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Veröffentlicht am 15.04.2018

Immer ein Berliner

Feuer in Berlin
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Der Berliner Privatdetektiv Bernhard Gunther hat lange bei der Polizei gearbeitet. Doch vor drei Jahren (1933) hat er den Dienst verlassen. Im Berlin des Jahres 1936 bearbeitet er meist Vermisstenfälle, ...

Der Berliner Privatdetektiv Bernhard Gunther hat lange bei der Polizei gearbeitet. Doch vor drei Jahren (1933) hat er den Dienst verlassen. Im Berlin des Jahres 1936 bearbeitet er meist Vermisstenfälle, was in einer Ära, in der ein Nachbar, der Sozi, Kommunist oder Jude ist, schnell mal verschwinden kann, nicht verwunderlich ist. Ein reicher Industrieller, dessen Tochter und Schwiegersohn bei einem Brand umgekommen sind, bittet Gunther, nach dem Inhalt des Safes zu suchen, der bei der tödlichen Attacke offensichtlich entwendet wurde. Auch wenn sein Auftraggeber nicht unbedingt sympathisch wirkt, nur Bares ist Wahres. Bernie Gunther beginnt mit den Nachforschungen.

Zur Zeit der Olympiade herrscht in Berlin eine zwiegespaltene Stimmung, zwar werden unerwünschte Menschen weiterhin verfolgt und drangsaliert, doch um der Weltöffentlichkeit eine gewisse freiheitliche Ordnung vorzugaukeln verschwinden die äußeren Anzeichen der Unterdrückung des Volkes. Allerdings dauert es nicht lange bis Gunther es während seiner Suche mit der Gestapo und sogar einigen höheren Chargen zu tun bekommt. Die Sache stellt sich schwieriger dar als angenommen. Nichts scheint richtig zusammenzupassen und immer wieder wird Gunther handfest klargemacht, an welchen Stellen er nicht allzu genau nachforschen sollte.

Leider ist der Autor im März diesen Jahres verstorben. Ein trauriger Anlass diese Serie sehr spät kennenzulernen. Der erste Band erschien im Original bereits 1989 und in diesem Jahr erscheint auf Deutsch der vorletzte dreizehnte Band, einen weiteren Band konnte der Autor vor seinem Tod noch fertigstellen. Als deutschsprachiger Leser fragt man sich bei der Lektüre des englischsprachigen Romans, ob der Autor deutsche Wendungen wörtlich ins Englische übersetzt hat oder ob einem Ausdrücke, die einem auf Deutsch wohlbekannt sind, tatsächlich im Englischen so verwendet werden. Spannend ist auch zu lesen, wie der Autor die Stimmung im Vorkriegsdeutschland beschreibt. Man kommt auf den Gedanken, die leichte Lockerung der Überwachung durch den Staat anlässlich der Olympiade, sei eine letzte Gelegenheit gewesen, abzuhauen. Doch die Meisten fliehen nicht. Auch Bernie Gunther lebt sein Leben, zwar hält er mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg, aber dennoch sind unter seinen Kunden auch hohe Beamte, die sicher eine andere Meinung vertreten als der Detektiv. Wo das Geld herkommt, ist schließlich doch egal. Mit seiner Berliner Schnauze eckt Bernie Gunther häufig an, mit ihr kommt er aber auch häufig durch. Grundsätzlich versucht er den Dingen auf den Grund zu gehen, was er nicht ändern kann, nimmt er jedoch manchmal zu klaglos hin. In dieser für viele Menschen lebensbedrohlichen Zeit geht Bernie Gunther seinen Weg, löst seinen Fall und findet immer wieder Möglichkeiten der alltäglichen Bedrohung zu entgehen.

Ein fesselnder Kriminalroman vor einem dramatischen politischen Hintergrund mit einem Ermittler, der auf seine eckige Art überzeugt, dass man mehr über ihn erfahren möchte.

Veröffentlicht am 14.04.2018

Wenn der Großvater

Albertos verlorener Geburtstag
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Tinos Vater liegt nach einem schweren Arbeitsunfall im Krankenhaus, die Mutter umsorgt ihren Mann unermüdlich. Der Junge macht sich große Sorgen. Der Einzige, der ihn etwas von seinem Kummer ablenken kann, ...

Tinos Vater liegt nach einem schweren Arbeitsunfall im Krankenhaus, die Mutter umsorgt ihren Mann unermüdlich. Der Junge macht sich große Sorgen. Der Einzige, der ihn etwas von seinem Kummer ablenken kann, ist sein Großvater Alberto. Von ihm lässt er sich die alten Geschichten erzählen. Tino ist überrascht und traurig als er erfährt, dass sein Großvater das eigene Geburtsdatum nicht kennt. Um sowohl dem Jungen zu helfen als auch die Tochter zu entlasten, wagt Alberto eine Reise in seine Vergangenheit. Gemeinsam mit seinem Enkel macht er sich auf den Weg, nach seinem unbekannten Geburtsdatum zu suchen.

Wenn der Großvater mit dem Enkel eine Reise macht, kann nur etwas Gutes dabei herauskommen. Und sei es nur, dass beide durch die gemeinsam verbrachte Zeit ein noch engeres Verhältnis bekommen. Die Angst um den Vater raubt Tino manchmal den Schlaf, doch die Ablenkung, die die Suche nach Albertos Vergangenheit mit sich bringt, bietet gerade das rechte Maß an Abenteuer und Ablenkung. Auch wenn Tinos Gedanken oft bei seinem Vater sind, möchte er unbedingt, dass sein Großvater, sein geliebter Apu, endlich einen eigenen Geburtstag feiern kann. Unermüdlich gehen die Beiden den Hinweisen nach, die nach der langen Zeit, die seit Albertos Kindheit vergangen ist, noch zu finden sind.

Wie schön für ein Kind, wenn es einen Großvater hat, der über eine schwere Zeit hinweghelfen kann. Wie schön aber auch für einen Großvater, wenn er ein Enkelkind hat, dass ihm hilft, sich auf die Suche nach einer Vergangenheit zu machen, von der er fast vergessen hatte, dass er sie vermisst. Schritt für Schritt kann man Tino und Alberto auf ihrer gemeinsamen Suche begleiten. Zurückversetzt in die schweren und grausamen Zeiten des spanischen Bürgerkriegs, in Zeiten einer glücklichen Kindheit, die jäh beendet wird. Man erlebt, wie Tino mehr Zuversicht bekommt. Man freut sich mit Alberto über jeden Hinweis, der ihn näher zu seinen leiblichen Eltern bringt, der alte Freunde und liebe Bekannte zurückbringt. Der eigene Geburtstag, eine Selbstverständlichkeit, die man vielleicht nicht so gering schätzen sollte. Es ist ein Tag, hinter dem eine Geschichte steckt, die es sich zu erzählen lohnt. Wie schön, hier zu lesen, wie sich aus Fürsorge für einen Jungen und dessen liebevollem Interesse an seinem Opa, eine lebensvolle Geschichte ergibt.

Veröffentlicht am 12.04.2018

Engel und Sander

Stille Zeugen: Friedelinde Engel ermittelt - Band 1
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Friedelinde Engel gehört auch zu den Menschen die für ihren Namen nichts können, denn wenn ihr Vorname etwas altertümlich klingt, so ist Friedelinde doch noch jung, allerdings nicht jugendlich. Sie arbeitet ...

Friedelinde Engel gehört auch zu den Menschen die für ihren Namen nichts können, denn wenn ihr Vorname etwas altertümlich klingt, so ist Friedelinde doch noch jung, allerdings nicht jugendlich. Sie arbeitet als Nachlasspflegerin beim Gericht und nun soll sie die Erben einer alten Dame finden, die tot in ihrer Wohnung gefunden wurde. Zwar findet Friedelinde zunächst keinen Hinweis auf irgendwelche Erben, dafür findet sie die Leiche eines alten Mannes in der Kühltruhe. Nachdem sie den ersten Schrecken überwunden hat, ruft Friedelinde die Polizei. Zuständig ist Kommissar Nicolas Sander, der gerade knapp einer Suspendierung entgangen ist.

Das ist schon mal ungewöhnlich, da gilt es eigentlich nach Hinweisen auf mögliche Erben zu suchen und dann findet man eine Leiche. Damit hat Friedelinde Engel nicht gerechnet und auch nicht mit diesem Kommissar, der Probleme mit sich rumzuschleppen scheint und seine Mitmenschen gerne mal rumstehen lässt oder aus dem Auto aussetzt. Da könnte frau sich schön drüber aufregen, wenn es nicht doch wichtigere Dinge zu tun gäbe. Und immer weiter gräbt sie in der Vergangenheit der Toten, während der Kommissar indessen einen weiteren Todesfall zu untersuchen hat, bei dem offensichtlich etwas nicht stimmen kann.

Witzige Wortgefechte zwischen Engel und Sander bestimmen den Beginn der Bekanntschaft der beiden eigenwilligen Persönlichkeiten. Ein sympathischer, wenn auch eckiger Kommissar die freundlich, einfühlsame Friedelinde Engel bilden ein Team, das sich gut ergänzt. Neben einigen Reibungspunkten arbeiten sie gut zusammen, wobei sich Friedelinde mehr als Freundin und Helferin erweist als der Kommissar, den sie mehr als einmal in heiklen Situationen unterstützt. Auch Sanders beruflicher Partner Gernot, hilft ihm, wenn es notwendig ist, wobei Gernots eigener Werdegang noch im Ungewissen bleibt. Jeder auf seine Art, manchmal gemeinsam, das Geheimnis um die Erblasserin wird gelöst. In diesem Rahmen kann ein Blick in die unrühmliche Vergangenheit unseres Landes geworfen werden, eine Vergangenheit, die auf keinen Fall vergessen werden darf.

Engel und Sander in ihrem ersten gemeinsamen Auftritt bilden eine außergewöhnliche Kombination von Ermittlern, denen sich sicher noch viele spannende Ansätze für die weitere Zusammenarbeit bieten.

Veröffentlicht am 07.04.2018

Licht der Welt

Tiefer denn die Hölle (Ein Martin-Bauer-Krimi 2)
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Mit der Ehe des evangelischen Polizeiseelsorgers Martin Bauer steht es immer noch nicht zum Besten. Mit seiner hochschwangeren Frau will er einen Geburtsvorbereitungskurs besuche, der gleichzeitig ein ...

Mit der Ehe des evangelischen Polizeiseelsorgers Martin Bauer steht es immer noch nicht zum Besten. Mit seiner hochschwangeren Frau will er einen Geburtsvorbereitungskurs besuche, der gleichzeitig ein gemeinsam verbrachtes Wochenende bringen soll. Allerdings noch auf dem Weg dorthin wird Bauer zu einem Einsatz gerufen. In einem alten Förderschacht ist ein Polizist in Panik geraten und der herbeigerufene Priester hat im Schacht einen Herzinfarkt erlitten. Nun liegt es an Bauer dabei zu helfen, die beiden Kollegen wieder ans Tageslicht zu bringen. Eine mit Honig übergossene Leiche war Anlass des Einsatzes. Doch wieso ist der Anblick des Toten dem Kollegen Vaals so nahe gegangen?

Martin Bauer kann einfach nicht anders, er muss der Sache auf den Grund gehen. Die letzten Monate, in denen er sich bemüht hat, sämtlichen Gefahren aus dem Weg zu gehen, in denen er an der Polizeischule unterrichtet hat, um seine Frau zu überzeugen, dass er sich ändern wird, sind wie weggewischt. Was ist nur mit seinem Kollegen geschehen? Erste Spuren führen zurück zu einer Kirchengemeinde, die der Priester Vaals etliche Jahre geleitet hat und die er plötzlich verließ. Hat sich Vaals damals etwas zuschulden kommen lassen? Daran mag Bauer nicht glauben, doch was sonst kann die Ursache für den abrupten Stellenwechsel gewesen sein. Kommissarin Dohr, die Leiterin der Ermittlungen, kämpft derweil mit internen Intrigen und steigt doch voller Eifer in die Ermittlungen ein.

Mit seinem zweiten Auftritt punktet Martin Bauer wieder sehr gut. Einmal auf einer Fährte kann er nicht umhin, selbst zu ermitteln. Mit seinem Auftreten als Seelsorger erlangt er manchmal sogar Informationen, die den Polizeibeamten vorenthalten werden. Seine Zusammenarbeit mit der leitenden Ermittlerin funktioniert gut, auch wenn seine Herangehensweise vom Chef nicht gerne gesehen wird. Bauer soll sich um die Seelen sorgen und sich nicht als Detektiv hervortun. Ein Wunsch, der sich kaum erfüllen wird. Man muss Bauers eckigen Charakter einfach mögen, mit Spürsinn und Gottesglauben geht er den Dingen auf den Grund. Geschickt sind auch in diesem zweiten Fall die Handlungsstränge verbunden, undurchschaubar zunächst, gelangt man doch mit jedem Ermittlungsschritt zu mehr Klarheit. Auch wenn dieser Fall nicht ganz so mitreißend ist wie der erste, so bleibt man doch immer gespannt auf den Fortgang des lückenlos konstruierten Falles mit seinem außergewöhnlichen Ermittler, der seinen Auftrag auf eigene Art interpretiert.

Veröffentlicht am 05.04.2018

Cold Case - fast...

Unter der Mitternachtssonne
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Wenn Kommissar Sasagaki einen Fall übertragen bekommt, dann löst er ihn, grundsätzlich jedenfalls. Als jedoch im Jahr 1973 ein Pfandleiher in einem verlassenen Haus tot aufgefunden wird, steht Sasagaki ...

Wenn Kommissar Sasagaki einen Fall übertragen bekommt, dann löst er ihn, grundsätzlich jedenfalls. Als jedoch im Jahr 1973 ein Pfandleiher in einem verlassenen Haus tot aufgefunden wird, steht Sasagaki vor einem Rätsel, das unlösbar scheint. Er findet einfach kein Motiv. Nur ein Jahr darauf stirbt die Mutter einer Schülerin bei einem Unfall. Es gibt kaum Anzeichen, dass es kein Unfall war. Zwar wird geredet, es könne sich um Selbstmord gehandelt haben, ein Beweis findet sich nicht. Es gibt auch keine Anzeichen, dass die Ereignisse zusammenhängen. Lediglich der Sohn des Pfandleihers und die Tochter des Unfallopfers kennen sich. Nicht überraschend, wenn man die selbe Schule besucht.

Kommissar Sasagaki bleiben die beiden Todesfälle immer gegenwärtig. Er kann einfach nicht davon lassen, er will die Sache aufklären. Über zwanzig Jahre geht er seiner Arbeit nach, doch auch wenn die offizielle Ermittlung schon längst eingestellt ist, im Hintergrund wirkt der Kommissar weiter. Er behält die beiden jungen Leute immer im Blick und findet doch keine Lösung. Doch immer wieder gibt es winzige Hinweise, die sich ganz langsam zu einem Bild fügen.

Fast beiläufig wird die Geschichte eines Mordes und seiner Hintergründe erzählt. In kleineren oder größeren zeitlichen Abständen werden Handlungsteile wie Kurzgeschichten erzählt, in denen die kleinen Hinweise, die nach und nach auftauchen, einen Zusammenhang herstellen. Eine Verbindung, die schließlich dazu führt, dass sowohl der Leser als auch der Kommissar eine Erklärung für die Geschehnisse findet, die vor so langer Zeit ihren Anfang nahmen. Dabei nimmt der Autor sich Zeit. Man kommt zuweilen nicht umhin, sich zu fragen, was eine Episode zum Ganzen beiträgt. Doch würde man meinen, das Geschriebene erfülle keinen Zweck, dann kennt man den Autor schlecht. Keigo Higashino, dessen Romane in Deutschland erst in den letzten Jahren entdeckt wurden, versteht es hervorragend zu fesseln. Er entwickelt mit seinen Handelnden Persönlichkeiten, die sich immer durch irgendetwas auszeichnen. So ist sein Sasagaki ein ruhiger ausdauernder Ermittler, der nicht locker lässt. Täter und Opfer sind durch ein Beziehungsgeflecht verbunden, das aufmerksam zu betrachten und erst nach eingehender Lektüre zu durchschauen ist. Vielleicht ist dieser Kriminalroman von hoher Qualität nicht ganz leicht zu lesen, aber dennoch handelt es sich um eine Lektüre, die man sich nicht entgehen lassen sollte.