Infiziert sie mit Liebe!
Genauso anders wie ich„Infiziert sie mit Liebe“
„Manchmal landen Leute auf der Straße, weil sie trinken oder Drogen nehmen. Aber selbst wenn sie das vorher nicht gemacht haben, fangen die meisten Leute wie ich damit an, wenn ...
„Infiziert sie mit Liebe“
„Manchmal landen Leute auf der Straße, weil sie trinken oder Drogen nehmen. Aber selbst wenn sie das vorher nicht gemacht haben, fangen die meisten Leute wie ich damit an, wenn sie auf der Straße gelandet sind. Nicht, weil das so toll ist. Sondern weil dir das hilft, das alles zu ertragen. Weil du vergessen willst, dass du immer allein bist, egal wie viele Kumpels du auf der Straße kennenlernst.“ (Denver Moore)
„Ich war zweiunddreißig Jahre alt, als ich USD 275.000 für ein Haus im Kolonialstil in einem gehobenen Viertel von Fort Worth bezahlte. Meine Karriere als Kunsthändler war ins Rollen gekommen, und wir begannen ein Leben wie aus dem Gesellschaftsroman zu führen.“ (Ron Hall)
Im Buch „Genauso anders wie ich“ wird dem Leser „eine unglaublich wahre Geschichte“ präsentiert und zwei völlig konträre Protagonisten vorgestellt. Auf der einen Seite, der „Schattenseite des Lebens“, befindet sich Denver Moore, der beinahe dreißig Jahre seines Lebens wie ein Sklave auf den Baumwollfeldern in seiner Heimat in Louisiana gearbeitet hatte, und in jungen Jahren jene Menschen verlieren musste, die er am meisten geliebt hatte. Seine Kindheit und Jugend waren von Armut und größten Entbehrungen gekennzeichnet, Denver hatte keine Möglichkeit, lesen, schreiben oder rechnen zu lernen. Nach der Flucht aus seiner ausweglosen Situation auf dem Land führte ihn sein Weg schnurstracks in die Obdachlosigkeit der Stadt, wo er beinahe zwanzig Jahre lang auf der Straße lebte.
Ron Hall hingegen steht auf der Sonnenseite des Lebens. Ron erarbeitete sich seine Karriere vom Vertreter für Dosensuppen über Investment-Banking bis hin zum anerkannten und reichen Kunsthändler mit eigener Galerie in Fort Worth. Er hatte das große Glück, mit Deborah eine wundervolle Frau kennen- und lieben zu lernen, und nach ihrer Heirat wurden dem Paar zwei Kinder geschenkt.
Ein Aufeinandertreffen zwischen Denver Moore und Ron Hall als Zufall zu bezeichnen, wäre wohl abwegig. Die Welten, in denen diese beiden Männer lebten, hätten unterschiedlicher nicht sein können, und die Wahrscheinlichkeit, dass ihre Wege sich zufällig kreuzen, sie einander dabei dann bewusst wahrnehmen und aufeinander zugehen, war wohl gleich Null. Wäre da nicht Ron Halls Ehefrau gewesen, eine tief gläubige Frau mit einem Abschluss an der Texas Christian University, die von einer lebenslangen Leidenschaft für die Zerbrochenen erfüllt war. Deborah glaubte ganz fest daran, dass sich hinter der oberflächlichen Fassade der Obdachlosen, die von der Gesellschaft für faul und arbeitsscheu gehalten werden, ein völlig anderes Bild verbergen würde – nämlich Dysfunktion und Abhängigkeit. Sie glaubte zugleich aber auch, dass hinter den Fassaden Gaben wie Liebe, Glaube und Weisheit zu entdecken seien und zur Geltung gebracht werden müssten. Deborah wollte die Menschen kennenlernen, ihnen wirklich dienen, und nicht nur stolz auf sich selber oder ihre ehrenamtliche Tätigkeit für die Union Gospel Mission in Fort Worth sein. Ihr Ziel war es, Leben zu verändern, und Herzen zu heilen. Sie schloss Angst, Vorurteile und Vorverurteilungen mit ihrem Lächeln und mit ihrem offenen Herzen rigoros aus.
Die Art und Weise, wie diese Biografien behutsam und langsam aufgerollt, und die Lebensgeschichten der Protagonisten dem Leser nahe gebracht werden, hat mich tief berührt. In insgesamt 66 Kapiteln fungierten Ron Hall und Denver Moore stets abwechselnd als Ich-Erzähler, der Schreibstil wurde adäquat ausgewählt, Authentizität vermittelnd. Denvers Schilderungen waren schlicht gehalten, wobei sich auch viele Dialektausdrücke unter den Text mischten. Als wirkliche Bereicherung empfand ich insgesamt acht Seiten mit vielen Schwarz-Weiß-Bildern, die einem die realen Personen tatsächlich vor Augen führten.
Dieses Buch hat mich von der ersten Seite an in seinen Bann gezogen, die Schilderungen waren teilweise ernüchternd und Augen öffnend, jedoch niemals Mitleid heischend oder anklagend. Denvers starker, unbeirrbarer Glaube hat mich tief beeindruckt, und für das letzte Drittel des Buches würde ich empfehlen, Taschentücher bereit zu legen. Ich möchte „Genauso anders wie ich“ jedem ans Herz legen, der einen Blick auf die Sichtweise eines Obdachlosen werfen, und Denver ein kleines Stück seines Lebensweges begleiten möchte. Dieses Buch ist aber auch Mut machend, da es aufzeigt, was einzelne Personen mit dem unbeirrbaren Glauben an das Gute im Menschen tatsächlich zu bewirken vermögen. Ganz klare Leseempfehlung – und unbedingte fünf Bewertungssterne!