Der freiberufliche Geodät Hendryk Mansel, Angestellter der neu gegründeten Eisenbahngesellschaften, wirbt um die höhere Tochter Leonora Maria Gutermann. Schon früh befremdet es den Leser, weshalb die beiden darauf drängen, eine Vernunftehe einzugehen und schon früh lässt die Autorin erkennen, dass es auf beiden Seiten Geheimnisse zu geben scheint. Unter Hendryk Mansels Obhut befinden auch minderjährige Zwillinge, wobei auch hier lange Zeit unklar ist, welche Rolle sie in seinem Leben spielen bzw. welcher Abstammung die beiden sind. Es scheint überdies im vorliegenden historischen Roman im Dunkeln liegende Verbindungen zwischen den handelnden Personen zu geben, die dem Leser erst nach und nach vermittelt werden. Andrea Schacht ist es vortrefflich gelungen, einen überaus spannenden Roman zu schreiben, der den Leser teilweise atemlos zurück lässt. Seite für Seite kommen immer neue Dinge zu Tage, das Buch lebt von vielen Höhepunkten, die nicht immer erfreulich sind. Und doch löst sich bis zuletzt alles auf und der Kreis schließt sich.
Andrea Schacht widmet ihren Protagonisten große Aufmerksamkeit. Sowohl Leonora Maria Gutermann als auch Hendryk Mansel und die Zwillinge Ursula und Lennard werden in intensiven Farben geschildert. Ihre Gedanken, Emotionen und Handlungsmotive finden großen Anklang im Roman und man entwickelt eine spontane Zuneigung zu ihnen. Auch Ernst von Benningsen, Camilla Jacobs und Magnus von Crausen werden ins Geschehen stark einbezogen und auch hier verfährt die Autorin nach dem gleichen Schema. Die Nebenfiguren Karl Gustav, Elfriede und Rosalie Gutermann, Pastor Merzenich, Sven und Edith Kleinbecker, Jette, Albert, Gerhard Bredow, Selma Kersting, Otto und Sonia von Danwitz, Rolf-Heinrich von Alfter, Wilfried Jakob Jacobs, Jussuf, Karl Lüning, Hanno Altenberger, Rike, Elisa und Nikodemus von der Lundt, Dr. Otto Fischer, Gawrila, Frances Jane Johnson-Walsh, Cäcilia Schneider und zu guter Letzt Irving und Olivia Flemming werden unglaublich detailliert beschrieben. Es gelang mir bis zuletzt nicht, mich dem Sog, den Andrea Schacht mit ihren ungewöhnlich lebendigen Personenbeschreibungen liefert, zu entziehen. Aufgrund meiner umfangreichen Aufzählung dürfte auch klar erkennbar sein, dass die Autorin ihre Personen in der Geschichte nicht einfach Revue passieren lässt, sondern dass sie die Gabe hat, sie äußerst lebendig zu zeichnen und sie sich dem Leser tief ins Gedächtnis einprägen. Selten sah ich eine so auf ihre handelnden Personen bezogene Intensität der Erzählung. Durch die Tatsache, dass es sich hierbei um einen historischen Roman handelt, wirkte auch die Ausdrucksweise und das durch die Protagonisten an den Tag gelegte Verhalten weder gestelzt noch unglaubwürdig, sondern perfekt der damaligen Zeit angepasst.
Ein erstklassiger historischer Roman, dessen Lektüre ich von der ersten bis zur letzten Seite über alle Maßen genossen habe. Ich kann durchaus behaupten, dass Andrea Schacht es mit einem einzigen Buch geschafft hat, mich auf die Seite ihrer Lesergemeinde zu katapultieren.