Ein wildes Herz
Ein wildes HerzDas Auftauchen eines Fremden in der Kleinstadt Brownsburg im Virginia Valley erzeugt zunächst Misstrauen unter den Einwohnern. Charlie Beales Offenheit und Freundlichkeit wird nicht jene Resonanz zuteil, ...
Das Auftauchen eines Fremden in der Kleinstadt Brownsburg im Virginia Valley erzeugt zunächst Misstrauen unter den Einwohnern. Charlie Beales Offenheit und Freundlichkeit wird nicht jene Resonanz zuteil, die der 39jährige Metzger sich erhofft hatte. Die Haltung der Einheimischen ist geprägt von Zurückhaltung, jede Handlung des „Neuen“ wird argwöhnisch beobachtet. Erst mit dem Kauf eines Grundstücks wird ihnen klar, dass Charlie kein Durchreisender ist, sondern tatsächlich vorhat, in ihrer kleinen Stadt sesshaft zu werden. Als der Inhaber der Metzgerei „Gwaltneys Ham“, Will Haislett, dem Fremden Arbeit gibt, beginnen die Menschen aufzutauen und schon bald wird Charlie mit offenen Armen aufgenommen. Er lernt die Einwohner Brownsburgs mit all ihren kleinen Fehlern und Schwächen nach und nach kennen und integriert sich in die Gemeinschaft. Eine Bekanntschaft jedoch erweist sich als schicksalsträchtig. Als die hübsche Blondine Sylvan Glass, die junge Ehefrau des reichen und mächtigen Harrison Boatwright Glass, die Metzgerei betritt, verliebt sich Charlie Hals über Kopf in sie. Eine so genannte „Amour fou“, eine Liebesgeschichte, die wie eine Naturgewalt über die beiden herein bricht, dabei aber extrem zerstörerisch ist, nimmt ihren Lauf.
Robert Goolrick deckt mit diesem Roman ein breit gefächertes Spektrum an Themen ab. Er beschreibt das Leben in einer amerikanischen Kleinstadt Mitte des 20. Jahrhunderts und erzählt in anschaulichen Worten von der Engstirnigkeit, dem Aberglauben, der immer noch praktizierten Rassentrennung und der Ausgrenzung all jener, die sich dagegen auflehnen und „anders“ denken und handeln. Gutbürgerliche Scheinmoral wird hoch gehalten, der fehlende Mut Einzelner, sich gegen Ungerechtigkeiten aufzulehnen, anhand der Lebensgeschichte Charlie Beales verdeutlicht. In einer Zeit wie dieser ist die Mund-zu-Mund-Beatmung eines kleinen Jungen, der dadurch wieder ins Leben zurück gerissen werden kann, eine Art Wunder. Der Autor hat solche Szenen in seinen Plot verwoben und verschafft dem Leser dadurch aussagekräftige Einblicke in den vorherrschenden Zeitgeist.
Der Schreibstil Robert Goolricks ist intensiv und emotionsgeladen. Er brilliert mit eindrucksvollen Beschreibungen der Landschaft genauso wie mit jener des Gefühlslebens der einzelnen Protagonisten. Tiefe Einsichten und Erkenntnisse der handelnden Figuren werden eingeflochten und regen den Leser immer wieder dazu an, zu reflektieren, das Buch dann und wann zur Seite zu legen und die Worte in sich aufzunehmen. Der Autor beschreibt weiters die Schmähungen und Verachtung, mit denen bestimmte Personengruppen überhäuft werden, er erzählt, wie die Betroffenen damit umgehen, wie sie versuchen, das Leben zu meistern, weiter zu machen und zu tun, was die Gesellschaft von ihnen erwartet. Er skizziert den Kampf gegen gesellschaftliche Beschränkungen und unmenschliche Gesetze, die Außenseiter entstehen lassen und Ausgrenzung erzeugen. Entgegen meiner Erwartungen aufgrund des Klappentextes spielt die Liebesgeschichte von Charlie und Sylvan zwar eine wichtige Rolle, verdrängt aber keineswegs alle anderen angesprochenen Themenbereiche. Der bereits im Vorfeld angesprochene Begriff der „amour fou“ lässt bereits zu Beginn vermuten, dass es in diesem Buch kein „happy end“ geben wird, ein hoher Spannungsbogen darf aus diesem Grund hier auch nicht erwartet werden.
Die handelnden Personen dieses Romans werden glaubhaft gezeichnet, sie erscheinen authentisch und erzeugen tiefe Emotionen im Leser. Der Charakter und die inneren Konflikte von Sylvan, der jungen Frau aus armen ländlichen Verhältnissen und ohne Schulbildung, werden im Verlauf der Handlung eindringlich dargestellt. Auch die Wünsche und Träume des 39jährigen Charlie Beale enthüllt der Autor, verbunden mit eingestreuten Details aus dessen trauriger Kindheit. Die meiste Aufmerksamkeit wird jedoch der Familie Haislett, insbesondere dessen Sohn Sam, zuteil. Bereits im Laufe der ersten Kapitel macht der Autor klar, dass der eigentliche Protagonist dieses Buches Sam Haislett heißt. Sam, der kleine Sohn von Charlie Beales Arbeitgeber, der stets in Begleitung seines Hundefreundes auf der Bildfläche erscheint. Einem Beagle, dem er den Namen seines Idols, der Baseball-Legende „Jackie Robinson“ gibt. Der Junge sieht in Charlie Beale einen väterlichen Freund, er vertraut und respektiert ihn zutiefst.
„Die Kindheit ist der gefährlichste Ort von allen, und niemand verlässt ihn ohne Narben“, schreibt der Autor. „In Charlies Herz wuchs das Bedürfnis heran, einst nicht zu den Narben in Sams Leben zu gehören und diesem jungen zu helfen, statt ihm wehzutun.“
Ob Charlie dies gelingt und wie er es im Roman „Das wilde Herz“ bewerkstelligt, das sollte jeder Leser selber herausfinden.
Die Lektüre dieses Buches stellte für meine Person ein außergewöhnliches Leseerlebnis dar. Ich möchte dem Vorablesen-Team dafür danken, dass ich in Form eines Testleseexemplars daran teilhaben durfte und spreche eine uneingeschränkte Leseempfehlung aus: 5 Sterne für Robert Goolrick’s „Ein wildes Herz“.