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Veröffentlicht am 17.04.2018

Am Ende eines Sommers

Am Ende eines Sommers
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Isabel Ashdown beschreibt das Leben einer Familie. Einer Familie mit Problemen, wie sie wohl laufend vorkommen. Menschliche Tragödien, Kummer, Leid, kleines Glück, Zusammenhalt, Trauer, Freundschaft, ...

Isabel Ashdown beschreibt das Leben einer Familie. Einer Familie mit Problemen, wie sie wohl laufend vorkommen. Menschliche Tragödien, Kummer, Leid, kleines Glück, Zusammenhalt, Trauer, Freundschaft, winzige Lichtblicke und große Enttäuschungen – der Autorin steht eine riesige Palette an Emotionen zur Verfügung, mit denen sie durchaus gelungen spielt.

Besagte Familiengeschichte wird abwechselnd aus der Sicht von Mary in den Sechzigerjahren und von ihrem Sohn Jake im Jahre 1985 erzählt. Mit jeder neuen Seite verdichtet sich dieser Roman und der Leser taucht tiefer in das Geschehen ein. Isabel Ashdown ist es gelungen, viele unterschiedliche Gefühlen in ihre Geschichte zu verweben und als Leser schafft man es kaum, das Buch aus der Hand zu legen. Ein leises Drängen, der Aufruf, die Geheimnisse und Hintergründe zu erforschen lassen es nicht zu, die Lektüre zu unterbrechen. Kein abenteuerlicher Spannungsroman, sondern ein Buch voll von Emotionen und voller Leben. Dem Leben, das sich Tag für Tag abspielt. Ein über alle Maßen realistisches Buch, das sehr berührend ist.

Das Buch wird abwechselnd aus der Sicht von Mary und Jake erzählt, jeweils in der Ich-Form und in der Gegenwart. Bei jedem Wechsel der Sichtweise wird dies mit einer großen Überschrift, dem Namen der jeweiligen Person und dem Datum markiert. Eine sehr übersichtliche Darstellung, die es dem Leser ermöglicht, sofort ins jeweilige Geschehen einzusteigen.

Die Handlung selber wird nicht von Spannung oder rasanten Themen beherrscht. Es handelt sich vielmehr um ein leises, unaufdringliches Buch, das seine Magie auf vielfältige Weise entwickelt. Und zwar durch kleine, aber wichtige Episoden im Alltag der Protagonisten, die detailliert und liebevoll beschrieben werden – wie beispielsweise das Erleben der ersten Liebe, die Unsicherheit und die Emotionen der Kinder aufgrund der Trunksucht der Mutter und deren selbst zerstörerisches Verhalten, die Unsicherheit aufgrund der Inaktivität des Vaters, die aufkeimende Freude über die Wiedervereinigung der beiden Schwestern Mary und Rachel, aber auch die lähmende Trauer wegen der radikalen Haltung der Eltern. All das und noch viele Dinge mehr bereichern dieses Buch und machen es zu einem regelrechten Leseerlebnis, das man nicht mehr missen möchte.

Meine größte Sympathie beim Lesen dieses Buches galt dem Jungen Jake, dessen detailgetreue Beschreibung mich von Anfang an zu ihm hingezogen hat. Ein kleiner Junge, der sehr früh erwachsen werden musste, der aber trotz seines Ernstes immer noch Kind bleibt. Facettenreich gezeichnet weckt Jake im Leser das Verlangen, ihn vor allen Übeln zu beschützen. Zugleich aber keimt auch eine Bewunderung für diesen „kleinen Mann“ auf, der neben der Schule einen Job annimmt, um seine unerfüllten kleinen Wünsche Realität werden zu lassen; der auf seine wochenlang im Bett liegende trunksüchtige Mutter und auf seinen kleinen Bruder achtet, der viel zu ernst für sein Alter zu sein scheint. Trotz allem lässt Isabel Ashdown diesen Jungen liebenswert erscheinen und dringt in seine Gedanken- und Gefühlswelt ein – man würde ihn am liebsten mehrfach in die Arme nehmen.

Doch die Autorin konzentriert sich nicht allein auf Jake – auch die anderen Charaktere werden sehr ausführlich und mit einer Liebe zum Detail gezeichnet. Lediglich die Mutter von Mary und Rachel bleibt ein ewiges Geheimnis – sie wird zwar erwähnt, deren Beweggründe, die Motive für die völlige Isolation bleiben unausgesprochen. Ebenso erging es mir mit Matthew, dem ältesten Sohn der Familie, der einfach über Nacht verschwunden ist und nur zweimal wieder auftaucht: einmal durch ein Telefonat und einmal durch einen kurzen Besuch in Abwesenheit der Familie, bei dem er die Ersparnisse von Jake einfach mitnimmt. Was waren seine Motive? Wie steht er zu der Familie, zu seinen Geschwistern? Wie ist es um seinen Charakter bestellt? Hier hätte ich sehr gerne mehr erfahren …

Es handelt sich beim vorliegenden Buch um eine Gebundene Ausgabe mit sehr ansprechender Covergestaltung. Zwei Jungen, die Steine ins Wasser werfen, vor ihnen die unendliche Weite des Meeres, unterbrochen von zwei kleinen Inseln. Das Ganze wurde in blassem blaugrau gehalten und allein die Optik schafft es, den Leser auf den Klappentext neugierig zu machen. Die Unterteilung der Kapitel in Sichtweise seitens Mary abwechselnd mit der Sichtweise von Jake macht das Buch interessant und ermöglicht eine rasche Orientierung beim Lesen.

Fazit: Isabel Ashdown hat ein Buch geschrieben, das seine Geschichte nicht einfach als pures Lesevergnügen serviert. Sie macht es dem Leser nicht so einfach. Vielmehr handelt es sich hierbei um eine Erzählung, die es verlangt, sich vollständig ins Geschehen hinein zu begeben, die ihre Geheimnisse nur nach und nach Preis gibt und nicht mit einer Fülle von Informationen überquillt, sondern mit leisen Andeutungen arbeitet. Das Unausgesprochene, das in vielen Familien im Raum steht, spielt hier die Hauptrolle. Die Antwort auf die Fragen des Lesers findet sich zwischen den Zeilen, findet sich in den wechselnden Erzählungen von Mary und Jake.

Veröffentlicht am 17.04.2018

Opfertod

Opfertod
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Die Protagonistin dieses Romans, Lena Peters, ist auf dem Heimweg von einer Joggingrunde, als sie einen Verdächtigen im Garten ihrer kleinen Wohnung entdeckt, ihn überrumpelt und ihm eine blutige Nase ...

Die Protagonistin dieses Romans, Lena Peters, ist auf dem Heimweg von einer Joggingrunde, als sie einen Verdächtigen im Garten ihrer kleinen Wohnung entdeckt, ihn überrumpelt und ihm eine blutige Nase schlägt.

Die junge Profilerin meint, im Erdboden versinken zu müssen, als ihr wenig später klar gemacht wird, dass es sich bei dem Mann um ihren zukünftigen Arbeitgeber, Volker Drescher, handelt. Der Kriminalist hält große Stücke auf die Kriminalpsychologin und holte sie anlässlich der Jagd auf einen Serienkiller, der Berlin in Angst und Schrecken versetzt, in sein Team.

Nach dem etwas misslungenen ersten Aufeinandertreffen wird Lena am nächsten Morgen auf dem Präsidium mit der Erstellung eines Täterprofiles betraut. Ihr Scharfsinn, die Aufmerksamkeit und die klugen Schlussfolgerungen lassen Lena rasch zu ersten Ergebnissen kommen, eine Kompetenzüberschreitung ihrerseits führt jedoch schon bald zu ihrem Ausschluss aus dem Ermittlungsteam. Als weitere Frauen ermordet werden und Lena in einer von den Leichen ihre Jugendfreundin vermutet, führt sie ihre Ermittlungen kurzerhand auf eigene Faust weiter. Sie verfolgt einige Spuren und bei der Überprüfung und Beschattung eines Verdächtigen kommt es zum Zusammentreffen mit Wulf Belling, einem ehemaligen Polizisten. Wulf Belling und Lena Peters werden zu einem eingeschworenen Team, und als sie dem Täter gefährlich nahe kommen, dreht dieser den Spieß um. Plötzlich richtet der Killer sein Augenmerk auf Lena, und die Jagd beginnt …

Die Autorin hat mit der Beschreibung ihrer Protagonistin einen interessanten Einstieg in ihr Buch gewählt. Die Geschichte Lenas, ihr Umfeld, Bruchstücke aus ihrer Vergangenheit, die nach und nach um viele Details erweitert werden und schließlich zu einem Gesamtbild führen, ist in einem flüssigen Schreibstil gehalten und weckt das Interesse des Lesers. Der Plot weist einen konstanten Spannungsbogen auf, der sich gegen Ende des Buches steigert. Eine falsche Fährte, die beharrlich verfolgt, von Lena jedoch bereits zu Beginn kritisch beäugt wird, scheint mir persönlich ein wenig zu fadenscheinig, um glaubwürdig zu wirken. Dennoch harrt man neugierig des Fortschritts der Geschichte, um letztendlich mit einem grausamen Szenario konfrontiert zu werden.

Bei den handelnden Figuren in diesem Thriller konzentriert sich Hanna Winter speziell auf ihre Protagonisten Lena Peters und Wulf Belling, und diese beiden sind es auch, die am detailliertesten charakterisiert werden. In „Opfertod“ erfährt man einiges über die dunkle Vergangenheit Lenas und ihre Beziehung zur Zwillingsschwester Tamara, die nach dem tödlichen Autounfall ihrer Eltern in einem Internat für schwer erziehbare Jugendliche aufwachsen musste. Die beiden Schwestern ähneln sich äußerlich zwar aufs Haar, sind in ihrem Charakter und Verhalten jedoch völlig verschieden. Wulf Belling weckte als „Anti-Held“ meine volle Sympathie. Seine Gutmütigkeit, die Hilfsbereitschaft und sein Einsatz bei den Ermittlungen wie auch seine gescheiterte Beziehung und die Hoffnung auf einen Neubeginn mit seiner Exfrau Helena lassen ihn liebenswert erscheinen, die Probleme mit seiner pubertierenden Tochter Marietta erzeugen eine spürbare Hilflosigkeit in ihm.

Auf die Nebenfiguren ging die Autorin nur kurz ein, zeichnete dennoch ein deutliches Bild von ihnen. Volker Drescher, Lenas Vorgesetzter, ist anfangs schwer einzuschätzen und lässt sich nicht in die Karten schauen. Zwei Kollegen Lenas, nämlich Rebecca Brandt und Ben Vogt, ihres Zeichens gute Kriminalisten, scheinen eine Abneigung gegen die „Neue“ zu hegen, es kommt zu Eifersüchteleien und Intrigen.

Eine unbekannte Größe in diesem Buch stellt die Vorgängerin Lenas, die geheimnisvolle Dr. Cornelia Dobelli dar, und schließlich ist da noch die Person des Killers, von der Presse „Stümmler“ genannt, der sich selber jedoch eitel als „Artefix“ tituliert. Sie alle bilden den Kern der handelnden Personen und beziehen den Leser in die Geschichte ein.

Die Aufmachung dieses Taschenbuches ist nicht nur aus optischer, sondern auch aus haptischer Sicht äußerst gelungen. Der tiefschwarze Hintergrund wirkt bedrohlich, der zentrierte und in großen, silbernen Lettern angeführte Name der Autorin zieht den Blick des Betrachters unweigerlich auf sich. Sobald man die weiße Taube mit den an den Spitzen rötlich gefärbten Federn berührt, spürt man die erhobene, gummiert wirkende Oberfläche, die sich teilweise auch in den roten Lettern des Titels bemerkbar macht.

Der Inhalt des Buches ist in kurze, meist nur einige Seiten lange, Kapitel eingeteilt. Besonders hervorheben möchte ich die Tatsache, dass die Autorin ihren Protagonisten auf der ersten Seite eine Auflistung gewidmet hat. Die Ermittlerin, ihr Partner und der Täter werden kurz beschrieben, nachfolgend die bereits erschienenen Werke Hanna Winters angeführt – eine Vorgehensweise, die ich mir bei jeder Lektüre wünschen würde.

Nachdem sich in meiner ersten Lektüre dieser Autorin („Seelenriss“) viele Passagen auf den ersten Band („Opfertod“) bezogen und einige Protagonisten im zweiten Band nur am Rande erwähnt, im ersten Band jedoch detaillierter vorgestellt wurden, empfehle ich jedem potentiellen Leser, sich an die korrekte Reihenfolge zu halten.

Nachdem ich sowohl inhaltlich, als auch vom Schreibstil gesehen, großen Gefallen an „Seelenriss“ gefunden hatte, interessierte mich auch der erste Band der Serie um die Kriminalpsychologin Lena Peters. Ich fand zwar einige Details ein wenig unausgegoren und vermisste eingehendere Informationen betreffend die Motive und die Person des Mörders, vergebe „Opfertod“ jedoch nichtsdestotrotz vier Bewertungssterne. Ich werde die Serie um die junge Kriminalpsychologin Lena Peters gerne weiter verfolgen.



(Rezension zum Printexemplar)

Veröffentlicht am 17.04.2018

Ohne ein Wort

Ohne ein Wort
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Die Handlung dieses Psychothrillers dreht sich beinahe ausschließlich um das Verschwinden von Cynthias Familie. Eines Morgens, als sie aufwacht, sind Vater, Mutter und Bruder verschwunden. Und kehren nie ...

Die Handlung dieses Psychothrillers dreht sich beinahe ausschließlich um das Verschwinden von Cynthias Familie. Eines Morgens, als sie aufwacht, sind Vater, Mutter und Bruder verschwunden. Und kehren nie wieder zurück. Dieses Thema zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch und Linwood Barclay hat daraus einen dermaßen spannenden Psychothriller fabriziert, dass es mir nicht gelungen ist, dieses Buch aus der Hand zu legen.

Die Frage nach dem „Warum“ und ob ihre Familie noch am Leben ist, beschäftigt Cynthia von ihrem 14. Lebensjahr an. Und je näher sie an die Geheimnisse von Damals rührt, in umso größere Gefahr begibt sie sich dabei.

Das Buch ist aus der Sicht von Cynthias Ehemann, Terry, erzählt, die Autorin benutzte dafür die Ich-Form. Kapitelweise sind Dialoge zwischen dem Mörder und einer weiteren Person eingeflochten, die jedoch bis zuletzt als „große Unbekannte“ gehandelt werden, deren Inhalte aber immer mehr zur Aufklärung dieses mysteriösen Falles beizutragen scheinen.

Barclay beginnt bereits mit einem sehr spannenden Einstieg in die Geschichte, indem er den Tag des Verschwindens genau schildert, die Spannung wird das ganze Buch über aufrecht gehalten und ein erstaunliches Finale mit eskalierender Gewalt und einigen unerwarteten Wendungen überraschen den Leser.

Barclays Protagonisten haben mich durch ihre gut entwickelte Persönlichkeit anhand detaillierter Charakterbeschreibungen beeindruckt. Bei den Nebenfiguren hätte ich mir jedoch mehr Tiefe erwartet, Grace und Rolly wie auch Tess, die immerhin eine nicht unbedeutende Rolle in diesem Plot spielen, blieben mir bis zum Schluss fremd und wenig glaubwürdig erschienen mir die Person des „Vince“ sowie Cynthias Vater. Der Gegensatz zwischen Denken und Handeln, zwischen dem, was sie als Personen darstellen und der Art, wie sie tatsächlich in der Geschichte agierten, war für mich unlogisch und nicht stimmig. Hierfür ziehe ich diesem ansonsten ausgezeichneten Psychothriller auch einen Stern ab.

Es handelt sich hierbei um ein Taschenbuch mit düsterem Cover. In den beiden Buchstaben „0“ befinden sich jeweils ein Mann und eine Frau, im „R“ ein kleinerer Mann. Ich nehme an, dies symbolisiert die verschwundene Familie, Vater, Mutter und Sohn. Die Einteilung in fünfzig Kapitel und die dazwischen auftretenden, kursiv gedruckten Dialoge zwischen dem Mörder und seinem Komplizen waren interessant gestaltet und trugen viel zur Übersichtlichkeit des Textes bei.

„Ohne ein Wort“ war im wahrsten Sinne des Wortes ein „Volltreffer“. Ein grandioser Psychothriller mit einer gehörigen Portion Spannung und genau dosiertem Thrill. Sehr zu empfehlen!

Veröffentlicht am 17.04.2018

Magus. Die Bruderschaft

Magus Die Bruderschaft
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„Magus“ beginnt mit dem Blick durch das Fadenkreuz eines Killers und endet auch genauso. Was zu dieser Situation führte ist Inhalt dieses Thrillers von Arno Strobel.

Es ist die Geschichte eines Geheimbundes, ...

„Magus“ beginnt mit dem Blick durch das Fadenkreuz eines Killers und endet auch genauso. Was zu dieser Situation führte ist Inhalt dieses Thrillers von Arno Strobel.

Es ist die Geschichte eines Geheimbundes, der sogenannten „Simonischen Bruderschaft“, die zielstrebig und durch gründliche Planung nur ein einziges Ziel anstreben: die Weltherrschaft zu übernehmen. Nicht durch Umstürze oder Kriege, sondern durch das Einschleusen von Priestern aus ihren Reihen, die sie bereits im Jungenalter rekrutiert und in eigenen Internaten für ihre Aufgaben ausgebildet hatten. Infiltration, Manipulation und Zeit – mit diesen drei „Waffen“ erreicht dieser Geheimbund beinahe sein Ziel …

Arno Strobel hat seine Idee ausgezeichnet umgesetzt. In umfassenden Rückblenden, durch Datum und Ortsangabe sehr übersichtlich gestaltet, erhält der Leser Einblick in die verschiedenen Stadien dieses globalen Plans. Ich konnte quasi die „Geburt“, den Grundgedanken bis hin zur letzten Konsequenz, dem Anschlag auf den neu gewählten Papst, rekonstruieren und hautnah mit verfolgen. Einzig die Herkunft der „Gründer“ hat mir einen schalen Nachgeschmack hinterlassen. Wieder einmal durften die Nazis die Bösewichte verkörpern und ein wenig zu oft wurden das Naziregime und seine Schrecken in diesem Buch erwähnt. Allein das große Thema „Katholische Kirche“ mit den erstaunlich detaillierten Erläuterungen über interne Vorgänge im Vatikan wäre zusammen mit dem Entstehen der Bruderschaft seitenfüllend gewesen.

Die bereits erwähnte Szene des Attentats, die Anfang und Ende des Buches einläutet, hat Strobel nicht nur textlich, sondern auch in der Cover-Gestaltung durch den Verlag gewählt. Ein sehr aussagekräftiges Element – denn dieser Anschlag könnte die jahrelangen, wenn nicht jahrzehntelangen Bemühungen der gefährlichen Bruderschaft zunichtemachen. Durch die Festnahme des Täters und seine Übergabe wichtiger Dokumente an Bischof Corsetti gelangt jener in Besitz des kostbarsten Schatzes der Bruderschaft: die Simonischen Tagebücher. Dort wird die Entwicklungsgeschichte dieser Verschwörung Wort für Wort wieder gegeben ... und der Leser darf gemeinsam mit dem Bischof in die Geschichte eintauchen, die diese Tagebücher erzählen.

Der Autor hat mit diesem Buch keinen Thriller geliefert, bei dem Verfolgungsjagden den Leser den Atem anhalten lassen. Er zieht hier vielmehr die Fäden im Hintergrund, lässt die Dinge ihren geordneten Lauf gehen und greift in den richtigen Momenten ein. Worauf lange hin gearbeitet wurde, scheint im Moment, als ein zielstrebiges Mitglied der Bruderschaft es ganz an die Spitze schafft, endlich in Erfüllung zu gehen. „Habemus Papam – Wir haben einen neuen Papst“ – ist das der Anfang vom Ende? Ein großartiger Einblick in den innersten „Kreis“ der Kirche mit Andeutungen über die Finanzgebaren, innere Machtkämpfe, Machenschaften und einer Truppe von Männern, die jederzeit zu etwaigen „Problemlösungen“ bereit stehen. Wie gesagt: Andeutungen, keine konkreten Aussagen. Dennoch genug, um dem Leser den Eindruck zu vermitteln, dass auch hier „mehr“ hinter der Fassade existiert, als man vermutet.

Bei der Geschichte der Simoner empfand ich das Thema „Nazis“ ein wenig zu dominierend. Auch die Schilderungen der teilweise sehr brutalen Szenen waren mir zu blutrünstig. Strobel bringt die Allmacht der Gründerväter dieser Bruderschaft unter anderem durch Methoden wie Einschüchterung, Drohungen, Erpressung und Mord zum Ausdruck. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass nur ein einziger Kandidat dieser ausgewählten Jugendlichen seinem Gewissen folgt und während des Theologiestudiums und der Rekrutierung zum Simoner seine Prioritäten setzt - und verweigert. Die unausweichliche Folge, die allen Kandidaten klar ist, ist sofortige Eliminierung, Mord. Doch es sind allesamt charakterstarke, junge Männer, die zudem tief gläubig sind. Hier erkenne ich einen winzigen Widerspruch …

Das Thema „Macht“ und der Missbrauch dieser Macht wurden von Strobel sehr anschaulich beschrieben. Der Umgang des „Obersten Simoner“ mit seiner Frau, seinem Zu-Tode-Quälen des eigenen Kindes und die Schilderungen einiger brutaler Handlungen habe ich als sehr heftig empfunden. Sie verdeutlichen aber, was Strobel damit ausdrücken wollte. Nichts destotrotz möchte ich eine Szene zitieren, ein Rückblick des Papstes, der in diesem Thriller in drei verschiedenen Varianten erzählt wird - hier die wahre, unbeschönigte Version: „Er war zum mächtigsten Mann der Welt geworden. Er sah sich selbst noch einmal an der Hand des Vaters aus den Trümmern steigen, sah diesen jüdischen Jungen aus dem zerstörten Geschäft kriechen und Hilfe suchend auf sie zulaufen. Das grinsende Gesicht seines Vaters, als er ihm die Pistole hinhielt. Und dann dieses unvergleichliche, unbeschreibliche Gefühl, als er, der dreijährige Kurt, diese Waffe nahm. Als er sie, geführt vom starken Arm seines Vaters, an den Kopf des Jungen hielt und abdrückte. Damals hatte er nicht gewusst, was es war, das ihn daran so sehr faszinierte. Einige Jahre später war es ihm klar geworden: Macht! Nie wieder konnte etwas auch nur annähernd einen solchen Rausch in ihm entfachen.“

Sätze wie diese lassen mich beim Lesen schaudern. Und sie lassen mich zudem nicht nur die Gräuel dieser unseligen Zeit begreifen, sondern auch, wie gefährlich am Abgrund wir stehen, wenn Wahnsinnige in der Fassade des gesetzestreuen Bürgers, des Priesters, Bischofs oder Kardinals, an die Macht kommen. Wie zerbrechlich im Grunde unsere „heile Welt“ ist, wie abgrundtief böse das Handeln eines Menschen sein kann.

Bei den Hauptfiguren dieses Buches bin ich ein wenig im Zwiespalt. So grandios gezeichnet der Charakter des Protagonisten Friedrich von Keipen ist, so mangelhaft kam mir im Gegenzug die Beschreibung der Ehefrau vor. Strobel erzählt Friedrich von Keipens Lebensgeschichte in allen Details, lässt auch die Emotionen und Beweggründe nicht zu kurz kommen und vermittelt mithilfe einiger Dialoge mit seinem Gönner Hermann von Settler die überragende Intelligenz dieses Jungen. Seine Intelligenz, aber auch die erbliche Belastung, die sich im Verlauf des Buches in Wahnvorstellungen äußern wird. Evelyn Geimer, die junge Lehrerin, die durch Erpressung und Morddrohungen gegen ihre Eltern dazu gezwungen wird, Von Keipen zu ehelichen, wird als charakterschwach und hilflos gezeichnet. Woher diese Frau stammt, wie sie zur Bruderschaft gestoßen und Ausbilderin der rekrutierten Jungen wurde, aber auch ihr persönlicher Hintergrund – das alles wird mit keinem Wort erwähnt.

Meines Erachtens hätte Strobel viel mehr aus diesem Charakter machen können, hier fand ich einfach keinen richtigen Zugang zu ihr. Evelyns Aufschrei und der Gedanke daran, diesen bösartigen Mann zu verlassen, kommt spät, zu spät. Erst nach dem brutalen Quälen seines jüngeren, schwächlichen Sohnes Franz, der aufgrund der Torturen, die ihm sein Vater beibringt, stirbt, bringt sie zur Besinnung. Jede Mutter muss spätestens hier an diesem Punkt mit einem empörten Aufschrei reagieren. Evelyn erträgt nicht nur stumm die seelischen Qualen, sondern lässt sich ohne Aufmucken von ihren Kindern trennen, lässt sich bevormunden und wird zu einer Befehlsempfängerin und reinen Lust- und Gebärmaschine degradiert. Wahrlich – hier hätte ich mir sehr viel mehr von einer intelligenten Lehrerin erwartet.

Hermann ist der ältere Bruder und potentielle Nachfolger von Friedrich, dem Magus der Bruderschaft. Seine Person wird zwar nicht sehr ausführlich, aber dennoch überzeugend dargestellt. Die Bewunderung und Anerkennung der Allmacht des Vaters wird durch das hautnahe Miterleben vom Tod des Bruders rapide gewandelt. Hermann empfindet ab sofort nur noch abgrundtiefen Hass auf den Vater und schwört Rache. Einige Nebenfiguren werden namentlich erwähnt, charakterlich beschrieben, verleihen im Buch ihren Gedanken und Meinungen Ausdruck und runden das Bild ab.

Beim Cover dieses Taschenbuchs handelt es sich um ein sehr aussagekräftiges Foto eines Papstes im Visier der Mordwaffe – was den Einstieg und zugleich auch das Ende dieses Buches versinnbildlicht. Genialer Gedanke, klasse Ausführung!

Dieser Thriller beinhaltet ein großes Geheimnis, das es zu lösen gilt. Man durchlebt mit dem Autor die Auswirkungen der Nazizeit, schnuppert die Luft des Vatikans und erhascht einige Seitenblicke in Abgründe, wo man niemals welche vermutet hätte. Für interessierte Leser des Spannungsromans absolut zu empfehlen.


Veröffentlicht am 17.04.2018

Gnadenlos

Gnadenlos
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Ein Telefonanruf, der die heile Welt des Protagonisten Tom Meron in Sekundenschnelle zusammen brechen lässt, der blutige Verfolgungsjagden auslöst und skrupellose Auftragskiller auf den Plan ruft. Ein ...

Ein Telefonanruf, der die heile Welt des Protagonisten Tom Meron in Sekundenschnelle zusammen brechen lässt, der blutige Verfolgungsjagden auslöst und skrupellose Auftragskiller auf den Plan ruft. Ein lange zurück liegendes Verbrechen, das um jeden Preis vertuscht werden muss und welches das Ermittlerduo Mike Bolt und Mo Khan auf den Plan ruft. Simon Kernick schreibt von Korruption, Mord, Bestechung, Ehebruch und Kidnapping und verdeutlicht durch seine Geschichte, wie ein plötzliches Ereignis einen langweiligen Alltag in Sekundenschnelle durcheinander bringen kann, wie eine bisher heile Welt urplötzlich aus den Fugen gerät und den Menschen in einen tödlichen Strudel an seine physischen und psychischen Grenzen treibt. Die Umsetzung seiner Idee ist Kernick meines Erachtens bravourös gelungen, insbesondere im Bereich der Spannung.

Der Schreibstil des Autors fand durchaus meine Zustimmung. Die Ich-Form als gewählte Erzählform des Protagonisten Tom hebt sich gut von der Erzählung des Autors ab und verweist auf diese Art noch deutlicher auf den Szenenwechsel (Übergang Erzählung durch Tom zur Erzählung durch Kernick als Beobachter). Die Sprache war zeitweise durchaus brutal, die Beschreibungen blutrünstig – jedoch in diesem Fall zum Thema passend. Eine kleine Leseprobe, ein Dialog von S. 122, veranschaulicht vielleicht, wie sehr dem Leser durch die detaillierten Beschreibungen die Beklemmung, ja die Todesangst, nahe gebracht wird: "Der Bewaffnete trat auf mich zu, hob die Pistole und zielte auf meine Kniescheibe. Ich wand mich wie wild in meinen Fesseln, absolut hilflos, und Angst jagte in heißen, lähmenden Stößen durch meinen Körper. Der Lauf der Pistole kam näher und näher, bis er nur noch dreißig Zentimeter von meinem Knie entfernt war. Ich konnte den Mann dahinter atmen hören. Seine Augen waren grau und ausdrduckslos, ohne das geringste Fünkchen Mitgefühl. Ich wandte den Kopf ab, damit ich diesen Blick nicht länger ertragen musste."

Simon Kernick schafft es hier spielend, mich das ganze Buch hindurch "bei der Stange zu halten" und in gewisser Weise kam es mir vor, als säße ich anstelle von Tom handlungsunfähig und dem Tode nahe vor dem Killer.

Die Spannung wird bereits durch besagten Telefonanruf zu Beginn aufgebaut, Angst und Beklemmung begleiten den Leser bis zur letzten Seite und Szenen wie eben beschrieben verschärfen sich im Tempo und bezüglich Brutalität. Kernick jagte mich gewissermaßen durch dieses Buch und holte im letzten Teil noch einmal gewaltig aus, was Spannung und Thrill angeht. Ein fulminantes Ende mit einigen Überraschungen …

Kernicks Protagonisten, das Ehepaar Tom und Kathy Meron, das Ermittlerduo Mike Bolt und Mo Khan, und der gewissenlose und äußerst brutale Psychopath Lench werden sehr detailliert gezeichnet. Meine Reaktionen als Leserin waren jedoch zwiespältig. Einerseits empfand ich Erleichterung aufgrund der realistischen Beschreibung der Figur des Tom Kernick, der keinen strahlenden, unverwundbaren, mutigen und selbstlosen Held darstellt, sondern einen „Mann von nebenan“ mit all seinen Fehlern und Schwächen. Auf der anderen Seite war mir der Charakter des Auftragskillers Lench nicht stimmig genug … das ganze Buch über ein wenig zu perfekt – zu brutal, zu skrupellos, zu unmenschlich – um dann gegen Ende in ein Verhalten von beinahe weinerlicher Angst umzuschlagen. Hier blieb Kernick seiner Figur des knallharten Bösewichts nicht treu.

Eine bis zuletzt undurchsichtige Person stellt für mich Kathy Meron dar. Auf Kathy wird anfangs eher wenig eingegangen, Kernick übertreibt es jedoch bis zum Finale bei der Darstellung ihrer Person. Ohne zuviel verraten zu wollen, möchte ich dennoch bemerken, dass ich mir ihre vielen Fehltritte und Sünden in so kurzem Zeitraum nicht vorstellen kann. Der Autor gibt mir an dieser Stelle das Gefühl, so viel wie möglich in diesen Charakter verpacken zu wollen. Kathy ist trotz ihrer Schwächen keine Person, die Mitgefühl oder gar Verständnis hervorzurufen vermag. Sehr ansprechend wiederum wirkte das Ermittlerduo Bolt – Khan, das nicht nur realistisch dargestellt wurde, sondern bei dem es Kernick sehr gut gelungen ist, den Gewissenskonflikt der Polizei in Extremsituationen zu beschreiben. Er bringt durch Mike Bolt das viel diskutierte Thema zur Sprache, wie die Hüter des Gesetzes in Sekundenschnelle reagieren, im Grunde über Leben und Tod entscheiden müssen. Auf der einen Seite das strikte Befolgen der Vorschriften im Auge zu behalten – auf der anderen Seite das Richtige zu tun, Loyalität und vor allem Charakterstärke zu zeigen.
Auf die Nebenfiguren des Buches, wie beispielsweise den Freund des Ehepaares, Jack Calley, der den Stein ins Rollen brachte - aber auch auf den geheimnisvollen Drahtzieher im Hintergrund - wird meines Erachtens zu wenig eingegangen. Die Figur „Daniels“ bleibt ein Mysterium und als Leser schwankte ich laufend zwischen den Eindrücken „Guter Cop – böser Cop“, ohne auf die erstaunliche Entwicklung am Ende dieses Thrillers auch nur im Geringsten gefasst zu sein.

Es handelt sich hierbei um ein Taschenbuch mit einem optisch besonders ansprechendem Cover. Dunkler, fast schwarzer Hintergrund, der Blutfleck und die Aufschrift „Gnadenlos“ sind erhoben und mit blutroter Farbgestaltung eindrucksvoll gelungen – allein die Optik vermittelt Grauen und Spannung.

Für den Freund von Spannung ist dieses Paradebeispiel von atemberaubender Spannung und halsbrecherischem Tempo absolut zu empfehlen. Für einen Krimifreund, der die detaillierte Fährtensuche bevorzugt, könnten winzige Logikfehler im Buch störend wirken.

Gemäß dem Zitat der „Times“ habe ich mir zwar keinesfalls „vor Spannung sämtliche Fingernägel abgebissen“, ich muss jedoch zugeben, dass ich bei einigen Passagen durchaus nahe dran war …