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Veröffentlicht am 26.09.2018

Zukunftsvision mit starken Parallelen zur Gegenwart

Die Optimierer
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Die Optimierer

Deutschland ist im Jahr 2052 Teil der Bundesrepublik Europa (BEU), die sich nach außen durch hohe Grenzzäune vom Rest der Welt abgeschottet hat. Denn hier, in der BEU, leben die Menschen ...

Die Optimierer

Deutschland ist im Jahr 2052 Teil der Bundesrepublik Europa (BEU), die sich nach außen durch hohe Grenzzäune vom Rest der Welt abgeschottet hat. Denn hier, in der BEU, leben die Menschen fast wie im Paradies. Der offizielle Gruß lautet „Jeder an seinem Platz“ und erinnert stark an These des Kommunismus „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen.“ Dass jeder in der BEU einen Platz findet, der seinen Fähigkeiten entspricht, dafür sorgen sogenannte Lebensberater. Samuel Freitag ist einer von ihnen. Er ist überzeugt davon, in der optimalen Gesellschaftsform zu leben, sammelt fleißig Sozialpunkte, freut sich auf seine bevorstehende Beförderung und darauf, seiner langjährigen Freundin Melanie einen Heiratsantrag zu machen. Um das System der Optimalökonomie weiter zu perfektionieren, schreibt Samuel regelmäßig Korrekturvermerke, die ihm weitere zusätzliche Sozialpunkte einbringen. Die Beschreibung dieser zukünftigen Gesellschaft überzeugt zunächst. Den Menschen geht es gut, sie laufend lächelnd durchs Leben. Es gibt keine Massentierhaltung mehr und kaum noch Umweltverschmutzung. Roboter verrichten niedere Arbeiten, sorgen für Sicherheit auf den Straßen und in den Häusern. Kriminalität ist fast nicht mehr vorhanden, die Menschen nutzen ein sehr viel weiter entwickelte digitale Technik. Doch zwischen den Zeilen kommen erste Zweifel auf, weil Parallelen zur heutigen Gesellschaft erkennbar sind. Alles wird aufgezeichnet und gespeichert. Der Rundum-Überwachung ist fast nicht zu entkommen. Offiziell natürlich zum Wohle der Menschen.

Eines Tages gerät Samuels Lebenstraum ins Wanken. Ein kleines Missverständnis, denkt er, als ihm einige Sozialpunkte abgezogen werden und seine Beförderung in die Ferne rückt. Plötzlich läuft es auf allen Ebenen gewaltig schief für ihn, und er muss erkennen, dass er sich in einer Abwärtsspirale befindet. Wir beobachten Samsons Begegnungen mit Menschen, die dem System kritisch gegenüberstehen, u.a. auch seine Eltern. Trotzdem glaubt er weiter an das System, sucht nach Ursachen und Schuldigen. Im letzten Drittel verändern sich Charakter und Geschwindigkeit der Handlung. Das Ende der Geschichte will logisch erscheinen, kam mir aber doch etwas zu weit hergeholt vor.

Fazit: Zukunftsvision mit starken Parallelen zur Gegenwart. Lesenswert. 4****

Veröffentlicht am 12.04.2018

Für alle Hundefans

Unterwegs mit Bodie
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Belinda glaubt, in Nathan die Liebe ihres Lebens gefunden zu haben. Doch der Marineoffizier verlässt sie, weil er ihr eine mehrmonatige Trennung durch seinen Dienst nicht zumuten will. Für Belinda scheint ...

Belinda glaubt, in Nathan die Liebe ihres Lebens gefunden zu haben. Doch der Marineoffizier verlässt sie, weil er ihr eine mehrmonatige Trennung durch seinen Dienst nicht zumuten will. Für Belinda scheint das Leben sinnlos, sie ist sozusagen am Ende. Genau wie Bodie, der schon so lange im Tierheim lebt, dass demnächst die Todesspritze auf ihn wartet. Eine glückliche Fügung führt die Beiden zusammen und schenkt ihnen neuen Lebensmut. Schon nach kurzer Zeit beschließt Belinda, mit Bodie über 3000 Kilometer die amerikanische Westküste hinaufzureisen, von Los Angeles bis Portland.

Ich fand Belindas Schilderung der ersten Erlebnisse mit Bodie amüsant und fühlte mich an meine erste Zeit als Hundebesitzerin erinnert. Wie sich plötzlich alles um den Hund dreht, Kleidung nach Zweckmäßigkeit gewählt und gute Vorsätze, was der Hund darf und was nicht, gefasst und wieder über den Haufen geworfen werden.

Der größte Teil des Buches schildert die Reise der Beiden. Einerseits fand ich diese ausführlichen Reiseberichte faszinierend. Welche Cottages, Restaurants, Läden usw. Belinda und Bodie besuchen und wo sie sich besonders willkommen fühlen. Andererseits gefiel mir auch die Entwicklung der Beziehung zwischen der Autorin und ihrem Hund. Die Schrecksekunden an der stark befahrenen Straße oder auch das Glücksgefühl, den eigenen Hund glücklich und entspannt zu sehen. Rührend fand ich auch Bodies erste Begegnung mit dem Meer. So ähnliche unvergessliche Erlebnisse gibt es im Leben jedes Hundebesitzers. Ich war beeindruckt von der Freundlichkeit, der Belinda begegnee, sowohl Hundebesitzern und als auch ihren vierbeinigen Begleitern gegenüber. Schade, dass mein Hund und ich Belindas so ausführlich beschriebener Route nicht folgen können, auch wenn das Buch direkt dazu einlädt.

Belinda gewinnt neues Selbstvertrauen, fühlt sich nicht mehr als die von Nathan Verlassene, sondern als die von Bodie Auserwählte. Kleine Selbstzweifel zwischendurch machen die Geschichte um so authentischer. Manchmal kamen mir Belindas Gedanken etwas zu euphorisch-philosophisch vor, was aber durch Situation, in der sie sich befand erklärbar ist. Sie war am Ende und staunt selbst, wie viel Glück wieder in ihr Leben kommt. Durch einen Hund.

Der in meinen Augen einzige Kritikpunkt ist die Qualität der Übersetzung aus dem Englischen ins Deutsche. Wortwiederholungen innerhalb eines Satzes, die man elegant hätte vermeiden können, und aus dem Englischen übernommener Satzbau störten wiederholt meinen Lesefluss. Wenn ein Satz so verquer formuliert ist, dass ich ihn mehrfach lesen muss, um die Wörter neu zu sortieren und den Inhalt zu verstehen, hat der Übersetzer seine Arbeit nicht gut gemacht. Dafür einen Stern Abzug.

Fazit: Ein lesenswertes Buch für alle Hundefans. 4****

Veröffentlicht am 07.01.2018

Spannendes Prequel

Gewagter Einsatz
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Der Kurzkrimi "Gewagter Einsatz" ist der erste Teil bzw. das Prequel der bislang sechsbändigen Krimireihe mit Lukas Baccus und Theo Borg, geschrieben von der Saarländerin Elke Schwab. Wir erfahren, wie ...

Der Kurzkrimi "Gewagter Einsatz" ist der erste Teil bzw. das Prequel der bislang sechsbändigen Krimireihe mit Lukas Baccus und Theo Borg, geschrieben von der Saarländerin Elke Schwab. Wir erfahren, wie Lukas Baccus und Theo Borg sich auf dieselbe Planstelle bewerben und beim ersten gemeinsamen Einsatz um diesen Posten konkurrieren. Dabei geht nicht immer alles glatt, ihr Draufgängertum bringt die Beiden in gefährliche und auch irgendwie komische Situationen. Doch als es darauf ankommt, werfen die Männer ihr Konkurrenzdenken über Bord.

Die Figuren Baccus und Borg gefielen mir gut. Sie wirken lebendig, voller Energie und Überschwang in ihrem Bemühen, alles richtig zu machen und den begehrten Job zu ergattern. Ihre Entscheidung, als es darauf ankommt, ist menschlich und sympathisch. Der Fall, an dem sie beide zusammenarbeiten, hat es in sich. Scharfsinnige Leser dürfen miträtseln und anhand kleiner Details selbst auf die richtige Spur kommen. Ein paar Figuren wirkten auf mich arg klischeehaft, alles in allem fühlte ich mich aber gut unterhalten und vor allem mit dem nötigen Vorwissen ausgestattet, um mich direkt dem nächsten Baccus-Borg-Krimi zuzuwenden.

Kleine Anmerkung zum Cover: Das Motiv an sich finde ich gut, wenn auch nicht wirklich zur Geschichte passend. Leider wurde dieses Fotomotiv im Laufe der letzten Jahre von diversen Autoren fast schon inflationär für Krimis und Thriller verwendet, sodass es keinen eindeutigen Wiedererkenn-Effekt für dieses Buch hat.

Fazit: Unbedingt vor den anderen Baccus-Borg-Krimis lesen! 4****

Veröffentlicht am 23.10.2017

Spannender Thriller

Die stille Kammer
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Kann es für eine Mutter etwas Schlimmeres geben, als die Gewissheit, das eigene Kind ermordet zu haben? Susan Webster hat genau dies getan - ihren drei Monate alten Sohn Dylan mit einem Kissen erstickt. ...

Kann es für eine Mutter etwas Schlimmeres geben, als die Gewissheit, das eigene Kind ermordet zu haben? Susan Webster hat genau dies getan - ihren drei Monate alten Sohn Dylan mit einem Kissen erstickt. Drei Jahre verbrachte sie in der Forensischen Psychiatrie, nun lebt sie unter dem neuen Namen Emma in einer anderen Stadt. Doch die Vergangenheit lässt sie nicht los. Sie erhält einen Brief mit einem Foto eines kleinen Jungen - laut Notiz auf der Rückseite soll es Dylan heute zeigen. Kann es sein, dass ihr Kind lebt? Susan, psychisch noch nicht völlig stabil, beginnt an ihrem Verstand zu zweifeln, aber auch, sich Hilfe zu holen. Ihre beste Freundin Cassie und der Journalist Nick helfen Susan dabei, herauszufinden, was vor drei Jahre wirklich geschah. Plötzlich scheinen andere Ereignisse, die über zwanzig Jahre zurückliegen, mit Dylans Tod zusammenzuhängen.

Der Autorin gelingt es von Anfang an, Spannung aufzubauen. Susan war mir trotz ihrer schlimmen Tat, an die sie keine Erinnerung hat, sofort sympathisch. Ihre beste Freundin Cassie ist ein Glücksfall für sie, und auch der Journalist scheint ihr in erster Linie helfen zu wollen und nicht nur auf eine reißerische Story auszusein. Die zweite Handlungsebene, die Rückblende in die 1980er und -90er Jahre, scheint zunächst nichts mit Susans Geschichte zu tun zu haben. Die Erzählung von der Jungsclique erinnerte ein bisschen an die »Kindheitsidylle«, mit der manche Geschichte vom großen Meister Stephen King beginnt und wo dann plötzlich das Grauen hereinbricht. Insofern fand ich diesen Teil ebenfalls sehr spannend, weil eine latente Bedrohung in der Luft schwebte. Der Zusammenhang zu Susans Geschichte erschließt sich erst allmählich.

Susan als Hauptfigur wirkt für mich sehr authentisch mit ihren Zweifeln, Schuldgefühlen, aber auch in ihrer Hoffnung. Die anderen Figuren sind teilweise interessant, z.B. Cassie und auch Jack und seine Entwicklung. So richtig warm wurde ich mit manchen von ihnen aber nicht. Mir fehlte einfach die Logik in ihrem Handeln, bzw. die Nachvollziehbarkeit ihrer Motive. Dass z.B. die Jungs der Clique wirklich so sehr von Jack abhängig sind, seine Anweisungen bis zum letzten mittragen, ohne sie zu hinterfragen oder ihren eigenen moralischen Grenzen zu unterwerfen. Jennifer blieb mir bis zum Schluss ein Rätsel. Und kann ein Mensch mit durchschnittener Kehle und »toten Augen« eine halbe Stunde später immer noch am Leben sein? Auch die Motivation anderer Randfiguren, die erst zum Ende der Geschichte ins Spiel kommen, war für mich nicht nachvollziehbar. Gerade das erwarte ich aber von einem guten Psychothriller, dass ich die Psyche der agierenden Personen zumindest ansatzweise verstehe.

Alles in allem ein spannender Thriller mit einer langsam wachsenden, überraschenden Auflösung. 4****

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
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  • Handlung
  • Erzählstil
  • Figuren
Veröffentlicht am 26.09.2017

Ein emotionales Buch, das Mut macht

Sehnsucht auf blauem Papier
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Heilpraktikerin Millicent kann auf zwanzig Jahre platonische Liebe zu Paul zurückblicken, als dessen Frau Emmi stirbt. Ein Unfall und eine Katastrophe für Paul, der quasi mit aus dem Leben fällt. Milli ...


Heilpraktikerin Millicent kann auf zwanzig Jahre platonische Liebe zu Paul zurückblicken, als dessen Frau Emmi stirbt. Ein Unfall und eine Katastrophe für Paul, der quasi mit aus dem Leben fällt. Milli will ihm Halt geben und schreibt Paul an jedem einzelnen Tag des Trauerjahres einen Brief, ohne Antwort zu erwarten. Paul zieht sich zurück, schließt seine Arztpraxis, meidet menschlichen Kontakt, wird immer mehr zum Eigenbrötler. Milli beobachtet und rät. Ich gebe zu, dafür habe ich sie bewundert - dieses Durchhaltevermögen. Keine Reaktion von Paul könnte ja auch bedeuten, dass ihre Briefe direkt im Altpapier landen. Trotzdem gibt Milli nicht auf, schreibt täglich, selbst als ihre eigene Lebenssituation sich ändert. Die starken Gefühle in diesem Buch haben mich wirklich beeindruckt. Pauls Trauer um Emmi ist so massiv, dass mir die Tränen kamen. Was hat er nicht alles verloren! Emmis Lachen, ihre Wärme, die vielen kleinen liebevollen Gesten, die unseren Alltag zu zweit lebenswert machen. Würde es mich nicht auch an den Rand des Wahnsinns treiben, dies alles von heute auf morgen zu verlieren? Auch Millis Verhältnis zu Marie ist geprägt von Liebe. Klara und Fritz als Nebenfiguren leben den Gegenpart zu Pauls und Emmis verlorenem Glück. Ihre Ehe ist kurz davor, an Langeweile zu sterben, auch wenn das Ganze auf einem Missverständnis beruht. Pauls Vater, das Herrschen gewohnt, lebt dement im Heim vor sich hin. Und doch gibt es auch da Momente des Glücks, wie Vater und Sohn sie früher kaum gemeinsam erlebten. Diese fremden Schicksale nehmen uns mit auf eine emotionale Achterbahnfahrt, bei der ich froh war, dass es nur ein Buch ist, und nicht mein Leben. Aber genauso ist das Leben, darum berührt dieses moderne Märchen so sehr.

Märchen? Ja, denn Milli glaubt an Wunder und vollbringt sie selbst. Als Leser sollte man bereit sein, sich auf die esoterische Ebene einzulassen. Milli sieht Auren, heilt durch Handauflegen, arbeitet mit Reiki und Bachblüten. Natürlich und glücklicherweise sind nicht alle 365 Briefe Millis im Buch abgedruckt. Diese sind, im Gegensatz zum Rest des Buches, voller gedanklicher Schnörkel, die mir manchmal etwas zuviel des Guten waren. Da haben mich die gedanklichen Bestandsaufnahmen von Paul oder Klara schon eher angesprochen. Schön auch der Wechsel der Jahreszeiten und irgendwie passend zu Pauls Situation.

Fazit: Alles in allem ein Buch, das Mut macht, denn das Leben geht weiter. 4****