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Veröffentlicht am 11.10.2018

Nicht stimmig erzählt

Ich war Diener im Hause Hobbs
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„Ich war eine Schlaftablette, die nicht richtig wirkte, zufrieden und unbedarft segelte ich durch eine glatte See, ich kannte keine Stürme, keine Unwetter, kein Bermudadreieck der Emotionen, ich war ein ...

„Ich war eine Schlaftablette, die nicht richtig wirkte, zufrieden und unbedarft segelte ich durch eine glatte See, ich kannte keine Stürme, keine Unwetter, kein Bermudadreieck der Emotionen, ich war ein simples Gemüt.“

So beurteilt sich Christian Kauffmann zum Ende des Buches hin. Kauffmann hat den Beruf des Butlers erlernt. Bei der Familie Hobbs arbeitet er einige Jahre als Diener, bis es zu einem Todesfall kommt, der ihn völlig aus der Bahn wirft.

Es hätte spannend sein können, darüber zu lesen, wie dieser anachronistische Beruf in unserer Zeit in einer Familie mit Leben gefüllt wird. Doch in der Tat ist es so, dass Christian Kauffmann so gar keine interessante Persönlichkeit hat. Es hätte spannend sein können, über die Familie Hobbs, wo Ehemann und Ehefrau unterschiedlicher nicht sein könnten, zu lesen. Doch in der Tat ist es so, dass diese charakterlichen Gegensätze nachdem sie einmal beschrieben wurden, später kaum noch eine Rolle spielen. Es hätte spannend sein können zu lesen, wie Christian es schließlich gelingt, die Umstände des mysteriösen Todesfalls zu lösen. Doch in der Tat ist es so, dass das Buch mit einer großen Menge an Belanglosigkeiten gefüllt ist und zum Ende hin die Auflösung derart unwahrscheinlich und an den Haaren herbeigezogen ist, dass es keine Freude ist, das Buch zu lesen.

Der Trick des Buches ist, dass es rückblickend erzählt wird – Christian Kauffmann schreibt nachdem er alles herausgefunden hat, seine Geschichte auf. Damit ist das Buch mit Anspielungen gespickt, die man beim zweiten Lesen erkennt – beim zweiten Lesen, da man auf Kleinigkeiten so nicht unbedingt achtet und da Namen oft erwähnt werden, bevor sie überhaupt eingeführt wurden. Man könnte dieses Erzählen als Clou sehen, für mich ist es allerdings einfach nur leserunfreundlich.

Nein, das Buch ist definitiv nichts für mich. Ich finde es trotz mancher guter Passage so gar nicht gelungen. Nicht nur, dass am Schluss sich erweist, dass alles völlig konstruiert ist, auch die Figur des Christian Kauffmann ist für mich keine stimmige Figur. Ein Diener, der eine Abneigung gegen seine Heimatstadt Feldkirch hat, dann aber stinksauer ist, wenn er von seinen früheren Freunden, zu denen er nur lose Kontakt hält, nicht alles erfährt, was geschieht. Dann trennt er sich von seinem Lebenspartner, einfach so, vermutlich weil der vor ihm richtig kombiniert hat und früher wusste, was Sache in dem Todesfall ist. Ein Diener, der sauer ist, wenn alte Freunde ihn zurechtweisen, aber zugleich überhaupt keinen Wert auf ihr Ergehen oder gar auf ihre Meinung legt. Ein treuer Diener, der anfängt, seine Arbeitgeber zu bespitzeln.

Hinzu kommt, dass der Roman völlig willkürlich hin- und herschwingt zwischen zwei Welten – der des Dieners und der der Hobbs, die dann auch noch so absonderlich verknüpft werden müssen, dass es einem die Schuhe auszieht. Dass Christian Kauffmann seinen Bericht über das Geschehene schreibt, weil er sich schuldig fühlt, geht am Ende völlig unter.

Fazit: „Ich war Diener im Hause Hobbs“ ist ein Buch, das zwar gute Seiten hat (etwa wenn das Wesen eines Butlers beschrieben wird), aber insgesamt in keiner Weise stimmig erzählt ist.

Veröffentlicht am 18.08.2018

Coming-of-Age-Roman

Wie ich fälschte, log und Gutes tat
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„Wie ich fälschte, log und Gutes tat„: Der Titel von Thomas Klupps neuem Buch führt ein wenig in die Irre. Klingt er doch eher wie ein Buchtitel von Jonas Jonasson und nicht wie der Titel eines Coming-of-Age-Romans, ...

„Wie ich fälschte, log und Gutes tat„: Der Titel von Thomas Klupps neuem Buch führt ein wenig in die Irre. Klingt er doch eher wie ein Buchtitel von Jonas Jonasson und nicht wie der Titel eines Coming-of-Age-Romans, was Klupps Buch in Wirklichkeit ist.

Benedikt Jäger, Zehntklässler, ist der Protagonist dieses Romans. Thomas Klupp inszeniert ihn als jungen Don Quijote, der einen stetigen Kampf um seine schulischen Leistungen kämpft. Dieser Kampf besteht vor allem darin, Noten und Unterschriften zu fälschen. Denn Benedikt ist zwar in Tennis ein Ass, aber vor allem in Mathematik und den Naturwissenschaften sehen seine Noten alles andere als rosig aus. Die Gefahr aufzufliegen bringt Benedikt immer wieder in große Nöte. Eine etwas aufgesetzte Geschichte also, die den Grund für Thomas Klupps Buch bietet.

Was man dem Protagonisten noch abgewinnen kann, ist eine gewisse jugendliche Widersprüchlichkeit. So lassen sich Benedikt und seine Freunde für eine Anti-Drogen-Kampagne ablichten, haben allerdings keine Schwierigkeiten, auf dem „Butterhof“ ebenjene Drogen zu konsumieren.

Thomas Klupp lässt seine Protagonisten auf Weiden los – und das hat nicht viel zu bieten. Sein Roman ist weder ein Schelmenroman, noch ein Entwicklungsroman. Und mit den Großen seiner Zunft kann er erst recht nicht mithalten. Wo wie im „Fänger im Roggen“ oder in „Tschick“ die jugendlichen Protagonisten auf die Welt losgelassen sind, werden auch die großen Fragen des Lebens angesprochen. Bei Klupp ist hier Fehlanzeige, er bleibt im Banalen hängen und lässt seine jugendliche Hauptfigur lieber über MINT-Fächer räsonieren. Dass er das in Jugendsprache tut, macht es zwar etwas authentischer, aber nicht besser.

Fazit: „Wie ich fälschte, log und Gutes tat“ ist ein Coming-of-Age-Roman, der zwar flüssig zu lesen ist und viel Situationskomik beinhaltet, aber kaum Tiefgang hat.

Gerrit Bartels, Kulturjournalist beim „Tagesspiegel“, schrieb in einem Artikel zum Deutschen Buchpreis 2018, er würde dieses Buch auf der Longlist vermissen. Ich nicht.

Veröffentlicht am 30.07.2018

Gleichnisse für unsere Zeit ?

Der Fremde im Zug
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„Der Fremde im Zug“ hat mich nicht begeistern können. Die Übertragung biblischer Gleichnisse ins Heute, die Attila Jo Ebersbach vornimmt, bleibt deutlich hinter meinen Erwartungen zurück. Es fehlt der ...

„Der Fremde im Zug“ hat mich nicht begeistern können. Die Übertragung biblischer Gleichnisse ins Heute, die Attila Jo Ebersbach vornimmt, bleibt deutlich hinter meinen Erwartungen zurück. Es fehlt der Pfiff, der Clou – sprich: die Überraschung, die einen zum Nachdenken bringt.
Attila Jo Ebersbach hat die Handlung biblischer Gleichnisse (wie auch einzelne biblische Verse, zumeist Aussagen Jesu) in ein anderes Setting gepackt, einen Deutungsansatz darauf, was die biblischen Gleichnisse und Texte heute aussagen können, bietet er jedoch nicht.
Was die Qualität der Geschichten angeht, fand ich manche interessant zu lesen, da sie einem die Handlung der Gleichnisse deutlicher vor Augen führten, andere jedoch fand ich sehr konstruiert, zu ausführlich und auch ist nicht immer prägnant die Pointe des Gleichnisses herausgehoben.
Dennoch bin ich der Meinung, dass einige der Geschichten in Bibelkreisen Verwendung finden könnten, kommt man doch recht schnell von ihnen zum biblischen Gleichnis und kann dann über den Sinn des Gleichnisses reden. Gleichnisse für unsere Zeit sind es freilich nicht.

Veröffentlicht am 15.04.2018

Bibelarbeit nach der lectio divina

Süßer als Honig, kostbarer als Gold
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40 Bibel-Meditationen sind in dem Band von Jan Johnson versammelt. Johnson bedient sich dabei der Methode der lectio divina. Sprich: sich erst mit dem Text auseinandersetzen, ihn verstehen, dann über ihn ...

40 Bibel-Meditationen sind in dem Band von Jan Johnson versammelt. Johnson bedient sich dabei der Methode der lectio divina. Sprich: sich erst mit dem Text auseinandersetzen, ihn verstehen, dann über ihn meditieren - das ist das Vorgehen.

Das ist bestimmt kein schlechter Ansatz, doch überzeugt hat mich das Buch dennoch nicht.

Da ist zum einen das immer gleichbleibende Vorgehen - was auch eine Stärke sein könnte. Doch die Texte im Buch zur Einstimmung und zur Frage nach dem, was man selbst vom Bibeltext mitnimmt - sie sind immer gleich formuliert. Heißt: Man liest es eben irgendwann nicht mehr und macht sich selbst seine Gedanken. Vorstellen könnte ich mir, dass die Bibeleinheiten bei Gruppen besser funktionieren. 

Zum Teil sind die Ideen, "Mäuschen" zu spielen, hilfreich, oft sind sie aber wenig bis gar nicht umsetzbar. Wer will sich schon den Gesichtsausdruck Jesu vorstellen? Oder Jakobus? Wie soll das gehen? Genauso die Aufforderung, sich Philippi vorzustellen, oder eine Synagoge zur Zeit Jesu - ohne Hintergrundinformationen ist das meines Erachtens nicht leistbar.

Zwar gelingt es der Autorin an einigen Stellen immer wieder, die Eintönigkeit der immer gleichen Art von Einführungen und Aufgaben zu durchbrechen, doch ist einfach zu viel Potenzial dadurch verloren. Es gibt keine Fokussierung auf eine Frage, auf ein Thema bei den ausgewählten - zumeist recht langen - Bibeltexten. Trotz aller Erklärungen wird man mit dem Text und der Frage, was er für einen selbst sagen kann, allein gelassen. Für die Meditation als solche ist man sich selbst überlassen. Das ist schade. Denn die Ansätze dieses Meditationsbuches sind eigentlich nicht verkehrt. Nur wird daraus nichts gemacht. 

Veröffentlicht am 18.03.2018

Zu viel Unwichtiges, zu wenig Wichtiges

Idaho
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Was ist geschehen, dass eine Mutter ihr eigenes Kind umbringt? Das ist die Leitfrage in Emily Ruskovichs verrätseltem Roman „Idaho“. Die eine Tochter ist tot, erschlagen, die andere verschwunden. Die Mutter: ...

Was ist geschehen, dass eine Mutter ihr eigenes Kind umbringt? Das ist die Leitfrage in Emily Ruskovichs verrätseltem Roman „Idaho“. Die eine Tochter ist tot, erschlagen, die andere verschwunden. Die Mutter: im Gefängnis. Der Vater: leidet an Demenz. All dies erfährt man bereits am Anfang des Buches.

Doch bald schon springt das Buch durch die unterschiedlichen Zeitebenen, erzählt vom ersten Kennenlernen des Liebespaares, der Heirat, dem Hausfehlkauf in einsamer Lage ohne Räumdienst, der Kindheit der beiden Töchter genauso wie von Jenny, der Mutter, die im Gefängnis sitzt.

Der Anfang des Buches klingt wie ein Detektivroman. Der Vater leidet inzwischen an Demenz. Ann, seine zweite Frau, will die Zeit, die noch bleibt, nutzen, um die Wahrheit festzuhalten. Was ist geschehen? Ein Unfall? Ein Mord? Ann begibt sich auf Spurensuche. Diese Spurensuche wird dem Leser nicht gerade leicht gemacht, denn Ann versetzt sich immer wieder in Personen hinein, schmückt mit viel Fantasie aus, was geschehen sein könnte. Doch fraglich ist, ob das alles so ist, denn Ann plagen selbst Schuldgefühle. Von anderen Personen wird derweil in dem Roman viel erzählt, nur nichts, was aufklären könnte, was geschehen ist. Als Leser muss man deshalb auf der Hut sein und immer wieder hinterfragen, was die Wahrheit sein könnte.

Und der Schluss? „Jetzt ist die Geschichte zu ihrem Ende gekommen, mehr wird nicht erzählt werden. Die Details seiner Vergangenheit sind so machtvoll wie schal. Zu viele, nicht genug.“ Dieses Zitat bringt es auf den Punkt, weshalb mich dieses Buch geärgert hat: Nichts ist am Schluss aufgeklärt. Vieles hat man erfahren, zu viel Unwichtiges, zu wenig Wichtiges. Viel Interessantes, Nachdenkenswertes, auch sprachlich Schönes ist in dem Buch finden. Doch was nützt es, wenn man sich über die fehlende Auflösung aufregen muss?

Doch ist dieser Ärger berechtigt? Man könnte „Idaho“ als postmodernen Roman lesen, dem es um die nicht existente einzige Wahrheit geht. Man könnte von den Lebenslegenden sprechen, die man sich erfindet und die man sich nicht nehmen lassen will. Darüber, wie Neuanfänge möglich sind. Doch all das ändert nichts daran, dass das Buch einen unbefriedigt zurücklässt. Wie bei einem mit schwarzem Wachsmalstift übermalten Bild, wo an manchen Stellen etwas weggekratzt ist, das Bild als Ganzes allerdings nicht sichtbar ist. Hätte Emily Ruskovich ähnlich wie in „Lola rennt“ wenigstens mehrere mögliche Enden erzählt – es würde mir mit dem Buch besser gehen.