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Veröffentlicht am 16.04.2018

Ein bewegendes Schicksal in der DDR

Annegret - die fremde Tochter
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Ein bewegendes Schicksal in der DDR

Bereits im Vorwort weist Annegret Range darauf hin, dass mit dem vorliegenden Buch ein Traum für sie in Erfüllung gehen durfte. Sie erklärt, dass die folgenden Seiten ...

Ein bewegendes Schicksal in der DDR

Bereits im Vorwort weist Annegret Range darauf hin, dass mit dem vorliegenden Buch ein Traum für sie in Erfüllung gehen durfte. Sie erklärt, dass die folgenden Seiten Erinnerung und zugleich Gewissheit seien, wie Gott einen Menschen durchs Leben führt. Sie fordert ihre Leser auf, Mut zu haben, und „an Gottes Hand über unser Leben“ zu glauben.

Annegret erblickte am 14. Juli 1957 als Tochter von Agnes und Erich Sawetzki das Licht der Welt. Als vorbestrafter und derzeit inhaftierter Pole wurde zu jenen Zeiten nicht nur der Vater, sondern zugleich auch seine Ehefrau als asozial eingestuft. Annegret wurde ihren Eltern daher bereits kurz nach der Geburt entzogen und kam ins Kinderheim Clara-Dieckhoff-Haus in Güstrow. Diese herzlose und radikale Vorgehensweise galt besonders jenen Menschen, die sich weigerten, den sozialistischen Normen zu entsprechen, die nicht ins ideologische Schema passten... Menschen wie die Sawetzkis.

Zu Annegrets Glück wurde das Kinderheim von christlichen Schwestern geführt, die das Mädchen liebevoll aufnahmen. Bereits 1961 fand sich ein Ehepaar aus Teterow, das großen Wert auf den christlichen Hintergrund ihres zukünftigen Adoptivkindes legte. Und bald durfte Annegret bei Laura und Heinrich Kahle einziehen. Sie wuchs in dem Glauben auf, die leibliche Tochter der Kahles zu sein. Erst durch Hänseleien in der Schule kam das Geheimnis ans Tageslicht. Das Mädchen lernte, sich zu wehren und weigerte sich zudem, sich an die sozialistischen Vorgaben anzupassen.

Lothar von Seltmann erzählt von Annegrets Werdegang, von den Hindernissen, die der Staat ihr in den Weg legt. Der Autor beschreibt die Lebensumstände dieser Zeit und den nahenden politischen Umbruch.

Die handelnden Personen werden anschaulich dargestellt, und abgesehen von der Protagonistin Annegret erfährt man auch Einzelheiten über ihre Adoptiveltern, ihren christlichen Schulfreund Kurt, der ihr in schweren Zeiten stets zur Seite stand. Man darf ihre Ausbildung zur Krankenschwester mitverfolgen, wo Annegret mit ihren drei christlichen Zimmergenossinnen ein „fidel-charmantes Ausbildungskollektiv“ bildet. Auch von den Konflikten mit den Adoptiveltern oder dem späteren Kennenlernen ihres Ehemannes berichtet Lothar von Seltmann, und geht detailliert auf die Ausgrenzung all jener Menschen, die ihren christlichen Glauben in der DDR offen leben, ein.

Annegrets Leben wurde chronologisch wiedergegeben, und ein Einblick in die politischen Entwicklungen im Hintergrund ermöglicht. Im Buch finden sich sehr viele, kursiv gedruckte Gebete und Lieder, und der Glaube nimmt einen hohen Stellenwert ein.

Das Schicksal Annegrets – eine Zwangsadoption in der DDR als Teil der deutschen Geschichte – stellte eine berührende und teilweise betroffen machende Lektüre für mich dar. Ich empfand es als bedrückenden Ausflug in das Seelenleben eines Kindes, das seinen leiblichen Eltern bereits nach der Geburt entzogen wurde. Meine persönliche Meinung zu diesem Buch ist ein wenig zweigeteilt. Einerseits fand ich die Schilderung des „Überwachungsstaates DDR“ als Nicht-Deutsche interessant, andererseits darf man angesichts anderer Rezensionen scheinbar davon ausgehen, dass es Zweifel am Wahrheitsgehalt der Geschichte gibt. Persönlich enttäuscht war ich vom gegenseitigen Umgang der Familie Kahle – ich hätte mir von bekennenden Mitgliedern der lutherischen Kirche und der baptistischen Freikirche etwas mehr Warmherzigkeit, Verständnis und Liebe erwartet. Ihr Verhältnis zueinander wirkte auf mich ein wenig unterkühlt wenn man die Tatsache berücksichtigt, dass Annegret das lange ersehnte Kind war, das die Kahles nach den tragischen Ableben ihrer drei eigenen Mädchen, endlich adoptieren durften. Auch Annegrets Äußerungen ihren Eltern gegenüber zeugte manchmal von wenig Respekt und von Lieblosigkeit, was jedoch wohl unter anderem auch eine Reaktion auf deren besitzergreifendes und völlig vereinnahmendes Verhalten war.

„Annegret die fremde Tochter“ – ein Lebensbericht aus der DDR, das ich mit drei soliden Sternen bewerte.

Veröffentlicht am 16.04.2018

Wir können nur ernten, indem wir ein Risiko eingehen

Firefly Island
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"Wir können nur ernten, indem wir ein Risiko eingehen"

„Ich schrieb über Pastor Hays Bemerkung, dass wir nie erfahren werden, wozu Menschen fähig sind, wenn wir ihnen nicht eine Chance geben. Ich schrieb ...

"Wir können nur ernten, indem wir ein Risiko eingehen"

„Ich schrieb über Pastor Hays Bemerkung, dass wir nie erfahren werden, wozu Menschen fähig sind, wenn wir ihnen nicht eine Chance geben. Ich schrieb über den Samen, den wir aussäen, und das wir nie sicher sein können, welcher aufgeht und welcher verkümmert. Aber Samen, den wir in der Hand festhalten, hat nie eine Chance aufzugehen. Ernten können wir nur, wenn wir ein Risiko eingehen.“

Das Risiko, das die Protagonistin dieses Romans eingeht, ist gewaltig. Als die vierunddreißigjährige Rechtsassistentin Mallory Hale im Zuge ihrer Tätigkeit für einen führenden Kongressabgeordneten in Washington zufällig auf einen jungen, attraktiven Biochemiker trifft, der für das Landwirtschaftsministerium arbeitet, ist es für beide Liebe auf den allerersten Blick. Nach einer sehr kurzen, intensiven Zeit des Kennenlernens erfordert ein Jobangebot eine folgenschwere Entscheidung. Daniel Webster Everson bittet Mallory zwei Wochen nach ihrem Kennenlernen, seine Ehefrau und zugleich Mutter seines kleinen Sohnes Nik zu werden. Mallory gibt ihr wohlgeordnetes Leben in der Großstadt, ihre ehrgeizigen Karrierepläne und die angestrebten politischen Ziele auf und folgt dem Mann ihres Herzens nach Texas, in die unmittelbare Nähe der Insel „Firefly Island“, am Ufer des Moses Lake. Die verwahrloste Unterkunft ist ernüchternd, die plötzliche und radikale Veränderung ihres gesamten Lebens stellen einen kleiner Schock für Mallory dar. Nur langsam gewöhnt sie sich an ihr neues Leben. Der süße kleine Nik hat jedoch Mallorys Herz im Sturm erobert, und nach und nach schließt die junge Frau auch erste Kontakte zu den Nachbarn und gewinnt Freunde. Ihr Glück wäre vollkommen, wäre da nicht der etwas unheimliche, undurchschaubare und exzentrische Arbeitgeber ihres Ehemannes, der Mallory Unbehagen bereitet. Bislang war sie stets gut beraten, ihrem Bauchgefühl zu vertrauen – und dieses warnt sie vehement vor Jack West, dem schwerreichen Eigentümer der Forschungsfirma West Research. Mallory beginnt, alte Kontakte zu aktivieren und stellt Nachforschungen über den Vorgesetzten ihres Mannes an…

Lisa Wingate ist es überzeugend gelungen, die radikale Veränderung der Lebensumstände ihrer Protagonistin darzustellen. Von der ehrgeizigen und karrierebedachten Superfrau aus Washington City zur Hausfrau und Mutter auf einem kleinen Stück Land in Texas – die Gegensätze hätten nicht konträrer gewählt werden können. Die Autorin berichtet auch über die Reaktion des Umfelds auf die überstürzte Hochzeit und bringt als Nebenfiguren Mallorys Eltern und ihre vier Schwestern ins Spiel, erwähnt auch den alten Freundeskreis. Sie widmet sich den neuen Nachbarn und Bekannten in Moses Lake, konnte mich mit ihren Personenbeschreibungen aber dennoch nicht überzeugen… es fehlte mir hier eindeutig ein wenig an Tiefe. Und trotz des gefälligen Schreibstils und der Tatsache, dass ich Romane mit ruhiger Handlung und bar jeglicher Spannung durchaus zu schätzen weiß, konnte mich „Firefly Island“ leider nicht für sich einnehmen. Das im Klappentext erwähnte dunkle Geheimnis wurde nur teilweise gelöst, einige Handlungsfäden verliefen ins Leere und die offenen Fragen ließen ein unbefriedigendes Gefühl nach dem Zuklappen des Buches zurück. Lisa Wingate brachte zwar im letzten Teil des Buches ein wenig Spannung ins Spiel, wirklich überzeugend waren jedoch weder die geschilderten Ereignisse, noch die etwas blassen Figuren dieses Romans. Der christliche Glaube hat zwar einen gewissen Stellenwert, es wird ihm aber für meinen Geschmack zu wenig Raum gegeben. Es gab weder charakterlich beeindruckende und einnehmende Protagonisten, noch eine Handlung, die es schafften, mich ans Buch zu fesseln.

Ich möchte jedoch noch das wunderschöne Coverfoto hervorheben, das eine junge Frau am Sandstrand des Moses Lake zeigt, die zarten Gesichtszüge durch eine schwere, dunkle Haarpracht teilweise verborgen. Ein Bild, das Neugier erweckt und eine gewisse Leichtigkeit und Romantik vermittelt – eine wirklich gelungene optische Aufmachung!

Veröffentlicht am 16.04.2018

Die Sprache des Herzens

Die Sprache des Herzens
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Die Weltausstellung 1893 in Chicago ist übt eine gewisse Faszination auf den siebenundzwanzigjährigen Connor McNamara aus, er würde dies jedoch niemals zugeben oder gar seine eigene Anwesenheit bei diesem ...

Die Weltausstellung 1893 in Chicago ist übt eine gewisse Faszination auf den siebenundzwanzigjährigen Connor McNamara aus, er würde dies jedoch niemals zugeben oder gar seine eigene Anwesenheit bei diesem großen Ereignis anstreben. Dennoch konfrontiert ihn sein Vater eines Tages mit der Tatsache, dass er heimlich nicht nur die Reise samt Unterkunft, sondern auch die Teilnahme seines Sohnes organisiert hatte. Connors Vater glaubt ganz fest an die automatische Sprinkleranlage und dessen Erfolg durch eine Präsentation Connors in Chicago und drängt ihn, diese einmalige Chance wahrzunehmen. Um seinen Vater nicht zu enttäuschen, der sein ganzes Leben lang an ihn geglaubt hatte und der felsenfest davon überzeugt war, dass Connor für seine Tätigkeit als Erfinder bestimmt sei, macht er sich auch tatsächlich auf den Weg. Aufgrund seines Hörproblems beschließt der junge Mann, Unterricht im Lippenlesen und der Gebärdensprache zu nehmen und trifft dabei auf eine bezaubernde junge Frau aus Philadelphia, der er bereits an seinem ersten Tag der Ausstellung in einer Notsituation hilfreich zur Seite geeilt war. Adelaide Wentworth kann den sehnlichsten Wunsch ihres Retters nur unschwer abschlagen, und so verbringen sie in den darauffolgenden Wochen und Monaten ihre gesamte Freizeit miteinander. Della erteilt Connor die gewünschten Lektionen, während dieser bei der Besichtigung der Weltausstellung als ihr Begleiter fungiert. Schon bald werden die ersten zarten Gefühle füreinander geweckt und Connors Sprinkleranlage scheint bei einigen wichtigen Kunden Interesse zu wecken… ob sich dem privaten und beruflichen Glück des jungen Farmers jetzt noch etwas in den Weg stellen kann?

Die aktuelle Neuerscheinung von Deeanne Gist weist zwar mit knappen vierhundert Buchseiten eine große inhaltliche Fülle auf, ich konnte mich dennoch nicht recht damit anfreunden. Die beiden Protagonisten werden leidlich gut beschrieben, blieben mir jedoch unnahbar und wenig Sympathie erweckend. Die Geschichte von Connor und Della empfand ich als etwas langatmig, Connors Handlungsweise seiner Verlobten Wanda gegenüber gedanken- und verantwortungslos. Mir fehlte es betreffend die eingebaute Liebesgeschichte zudem eindeutig an Romantik und Emotionen, die zu erwecken die Autorin für meine Person einfach nicht geschafft hat. Connor und Della blieben für mich Figuren in einem Roman, mich für sie zu erwärmen oder gar mich in sie hinein zu versetzen und ihre Gedanken und Handlungen nachzuvollziehen, fiel mir äußerst schwer.

Was mir an diesem Buch sehr gut gefallen hat war das Thema, mit dem Adelaide Wentworth sich beruflich beschäftigte: die Arbeit mit taubstummen Kindern. Hier durfte ich einen kleinen, aber faszinierenden Einblick in die Welt dieser Kinder erhaschen, erfuhr von den Anstrengungen, die es kostet, als tauber Mensch das Lippenlesen zu lernen. Deeanne Gist vermittelte ihren Lesern auch die große Aversion der Umwelt, wenn es um die Gebärdensprache ging. Menschen, die diese Form der Kommunikation nutzten, wurden zu jenen Zeiten unweigerlich als verrückt und dumm abgestempelt. Dellas Kampf, die Gebärdensprache in Kombination mit dem Lippenlesen im Unterricht einzusetzen, war ein Kampf gegen Windmühlen, den zu gewinnen es unmöglich schien.

Leider konnte man die Tatsache, dass es sich hierbei um einen Roman aus einem Christlichen Verlag handelt, aus dem Inhalt dieses Buches nicht ersehen. Der Glaube spielt nur eine äußerst begrenzte bis gar keine Rolle darin… wirklich schade.

Obgleich „Die Sprache des Herzens“ mich inhaltlich enttäuscht hat, war der Umgang mit taubstummen Menschen und deren Unterrichtsmethoden ein Faktor, der mir gut gefallen hat. Ich würde diese Lektüre zwar Menschen, denen christliche Werte wichtig sind, nicht unbedingt weiter empfehlen, vergebe aber dennoch drei solide Bewertungssterne dafür.

Veröffentlicht am 16.04.2018

Gnadenzeit

Gnadenzeit
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„Noch ist Gnadenzeit. Noch ist Zeit zur Umkehr. Noch könnte er aus der Finsternis ans Licht treten, Gnade erleben, Amnestie zugesprochen bekommen. Er bräuchte nur 400 Meter hinuntersteigen und sich dem ...

„Noch ist Gnadenzeit. Noch ist Zeit zur Umkehr. Noch könnte er aus der Finsternis ans Licht treten, Gnade erleben, Amnestie zugesprochen bekommen. Er bräuchte nur 400 Meter hinuntersteigen und sich dem Gastwirt offenbaren. Ich bin der Zeuge. Ich kenne den Täter, und ich kenne das Opfer.“_

Ein Mordzeuge, dessen Identität zu Beginn des Buches noch im Dunkeln liegt, hadert mit sich und seinem Gewissen. Es gibt Gründe, die ihn daran hindern, seine Beobachtung zu melden. Und so wird die Leiche der jungen Frau erst entdeckt, als der Täter längst über alle Berge ist. „Tote Frau im Oytal gefunden“. Dieser Anruf leitet für den Oberkommissar bei der Kripo Kempten das Ende eines gemütlichen Fernsehabends ein, bevor dieser überhaupt begonnen hatte. Alois Bachhuber aus Oberstdorf nimmt gemeinsam mit seinem Assistenten Sepp Brutscher die Ermittlungen in diesem Fall auf, wobei sich rasch herausstellt, dass die Polizei es mit einem Mord zu tun hat. Die Spuren führen zu einer Sekte, und die Kriminalbeamtin Maria Sonnlaitner als Expertin im kirchlichen Milieu ist durch ihre einfühlsame Befragung von Zeugen und Verdächtigen eine überaus wertvolle Hilfe. Als die Identität des Mordopfers geklärt ist und die Kriminalbeamten die Familie befragt, treffen sie auf ein beklemmendes Umfeld und aktive Unterstützer und Mitglieder des despotischen Sektenführers August Haupt. Je weiter die polizeilichen Ermittlungen fortschreiten, umso erschreckendere Dinge kommen ans Licht. Fassaden beginnen zu bröckeln, und was jahrelang im Untergrund schwelte, drängt nun mit einer Urgewalt zutage.

Ich muss zugeben, dass ich bislang nur wenige christliche Kriminalromane gelesen habe, und meine Erwartungshaltung hoch war. Der Einstieg in das Buch ist dem Autor zunächst vortrefflich gelungen, der einnehmende Schreibstil gepaart mit einer großen Portion Humor bereitete mir aufgrund der Aussagen des Ehepaars Bachhuber großes Lesevergnügen. Die bildhafte Sprache ließ die Schauplätze der Handlung vor meinem inneren Auge lebendig erscheinen, die relativ häufige Verwendung des regionalen Dialekts im Buch empfand ich als stimmig. Die Krimihandlung an sich hat mich jedoch ein wenig enttäuscht. Spuren werden eher oberflächlich verfolgt, Aussagen nicht überprüft, von Tatortspuren und näheren Details zu den Ermittlungen erfährt der interessierte Leser nur wenig. Der häufige Wechsel des Schauplatzes und der agierenden Personen war durch separate Kapitel gekennzeichnet, die ihrerseits jeweils durch eine ganzseitige Abbildung immer derselben Landschaft in Schwarz-Weiß klar vom vorangegangenen Inhalt getrennt wurden. Die Handlung wies einen sehr niedrigen Spannungsfaktor auf, die verdächtigen Personen offenbarten sich dem Leser sehr rasch, auch die Auflösung des Falls stellte für mich keine wirkliche Überraschung dar.

In diesem Buch wurde dem Glauben bzw. der Art und Weise, wie Menschen diesen ausleben, großes Augenmerk zuteil. Der psychologische Aspekt und die Geschichte um den despotischen Sektenführer August Haupt, der die kleine Versammlung in der Forstgasse leitete, lässt die Krimihandlung ein wenig in den Hintergrund treten. Bereits nach dem ersten Drittel des Buches konzentriert sich der Autor verstärkt auf die Vergangenheit des Opfers und das Umfeld, in dem es gelebt hatte. Relativ gut beschrieben wurde die Art und Weise, wie eine Sekte entstehen kann. Wie das Ansinnen einer seriösen Glaubensgemeinschaft, Menschen zu Jesus Christus führen zu wollen, gemeinsamen in der Bibel zu lesen und zu beten, die Kinder in Gottesfurcht zu erziehen und das Leben Gott zu weihen, ganz rasch aus dem Ruder geraten kann. Er zeigt auf, welche Umstände dazu führen, dass sich ein ungebildeter Laienprediger mit psychischen Problemen und einer radikalen Ideologie zum dominanten Sektenführer aufschwingen kann, zum Fanatiker wird und sich dabei selbst als das Maß aller Dinge betrachtet. Jürgen Mette verdeutlicht, wie eine kleine Glaubensgemeinschaft ihre Fassade der Rechtsgläubigkeit zur Schau stellt, hinter der sich jedoch Abgründe verbergen. Wo Kontrollwahn und körperliche Züchtigungen, psychologischer und körperlicher Missbrauch sowie eine radikale Abkehr von einem so genannten „saft- und kraftlosen anonymen Namenschristentum“ Kinderseelen wie auch erwachsene Menschen zu zerbrechen vermag. Ich hatte während der Lektüre den Eindruck, dass die Bibel als Basis des christlichen Glaubens in diesem Buch negativ dargestellt wird. Zwar kann man das Verhalten eines Jakob Weber oder eines August Haupt keinesfalls auch nur im Geringsten nachvollziehen oder gar gutheißen, dennoch vermeinte ich eine stets unterschwellig präsente Kritik an Menschen zu spüren, die die Bibel als Grundlage ihres Glaubens betrachten.

Mir ist die Bewertung dieses Buches schwer gefallen. Einerseits empfand ich die mit viel Humor gespickten Dialoge des Oberkommissars Bachhuber als erfrischend und amüsant. Andererseits fehlte es mir bei der Krimihandlung eindeutig an Spannung sowie an detaillierter Ermittlungsarbeit. Im Grunde nahm ich das Buch als Bericht über eine Sekte, bei dem das zentrale Augenmerk auf das Glaubensleben gelegt wird, wahr.

Die optische Aufmachung des Buches wirkt düster und bedrohlich – und zwar sowohl die tiefschwarze Covergestaltung, als auch die dreißig identischen schwarzen Buchseiten, die jedes der Kapitel einleiten. Ich vermute, dass hier danach getrachtet wurde, die negative Grundstimmung, die Dunkelheit, die Angst und Schrecken vermittelnden Lehren der Sekte, optisch darzustellen.

Gnadenzeit – ein Buch, das ich für meine Person nicht ganz eindeutig dem Genre Kriminalroman zuordnen, sondern vielmehr als psychologischen Spannungsroman bezeichnen würde. Eine Lektüre, der ich mit gemischten Gefühlen gewidmet habe.

Veröffentlicht am 16.04.2018

Dankbare Menschen prägen das Lebensklima ihrer Umgebung

Danke!
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Dankbare Menschen prägen das Lebensklima ihrer Umgebung

„Wer als dankbarer Mensch leben will, der muss sich bewusst dafür entscheiden. Dankbarkeit kommt nicht plötzlich über mich, ich muss aktiv werden.“

Anja ...

Dankbare Menschen prägen das Lebensklima ihrer Umgebung

„Wer als dankbarer Mensch leben will, der muss sich bewusst dafür entscheiden. Dankbarkeit kommt nicht plötzlich über mich, ich muss aktiv werden.“

Anja und Martin Gundlach nehmen ihre Leser mit auf eine „Danke-Reise“ mit dem Ziel, selbst dankbar zu werden und andere mit dieser Dankbarkeit anzustecken. Dieses Buch versteht sich als Praxisbuch und ist in zwölf Kapitel aufgeteilt, wobei jedes einzelne dieser Kapitel sich in einen thematischen Impuls, Bibelbezüge, eigene Erfahrungen und Fragen zum Nachdenken gliedert. Hierfür gibt es auch eine großzügige Anzahl von leeren Buchseiten, die nach langsamem Lesen dazu einladen, sich wichtige Notizen zu machen und mit anderen über das Gelesene auszutauschen. Das Ziel der Autoren ist ein „learning by doing“ während des Lesens. Ihr credo lautet: „Veränderung beginnt im Kleinen – ein langsames, beständiges Anwachsen der Dankbarkeit, ein schrittweises Umsetzen durch keine Taten“. Das Ehepaar Gundlach lädt dazu ein, ein Leben zu führen, in dem die Dankbarkeit Raum gewinnt.

In den nachfolgenden Kapiteln wird auf die positive Psychologie eingegangen, die Dankbarkeit als „wesentliche christliche Haltung“ angeführt, und auch unser Bauchgefühl als Komponente berücksichtigt. Wie es gelingt, dies alles in die Tat umzusetzen und welche Dinge erheblich zum Gelingen beitragen, ist Inhalt dieses Buches.

„Dankbar für mich zu sein, das heißt: zu sehen und anzunehmen, was ich bin und was ich kann und was ich habe. Und genau daraus etwas zu machen.“

Interessant ist, dass die Autoren in Anlehnung an Gary Chapmans Buch „Die fünf Sprachen der Liebe“ dies auch auf das Thema Dankbarkeit anwenden. Sie beleuchten zudem viele verschiedene Aspekte der gelebten Dankbarkeit, diese alleine oder in Gemeinschaft auszudrücken, die Art und Weise aufzutanken, oder die Gesten im Alltag, unserer Dankbarkeit Ausdruck zu verleihen. Sie weisen darauf hin, welche Umstände, Haltungen oder Prägungen unsere Dankbarkeit verhindern und zeigen, wie man mit Grenzen und Verlusten versöhnt leben kann.

Das Buch schließt mit einem Kapitel, das für mich das am beeindruckende und hilfreichste war, nämlich mit den so genannten „Trainingsfeldern“, wo man klare und gezielte Hinweise darauf findet, wie man Dankbarkeit im familiären Umfeld, im Freundeskreis, am Arbeitsplatz, in der Kirche oder Gemeinde oder einfach in der Umgebung ausdrücken und Konventionen durchbrechen kann.

Ein großartiges Buch über die Dankbarkeit, das zudem hoch motiviert.

Einziger Kritikpunkt, der für mich jedoch äußerst relevant war, ist die optische Umsetzung und olfaktorische Wahrnehmung dieses Buches. Zunächst bereitete mir die überdurchschnittlich kleine und somit extrem leseunfreundliche Schrift erhebliche Schwierigkeiten beim Lesen. Eingeschobene Passagen wie beispielsweise Erfahrungsberichte, Bibelstellen oder Liedertexte waren zudem auch noch in roter Farbe geschrieben, was den Lesefluss noch weiter beeinträchtigte. Zur starken Überanstrengung der Augen kam ein intensiver und beinahe stechender Geruch nach Druckerfarbe/Chemikalien, der zusammen mit der winzigen Schrift dazu führte, dass bis zur Beendigung der letzten Seite zu starken Kopfschmerzen führte.

So begeistert ich vom Inhalt dieses Buches auch war, die Umsetzung dieses Druckwerkes verleidete mir mein Lesevergnügen enorm. Inhaltlich möchte ich für dieses bereichernde Sachbuch fünf Bewertungssterne vergeben, für die Umsetzung jedoch maximal einen. Wirklich schade!