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Veröffentlicht am 17.04.2018

Die Angst im Nacken

Die Angst im Nacken
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Das tapfere dreizehnjährige Mädchen Harlow Anastasia Grail überlebt durch ihren Mut und ihren Lebenswillen eine der schlimmsten Katastrophen, die man sich vorstellen kann. Ein wahr gewordener Alptraum, ...

Das tapfere dreizehnjährige Mädchen Harlow Anastasia Grail überlebt durch ihren Mut und ihren Lebenswillen eine der schlimmsten Katastrophen, die man sich vorstellen kann. Ein wahr gewordener Alptraum, dem sie entronnen ist. Jedoch nur körperlich. Psychisch leidet die junge Autorin Anna North, wie die erwachsene Harlow sich aus Angst vor dem Peiniger ihrer Vergangenheit nun nennt, immer noch unter den Folgen dieses schrecklichen Ereignisses. Und plötzlich beginnt der Schrecken erneut. Morde geschehen. Morde, deren Handschrift unverkennbar jene Annas Bedrohers zu sein scheint. Mysteriöse Dinge geschehen, Drohungen werden ausgesprochen und die Situation spitzt sich immer mehr zu, bis sie letztendlich eskaliert.

Erica Spindler schafft bereits mit ihrem Einstieg einen sehr hohen Spannungsbogen, der sich bis zum Finale sogar noch steigert. Der hoch interessante Plot, der mit exzellent gezeichneten Charakteren und überaus lebendigen Protagonisten aufwartet, verführt den Leser mit falschen, gut gelegten Fährten. Die Ermittlungsarbeit der Polizei liefert anschauliche Ergebnisse, die jedoch von Zeit zu Zeit in Frage gestellt werden. Zuletzt weiß man kaum mehr, wem man tatsächlich trauen darf bzw. kann. Polizei, Psychiater, Angehörige und Freunde – beinahe überall vermutet man den Mörder.


Dieser Thriller macht seinem Genre Ehre. Hochspannung von der ersten Seite bis hin zum fulminanten Ende, interessante, ausgeprägte Protagonisten und ein atemberaubender Plot – fünf Sterne für die Autorin und eine uneingeschränkte Empfehlung an jeden Thriller-Fan.


(Rezension zum Printexemplar)

Veröffentlicht am 17.04.2018

Wer verbirgt sich wirklich hinter dem mysteriösen „Todesengel“?

Der Tod kommt lautlos
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Melanie May, seit drei Jahren Polizistin in der kleinen Gemeinde Whistlestop am Rande von Charlotte, stellt mit ihrem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und ihrem ehrgeizigen Drang nach echter Kripo-Arbeit ...

Melanie May, seit drei Jahren Polizistin in der kleinen Gemeinde Whistlestop am Rande von Charlotte, stellt mit ihrem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und ihrem ehrgeizigen Drang nach echter Kripo-Arbeit eine ausgezeichnete Protagonistin dar. Nachdem innerhalb kurzer Zeit einige tyrannische Männer starben, die als Gemeinsamkeit Handgreiflichkeiten ihren Ehefrauen und Freundinnen gegenüber aufweisen, vermutet die junge Polizistin einen Zusammenhang. Sie versucht, den FBI-Profiler Connor Parks, einen durchaus sympathischen Mann mit Ecken und Kanten, an Bord zu holen und ihn dazu zu bewegen, den vermeintlichen Spuren nachzugehen. Doch Connor Parks trägt seinerseits eine schwere Bürde mit sich herum, vor der er mithilfe von Alkohol zu entfliehen sucht. Melanies Hartnäckigkeit führt jedoch letztendlich zum Erfolg und die beiden ungleichen Ermittler beginnen mit ihren Untersuchungen.

Erica Spindler erzählt als Rahmenhandlung dieses Thrillers die Geschichte der May-Drillingsschwestern Melanie, Mia und Ashley, die als Kinder von ihrem Vater brutal misshandelt wurden und ziemlich konträr darauf regierten. Die Entwicklung der drei so unterschiedlichen Charaktere wird sehr gut beschrieben, und die Autorin geht auch detailliert auf ihre Lebensgeschichten ein.

Als die große, schlanke Veronica Ford sich geschickt ins Leben der Geschwister einschleicht, beginnt die bislang sehr intensive Beziehung der Drillinge zu kriseln. Wird die Freundschaft der stellvertretenden Bezirksstaatsanwältin Veronica mit Mia die drei jungen Frauen letztendlich entzweien?

Melanie, die in ihrem ehrgeizigen Drang nach echter Kripo-Arbeit ihre gesamte Zeit und Energie in die Suche nach dem mysteriösen „Todesengel“ investiert, hat zudem auch noch ihren vierjährigen Sohn Casey zu betreuen, der nach ihrer Scheidung vom Ehemann, dem Anwalt Stan, bei ihr lebt. Ihre Zusammenarbeit mit dem FBI-Agenten Connor berührt Melanie auch auf persönlicher Ebene und sie ficht einen inneren Kampf aus, versucht, Privatleben und Beruf professionell zu trennen.

Ashley, die dritte der May-Schwestern, ist erfolgreich in ihrem Beruf als Pharmarepräsentantin, fühlt sich ausgegrenzt und reagiert zunehmend gereizter auf die gesamte Situation. Zudem scheint auch Ashley etwas zu verbergen – ein dunkles Geheimnis, das sie innerlich zu zerstören scheint.

Die Suche nach dem Todesengel, der indes immer weiter mordet und mit ausgeklügelten Methoden arbeitet, gestaltet sich als schwierig. Als sich der Zusammenhang, der gemeinsame Nenner, endlich herauskristallisiert, scheint es beinahe zu spät zu sein.

Die geschickt gelegten Fährten und Indizien, die stets auf einen anderen Täter hinweisen, vermögen es zeitweise, den Leser in die Irre zu führen. Dennoch war ich mir hinsichtlich der Identität des so genannten „Todesengels“ bereits nach einem Viertel des Buches sicher, was mein Lesevergnügen ein wenig beeinträchtigte. Zwar gelang es Erica Spindler, kurzzeitig Zweifel in mir aufkommen zu lassen, mein Verdacht wurde aber am Ende des Buches in einem aufregenden Finale bestätigt.

Aufgrund des durchgehend hohen Spannungsbogens, des flüssigen Schreibstils und den gut gezeichneten Charakteren vergebe ich für diesen interessanten, geschickt konstruierten Fall dennoch eine uneingeschränkte Leseempfehlung und eine Höchstbewertung von fünf Sternen.

Veröffentlicht am 17.04.2018

Der Jünger des Teufels

Der Jünger des Teufels
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Ein zu Tode verurteilter Massenmörder, zutiefst brutal und bösartig, schwört noch auf dem Weg zur Hinrichtung Rache an die Agentin, die ihn letztendlich überführte. Und kurze Zeit nach seinem Tod gehen ...

Ein zu Tode verurteilter Massenmörder, zutiefst brutal und bösartig, schwört noch auf dem Weg zur Hinrichtung Rache an die Agentin, die ihn letztendlich überführte. Und kurze Zeit nach seinem Tod gehen die grausamen Morde weiter…und zwar in der Handschrift des Killers.

Anfangs glaubt das FBI an einen Nachahmungstäter, doch die seltsamen Vorfälle häufen sich. Das Team um Kate Moran unternimmt alle erdenklichen Anstrengungen, den Mörder zu fassen – doch plötzlich tauchen überraschende Beweise auf, die nicht nur das FBI schockieren, sondern zugleich Kate in ein äußerst schlechtes Licht rücken. Nun ist es an Kate, dem Killer Einhalt zu gebieten und ihre Unschuld zu beweisen …

Grundsätzlich mag ich Bücher, die in der Ich-Form geschrieben sind, nicht so gerne. Glenn Meade hat mich jedoch nun vom Gegenteil überzeugt. Der Autor verwendet lange Sätze, beschreibt dabei Umfeld und Personen sehr detailliert und erzählt seine Geschichte in besagter Ich-Form, und zwar aus der Sicht der Protagonistin Kate Moran. Ich fand es einfach großartig. Spannungsgeladene Szenen, atemberaubendes Tempo, rasante Verfolgungsjagden und eindrucksvolle, wenngleich auch sehr brutale Mordszenen die Seiten füllten. Die Schauplätze der Morde, die Szenarien, die der "Jünger" bei seinem wütenden Morden hinterlässt, sind durch ihre bildhafte Beschreibung brutal und hart, für zarte Gemüter vielleicht als grenzwertig zu bezeichnen: (Er machte sich an den chirurgischen Instrumenten auf dem Tisch zu schaffen, hatte sich den Schlachtergürtel mit den mörderischen Messern umgeschnallt, strich über die gezackte Schneide einer Stahlklinge. Er nahm eine kleine elektrische Säge mit runder Klinge vom Tisch, drückte auf den Schalter, worauf die Säge sich mit Furcht erregendem schrillem Sirren drehte. "Das Ding hat sogar eine Diamantklinge, um Knochen zu zersägen. Bist du bereit für das großartige Experiment, zersägt zu werden?") Für mich als Leserin mit einer sehr großen Fantasie bewirkten solche Szenen eine hohe Adrenalinausschüttung und waren teilweise albtraumhaft realistisch gezeichnet.

Die Geschichte des Serienmörders, der sich selber als „Jünger des Teufels“ tituliert, wird von Meade in insgesamt sechs Teile, diese wiederum in 175 Kapitel unterteilt, wobei ich beim besten Willen keine Höhepunkte nennen kann. Die Spannung bleibt das ganze Buch hindurch auf höchstem Niveau und genauso turbulent und reich an Spannung gestaltet sich auch das Ende.

Glenn Meade versteht es hervorragend, seinen Protagonisten Leben einzuhauchen. Die handelnden Personen wirken authentisch und weisen sowohl Stärken, als auch Schwächen auf. Der Böse, der so genannte „Jünger des Teufels“ namens Constantine Gemal, mordet mit einem Herzen so schwarz wie die Nacht, wird durch eine Bösartigkeit, die ihresgleichen sucht, dargestellt. Seine Gedanken und Handlungen sind von Kaltblütigkeit und abgrundtiefem Hass gekennzeichnet, welche sich ein Ventil suchen und durch Massenmorde befriedigt werden. Die „Gute“, Agentin Kate Moran, stellt Glenn Meade auf eine Art und Weise dar, dass es dem Leser einfach niemals in den Sinn kommen kann, sie zu verdächtigen – egal, wie viele Beweise auch auf ihre Person deuten mögen. Kate ist aber keineswegs ein armes Opfer der Brutalität des Mörders oder ihres Berufes, der für gewöhnlich eine Männerdomäne zu sein scheint. Sie kämpft mit harten Bandagen, hat außergewöhnlich gute Instinkte und ihr feiner Spürsinn lenkt sie selten auf falsche Pfade. Kates Schwächen sowie die dramatischen Mordfälle in ihrer eigenen Familie stehen dem Bild von einer mutigen und starken Frau gegenüber, die kompromisslos ihren Weg geht, ohne auf Konsequenzen Rücksicht zu nehmen. Einer Frau, die um jeden Preis Gerechtigkeit sucht – und sie letztendlich auch findet.

Doch nicht nur die Hauptfiguren dieses Plots, sondern auch Nebenfiguren wie Vorgesetzte, Kollegen und Verwandte werden so lebhaft beschrieben, dass man als Leser einfach nicht anders kann, als vollständig in dieses Buch einzutauchen. Das übliche Schema bei Polizeithrillern „Guter Bulle, böser Bulle“, das sehr oft und gerne von Autoren verwendet wird, wird auch von Meade in diesem Thriller eingesetzt und auf eine Art genutzt, die ich einfach nur als großartig bezeichnen kann. Der „böse“ Bulle, ein harter Konkurrent und Neider namens Stone, versucht auf gerissene Art und Weise, Kate als Hauptschuldige zu entlarven. Er attackiert und provoziert Kate verbal, konstruierte Beweise und scheinbar offensichtliche Lücken in der Beweisführung werden dabei weder hinterfragt noch überprüft, im Gegenteil. Stone setzt alles dran, Kate immer tiefer in den Schlamassel zu bringen und erst spät werden ihm die Augen geöffnet. Was mir stets einen schalen Nachgeschmack bei solchen Szenen hinterlässt, hat Meade für mich zu einem regelrechten Appetithäppchen gemacht: er lässt auch Stone menschlich erscheinen, gesteht im gegen Ende des Buches Einsicht und Reue zu und lässt ihn an Kates Seite kämpfen, als es wirklich darauf ankommt. Großartige Leistung!

Die Schriftgestaltung dieses Taschenbuches ist übersichtlich und gut lesbar, das Cover beeindruckend. Unterirdische Gewölbe, in blaues Licht getaucht, das auf ein Nachtsichtgerät hinweist. Eine Pforte aus Zahlenmystik und Okkultismus, verschlungen die Zahl Sechs in dreifacher Ausfertigung als Symbol des Teufels. Sowohl Titel als auch Symbol in blutroter, leicht schattierter und erhobener Schrift, das das Buch nicht nur beeindruckend aussehen lässt, sondern auch einen „spürbaren“ Effekt erzeugt.

Fazit: Da ich an diesem Buch beim besten Willen nichts zu bemängeln habe und es mich so gefesselt hat, wie es schon lange kein Thriller vermochte, vergebe ich auf jeden Fall fünf Sterne. Ein Plot mit atemlos erscheinendem Tempo, vielen, wirklich gut gelegten falschen Fährten, überzeugenden Protagonisten und einem fulminanten Ende. Ein echter Pageturner unter den Thrillern, ein Glanzstück an Spannung. Dieser Thriller fesselt den Leser so sehr an die Geschichte, dass eine Unterbrechung schwer bis kaum möglich ist. Mit hohem Tempo hinein in die Story, spannungsgeladene Atemlosigkeit in die explosive Mitte des Buches und rasanter, nervenaufreibender Galopp ins fulminante Finale – genau so sollte ein guter Thriller aufgebaut sein!


(Rezension zum Printexemplar)

Veröffentlicht am 17.04.2018

Der Anschlag

Der Anschlag
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Jake Epping lebt ein normales Leben, bis sein Freund Al ihm ein großes Geheimnis enthüllt: Er kennt ein Portal, das ins Jahr 1958 führt. Und Al gewinnt ihn für eine wahnsinnige Mission. Jake soll in die ...

Jake Epping lebt ein normales Leben, bis sein Freund Al ihm ein großes Geheimnis enthüllt: Er kennt ein Portal, das ins Jahr 1958 führt. Und Al gewinnt ihn für eine wahnsinnige Mission. Jake soll in die Vergangenheit zurückkehren und das Attentat auf John F. Kennedy vereiteln, um den Gang der Geschichte positiv zu korrigieren.

Und so beginnt für Jake ein neues Leben in einer für ihn neuen Welt. Es ist die Welt von Elvis und JFK, von großen amerikanischen Autos und beschwingten High-School-Tanzveranstaltungen. Es ist die Welt des gequälten Einzelgängers Lee Harvey Oswald, aber auch die der Bibliothekarin Sadie Dunhill, die Jakes große Liebe seines Lebens wird – eines Lebens, das gegen alle normalen Regeln der Zeit verstößt. Und je näher Jake seinem Ziel kommt, den Mord an Kennedy rückgängig zu machen, desto bizarrer wehrt sich die Vergangenheit dagegen – mit aller gnadenlosen Gewalt, die sich auch gegen Jakes neue Liebe richtet...

Die Umsetzung dieses großartigen Plots, dieser genialen Idee eines Meisters wie Stephen King, ist mit „Der Anschlag“ einzigartig gelungen. King fügt ein hochbrisantes Thema der Menschheitsgeschichte mit den Elementen spannender Thrill, Science Fiction / Zeitreise und einiger Nebenhandlungen (Einzelschicksale) zu einem großen Roman. Er spickt dies mit nostalgischen Einzelheiten und politischem Geschehen aus der Zeit der 60er in Amerika und tut dies mit solch exzellentem Können, dass man als Leser atemlos Seite um Seite blättern muss, sich dem Sog dieses Buches einfach nicht entziehen kann. Wundervoll seine Liebe zum Detail, einzigartig die Beschreibungen des amerikanischen Alltags und der allgemeinen Anschauungen dieser Zeit – und dennoch auch Missstände aufzeigend, die sich bereits damals abgezeichnet hatten.

Seine Figuren zeichnet er mit liebevoller Hingabe – sie wirken lebendig, authentisch und vermitteln das Gefühl, sie nach einigen Seiten bereits zu kennen. Speziell der Protagonist Jake Epping wird von allen Seiten beleuchtet, seine Gefühlswelt und seine Motivationen dem Leser nahe gebracht. King legt aber auch viel Wert auf die Nebenfiguren, denen in diesem überwältigenden Wälzer ausreichend Raum gegeben wird. Durch das Einsinken in die Welt des Amerikas in den 60ern vertieft man sich automatisch in die Einzelschicksale der handelnden Personen und ich hatte zwischendurch den Eindruck, mitten in Derry, Dallas oder Jodie zu leben, als Beobachter dabei zu sein. Ein Autor, der dieses Gefühl so intensiv zu vermitteln vermag, ist meines Erachtens ein Meister seines Faches.

Es handelt sich hierbei um eine gebundene Ausgabe mit grauem Buchrücken und silbernen Lettern. Die Umschlaggestaltung könnte treffender nicht sein – blutroter Hintergrund, silberne Lettern bei Titel und Autor und eine Münze mit dem Profil von John F. Kennedy und der Aufschrift „In God we trust, 1963“, durch ein blutiges Einschussloch am Rande symbolisiert. Treffender und aussagekräftiger könnte ein Buchcover kaum sein.

Für mich persönlich ist dies ein erstklassiger Roman eines Autors, der seinesgleichen sucht. Das nostalgische Schwelgen in der „guten alten Zeit“, der Zeit von Elvis, den schwingenden Röcken der High-School-Mädchen und der Abschlussbälle stehen der strengen Moral dieser Epoche und Themen wie Rassentrennung, politische Konflikte oder der beginnenden Emanzipation der Frauen entgegen.
Ein wundervolles Buch, auf das man sich unbedingt einlassen sollte. Ich hoffe auf weitere Werke dieser Art und gebe eine uneingeschränkte Leseempfehlung – fünf Sterne für "Der Anschlag" von Stephen King!

Veröffentlicht am 17.04.2018

Dein totes Mädchen

Dein totes Mädchen
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Bereits auf der ersten Seite dieses Thrillers macht der Leser Bekanntschaft mit der in Hamburg lebenden Übersetzerin Caroline Wolff, von ihren Jugendfreunden „Lilli“ genannt. Caroline, deren Zentrum ihres ...

Bereits auf der ersten Seite dieses Thrillers macht der Leser Bekanntschaft mit der in Hamburg lebenden Übersetzerin Caroline Wolff, von ihren Jugendfreunden „Lilli“ genannt. Caroline, deren Zentrum ihres unsteten Lebens ihre über alles geliebte Tochter Lianne war, wurde plötzlich und vollkommen unerwartet mit dem schrecklichen Verlust ihres einzigen Kindes konfrontiert. Sie flieht in ihr Elternhaus nach Schweden, ins Haus am Bergsee, in die Einsamkeit der skandinavischen Bergwelt. Ihr unvermitteltes Auftauchen sorgt zwar bei ihren Jugendfreunden für freudiges Erstaunen, doch zugleich auch zu Misstrauen und Spekulationen.

Als Caroline vor etwa drei Jahrzehnten überraschend verschwand, ohne irgendeine Erklärung oder Spuren zu hinterlassen, verursachte sie großen Kummer und Enttäuschung. Sie, die in ihrer ihr eigenen, offenen und impulsiven Art ihre Gefühle stets auf der Zunge trug, nie einen Hehl aus ihrer Meinung machte und ihre Freude und Trauer mit allen teilte und das Leben regelrecht umarmte, ließ dabei auch ihren Verlobten Ulf Svensson zurück. Caroline galt zwar auf charmante Art als unberechenbar, diese Aktion schockierte jedoch jeden, der ihr nahe stand. Carolines unermessliche Trauer um ihre bei einem Verkehrsunfall getötete Tochter Lianne wäre zwar eine Erklärung für ihr plötzliches Wiederauftauchen, jetzt, nach so vielen Jahren des Stillschweigens, ihre Freunde Björn, Maybrit und Ulf vermuten jedoch noch einen anderen Grund dahinter. Doch die unabhängige Freidenkerin Lilli hatte bereits als Kind gelernt, alle wichtigen Entscheidungen stets mit sich selber auszumachen und vertraut sich auch nun niemandem aus ihrer alten Clique an. Die Freunde stehen vor einem Rätsel und das Auftauchen der Polizei lässt ernstere Hintergründe für Carolines Verschwinden vermuten…

Die mir bislang unbekannte Autorin Alex Berg überraschte mich mit einem Thriller, dessen Spannungsbogen das gesamte Buch über konstant hoch gehalten wurde. Das Rätsel um Caroline wird in winzig kleinen Schritten und nur sehr langsam gelöst, die Vergangenheit bedächtig aufgerollt. Authentische und ausgezeichnet beschriebene Protagonisten tragen eine Menge dazu bei, die Lektüre dieses Buches zu einem Vergnügen zu machen.

Besonderes Augenmerk wird neben Caroline auf ihre Freunde aus Jugendtagen gelegt. Der gut aussehende Björn Nyborg, die „Skandinavische Ausgabe von Robert Redford“, der früher einmal um Caroline geworben hatte, fungiert mit seinem jungenhaften Charme als Vermittler und zeigt großes Talent darin, angespannte Situationen zu entschärfen. Carolines ehemals beste Freundin Maybrit Svensson, eine große schlanke und aristokratisch-schöne Frau mit inniger Verbundenheit mit der Landschaft und mittlerweile Anwältin, scheint es nie verwunden zu haben, dass Lillie von einem Augenblick auf den anderen einfach aus ihrem Leben verschwand. Den größten Erklärungsbedarf hat Caroline jedoch Ulf Svensson gegenüber. Ihr Verlobter Ulf wurde damals an einer Tankstelle ohne Erklärung von ihr sitzengelassen. Ulf hatte zwar zwischenzeitlich einige Beziehungen, war jedoch niemals wieder eine langfristige Bindung eingegangen. Die Tatsache, dass er mittlerweile zum Leiter der Stockholmer Mordkommission aufgestiegen ist, bringt den großgewachsenen, schlanken Mann, der Caroline immer noch von ganzem Herzen liebt, in einen Gewissenskonflikt.

Die Autorin weckt die Neugier des Lesers bereits auf den ersten Seiten und man fiebert der Enthüllung vieler Details regelrecht entgegen: was genau passierte mit der erst siebenundzwanzigjährigen Lianne, deren strahlende Persönlichkeit in der Blüte ihres Lebens so plötzlich endete? Was war die Ursache und wie waren die Hintergründe des tödlichen Autounfalls von Carolines geliebten Eltern, die viel zu früh sterben mussten? Und welches Geheimnis verbirgt Caroline selber, die Ulf die wahren Beweggründe für ihr plötzliches Verschwinden vor beinahe dreißig Jahren um keinen Preis verraten möchte? Gibt es vielleicht sogar einen mysteriösen Unbekannten im Hintergrund? Falls ja, wer ist diese Person und was möchte sie verbergen? Oder möchte die Autorin uns einfach nur in die Irre führen?

Alex Berg gibt raffinierte Denkanstöße und lässt in vielerlei Hinsicht Fragen offen, die aufzulösen es im Verlauf des Buches gilt. Ein flüssiger Schreibstil, dreiundvierzig nicht allzu lange Kapitel und ein überaus spannender Plot lassen zusammen mit glaubwürdigen Figuren einen Thriller entstehen, den zu lesen es auf alle Fälle lohnt. Als die Geschehnisse sich zu überschlagen scheinen, eskaliert die Situation und es kommt zu einem turbulenten Finale, das erneut mit explosiven Enthüllungen aufwartet.

Die optische Aufmachung des Buches vermittelt anhand des Coverfotos den Eindruck eines eiskalten, skandinavischen Winters – schwarze, entlaubte Bäume im hellblauen Hintergrund, schwarze Vögel im Flug, der Buchtitel in blutroter Schrift gehalten. Der Klappentext auf der Rückseite lässt bereits die Intensität der Spannung in diesem Buch erahnen, die meine Erwartungshaltung bei weitem übertroffen hat.