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Veröffentlicht am 16.04.2018

Weil du mir versprochen bist

Weil du mir versprochen bist
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Dieser Buchtitel hat mich ein wenig in die Irre geführt. Die Aussage „Weil du mir versprochen bist“ symbolisierte für mich eine Liebe zwischen zwei jungen Menschen, die sich gegenseitig das Eheversprechen ...

Dieser Buchtitel hat mich ein wenig in die Irre geführt. Die Aussage „Weil du mir versprochen bist“ symbolisierte für mich eine Liebe zwischen zwei jungen Menschen, die sich gegenseitig das Eheversprechen geben – und zwar aus freien Stücken und frohen Herzens. Leider gestalten sich die Voraussetzungen in diesem Roman für die 17jährige Leonie Sawyer ein wenig anders. Leonies Kindheit ist von der Alkoholsucht und Brutalität ihres Vaters gezeichnet, der gestohlene Kuss des lebenslustigen Mandolinenspielers und Frauenhelden Gideon O’Riley lässt die Situation eskalieren. Der „große Herzensbrecher von Rocky Knob“ wird unter Gewaltandrohung dazu gezwungen, Leonie zu heiraten, die ihrerseits ohnedies kein Mitspracherecht hat bzw. es auch niemals hatte. Um finanzielle Mittel und Platz ist es sowohl in Leonies, als auch in Gideons Familie knapp bestellt und die jungen Eheleute brechen auf in ein neues Leben, ins Unbekannte, auf der Suche nach Arbeit. Hunger, Erschöpfung und das unbarmherzige Verhalten Gideons führen schließlich zu Leonies Zusammenbruch, als unvermittelt ein alter Mann namens Jebediah auftaucht. Er und seine Ehefrau Elsie nehmen die O’Rileys bei sich auf und Leonie darf zum ersten Mal in ihrem Leben das Gefühl von Liebe und Geborgenheit bei den beiden warmherzigen Menschen erfahren. Doch Gideon schwankt immer noch zwischen seinem alten und dem neuen Leben und wird sich für eine dieser beiden Welten entscheiden müssen…

Ich war ein wenig zwiegespalten in meiner Buchbewertung. Anfangs zeichnet die Autorin ein sehr deutliches Bild vom Leben ihrer beiden Protagonisten, die beide in ärmlichen Verhältnissen aufwuchsen, wobei Leonie abgesehen von Hunger und Einschränkungen auch noch die Unberechenbarkeit und Schläge ihres Vaters aushalten musste. Das Mädchen sehnte sich danach, endlich volljährig zu sein und zu ihrer liebenswürdigen Tante Sarah zu ziehen, die ihren Unterhalt durch die Herstellung von Seifen verdiente. Bei der gottesfürchtigen Frau fand Leonie stets Zuflucht und Trost, den Sarah ihr auch durch die gemeinsame Lektüre der Bibel vermitteln konnte. Die Fehlinterpretation eines erzwungenen Kusses, die zur Zwangsheirat führt, erweckte in Leonie den Eindruck, von einer Abhängigkeit in die nächste zu fallen, nahm ihr jegliche Hoffnung auf Freiheit und Glück.

Die Gefühls- und Gedankenwelt der beiden Hauptakteure fand ich außerordentlich gut dargestellt – man konnte als Leser die persönliche Entwicklung besonders bei Gideon sehr gut miterleben. Etwas unglaubwürdig stellten für mich jedoch Gideons Handlungen dar. Seine in kursiver Schrift ausgedrückten Gefühle und Gedanken stehen in einigem Widerspruch zur Brutalität und Härte, mit der er seine junge Ehefrau behandelte. Bei manchen Passagen dieses Buches hatte ich beinahe den Eindruck, dass dieser Mann einen räudigen Hund wohl besser behandeln würde, als das unschuldige junge Mädchen, das ihm gegen seinen Willen angetraut wurde.

Mit Jebediah und Elsie brachte Joanne Bischof ein wunderbares altes Ehepaar ins Spiel, zwei Menschen, die das Gute im Leben symbolisieren. Für Leonie war es ein Ankommen, Gideon wurde jedoch ein Spiegel vorgehalten, für ihn begann eine schwere Zeit des Arbeitens – nicht nur in körperlicher Hinsicht, sondern auch an sich selber.

Die Geschichte an sich hat mich - abgesehen von Gideons eiskalter Lieblosigkeit und Grausamkeit – ansonsten vollends überzeugt, meine beiden favorisierten Figuren dieses Buches waren ohne Zweifel Jebediah und Elsie. Der innere Konflikt Gideons wurde ebenfalls sehr gut skizziert, mir wurde für meinen Geschmack jedoch zu wenig auf die Nebenfiguren eingegangen. Gerne hätte ich mehr über tief gläubige Sarah, Leonies Tante, erfahren. Das Verhalten von Gideons Mutter hinterließ bei mir ebenfalls offene Fragen… ihre deutlich spürbare Zuneigung zu ihrem ältesten Sohn steht in starkem Widerspruch zu ihrem Verhalten, eine angedeutete frühere Verliebtheit seiner Mutter bleibt ebenfalls im Raum stehen. Leonies Mutter wird zwar kurz erwähnt, bleibt jedoch weitgehend im Hintergrund.

FAZIT: Mit „Weil du mir versprochen bist“ hat Joanne Bischof einen gefühlvollen Liebesroman verfasst, der den Leser gefangen nimmt. Man taucht ein in das harte Leben der ländlichen Bevölkerung dieser Zeit, in der die Menschen schwer arbeiten mussten, um ihre Familien ernähren zu können. Das Schicksal Leonies steht wohl sinnbildlich für die damals durchaus üblichen Zwangsheiraten, wobei es der Autorin vortrefflich gelungen ist, die inneren Kämpfe und die charakterliche Entwicklung und Läuterung ihrer Protagonisten darzustellen. Der Glaube spielt eine große Rolle im Buch und der einnehmende Schreibstil und die zum Teil äußerst liebenswerten handelnden Personen machten das Lesen zu einem Vergnügen. Abgesehen von kleinen, bereits erwähnten Kritikpunkten möchte ich dieses Buch von Herzen weiter empfehlen und würde in Form eines Nachfolgebandes gerne mehr über Gideon und Leonie erfahren.

Veröffentlicht am 16.04.2018

Barfuß am See

Barfuß am See
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„Sie hasste die Angst, die sich in ihr ausbreitete und an ihren Nerven zerrte. Sie wollte aufstehen und auf festen Boden zurückkehren…“

Die junge Tierärztin Madison McKinley aus Chapel Springs hat sich ...

„Sie hasste die Angst, die sich in ihr ausbreitete und an ihren Nerven zerrte. Sie wollte aufstehen und auf festen Boden zurückkehren…“

Die junge Tierärztin Madison McKinley aus Chapel Springs hat sich in ihren selbstbewussten hübschen Kopf gesetzt, den Lebenstraum ihres verstorbenen Zwillingsbruders Michael zu erfüllen. Sie ersteigert einen Segelkurs mit dem erfolgreichen Evan Higgins und meldet sich kurzerhand für die bevorstehende Regatta an - wohl wissend, dass sie nicht einmal mit den grundlegendsten Segelkenntnissen vertraut ist und ihre panische Angst vor dem Wasser vermutlich ihr größtes Hindernis für ihre Teilnahme darstellt. Als Evan Higgins unvermutet die geplanten Trainingsstunden nicht einhalten kann, ersucht er Beckett O’Reilly, ihn zu vertreten. Der exzellente Segler mit den unergründlichen dunklen Augen ist für Madison jedoch kein Unbekannter – unerfreuliche Ereignisse aus der Vergangenheit sorgen dafür, dass sie Beckett aus dem Weg geht. Doch um ihr hoch gesetztes Ziel zu erreichen und diese Regatta mit Michaels Boot zu gewinnen, überwindet Madison ihre Ressentiments und nimmt Unterricht bei Beckett. Doch dieser Mann ist ab sofort nicht nur Madisons Lehrer, sondern zugleich auch ein sehr ernst zu nehmender Rivale: er möchte seinerseits als Sieger dieser Regatta hervor gehen und mit dem stattlichen Preisgeld seine Selbständigkeit finanzieren…

Denise Hunter, eine preisgekrönte amerikanische, mir jedoch bislang unbekannte Autorin, erzählt mit diesem Roman die Familiengeschichte der McKinleys. Die liebenswürdigen Figuren dieses Buches wuchsen mir im Verlauf der Geschichte immer mehr ans Herz, beginnend mit Madisons Eltern Joann und Thomas, über Madisons Geschwister Ryan, PJ und letztendlich die verschwundene Schwester Jade. Durch viele Rückblicke in die Vergangenheit erfährt man auch Einzelheiten über den tragischen Tod von Madisons Zwillingsbruder Michael, den die junge Ärztin bis dato nicht überwinden konnte.

Eng verflochten mit dieser Familie scheint auch Beckett O’Reillys Geschichte zu sein, wobei dessen Familienverhältnisse und dessen Kindheit keineswegs so harmonisch wie jene von Madison waren. Bereits das Coverfoto dieses Buches deutet auf eine zarte Annäherung der beiden Segler hin, doch es gibt einige Hürden zu überwinden und Verletzungen aus der Vergangenheit zu verarbeiten, bis an eine Beziehung auch nur gedacht werden kann. Ob es den beiden jungen Menschen wohl gelingen wird, „heil zu werden“ und letztendlich zueinander zu finden? Hier kommt als wichtiger Aspekt der Glaube an Gott ins Spiel, dem Denise Hunter großen Stellenwert einräumt. In flüssigem Schreibstil thematisiert sie die Trauerarbeit und die Bewältigung des Verlustes eines geliebten Menschen und stellt den langen Weg der Aufarbeitung sehr gut dar. Es gelang der Autorin auch vortrefflich, ihren Lesern Becketts Zweifel und seine inneren Konflikte zu vermitteln. So widmet sie ihren beiden Hauptfiguren die meisten Aufmerksamkeit, vergibt jedoch meiner Meinung nach eindeutig Potenzial, in dem sie auf ihre Nebenfiguren zu wenig eingeht. Das Rätsel um Jades Aufenthaltsort und die Motivation für ihr Verschwinden waren für meinen Geschmack zu wenig präzise ausgeführt. Ich hätte gerne auch mehr über Becketts Kindheit sowie seinen Vater und Großvater, aber ebenso über Madisons beste Freundin Cassidy Zimmerman, erfahren. Zu guter Letzt schaffte es die Figur des Drew Landon ebenfalls nicht ganz, mich zu überzeugen. Ich vermisste bei der Darstellung des jungen Arztes nähere Informationen zu seiner Person sowie angesichts der Ereignisse in diesem Roman auch tiefere Emotionen und Reaktionen seinerseits.

Das Coverfoto dieses Buches ist meiner Ansicht nach ausgezeichnet gelungen. Die Körperhaltung des jungen Paares, das sich am Ufer eines Sees im hellen Sonnenschein gegenübersteht und gemeinsam ein kleines Modellboot in Händen hält, erzählt von Zuneigung und Vertrautheit. Das glitzernde Wasser im Hintergrund und der Buchtitel in geschwungener Schriftform lockern das Bild optisch auf und verführen den Leser geradezu, diesen Roman zur Hand zu nehmen.

Fazit: Ein wunderschöner, bewegender Liebesroman mit vielen Emotionen und Tiefgang, bei dem der Glaube an Gott letztendlich für beide Hauptfiguren des Buches eine tragende Rolle spielt.

Veröffentlicht am 16.04.2018

Hell wie der Mond, tief wie der Ozean

Hell wie der Mond und tief wie der Ozean
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„Allein nachts in einem Pool fühle ich mich frei. Als würde ich irgendwie über allem schweben, das mich nach unten zieht“. Zitternd atmete ich aus. Ich hatte ihm mein allergrößtes Geheimnis verraten.

Die ...

„Allein nachts in einem Pool fühle ich mich frei. Als würde ich irgendwie über allem schweben, das mich nach unten zieht“. Zitternd atmete ich aus. Ich hatte ihm mein allergrößtes Geheimnis verraten.

Die sechzehnjährige Melissa Anne Keiser, ein Mädchen, das während ihrer Schulzeit verhöhnt, verspottet und ausgegrenzt wurde, kommt nach drei Jahren wieder zurück in ihre Heimat, auf die Insel Anna Maria, einem wunderschönen Strandort in Florida. Melissa und ihre Geschwister Josh und Crystal leiden unter den Launen, dem übermäßigen Alkoholkonsum und den permanent wechselnden Liebesaffären ihrer flatterhaften Mutter Denise und mussten früh lernen, selbständig zu werden. Die siebenjährige Chrystal mit ihren langen, blonden Engelshaaren und den großen blauen Augen wird als Nesthäkchen der Familie von ihren älteren Geschwistern umsorgt. Melissas älterer Bruder Robby lässt sich in keine Schublade einordnen, er liebt das Wasser und das Skimboarden über alles, hält sich jedoch trotz seines außergewöhnlichen künstlerischen Talents für einen Versager. Robby kennt keine Grenzen und keinen Mittelweg. Melissa nützt ihrerseits regelmäßig den Pool des leerstehenden Nachbarhauses als geheimen Zufluchtsort, in dessen Wasser sie sich frei und für eine kurze Zeitspanne völlig sorgenfrei fühlen kann. Ihre Faszination für das Schwimmen gepaart mit ihrer Verzweiflung über die familiäre Situation lässt das Mädchen immer öfter ihrer geheimen Leidenschaft nachgehen, bis sie eines Tages vom Enkel der Hausbesitzerin überrascht wird. Der attraktive, wortkarge Josh Durham hat eine ganz besondere Art, mit Dingen umzugehen und bezeichnet sich selber als „nicht sozial“. Er ist zudem in einer Jugendgruppe, spricht über Gott und missachtet somit die Regeln seiner Freunde. Doch nach ihrer Rückkehr aus Pennsylvania beginnt plötzlich auch Sam King, Melissas langjähriger Schwarm aus der Schulzeit, sich für sie zu interessieren. Mit dem gut aussehenden muskulösen Footballspieler wird Melissa auf einmal in den Kreis der beliebtesten Schüler aufgenommen, das Mobbingopfer von damals fühlt sich mit Sam an ihrer Seite unantastbar. Melissa scheint am Ziel ihrer geheimsten Wünsche angekommen zu sein, doch eine schreckliche Tragödie scheint plötzlich alles in Frage zu stellen...

Nicole Quigley stellt in ihrem Roman „Hell wie der Mond, tief wie der Ozean“ ganz klar die Gedanken- und Gefühlswelt ihrer Protagonistin Melissa in den Vordergrund. Sie zeichnet ein sehr realistisches Bild einer ganz normalen High-School in Amerika, wo die reichen angesagten Kids eine Clique bilden und Schüler aus ärmeren oder sozial schwächeren Bevölkerungsschichten Gefahr laufen, zu Mobbingopfern zu werden. Die Autorin versteht es sehr gut, anhand der Figur der Melissa Keiser dem Leser ein ziemlich genaues Bild des Schattendaseins einer Außenseiterin zu vermitteln, die unvermutet vom hässlichen Entchen zum schönen Schwan wird. Hierbei verleiht sie in äußerst gefälligem und einnehmendem Schreibstil den Gedanken und Gefühlen ihrer Protagonistin überzeugend Ausdruck. Ich würde den ersten Teil dieses Buches beinahe als Milieuschilderung bezeichnen – die Beschreibung eines Alltags einer High-School mit all seinen Höhen und Tiefen, das Verhalten der Schüler, das vom Gruppenzwang und oftmals sogar von Grausamkeit geprägt ist.

Die Charakterisierung der handelnden Personen hat mir sehr gut gefallen, ist mir jedoch bei den Nebenfiguren ein klein wenig zu dürftig ausgefallen. So wurden einige Gedankengänge nicht weiter ausgeführt, einige Dinge bis zum Ende des Buches nicht ausführlicher erläutert und es gab besonders bei der Person des Josh Durham Fragen, auf die ich gerne eine Antwort erhalten hätte. Zudem weckten einige hinweisende Passagen betreffend Melissas und Robbys Cherokee-Vater die Hoffnung auf weitere Enthüllungen. Eine Hoffnung, die bis zum Ende des Buches leider zunichte gemacht wurde, denn das Rätsel um den unbekannten Vater wurde bis zuletzt nicht gelöst. Der christliche Glaube wurde zwar durch die Figur des Josh anhand seiner Bibellektüre und der Zugehörigkeit zu einer Jugendgruppe ins Buch eingebracht, durfte jedoch keine allzu große weitere Tiefe erfahren.

Die Gestaltung des Buchcovers hat mich beeindruck. Der wolkenverhangene Vollmond, der sich auf den dunklen Wellen des Ozeans spiegelt, vermittelt einerseits ein etwas melancholisches Bild, zugleich aber auch den Aspekt des Geheimnisvollen. Die weiße Schrift und der zarte Buchrand mit den Blütenornamenten verleihen dem Ganzen eine kleine verspielte Note – ein wirklich gelungenes Cover, das dem Inhalt voll und ganz gerecht wird.

Fazit: „Hell wie der Mond, tief wie der Ozean“ stellt für mich einen sehr lesenswerten Roman dar, den ich besonders Jugendlichen ans Herz legen möchte. Die Schulzeit, die erste Verliebtheit, innerfamiliäre Probleme und das ganz große Thema des Erwachsenwerdens wurden von Nicole Quigley zu einem berührenden Roman verflochten, dessen Lektüre mir einige interessante und anregende Lesestunden bereitet hat.

Veröffentlicht am 16.04.2018

Es erstaunt, wie klein ein menschliches Wesen sein kann und dennoch am Leben!

Tim lebt!
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„Es erstaunt, wie klein ein menschliches Wesen sein kann und dennoch am Leben“

„25 Wochen, ganze sieben Monate, erlebte dieses Kind die vertraute Enge im Bauch seiner Mutter. Danach kämpfte es sechs Monate ...

„Es erstaunt, wie klein ein menschliches Wesen sein kann und dennoch am Leben“

„25 Wochen, ganze sieben Monate, erlebte dieses Kind die vertraute Enge im Bauch seiner Mutter. Danach kämpfte es sechs Monate lang, die meiste Zeit allein, im Großraum einer Intensivstation ums Überleben.“

Durch die Pränatal Diagnostik wurde im Jahre 1997 eine Schwangere mit einer erschreckenden Tatsache konfrontiert: eine Fruchtwasseruntersuchung bestätigte, dass ihr Kind mit dem Down-Syndrom (Trisomie 21) zur Welt kommen wird. Nach dem ersten großen Schock verweigerte die Frau ihrem Kind jegliche emotionale und körperliche Annäherung und verlangte, dass ihr ungeborener Sohn möglichst schnell „weggemacht wird“. Im Zuge einer eingeleiteten Spätabtreibung wurde Tim in der fünfundzwanzigsten Woche geboren. Da die Spätabtreibung nicht unverzüglich zum Tod des Kindes geführt hatte, wurde es „zum Sterben liegen gelassen“ und neun Stunden lang nicht versorgt. Durch diese „unterlassene Hilfeleistung“ muss Tim nun in seinem Leben nicht nur mit der Trisomie 21 fertig werden, sondern erlitt zudem auch noch schwere Schädigungen, die zahlreiche Operationen erforderlich machten und bis zum heutigen Tag zu gravierenden Beeinträchtigungen geführt hatten. Der Eintritt in diese Welt stand für den tapferen kleinen Jungen unter keinem guten Stern, doch als Familie Guido in sein Leben trat, bedeutete dies für Tim die Wende zum Guten. Obgleich Bernhard und Simone Guido zwei eigene, leibliche Kinder hatten, verliebten sie sich auf den ersten Blick in Tim und durften ihn nach einem längeren Aufenthalt in der Frühchen Station der Kinderklinik in Oldenburg als Pflegekind in ihre Familie aufnehmen. Es handelte sich hierbei um eine Bauchentscheidung gegen jegliche rationale Betrachtung und sämtliche Gegenargumente ihres gesamten Umfelds. Pablo und Marco Guido hatten nun einen kleinen, schutzbedürftigen und auf Hilfe angewiesenen Bruder bekommen, und für die Familie begann eine schwere Zeit des Lernens, Aneinander Gewöhnens, Aufeinander Rücksicht nehmen, was besonders für die Kinder keine leichte Aufgabe gewesen sein kann.

In diesem Buch erzählen die Guidos abwechselnd von ihrem Alltag mit einem schwerbehinderten Jungen, der bis zum heutigen Tage auf dem Entwicklungsstand eines Kleinkindes geblieben und auf Hilfe angewiesen ist. Sie berichten schonungslos offen von den anfänglichen Schwierigkeiten, mit denen sie nicht nur im täglichen Leben, sondern auch im Umgang mit Behörden und Ämtern konfrontiert wurden. Sie erzählen vom Zusammenhalt in der Familie und den Freunden, wie auch von der Distanz und der Reaktion der Öffentlichkeit, wenn sie als Familie unterwegs waren. Sie berichten voller Stolz von den kleinen Fortschritten, und lassen in ihrem Buch viele Menschen zu Wort kommen, die auf irgendeine Weise mit Tim zu tun hatten oder mit dem Jungen vertraut sind. In kursiver Schrift erzählen ehemals behandelnde Ärzte, Betreuer, Familienmitglieder oder Freunde und Verwandte von den Ereignissen um Tim aus ihrer eigenen Sichtweise. Besonders Simone Guido berichtet sehr viel über die intensive Beschäftigung mit Tims Krankheit und seiner Pflege. Sie betont aber auch die Notwendigkeit der Schaffung von Freiräumen und kleinen Auszeiten, die bei der Pflege eines schwer behinderten Kindes überlebensnotwendig sind, um nicht über die eigenen Grenzen zu gehen oder sie gar zu überschreiten. Sie gibt unumwunden zu, dass der Weg bis zum Eingeständnis, es alleine nicht mehr zu schaffen und Hilfe zu brauchen, ein schwerer Lernprozess für die Familie war.

Was mich bei diesem Buch besonders beeindruckt hat, war zunächst der offene Umgang mit Tims Einschränkungen, die schonungslose Schilderung der Alltagsprobleme, aber auch die Art und Weise, wie das Ehepaar auf Tims leibliche Eltern reagierte. Während Tims leiblicher Vater lange Jahre den Kontakt zu den Guidos aufrecht hielt, weigerte sich seine Mutter vehement, auch nur das Geringste mit ihm zu tun zu haben. Die Guidos verurteilen sie jedoch in keiner Weise, sondern versuchen, in ihrer Leserschaft Verständnis für die schwierige Situation zu aufkommen zu lassen, in der Tims Mutter sich vor seiner Geburt befunden hat. Sie plädieren für eine bessere Aufklärung, Beratung und Betreuung werdender Mütter, vor allem jener, die durch die Pränatal Diagnostik eine schwerwiegende Entscheidung zu treffen haben. Die ganze Problematik der ungewollten Kinder jener Mütter, die mit einer Behinderung nicht zurechtkommen, ist durch Tims Fall besonders ins Bewusstsein gerückt worden.

Ich muss gestehen, dass mich die detaillierte Beschreibung der Vorgehensweise der heute durchaus geläufigen Spätabtreibungen, die sogar noch bis zum Zeitpunkt des Einsetzens der Wehen stattfinden dürfen, zutiefst erschüttert hat. Ich hatte mich zuvor nie mit diesem Thema beschäftigt und war der Meinung, dass es nur in einem äußerst frühen Stadium und aufgrund medizinischer Indikation erlaubt sei, ungeborenes Leben zu töten. Fassungslos wurde ich in diesem Buch mit der grausamen Realität konfrontiert, dass Kinder noch im neunten Monat ermordet werden, weil bei einer Untersuchung vielleicht das Down Syndrom, zu kurze Arme oder Beine, oder eine Gaumenspalte diagnostiziert wurden. Für mich persönlich stellt sich hier die Frage, wie eine Spätabtreibung nicht nur vor Gott, seinem eigenen Gewissen oder dem Kind gegenüber gerechtfertigt werden kann, wenn das Gesetz dieses Leben NACH dem Zeitpunkt des Einsetzens der Wehen so konsequent schützt. Ist denn ein Kind wenige Stunden vor diesem Zeitpunkt kein menschliches Wesen, das Schutz bedarf?

An dieser Stelle möchte ich auch meinem Befremden Ausdruck verleihen, dass ein Buch, das in einem christlichen Verlag erschien, nicht den geringsten Bezug zum christlichen Glauben aufweist. Ich hätte mir zumindest zum kontroversen Thema der schockierenden Praxis von Spätabtreibungen in Deutschland eine Stellungnahme aus biblischer Sicht erwartet. Schade, dass dem nicht so war.

Abschließend möchte ich noch Passagen aus diesem zutiefst beeindruckenden Buch wiedergeben:

„Menschen mit Down-Syndrom sind aber viel mehr als die „Dumm-glücklichen Behinderten, die fröhlich und unbedarft durch die Welt laufen“. Sie sind Menschen mit besonderen Bedürfnissen, aber auch mit besonderen Fähigkeiten, die sich nicht nur auf ihre Herzlichkeit reduzieren lassen. Sie weisen auch eine spezielle Feinfühligkeit, einen anderen Blick auf die Welt, eine hohe soziale Kompetenz und eine Maßstäbe setzende Ehrlichkeit auf.“

„Damit insgesamt das Leben mit Behinderung in unserer Gesellschaft akzeptiert wird, müsste sich das Streben nach materiellen Dingen, das Streben nach Perfektion ändern, also ein Paradigmenwechsel in der Gesellschaft stattfinden.“

„Tim ist ein lebensfroher Mensch. Er bejaht das Leben hundert Prozent. Selbst wenn es ihm schlecht geht, sieht man ihm an, dass es ihm gefällt zu leben. Er ruht in seiner Mitte. Wenn wir4 es in einem Kernsatz bringen müssten, würden wir sagen: „Tim ist ein glücklicher Mensch“.

Dank den Guidos war es diesem Jungen möglich, in der Geborgenheit einer Familie aufzuwachsen. Ich würde ihm und seinen Geschwistern wünschen, dass er diese liebevolle Umgebung noch lange Jahre genießen darf.

Veröffentlicht am 16.04.2018

Geschichten, die inspirieren und Hoffnung bringen

Gottes Wunder im Taifun
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„Geschichten, die inspirieren und Hoffnung bringen“

„Ein Buch mit wirklichen Geschichten über wirkliche Menschen, in denen das machtvolle Wirken Gottes deutlich wird.“

Dieses Buch stellt im Grunde eine ...

„Geschichten, die inspirieren und Hoffnung bringen“

„Ein Buch mit wirklichen Geschichten über wirkliche Menschen, in denen das machtvolle Wirken Gottes deutlich wird.“


Dieses Buch stellt im Grunde eine „Geschichtensammlung“ dar. Wie bereits erwähnt handelt es sich hierbei um reale Erlebnisse die erzählen, wie Gott Leben verändert. Es berichtete von Menschen aus dem ostasiatischen Raum, welche das Eingreifen Gottes erleben durften und ihr Leben Jesus Christus anvertraut haben. Die Missionare der christlichen Organisation „OMF International“ erzählen auf insgesamt 140 Buchseiten aus ihrem beruflichen Alltag. Die fünf Buchkapitel sind in einfachem, flüssigen Schreibstil gehalten. Im großzügig gehaltenen Anhang dieses Buches gibt es weiterführende detaillierte Informationen über die von Hudson Taylor gegründete Missionsgesellschaft „OMF International“.

Ein junges Thai-Mädchen namens Oruma muss beispielsweise als Empfangsdame in einem Hotel in Khao Lak einen gewaltigen Tsunami miterleben – als die erste Welle sie erfasst, richtet sie ein intensives Gebet an Gott und überlebt, während annähernd 230.000 Menschen während dieser schlimmen Katastrophe ihr Leben lassen mussten. Es wird in diesem Buch auch von der Arbeit des Ehepaares Matthias und Raphaela Holighaus berichtet, das für die christliche Organisation „OMF International“ tätig ist und für Waisen und ehemalige Straßenkinder sorgt. Die beiden bieten während der schrecklichen Katastrophe ihre Hilfe an und treffen auf Oruma, die ihnen ihre Geschichte erzählt. Im Buch wird darauf hingewiesen, wie das Mitgefühl und die uneigennützige Hilfe der christlichen Hilfsorganisationen das Ansehen des christlichen Glaubens in Ostasien verändert und eine Offenheit für das Evangelium bewirkt hat.

Ein weiteres Beispiel aus dem Buch ist die Geschichte eines beinahe fünfzigjährigen Mannes namens Erwin, der voller Energie und Leidenschaft die Aufgabe eines Hauslehrers in einem Studentenwohnheim am Rande von Bangkok übernimmt, darüber hinaus mit Straßenkindern arbeitet, eine Gemeinde gründet, schutzbedürftige Kinder rettet und das Evangelium verbreitet.

Besonders berührte mich das Wirken der tapferen Missionarin Jean Anderson, deren Herz vor allen Dingen den Leprakranken gehörte. Jean arbeitet als Krankenschwester in einer mobilen Ambulanz, versorgt die Kranken mit Medikamenten, macht Hausbesuche und erklärt die christliche Botschaft, wodurch viele Leprakranke zum christlichen Glauben finden. Jean erkrankt jedoch schwer an Kinderlähmung und bleibt trotz rascher medizinischer Hilfe gelähmt, vertraut dennoch unerschütterlich an Gott. Nach vierjähriger intensiver Therapie, ihrem starken Glauben und der Unterstützung durch zahlreiche Gebete lernt sie, in einem Rollstuhl, mit Prothesen und einem Spezialauto wieder eigene Mobilität zu erlangen. Und Jeans größter Wunsch geht in Erfüllung: sie kann wieder nach Thailand zurückkehren und empfindet es als ihre Hauptaufgabe, Nichtchristen das Evangelium weiter zu geben und den Glauben bereits Gläubiger zu stärken. Jean berichtet, dass sie ihre ernste Polio-Erkrankung als neuen Anfang für sich selber, aber auch für all jene, die durch sie zum Glauben kamen, empfindet.

Der interessierte Leser darf in diesem Buch auf Geschichten wie die soeben beispielhaft angeführten treffen – und von ergreifenden, erstaunlichen und oftmals sehr berührenden Schicksalen lesen. Ein höchst interessantes Buch über den Alltag von Missionaren und berührenden Zeugnissen des Eingreifen Gottes im Leben von Menschen.