Ein aufregendes und gefährliches Abenteuer auf Formosa
„Ihr Fremden könnt euch vieles nicht vorstellen. Die Menschen hier ertragen ihr Schicksal, weil sie es nicht anders kennen und glauben, es müsse so sein.“
Ich durfte Tereza Vanek als bekannte Autorin ...
„Ihr Fremden könnt euch vieles nicht vorstellen. Die Menschen hier ertragen ihr Schicksal, weil sie es nicht anders kennen und glauben, es müsse so sein.“
Ich durfte Tereza Vanek als bekannte Autorin historischer Romane kennenlernen und war nun äußerst gespannt auf ihre Neuerscheinung „Die schöne Insel“. Bereits der Klappentext klingt vielversprechend, der Schauplatz der Handlung ist diesmal Shanghai im Jahre 1900.
Gleich zu Beginn stellt die Autorin ihre Protagonistin Anastassia Gregorowa Nikitina vor, eine in Russland geborene Jüdin, deren Eltern jedoch nach der Geburt mit ihrer Tochter emigrierten. Tereza Vanek berichtet von Anastassias Familie, die einen Laden in der internationalen Siedlung in Shanghai führt. Der Tod ihres geliebten Vaters Gregor Ephraimowitsch Nikitin bedeutet für Anastassia einen zutiefst schmerzlichen Verlust – er hatte seine Tochter stets auf Händen getragen, ihr galt seine ganze Liebe. Anastassias Mutter möchte ohne ihren Ehemann nicht mehr in Shanghai bleiben und beschließt, mit ihrem sechzehnjährigen Sohn Aron zurück nach Russland zu gehen. Seine Schwester soll jedoch mit einem stets betrunkenen Iren verheirate und in Shanghai zurückgelassen werden. Anastassia ist tief getroffen, kann jedoch mithilfe der Unterstützung ihres Bruders Aron dieser Zwangsheirat entgehen. Als Anastassia eine bezaubernde junge Chinesin namens Ming Chun Ke aus einer gefährlichen Situation rettet, gewinnt sie in dem zerbrechlichen zarten Wesen eine sehr gute Freundin, die sie schließlich in deren Heimat Formosa – die Insel Taiwan - begleitet. Clio, wie Ming Chun Ke sich fortan nennt, möchte ihren ehemaligen Verlobten Nobu wiedersehen, den sie niemals vergessen konnte. Tatkräftige und selbstlose Unterstützung finden die beiden Frauen in dem gutherzigen und hilfsbereiten deutschen Geschäftsmann Felix Hoffmann. Doch weder Clio, noch Anastassia haben auch nur die geringste Ahnung, worauf sie sich durch ihre Reise nach Formosa eingelassen haben. Ein spannendes, und zugleich sehr gefährliches Abenteuer beginnt…
Tereza Vanek hat mich mit ihrem wunderbaren Schreibstil begeistert. Ihre lebendigen Erzählungen, ihre bildhafte Beschreibung von Schauplätzen und Ereignissen sowie die ausgezeichnet dargestellten Figuren dieser Handlung trugen zu einem unvergesslichen Lese-Erlebnis bei. Die Autorin versteht es geschickt, historische Begebenheiten mit einer spannenden Geschichte zu verbinden, die den Leser mit auf eine abenteuerliche Reise nimmt. Man erfährt sehr viel über die asiatische Lebensart, liest über die Unterschiede zwischen den einzelnen Bevölkerungsgruppen, und anhand der traditionell erzogenen Chinesin Clio auch über die Praxis des Füßebindens, der so genannten „Lotusfüße“. Tereza Vanek erzählt von einer für westliche Menschen vermutlich ziemlich unverständlichen Tradition sowie einer der Asiaten eigenen stoischen Wesensart, bei der große Gefühlsausbrüche in der Öffentlichkeit ebenso ein Tabu darstellen wie körperliche Berührungen, und sei es nur eine banale freundschaftliche Umarmung. Man tritt zudem in eine Welt ein, die geprägt ist von großem Respekt und Pflichtgefühl gegenüber den Eltern, zugunsten derer sogar auf das eigene persönliche Glück verzichtet wird.
Durch eine längere Episode während eines Aufenthalts bei dem kanadischen Missionar George Mackay und dessen Familie erlebt Anastassia ein Dasein abseits vorgegebener Normen. Tereza Vanek schreibt hier über den ersten Missionar der Presbyterianischen Kirche Kanadas, der in Tamsui eine Missionsstation betrieb, Schulen und Krankenhäuser bauen ließ und sich immer wieder aufmachte, um die Ureinwohner zu missionieren. In einem Nachwort der Autorin am Ende des Buches gibt es ausführliche Details zum historischen Hintergrund und Erläuterungen dazu, welche Ereignisse fiktiv, welche jedoch auf tatsächlichen Begebenheiten basieren.
Dem Leser werden auf sehr eindringliche Art und Weise die Schwierigkeiten zwischen den Chinesen, den Japanern und den Einheimischen-Stämmen wie beispielsweise der Ami oder der Paiwan vor Augen geführt. Letztendlich gibt es, wie bereits im Klappentext angedeutet, in die Handlung eingebaute Liebesgeschichten, die den romantischen Part im Buch darstellen.
Fazit: „Die schöne Insel“ stellte für mich ein interessantes und intensives Lese-Erlebnis dar, das mich tief in die Geschichte eintauchen ließ. Besonders die Szenen auf Formosa, deren Landkarte auf der ersten Buchseite abgebildet ist, bilden einen aufregenden und spannenden Part dieses Buches. Die einzelnen Charaktere sind mir innerhalb kürzester Zeit ans Herz gewachsen und ich bedauerte es beinahe, mich nach der letzten Seite von ihnen verabschieden zu müssen. „Die schöne Insel“ ist eine hervorragende Geschichte, die ich Fans von spannenden Liebesromanen mit historischem Hintergrund ans Herz legen kann.