühlen, wie sie ticken, was sie ausmacht und was sie antreibt. Dabei geht er wirklich in die Tiefe, sodass man nach einer Weile beinahe vergisst, dass man gerade ein Buch liest; dem Autor gelingt es sehr gut, den Leser in diese kleine Stadt zu versetzen, in der Eishockey so eine unglaublich zentrale Rolle spielt, und obwohl es mir schwer gefallen ist, Sympathie für die meisten Personen zu empfinden, so kann ich nicht leugnen, dass ich Interesse an ihrem Schicksal hatte und unbedingt wissen wollte, wie sie auf verschiedene Situationen reagieren würden. Selbst wenn ich das Handeln eines Charakters schrecklich und fast schon unmenschlich fand, hat Backman dafür gesorgt, dass es aus der jeweiligen Sicht nachvollziehbar war.
Die Geschichte ist nicht immer leicht zu lesen. Es werden komplexe Themen behandelt und wie bereits erwähnt zeigt der Autor gut auf, dass Gruppenmentalität furchtbare Konsequenzen haben kann; dies führt dazu, dass eigentlich sympathische Menschen Dinge tun, die nicht richtig sind - aber auch dazu, dass man sich als Leser die unbequeme Frage stellen muss, wie man selbst gehandelt hätte. Die Situation sollte eigentlich klar und leicht sein, doch stattdessen ist sie unglaublich komplex und zahllose Motivationen und Vorstellungen spielen hinein. Das wurde toll dargestellt und hat dafür gesorgt, dass mich das Buch gefesselt hat, obwohl ich es nicht immer mochte oder gut fand. Ich wollte unbedingt wissen, was das Schicksal einiger bestimmter Figuren sein würde.
Von mir gibt es deshalb 4 Sterne. Backman hat eine sehr komplexe, vielschichtige Geschichte geschrieben, die schockierende Seiten der Menschen aufzeigt, aber auf jeden Fall zum Nachdenken anregt.