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Veröffentlicht am 16.04.2018

Ein aufregendes und gefährliches Abenteuer auf Formosa

Die schöne Insel
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„Ihr Fremden könnt euch vieles nicht vorstellen. Die Menschen hier ertragen ihr Schicksal, weil sie es nicht anders kennen und glauben, es müsse so sein.“

Ich durfte Tereza Vanek als bekannte Autorin ...

„Ihr Fremden könnt euch vieles nicht vorstellen. Die Menschen hier ertragen ihr Schicksal, weil sie es nicht anders kennen und glauben, es müsse so sein.“

Ich durfte Tereza Vanek als bekannte Autorin historischer Romane kennenlernen und war nun äußerst gespannt auf ihre Neuerscheinung „Die schöne Insel“. Bereits der Klappentext klingt vielversprechend, der Schauplatz der Handlung ist diesmal Shanghai im Jahre 1900.

Gleich zu Beginn stellt die Autorin ihre Protagonistin Anastassia Gregorowa Nikitina vor, eine in Russland geborene Jüdin, deren Eltern jedoch nach der Geburt mit ihrer Tochter emigrierten. Tereza Vanek berichtet von Anastassias Familie, die einen Laden in der internationalen Siedlung in Shanghai führt. Der Tod ihres geliebten Vaters Gregor Ephraimowitsch Nikitin bedeutet für Anastassia einen zutiefst schmerzlichen Verlust – er hatte seine Tochter stets auf Händen getragen, ihr galt seine ganze Liebe. Anastassias Mutter möchte ohne ihren Ehemann nicht mehr in Shanghai bleiben und beschließt, mit ihrem sechzehnjährigen Sohn Aron zurück nach Russland zu gehen. Seine Schwester soll jedoch mit einem stets betrunkenen Iren verheirate und in Shanghai zurückgelassen werden. Anastassia ist tief getroffen, kann jedoch mithilfe der Unterstützung ihres Bruders Aron dieser Zwangsheirat entgehen. Als Anastassia eine bezaubernde junge Chinesin namens Ming Chun Ke aus einer gefährlichen Situation rettet, gewinnt sie in dem zerbrechlichen zarten Wesen eine sehr gute Freundin, die sie schließlich in deren Heimat Formosa – die Insel Taiwan - begleitet. Clio, wie Ming Chun Ke sich fortan nennt, möchte ihren ehemaligen Verlobten Nobu wiedersehen, den sie niemals vergessen konnte. Tatkräftige und selbstlose Unterstützung finden die beiden Frauen in dem gutherzigen und hilfsbereiten deutschen Geschäftsmann Felix Hoffmann. Doch weder Clio, noch Anastassia haben auch nur die geringste Ahnung, worauf sie sich durch ihre Reise nach Formosa eingelassen haben. Ein spannendes, und zugleich sehr gefährliches Abenteuer beginnt…

Tereza Vanek hat mich mit ihrem wunderbaren Schreibstil begeistert. Ihre lebendigen Erzählungen, ihre bildhafte Beschreibung von Schauplätzen und Ereignissen sowie die ausgezeichnet dargestellten Figuren dieser Handlung trugen zu einem unvergesslichen Lese-Erlebnis bei. Die Autorin versteht es geschickt, historische Begebenheiten mit einer spannenden Geschichte zu verbinden, die den Leser mit auf eine abenteuerliche Reise nimmt. Man erfährt sehr viel über die asiatische Lebensart, liest über die Unterschiede zwischen den einzelnen Bevölkerungsgruppen, und anhand der traditionell erzogenen Chinesin Clio auch über die Praxis des Füßebindens, der so genannten „Lotusfüße“. Tereza Vanek erzählt von einer für westliche Menschen vermutlich ziemlich unverständlichen Tradition sowie einer der Asiaten eigenen stoischen Wesensart, bei der große Gefühlsausbrüche in der Öffentlichkeit ebenso ein Tabu darstellen wie körperliche Berührungen, und sei es nur eine banale freundschaftliche Umarmung. Man tritt zudem in eine Welt ein, die geprägt ist von großem Respekt und Pflichtgefühl gegenüber den Eltern, zugunsten derer sogar auf das eigene persönliche Glück verzichtet wird.

Durch eine längere Episode während eines Aufenthalts bei dem kanadischen Missionar George Mackay und dessen Familie erlebt Anastassia ein Dasein abseits vorgegebener Normen. Tereza Vanek schreibt hier über den ersten Missionar der Presbyterianischen Kirche Kanadas, der in Tamsui eine Missionsstation betrieb, Schulen und Krankenhäuser bauen ließ und sich immer wieder aufmachte, um die Ureinwohner zu missionieren. In einem Nachwort der Autorin am Ende des Buches gibt es ausführliche Details zum historischen Hintergrund und Erläuterungen dazu, welche Ereignisse fiktiv, welche jedoch auf tatsächlichen Begebenheiten basieren.

Dem Leser werden auf sehr eindringliche Art und Weise die Schwierigkeiten zwischen den Chinesen, den Japanern und den Einheimischen-Stämmen wie beispielsweise der Ami oder der Paiwan vor Augen geführt. Letztendlich gibt es, wie bereits im Klappentext angedeutet, in die Handlung eingebaute Liebesgeschichten, die den romantischen Part im Buch darstellen.

Fazit: „Die schöne Insel“ stellte für mich ein interessantes und intensives Lese-Erlebnis dar, das mich tief in die Geschichte eintauchen ließ. Besonders die Szenen auf Formosa, deren Landkarte auf der ersten Buchseite abgebildet ist, bilden einen aufregenden und spannenden Part dieses Buches. Die einzelnen Charaktere sind mir innerhalb kürzester Zeit ans Herz gewachsen und ich bedauerte es beinahe, mich nach der letzten Seite von ihnen verabschieden zu müssen. „Die schöne Insel“ ist eine hervorragende Geschichte, die ich Fans von spannenden Liebesromanen mit historischem Hintergrund ans Herz legen kann.

Veröffentlicht am 16.04.2018

Das Geheimnis der Hebamme

Das Geheimnis der Hebamme
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Sabine Ebert schildert in diesem packenden historischen Roman die Besiedelung der Gebiete östlich von Saale und Elbe, sie erzählt die Gründung des Ortes Christiansdorf und dessen wirtschaftliche Entwicklung ...

Sabine Ebert schildert in diesem packenden historischen Roman die Besiedelung der Gebiete östlich von Saale und Elbe, sie erzählt die Gründung des Ortes Christiansdorf und dessen wirtschaftliche Entwicklung nach der Entdeckung von Silbervorkommen. Doch der Weg bis dahin ist steinig und schwer. Der Meißner Markgraf Otto von Wettin vertraut den falschen Männern seines Gefolges und es kommt zu dramatischen und schicksalsschweren Begebenheiten.

Die Protagonisten des Buches die junge Hebamme und Kräuterkundige Marthe, Ritter Christian als Gründer des Ortes, sein Knappe Lukas und die rechtschaffenen neuen Siedler müssen viel erdulden, bis es letztendlich zu einem friedlichen Ende der Zwistigkeiten kommt … vorerst. Denn das Ende des ersten Romans der Hebammen-Reihe verkündet bereits drohendes Unheil … zwar in nicht allzu naher Zukunft, nichtsdestotrotz unausweichlich.

Die Autorin hat die Figuren in ihrem Buch sehr lebhaft und sympathisch geschildert, spart auch nicht mit historischen Details aus der Zeit des Mittelalters in Deutschland. Nur allzu deutlich geht sie auch auf die Stellung der Frau ein, die lediglich als Arbeitskraft und zur Sicherung der Nachkommenschaft geduldet wird. Misshandlungen standen an der Tagesordnung und Rechte gibt es für die weibliche Bevölkerung nicht. Deutlich vor Augen geführt wird dem Leser auch die Macht der Astrologen und der furchtsame Aberglaube, der die Massen allzu rasch zur tödlichen Bedrohung werden lässt: eine kleine Verleumdung aus Neid oder durch verletzten Stolz führte zur Hetze und zur Hexenverfolgung. Man war in den damaligen Zeiten auf die Hilfe der Bader und Kräuterkundigen zwar angewiesen, fürchtete aber deren Wissen. Da dieses Wissen in Kombination mit einem scharfem Verstand oder gar Hellsichtigkeit zu einer Bedrohung der Mächtigen führen könnte, wurden Frauen mit diesen Fähigkeiten rigoros bekämpft.

Ein hartes Los, das Sabine Ebert ihrer Protagonistin Marthe zugeschrieben hat – und dennoch eine überaus interessante Geschichte um Freiheit, Gleichberechtigung, Freundschaft, Treue und Liebe während der Regentschaft Heinrichs des Löwen.

Veröffentlicht am 16.04.2018

Die Ungehorsame

Die Ungehorsame
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Der freiberufliche Geodät Hendryk Mansel, Angestellter der neu gegründeten Eisenbahngesellschaften, wirbt um die höhere Tochter Leonora Maria Gutermann. Schon früh befremdet es den Leser, weshalb die beiden ...

Der freiberufliche Geodät Hendryk Mansel, Angestellter der neu gegründeten Eisenbahngesellschaften, wirbt um die höhere Tochter Leonora Maria Gutermann. Schon früh befremdet es den Leser, weshalb die beiden darauf drängen, eine Vernunftehe einzugehen und schon früh lässt die Autorin erkennen, dass es auf beiden Seiten Geheimnisse zu geben scheint. Unter Hendryk Mansels Obhut befinden auch minderjährige Zwillinge, wobei auch hier lange Zeit unklar ist, welche Rolle sie in seinem Leben spielen bzw. welcher Abstammung die beiden sind. Es scheint überdies im vorliegenden historischen Roman im Dunkeln liegende Verbindungen zwischen den handelnden Personen zu geben, die dem Leser erst nach und nach vermittelt werden. Andrea Schacht ist es vortrefflich gelungen, einen überaus spannenden Roman zu schreiben, der den Leser teilweise atemlos zurück lässt. Seite für Seite kommen immer neue Dinge zu Tage, das Buch lebt von vielen Höhepunkten, die nicht immer erfreulich sind. Und doch löst sich bis zuletzt alles auf und der Kreis schließt sich.

Andrea Schacht widmet ihren Protagonisten große Aufmerksamkeit. Sowohl Leonora Maria Gutermann als auch Hendryk Mansel und die Zwillinge Ursula und Lennard werden in intensiven Farben geschildert. Ihre Gedanken, Emotionen und Handlungsmotive finden großen Anklang im Roman und man entwickelt eine spontane Zuneigung zu ihnen. Auch Ernst von Benningsen, Camilla Jacobs und Magnus von Crausen werden ins Geschehen stark einbezogen und auch hier verfährt die Autorin nach dem gleichen Schema. Die Nebenfiguren Karl Gustav, Elfriede und Rosalie Gutermann, Pastor Merzenich, Sven und Edith Kleinbecker, Jette, Albert, Gerhard Bredow, Selma Kersting, Otto und Sonia von Danwitz, Rolf-Heinrich von Alfter, Wilfried Jakob Jacobs, Jussuf, Karl Lüning, Hanno Altenberger, Rike, Elisa und Nikodemus von der Lundt, Dr. Otto Fischer, Gawrila, Frances Jane Johnson-Walsh, Cäcilia Schneider und zu guter Letzt Irving und Olivia Flemming werden unglaublich detailliert beschrieben. Es gelang mir bis zuletzt nicht, mich dem Sog, den Andrea Schacht mit ihren ungewöhnlich lebendigen Personenbeschreibungen liefert, zu entziehen. Aufgrund meiner umfangreichen Aufzählung dürfte auch klar erkennbar sein, dass die Autorin ihre Personen in der Geschichte nicht einfach Revue passieren lässt, sondern dass sie die Gabe hat, sie äußerst lebendig zu zeichnen und sie sich dem Leser tief ins Gedächtnis einprägen. Selten sah ich eine so auf ihre handelnden Personen bezogene Intensität der Erzählung. Durch die Tatsache, dass es sich hierbei um einen historischen Roman handelt, wirkte auch die Ausdrucksweise und das durch die Protagonisten an den Tag gelegte Verhalten weder gestelzt noch unglaubwürdig, sondern perfekt der damaligen Zeit angepasst.

Ein erstklassiger historischer Roman, dessen Lektüre ich von der ersten bis zur letzten Seite über alle Maßen genossen habe. Ich kann durchaus behaupten, dass Andrea Schacht es mit einem einzigen Buch geschafft hat, mich auf die Seite ihrer Lesergemeinde zu katapultieren.

Veröffentlicht am 16.04.2018

Die Zarentochter

Die Zarentochter (Die Zarentöchter-Saga 2)
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Petra Durst-Benning erzählt in ihrem Roman die Geschichte der Kinder des russischen Zaren Nikolaus I. und konzentriert sich dabei auf die Protagonistin Olga. Die Autorin steigt im Dezember 1825 in die ...

Petra Durst-Benning erzählt in ihrem Roman die Geschichte der Kinder des russischen Zaren Nikolaus I. und konzentriert sich dabei auf die Protagonistin Olga. Die Autorin steigt im Dezember 1825 in die Geschichte ein, als Olga gerade mal drei Jahre alt ist und endet mit ihrer Heirat im Jahre 1945. Dazwischen wird der Leser in die Geschichte der Romanow-Kinder eingebunden, erlebt die Kinder- und Jugendzeit, das Erwachsenwerden, die Einführung bei Hofe und schließlich die Brautwerbungen sowie die Hochzeiten dieser prominenten Geschwister. Das strenge Hofzeremoniell und die Sitten bei Hofe werden in lebhaften Farben geschildert, zugleich aber auch die große Not und Armut der ländlichen Bevölkerung erwähnt. Für mich als „Neuling“ im Bereich der Historischen Romane war diese Familien- bzw. Liebesgeschichte ein wunderschöner Ausflug in die Welt der Reichen und Schönen Russlands. Der in Schulzeiten einst so langweilige und trockene Geschichtsunterricht, der oft in einer Aneinanderreihung von Jahreszahlen endete, wurde mit einem Mal lebendig. Ich empfand die Umsetzung der Grundidee als überaus interessant und freute mich bereits beim Lesen der letzten Seite dieses Romans auf dessen Fortsetzung.

Die Autorin versteht es, den Leser sofort in ihren Bann zu ziehen und für die Geschichte und ihre Protagonisten zu begeistern. Obgleich es sich hierbei um einen historischen Roman und keinen fesselnden Thriller handelt, war der Spannungsbogen für meinen Geschmack relativ hoch und ich fühlte mich außerstande, dieses Buch zur Seite zu legen. Die Neugier darauf, wie die Dinge sich entwickeln werden und die Tatsache, dass dies keine reine Fiktion war, brachten mich dazu, dieses Buch an einem Nachmittag zu lesen. Die Geschichte ist in insgesamt 31 Kapitel unterteilt und aus der Sicht des Erzählers in der Mitvergangenheit geschrieben, die Sätze sind klar und eindringlich. Ein Prolog mit Datumsangabe zu Beginn und einige Anmerkungen mit Quellenangaben runden das Gesamtbild ab. Eine Leseprobe auf den letzten Seiten weckt in dem Leser die Neugier auf die Fortsetzung der Geschichte um die russische Zarentochter Olga in ihrem neuen Heimatland Deutschland.

Frau Durst-Benning hat es geschafft, jeden einzelnen ihrer Protagonisten – auf ihre Art – liebenswert erscheinen zu lassen. Sowohl das Zarenpaar Nikolaus und Alexandra als auch die Kinder Mary, Olly, Adini, Sascha und Kosty sind sehr lebendig gezeichnet und es gelingt dem Leser mit Leichtigkeit, sich in sie hinein zu versetzen. Intensiv lebt und leidet man mit ihnen durch die gesamte Geschichte hindurch. Auch den Nebenfiguren wird einige Aufmerksamkeit zuteil. Ich hätte mir jedoch mehr Details über den Lebensretter des kleinen Zarensohnes, dem Sohn des Bootsmannes namens Mischa, und Prinz Alexander Bariatinski erwartet. Die Erzählung beschränkt sich zum Großteil auf die Zarenfamilie selber, während das Umfeld nur grob gezeichnet wird.

Es handelt sich hierbei um eine Weltbild-Ausgabe mit einem Bild der russischen Zarentochter Olga in rosafarbenem Kleid. Der blaue Hintergrund passt trotz des Kontrastes erstaunlich gut und eine rot-blaue Schrift vervollständigt das Gesamtbild. Bereits die Optik lädt zum Lesen des Klappentextes ein und verspricht eine Familien- und Liebesgeschichte der „oberen Zehntausend“. Überaus wichtig war für mich der Zusatz zum Inhalt im Klappentext, dass es sich hierbei um eine wahre Geschichte handelt.

Ich empfand die Lektüre dieses wunderschönen historischen Romans von Petra Durst-Benning als reines Lesevergnügen und freue mich bereits auf den Folgeband „Die russische Herzogin“.

Veröffentlicht am 16.04.2018

Das zweitbeste Glück

Das zweitbeste Glück
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Margrit Schriber erzählt in ihrem Roman „Das zweitbeste Glück“ die Geschichte des Geschwisterpaares Oskar und Julie Helene Bider, kurz Leny genannt. Oskar, der als Flugpionier vor allem durch seine Pyrenäen- ...

Margrit Schriber erzählt in ihrem Roman „Das zweitbeste Glück“ die Geschichte des Geschwisterpaares Oskar und Julie Helene Bider, kurz Leny genannt. Oskar, der als Flugpionier vor allem durch seine Pyrenäen- und Alpenüberquerung und dem ersten Direktflug von Bern nach Paris Berühmtheit erlangte, starb am 7. Juli 1919 bei einem Absturz seines Flugzeugs. Wenige Stunden später erschießt sich seine vierundzwanzigjährige Schwester Leny, die zur gefeierten Stummfilm-Schauspielerin avancierte, in einem Zürcher Nobelhotel. Die Autorin rollt die Lebensgeschichten auf und gibt nach sorgfältigen Nachforschungen ihrerseits tiefe Einblicke in das Leben der beiden durch ihr tragisches Schicksal berühmt gewordenen Bider-Geschwister. Der Einstieg in das Buch liefert die harten Fakten, die Autorin beginnt mit der Selbsttötung von Leny Bider. Auf akribische Art und Weise rollt sie danach behutsam und in kleinen Schritten die kurzen Lebensjahre der beiden Geschwister auf und konzentriert sich dabei in erster Instanz auf Julie Helene. Frau Schriber verwendet Tagebucheinträge und die Figur der zukünftigen Stiefmutter als Inhalt vermittelnde Elemente und gibt tiefen Einblick auch in das Seelenleben der jungen Frau. Das Buch erzählt abwechselnd aus der Gegenwart, dem Juli 1919, wie auch aus der Vergangenheit, den Kindheits- und Jugendtagen der Protagonisten. Beeindruckend auch das Foto von Helene Bider auf einem Tennisplatz im Jahre 1916/17 sowie im Flugzeug, gemeinsam mit ihrem Bruder Oskar. Die Kopie einer Tagebuchseite der jungen Leny auf den letzten Seiten verleiht diesem Buch zusätzlich authentische Züge.

Die Autorin bevorzugt eher kurze, knappe Sätze und untermalt ihre Aussagen mit eingeflochtenen Fragen. Ihre Beschreibungen sind detailliert und liebevoll und erwecken im Leser das Verlangen, mehr über die Geschichte zu erfahren, ja sie verführen regelrecht dazu, immer weiter und weiter zu lesen. Der tragische Höhepunkt erfolgt bereits auf der ersten Seite, nämlich die Erwähnung des Flugzeugabsturzes von Oskar und der Freitod von Leny Bider. Dies nimmt jedoch nicht die geringste Spannung vorweg. Im Gegenteil. Nun erst beginnt Margrit Schriber, die Handlungsfäden zu entwirren, die Geschichte nach und nach aufzurollen. So gründlich wie das Forschen in einem Archiv wird dem Leser auch die Wahrheit über das Leben dieser beiden schillernden Persönlichkeiten präsentiert. Da ich bereits aus einigen vorherigen Büchern vom Schreibstil dieser Autorin begeistert war, ist der vorliegende Roman keine Überraschung in diesem Sinne … Frau Schriber liefert Stoff in gewohnt exzellenter Qualität und wunderschönem Schreibstil.

Die Hauptfiguren dieses Romans sind mit Sicherheit Julie Helene und Oskar Bider. Die beiden Geschwister bilden den Schwerpunkt der Geschichte und sie sind sehr glaubwürdig und gut gezeichnet. Die Autorin gibt tiefe Einblicke in deren Motive und Seelenleben und bezieht den Leser so stark ins Geschehen ein. Durch das Zitieren von Tagebucheinträgen und deren Deutung bekommt man recht schnell ein Bild der fragilen emotionalen Gefühlslage von Leny, die von abwechselnden Hochs und Tiefs gekennzeichnet ist. Julie Helene Biders Persönlichkeit ist sehr vielschichtig und schwer in Worte zu fassen. Für meine Person ist es Frau Schriber vortrefflich gelungen, sie mir nahe zu bringen. Eine sehr wichtige Nebenfigur ist eine Pariser Witwe, die eine Heirat mit Leny’s ebenfalls verwitwetem Vater in Betracht zog und aus deren Sicht dieses Buch erzählt wird. Ihr Sohn Jakob, ein linkischer, schüchterner Junge, ist ein großer Verehrer Lenys, die ihm jedoch keine Aufmerksamkeit schenkt.

Es handelt sich hierbei um eine gebundene Ausgabe mit einem großen Foto der posierenden Schauspielerin Julie Helene Bider. Der Roman ist in insgesamt 27 Kapitel unterteilt, auf den ersten und letzten Seiten befindet sich jeweils ein Bild der jungen Leny auf dem Tennisplatz sowie bei einem Flug mit ihrem Bruder Oscar. Die kostbarste Seite stellt für mich jedoch die erste dar – hier befindet sich eine handschriftliche Widmung mit einigen persönlichen Zeilen für meine Person. Von ganzem Herzen „Danke“, Frau Schriber. Nicht nur für diese berührende und wundervolle Geste, sondern auch dafür, dass Sie mir Einblick in das Leben dieser beiden faszinierenden Personen gegeben haben.

Menschen, die einen spannenden ungeklärten Todesfall, einen Thriller erwarten, würde ich raten: „Finger weg von diesem Buch“. Für Menschen, die jedoch am Leben eines wagemutigen und lebensfrohen Geschwisterpaares interessiert sind und Details über die erhebenden Moment der Eroberung des Luftraumes erfahren möchten, für all jene, die am Entstehen des Stummfilms und am Leben Anfang des 20. Jahrhunderts Interesse zeigen, kann ich dieses Buch nur empfehlen. Es ist exzellent recherchiert, hervorragend geschrieben und mit liebevoll gezeichneten Protagonisten ausgestattet: Fünf Sterne und eine absolute Leseempfehlung!